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Zedler: Rathschlag HIS-Data
5028-30-965-4
Titel: Rathschlag
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 30 Sp. 965
Jahr: 1741
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 30 S. 492
Vorheriger Artikel: Rathschitz (Bernhard von)
Folgender Artikel: Rathschläge (Militarische)
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Rathschlag, Rath, Anschlag, Consilium, ist nichts anders, als eine Regel, welche weiset, wie iemand eine Verrichtung, so uns die Vernunfft, oder das natürliche Gesetz befiehlet, ins Werck zu richten, damit dadurch unser Nutzen befördert wírd.  
  Denn das natürliche Recht befiehlet überhaupt dasjenige, was der menschlichen Gesellschafft und eintzelen Menschen nöthig und nützlich ist; es determiniret aber nicht die Art, wie man bey so vielen fürfallenden fällen dasjenige erhalten, und dabey seinen Nutzen rechtmäßig beobachten soll, welches letztere die Lehre von der Klugheit zu leben zeiget, wobey allerhand Rath und Anschläge nöthig sind.  
  Man wird hieraus gar  
  {Sp. 966}  
  leicht erkennen, wie ein Rathschlag und ein Gesetz unterschieden sind. Der Rath kan einen von einem Obern, oder geringern, oder seines gleichen gegeben werden, und man kan sich auch selbst einen Rath geben; das Gesetz aber erfordert allezeit eine Ober-Herrschafft über andere. Der Rath ist einem allezeit was angenehmes, das Gesetz ist einem zuwider, der Rath zeiget, wie man etwas thun oder unterlassen soll; das Gesetz, was man zu thun oder zu unterlassen habe. Der Rath führt keine Krafft zu zwingen bey sich; das Gesetz aber begleitet dieselbe allezeit, und was andere Arten des Unterscheids mehr sind, wovon man
  • Pufendorf de jure naturae et gentium ...
  • Thomasium in fund. jur. nat. ...
  • Hochstetter in Collegio Pufendorf. ...
  • Wernher in element. jur. nat. ...
  • Glafey in dem Vernunfft- und Völcker Recht ...
lesen kan.
  Es sind die Rathschläge unterschiedlich;  
  erstlich giebts vernünfftige und unvernünfftige Rathschläge, welche letztere aus den verderbten Neigungen der Ehrfurcht, Wohllust und Gewinnsüchtigkeit, so die gemeine Sorte der Anschläge der Menschen in ihren Geschäfften ist, entstehen, dergleichen nur geschickt sind, unter dem Schein einer Belustigung, Ehre oder eines Gewinsts unser Leben unruhig und unvergnügt zu machen, und macht sich disfalls ein Mensch mit desto grösserer Application und Begierde, und unter desto grösserm und betrüglicherm Schein der Raison, ein unglückseliges Leben, ie grösser die Belustigung ist, die er über solche Eitelkeiten, als die ihm eben in Regard solcher Belustigung Güter zu seyn scheinen, heget.  
  Und wenn er bey solcher Lebhafftigkeit des Gemüths einen fähigen Verstand besitzet, so dienet ihm dieser dazu, andern nur auf eine desto geschäfftigere, künstlichere und intricatere Art das Leben mühselig zu machen, wie solches ein jeder, der nur auf die gemeinen Anschläge der Menschen in hohen u. niedrigen Ständen mit Verstand Achtung giebet, leicht gewahr werden wird, s. Müller über Gracians Oracul Max. 60. ...
  Jene, oder die vernünfftige Rathschläge sind Regeln der gesunden Vernunfft, welche dieselbe aus der Beschaffenheit der Umstände der Sachen darreichet und die ein vernünfftiger den eiteln Eingebungen oder Anschlägen der Wollust, Ehre und Gewinnsucht großmüthig vorzühet.  
  Hernach giebts auch ingenieuse und judicieuse Rathschläge. Jene sind Einfälle oder ingenieuse Erfindungen, welche dazu dienen, daß, wenn sich ein Mensch in einer Verwirrung siehet, daraus er durch judicieuses Nachsinnen oder Widerstand nicht wohl kommen dürffte, oder da ihm vielleicht nicht Zeit dazu gelassen wird, sich durch einen solchen artigen Einfall alsofort zu helfen wisse; die judicieuse sind schaffsinnige Urtheile von der Natur und Beschaffenheit der vorfallenden Sachen.  
  Der fürnehmste Theil der politischen Klugheit bestehet in der Erfindung und Anwendung guter Rathschläge, und dazu wird ein lebhaftes Ingenium und Judicium erfordert, welches letztere insonderheit bey der Anwendung nöthig ist. Denn wenn nur einer bloß die ingenieusen Rathschläge an die Hand giebt, so muß ich mit sattsamen Judicio versehen seyn, damit ich zum wenigsten urtheilen  
  {Sp. 967|S. 493}  
  kan, welche Rathschläge practicabel seyn, oder nicht.  
  Man muß auch urtheilen können, wozu die ingenieusen und judicieusen Rathschläge nützlich sind, und daß die letztern zu Beurtheilung derer entweder von ihm selbst, oder von andern erfundenen und projectirten Anschläge dienen. Diese Klugheit zu rathschlagen (Prudentia Consultatoria) erfordert auch die Erkänntniß der Regeln des Wahrscheinlichen.
  • Thomasius in Entw. der Pol. Klug.
  • und Rohr in der Klugheit zu leben ...
  Siehe auch Consilium, im VI Bande, p. 1033 u. 1034.  
     

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Stand: 7. April 2013 © Hans-Walter Pries