Titel: |
Hoheit |
Quelle: |
Zedler Universal-Lexicon |
Band: |
13 Sp. 479 |
Jahr: |
1735 |
Originaltext: |
Digitalisat BSB
Bd. 13 S. 253 |
Vorheriger Artikel: |
Hohe Jagd |
Folgender Artikel: |
Hohe Landes-Obrigkeit |
Siehe auch: |
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Hinweise: |
- Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe
Hauptartikel
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Text |
Quellenangaben |
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Hoheit. Hoch
nennet man eigentlich das, was an einem
erhabenen
Orte aufgestellet ist; Weil nun die Grossen dieser
Welt gleichsam über
andere erhöhet, und denen geringern zur Verehrung an einem erhabenen Orte
aufgestellet sind, als habe man das
Wort hoch, und die, so davon abstammen, auf
selbige gedeutet. |
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Man hat sich demnach bey solchen Ausdrückungen den
Begriff eines Herrschen
in
Gedancken gemachet, so, daß Hoheit und
Majestät dem innern
Werthe nach beynahe vor gleichgültig angenommen worden. Dieses hat man hernach
weiter gezogen. Hat man denen Leuten eine
Einbildung einer so sonderbaren Grösse
seiner
Kräffte und
Geschicklichkeit beyzubringen
gewust, daß man ihm einen
vortheilhafften
Vorzug
vor vielen seiner Brüder zugestanden, so hat man ihm zugleich eine Hoheit über
sich eingeräumet. |
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Was das sey, wissen wir nicht besser, als mit Gracians
Orac. Max. 103.
Worten auszudrücken: Es lasse ein
Mensch in allen seinen
Thaten etwas
königliches blicken, dergestalt, daß, wenn er auch nicht
würcklich
herrschet, er dennoch in dem
Bezircke
seines
Standes
zu herrschen würdig erfunden werde: Er verfahre königlich in allem, so weit nur
die Beschaffenheit seines
Glücks-Zustandes denen
Würckungen seiner
Weißheit ihre
Grentzen gesetzet. Aus der Scharffsinnigkeit seiner
Gedancken und Überlegungen
lasse er eine Hoheit seiner Thaten erwachsen; damit, wenn er auch äusserlich und
in der That nicht der höheste ist, er doch wenigstens an
Ver- |
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{Sp. 480} |
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diensten in allen Stücken den höhesten
vorstellen
möge, allermassen die
wahrhaffteste und edelste Hoheit auf die richtigste
Vollkommenheit derer
Sitten
und
Thaten ankommet, und solchergestalt ein
Mann, der als ein Muster wahrhaffter
Grösse angesehen werden kan, keine
Ursache hat, andern Leuten die ihnen
beygelegte Hoheit eben zu beneiden. |
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Insonderheit haben diejenigen, die in einer
Republic um den Thron sind,
Ursache,
einen gnugsamen Grad wahrhaffter Hoheit an sich blicken zu lassen, und mehr an
denen zu
wahrer Majestät erforderten
Eigenschafften Theil zu nehmen, als
an dem nichtigen Gepränge der Eitelkeit; mehr nach einer hohen Vortrefflichkeit
des innerlichen
Wesens zu streben, als nach dem äusserl. Pruncke einer blossen
Unvollkommenheit. |
Worüber
Müller in denen Anmerck. mit mehrern
nachzulesen. |
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Itztbeschriebene Hoheit des
Menschen aber kan nicht seyn, wo nicht ein hoher
Geist
in demselben wohnet. Dieß ist,
sagt Gracian Orac. Max.
128. eine der
vornehmsten
Eigenschafften, so zu einem Helden erfordert werden,
allermassen ein hoher Geist das
Gemüthe zu allen
Arten edler
Bewegungen
anflammet. Er erhöhet den Geschmack, er vergrössert das Hertz, er erfüllet den
Verstand mit hohen Betrachtungen, er ermuntert den
Willen zu edlen Regungen, und
disponiret das
gantze Gemüthe zu einem majestätischen Wesen. |
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Wenn er zu einem
Zwecke zu gelangen wünschet,
weiß er durch alle
Schwierigkeit sich einen Weg zu bahnen; und wenn die Mißgunst des Glücks sich
ihm entgegen setzet, suchet er mit desto grösserem Glantze der
Ehre hindurch zu
brechen: In so engen
Grentzen der
Möglichkeit er sich auch beklemmet siehet, so
weiß er doch durch die Grösse seines Muths sich selbige geraum zu machen. Ein
hoher Geist ist der Brunnquell, aus welchem die Großmüthigkeit, die
Generosite, und überhaupt alle Heroische Qualitäten ihren
Ursprung nehmen. |
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Aus so
guten
Eigenschafften nun des
Menschen erzeuget sich ein hohes Wesen
im Umgange. Von selbigen macht
Müller über Gracians Orac.
Max. 42. Anm. 1. diesen Abriß, daß es das sey, was die Frantzosen
Ascendant
nennen, und bestünde in einem äusserlichen
Wesen, darinnen
Ernsthafftigkeit mit Freundlichkeit vermischt wäre, und aus der Belebung des
Gesichtes und derer übrigen
Bewegungen des
Leibes hervorleuchte. |
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Es würden dazu einige besondere
Eigenschafften, theils des
Gemüths, theils
des
Leibes, erfodert. Durch Ernsthafftigkeit würde in den Gemüthern
derjenigen, mit denen ein
Mensch dieser
Art zu schaffen habe, eine hohe
Meynung von ihm, und vermittelst dieser leichte eine Ehrfurcht gegen ihn
erwecket, dadurch er denn eine heimliche Oberherrschafft unvermerckt erlange.
Die dabey hervorleuchtende Freundlichkeit aber verhindere, daß das äusserliche
Wesen nicht hochmüthig und gehäßig scheine, sondern verursache, daß in denen
Gemüthern die Ehrfurcht mit Liebe vermischet, und also ein Trieb erwecket werde,
obgedachte Oberherrschafft einem willig zuzugestehen. |
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Grac. Or. Max. 42.
redet wiederum hiervon sehr
schöne: Dieses hohe ist eine verborgene
Krafft, über andere empor zu schweben,
welche nicht von verdrüßlichen Zwange, sondern von einem durch die
Natur
selbst zum Herrschen abgerichteten natürl.
Wesen ihren
Ursprung haben
muß. Ein
jeder findet sich genöthiget, solcher geheimen
Gewalt
sich zu unterwerffen, ohne zu wissen, wie ihm geschehe, wenn die geheime
Lebhafftigkeit des von der Natur einem solchen
Menschen eingepflantzten
Ehrensehens ihm unter |
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die Augen leuchtet. Die dieses herrische natürliche Wesen an sich haben,
regieren unter denen Menschen als
Herren an Geschicklichkeit, sie sind Löwen
durch einen angebornes
Priuilegium, indem sie derer Hertzen, und
vermittelst derselben derer Zungen aller anderer, durch die ihnen eingejagete
Ehrfurcht sich bemeistern. Wenn diesem natürlichen
Vortheile durch die noch
sonst erforderten
Vollkommenheiten geholffen wird, sind solche Leute dazu
geboren, das primum mobile der menschlichen
Gesellschafft zu seyn, massen sie mit einer durchdringenden Mine mehr
auszurichten vermögen, als andere mit einer mühsamen Weitläufftigkeit. |
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Es mercket aber hierbey noch
Müller l.c. Anmerck.
3. an, daß es Leute gebe, die bloß äusserlich eine zu einem hohen Wesen
geschickte
Bildung
des Gesichts und
gantzen
Leibes hätten, und weil sie den
Vortheil hätten, unter Leuten von
würcklichen hohen Wesen auferzogen zu seyn,
durch blosse äusserliche Angewöhnung des an ihnen immerfort wahrgenommenen
äusserlichen Ansehens von Ernsthafftigkeit und Freundlichkeit solches ihr
äusserliches
Wesen belebten, da aber nichts würckliches weder von dem
angeführten noch andern
Eigenschafften, die sonsten das hohe Wesen, wenn sie
damit verbunden, ungemein
ansehnlich machen könnten, dahinter ist. |
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Dahero man 2ley
Arten des hohen Wesens setzen könte, nemlich ein Todtes, dem
es an wahrhaffter innerlichen Belebung fehle, obgleich der äusserliche materiale
Theil davon zugegen sey; und ein Lebendiges. Jenes habe nur in denen
Gemüthern
des Pöbels, dieses aber auch in denen Gemüthern derer Verständigen eine gute und
beständige Würckung. |
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