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Bewegung, Motus, ist eine continuirliche 				
				Veränderung des 
				Ortes, den ein 
				
				Cörper 
einnimmt. | 
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Indem also ein Cörper beweget wird, so wird derselbe durch die an einander gelegene 
Örter getragen; derowegen, da diese coëxistentia praesupponiren und eine 
				Ordnung 
ausmachen; so ist klar, daß die Bewegung durch einen 
			Raum geschehen  
				müsse, indem das 
Spatium oder der Raum nichts anders ist, als die Ordnung derer coëxistentium. Ferner ist 
auch klar, daß bey einer Bewegung ein Cörper an zwey 
				unterschiedenen Orten zugleich 
nicht seyn könne, sondern daß er successive aus einem Orte in den andern kommen müsse; 
woraus folget, daß keine Bewegung in einem instanti, sondern in einer
				gewissen Zeit, sie 
				mag so klein sein als sie 				
				will, geschehen könne; sintemahl die Zeit nichts anders ist, als die 
Ordnung derer 
				Dinge, die auf einander folgen. | 
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Es wird demnach zu jeder Bewegung ein 
			Raum, durch welchen, und eine Zeit, in 
welcher dieselbige geschiehet, erfordert; wenn wir diesen Raum und die Zeit gegen einander 
halten, so bekommen wir eine neue 
Notion, welche wir die Geschwindigkeit 
				nennen; daß wir 
also eine Bewegung durch die Geschwindigkeit 
			erkennen können, wodurch wir eben 
dasjenige erhalten, als wenn wir den Raum und die Zeit zugleich betrachteten. | 
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Es wird aber die Bewegung, ausser der Geschwindigkeit, auch durch die Gegend 
determiniret, nach welcher sie geschiehet, welches wir die Direction derselbigen nennen. 
Jede Bewegung wird als ein 
				
Effect angesehen, welche
				nothwendig 
caussam praesupponiret; 
diese nennet man die 
Krafft: daß also bey einer Bewegung, eine Krafft, eine 
Geschwindigkeit, unter dieser der 
			Raum und die Zeit, und die Direction in Betrachtung 
gezogen werden muß. | 
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Mich deucht, man könne sich auf solche Art die 
Natur der Bewegung 
				gantz deutlich 
				vorstellen; und es ist zu verwundern, daß über einer so klaren 
				Sache bey denen alten 
Physicis, oder vielmehr 
Metaphysicis, ein so grosser Streit habe entstehen können, welcher 
sie so gar so weit verleitet hat, daß sie alle Bewegung, als eine 
				unmögliche
				Sache, den 
				
				Cörpern abgesprochen haben. | 
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Das				
				vornehmste 
Argument, welches die Unmöglichkeit der Communication der 
Bewegung erweisen soll, ist wohl des Zenonis, das er mit dem 
				Nahmen
Achillis beleget. Es 
verhält sich folgender 
				Gestalt: 
Achilles sey von einer Schild-Kröte um ein endliches Spatium 
entfernet, z.E. | 
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{Sp. 1604} | 
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um 1000. Schritte, und es lauffe Achilles hundert mahl geschwinder als die Schild-Kröte; 
wenn demnach Achilles eine Meile durchwandert hat, so hat in eben derselbigen Zeit die 
Schild-Kröte den hundertsten 
				Theil einer Meile absolviret, und hat also der 
Achilles die 
Schild- Kröte noch nicht eingeholet. Indem nun Achilles, um der Schild- Kröte nach zu 
kommen, denselben hundertsten Theil durchwandert, so ist sie schon wieder um 
1/10000 Theil einer 
Meile fortgerücket; Absolvirt Achilles diesen, so ist die Schild-Kröte 
1/1000000 einer Meile fort 
marchiret, daß also dieselbe der Achilles noch nicht eingeholet hat; und auf solche Art wird 
er sie auch nicht einholen können, indem die Schild-Kröte beständig um 1/100 desselben 
Raumes vorausgehet, welchen der Achilles zu durchstreichen hat. Es ist demnach das 
Spatium, welches der Achilles durchläufft, [Formel] und das 
Spatium der Schild-Kröte [Formel] etc. in 
infinitum. | 
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Dieses ist das beruffene argument des Zenonis, wodurch er die 				
				Zusammenkunfft 
zweyer mit verschiedener Geschwindigkeit bewegten 
				
				Cörper hat unmöglich machen 				
				
				wollen, und welches aufzulösen einige
				gantze
					
Tractate 
				geschrieben haben. Die Auflösung dessen ist 
aber sehr leicht, wenn nur eingeräumet wird, daß ein Cörper mit einer 
				gewissen 
Geschwindigkeit einen endlichen 
			Raum in einer endlichen Zeit durchlauffen könne; welches 
der Zeno in der Bewegung des Achillis durch eine Meile selbst 
praesupponiret. Denn, weil 
aus dem 
				Beweiß klar, daß der 
motus vniformis und velocitas constans sey, so folget, daß die 
Spatia sich wie die Zeiten 
verhalten. | 
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Wir wollen setzen, Achilles lege innerhalb einer Stunde eine Meile zurücke, 
so wird er 1/100 der Meile in 1/100 einer Stunde, 1/100000 der Meile in 1/10000 
einer Stunde und so ferner absolviren. Es 
repraesentiret demnach die Series [Formel] so wohl den 
			Raum, den der 
Achilles durchläufft, als 
auch die Zeit, in welcher er ihn durchwandert. Nun ist aus der Arithmetica infinitorum
bekannt, daß, da die vorhergesetzte Series eine geometrische 
progression, die Summe derselbigen sey [Formel] | 
 
 Wolff. Analys. infinit. ... | 
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Derowegen, wenn wir vorige Seriem von dem 
			Raum, den Achilles 
durchgelauffen, 
			verstehen, so ist derselbige eine Meile und 1/99 einer Meile: verstehen wir es von der Zeit, so 
hat Achilles 1. Stunde und 1/99 derselben, den vorigen Raum zu durchlauffen, zugebracht. 
Beydes ist endlich; derowegen muß Achilles die Schild-Kröte in einer Stunde und 
1/99 
derselben einholen, indem ex concessis der Achilles mit seiner Geschwindigkeit einen 
endlichen Raum in einer endlichen Zeit | 
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{Sp. 1605|S. 818} | 
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absolviren kan. | 
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Es sind noch mehrere objectiones, die die Alten wider die 
notion der Bewegung 
gemacht haben, aber von geringerer Erheblichkeit, als des Zenonis; doch wer dieselben 
beysammen und refutiret sehen will, wird solche in des 
Keills Introduct. ad veram Physicam 
Lect. 6. antreffen. | 
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Wir haben schon oben 
			gesagt, daß die Bewegung eine 
caussam praesupponire. Diese 
ist nun entweder proxima, das ist, der Conatus eines 
				
				Cörpers die 
				Örter derer andern Cörper, 
die in einer gewissen plaga neben einander liegen, einzunehmen; oder sie ist 
occasionalis, 
das ist, der Wiederstand, welcher den zu bewegenden Cörper von andern, in der Gegend, 
nach welcher die Bewegung gerichtet ist, gelegenen Cörpern geschiehet, in so ferne 
derselbe geringer ist, als der conatus des Cörpers sich zu bewegen. | 
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Von dieser caussa occasionali entstehen die 				
				Veränderungen in einer Bewegung; indem 
hierdurch entweder die Ruhe, oder die Geschwindigkeit, oder die direction, oder die 
Geschwindigkeit und direction eines 
				
				Cörpers zugleich verändert wird. Diejenige caussam 
occasionalem, welche einen Cörper aus der Ruhe in Bewegung bringet, oder eines schon 
gleichförmig bewegten Cörpers Geschwindigkeit und direction verändert, nennet 
Newton in 
princip. Philos. natur. ...vim Impressam und leitet dieselbige entweder vom Stoß, oder Druck, 
oder vi centripeta her. | 
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Es richtet sich eine jede Bewegung nach gewissen 
				Gesetzen und 
				Regeln, welche aus 
denen besondern 
					Umständen derer 
Kräfte und deren 
adplication hergeleitet werden. 				
				Z.E. 
also werden zu einer Bewegung in einer krummen Linie mehr als eine Krafft erfordert; indem 
eine einfache Krafft nur eine Bewegung nach der direction einer geraden Linie hervorbringen 
kan etc. wovon aber ein mehreres unter denen 
				Titeln 
leges et regulae motus zu 
ersehen. | 
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Die Bewegung ist das 
				Objectum der Mechanic, indem diese eine 				
				
				Wissenschafft der 
Bewegung ist: ja die doctrin von der Bewegung  
				muß zuerst mit in der Physic vorgetragen 
werden, weilen man in derselbigen die 				
				Ursachen derer  				
				Veränderungen, so bey einem  
				
				Cörper 
geschehen, ausfündig machen 
				soll; keine Veränderung aber in einem Composito ohne 
Bewegung geschehen kan, sintemahl bey derselbigen, entweder die Grösse, oder die Figur, 
oder die Lage derer 
				Theile, welche den Cörper ausmachen, oder der 
				Ort desselbigen 
verändert wird, welches alles 
				nothwendig eine Bewegung erfodert. | 
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Es erhellet hieraus zugleich, was man sich von demjenigen zu versprechen habe, 
welcher das studium Physices antritt, ehe er sich noch in der Mechanic und in der 
theorie der 
Bewegung feste gesetzet; daher es auch kommt, daß man bey dergleichen Leuten öffters 
die absurdesten 
				Meynungen von physicalischen 
				Sachen antrifft, wovon 
				Exempel klar am 
				Tage liegen; und wird hierdurch der Ausspruch des Philosophi allerdings bestätiget. 
[ein Satz 
griechisch], Ignorato motu naturam ignorari necesse est, | 
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überhaupt ist die Bewegung die edelste Affection eines 
				
				Cörpers, wodurch sich die 
Natur 
uns zu 
			erkennen giebt und dergleichen 
				Dinge hervorbringt, bey deren Betrachtung wir 
nothwendig erstaunen müssen. Ja wenn die Bewegung in der 				
				Welt auf einmahl aufhören 
solte; so würde alle Pracht und Zierde in der Welt zu 
				Grunde gehen, keine Sterne würde 
man mehr gläntzen sehen; eine erschreckliche Finsterniß würde unsere Augen 
umgeben; | 
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{Sp. 1606} | 
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ja alles und wir selbst würden in einen 
unendlichen Schlaf gerathen. Denn von der 
Bewegung 
				dependiren die Abwechselungen der 
				Tage und 
Nächte, Kälte und Wärme, Schnee, 
Regen, Heiterkeit und aller Witterung. Durch die 
Bewegung wachsen die Pflantzen, die Bäume 
bekommen dadurch ihre Nahrung; von ihr 
stammet das 
				Leben derer 
Menschen und Thiere 
her, indem dasselbe in nichts anders, als in der 
Circulation des Geblüts bestehet; und überhaupt, 
alles in der 				
				Welt ist in steter Bewegung, wie 
solches von denen neuern 
Metaphysicis erwiesen 
wird.  | 
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	 Wolffs Gedancken 
von GOtt, der Welt und der Seele des Menschen 
… 
 
	-  
				Acta Erud. 1695 …
 
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Schlüßlich ist noch zu 
				erinnern, daß die 
Bewegung nach ihren besondern 
					Umständen 
besondere Beywörter bekomme, als da ist motus 
absolutus, relativus, acceleratus, retardatus etc. 
wovon aber unter gehörigen 
				Titel ein mehreres 
nachzusehen. | 
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