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Zedler: Nothwendig HIS-Data
5028-24-1449-1
Titel: Nothwendig
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 24 Sp. 1449
Jahr: 1740
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 24 S. 744
Vorheriger Artikel: Nothwehr
Folgender Artikel: Nothwendig, das Zeichen
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben und Anmerkungen
  Nothwendig, Necessarium, heisset dasjenige, dessen Gegenstand (oppositum, das, was ihm entgegen gesetzet wird) etwas widersprechendes in sich enthält.  
  Da nun dasjenige, so etwas widersprechendes in sich enthält, unmöglich genennet wird; so ist dasjenige unmöglich, was einem Nothwendigen entgegen gesetzet wird, und wenn das, welches einem Dinge entgegen gesetzet wird, ist, unmöglich ist, so ist dasselbe Ding nothwendig. Auch ist klar, daß das Nothwendige sich nur auf einerley Art determiniren lässet, und also auch nur auf einerley Art seyn kan.  
  Damit man sich besser vorstellen könne, was nothwendig ist, weil daran in allen Wissenschafften, ja auch im gemeinen Leben gar vieles gelegen ist, so wird es nicht unnützlich seyn, es mit einem und dem andern Exempel zu erläutern. Z.E. wenn man sagt: Zwey mal zwey ist viere; so ist der entgegen gesetzte Satz: Zwey mal zwey ist nicht viere, oder: Zwey mal zwey ist mehr oder auch weniger als viere. Da man nun erweisen kan, daß das letztere unmöglich ist; so ist der Satz: Zwey mal zwey ist vier, nothwendig. Und von dergleichen Art sind alle Sätze von den Zahlen in der Arithmetick.  
  Wiederum, wenn man sagt: Ein Dreyeck hat drey Winckel; so ist der entgegen gesetzte Satz: ein Dreyeck hat nicht drey Winckel, das ist, er hat mehr oder weniger als drey Winckel. Da man nun erweisen kan, daß der letztere Satz: ein Dreyeck hat mehr als drey Winckel, unmöglich ist, oder der Erklärung des Dreyeckes widerspricht; so ist es nothwendig, daß ein Dreyeck drey Winckel hat. Und von solcher Beschaffenheit sind alle Gesetze in der Geometrie.  
  Was nothwendig ist, ist auch ewig, das ist, kan weder Anfang noch Ende haben. Denn wenn etwas nothwendig ist, so ist es unmöglich, daß es nicht seyn kan. Hätte es aber einen Anfang oder ein Ende, so könnte es auch nicht seyn. Es lässet sich aber dieser Satz nicht umkehren, denn die Nothwendigkeit hat einen andern Grund als die Ewigkeit.  
  Wiederum was  
  {Sp. 1450}  
  nothwendig ist, das ist unveränderlich. Denn wenn es könnte geändert werden, so könnte es auch nicht seyn, welches dem Begriff des Nothwendigen zuwider läufft.  
  Es ist aber das Nothwendige nicht einerley Art. Was in dieser Welt möglich ist, das muß auch kommen, wenn es nicht schon da gewesen, oder noch da ist und kan unmöglich aussen bleiben. Denn sonst wäre sein Grund, den es in dem gegenwärtigen Zusammenhange der Dinge hat, nicht zureichend, welches aber nicht seyn kan. Auf solche Weise ist es nothwendig. Nemlich es ist nothwendig in Ansehung des gegenwärtigen Zusammenhanges der Dinge, aber nicht schlechterdinges vor sich. Es ist aber allerdings ein mercklicher Unterscheid unter demjenigen, was schlechterdinges nothwendig ist, und was nur unter einer gewissen Bedingung, als in dem gegenwärtigen Falle, in Ansehung des gegenwärtigen Zusammenhanges der Dinge, nothwendig ist. Dahero man auch längst beyde Arten des Nothwendigen durch besondere Namen von einander unterschieden.  
  Denn man nennet nemlich schlechterdinges nothwendig, was vor sich nothwendig ist, oder den Grund der Nothwendigkeit in sich hat, und also unter keiner Bedingung nicht seyn kan: hingegen nothwendig unter einer Bedingung, oder Bedingung-weise Nothwendig, was nur in Ansehung eines andern nothwendig wird, das ist, den Grund der Nothwendigkeit ausser sich hat. Siehe hiervon ein mehrers in dem Artickel: Schlechterdinges nothwendig.  
  Ubrigens sind auch noch folgende Eintheilungen des Nothwendigen zu mercken, da insonderheit die Scholasticker das Nothwendige eingetheilet haben in  
 
1) Necessarium a se ipso, und necessarium per caussam.
 
 
Necessarium a se ipso ist, das keine Ursache seiner Nothwendigkeit hat; als da ist der Satz des Widerspruches, ingleichen GOtt:
 
 
hingegen Necessarium per caussam, oder in ordine ad caussas, heisset, welches eine Ursache seiner Nothwendigkeit hat. Solche Ursache ist entweder eine äusserliche oder innerliche,
davon nachzusehen
  • Hundeshagen in Metaph. …
  • Stahlens Metaph. …
 
2) complexum und incomplexum.
 
 
Necessarium complexum heisset ein Satz, in so fern derselbige so wahr ist, daß er nicht falsch seyn kan, als 2 mahl 2 ist 4.
 
 
Necessarium incomplexum, heisset ein jedes Ding, welches so existiret, daß es nicht kan nicht existiren, als GOtt.
Hundeshagen l.c.
 
3) dependens und independens.
 
 
Necessarium independens ist, welches das erste ist und also nirgends anders woher seine Existentz hat, als GOtt.
 
 
Necessaria dependentia sind die Geschöpffe, welche durch den Willen GOttes hervor gebracht worden sind, und von dessen Willen abhangen.
Martini in Metaph.
 
4) determinatum und indeterminatum.
 
 
Determinatum necessarium wird dasjenige genennet, welches nach der Determination einer Ursache zur Würckung, die da auf einerley Art hervorgebracht worden ist, entstanden ist.
 
 
Was nicht so ist, heißt Necessarium indeterminatum.
Martini l.c. …
 
5) ex neces-
 
{Sp. 1451|S. 745}
 
sitate naturae und simpliciter tale.
 
 
Necessarium simpliciter tale, oder necessarium necessitate absoluta, was weder durch eine endliche noch unendliche Macht, und also durch gar keine Ursache nicht seyn oder anders seyn kan.
 
 
Necessarium ex necessitate naturae, was, ob es wohl durch eine unendliche Macht anders seyn könnte, dennoch aber durch eine endliche Macht nicht anders seyn kan. Diese letztere Art des Nothwendigen wird auch Necessarium secundum quid genennet.
  • Hundeshagen l.c.
  • Martini l.c.
  • Aepini Metaph. …
 
6) mutabile und immutabile, siehe den Artickel: Schlechterdinges nothwendig.
 
 
7) in se und ex hypothesi oder suppositione.
 
 
Necessarium in se, dessen Gegentheil (contrarium) an und vor sich unmöglich ist.
 
 
Necessarium ex hypothesi oder suppositione, welches an und vor sich zufällig ist; wenn man aber eine Ursache setzet, seyn muß.
  • Hundeshagen l.c. …
  • Schmids Metaph. …
 
Das Necessarium in se ist wiederum entweder necessitate naturae oder necessitate absoluta, siehe oben Numer 5.
 
 
8) necessitate consequentis und necessitate consequentiae.
 
 
Necessarium necessitate consequentis ist eben das, was das necessarium absolute tale.
 
 
Necessarium necessitate consequentiae kommt mit dem Necessario ex hypothesi überein
Aepini Metaph. …
 
9) necessitate exigentiae[1] und necessitate expedientiae.
[1] HIS-Data: korrigiert aus: exigent
 
Necessarium necessitate exigentiae ist, ohne welches etwas auf gar keine Art erhalten werden kan.
 
 
Necessarium necessitate expedientiae ist, ohne welches etwas zu erhalten werden kan, es aber doch besser ist, wenn es durch dieses erhalten wird.
 
 
Jenes wird zum Seyn, dieses zum Besser-Seyn einer Sache erfordert.
Aepinus l.c.
  Von dem Nothwendigen sind viele besondere Schrifften vorhanden. Unter den neuen sind nachzulesen
  • Leibnitzens judicium de Hobbesio circa notiones necessarii et contingentis;
  • Joh. Joach. Langens Diss. de necessario et contingenti,
  • u.a.m.
     

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Stand: 24. Februar 2013 © Hans-Walter Pries