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Zedler: Zusammenhang der Dinge HIS-Data
5028-64-567-4
Titel: Zusammenhang der Dinge
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 64 Sp. 567
Jahr: 1750
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 64 S. 297
Vorheriger Artikel: Zusammenhaltung der Blätter
Folgender Artikel: Zusammenhange (in einem unzertrennten)
Siehe auch:
Hinweise:
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  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

  Text Quellenangaben und Anmerkungen
  Zusammenhang der Dinge, oder Verknüpffung der Dinge, Lateinisch Nexus rerum, ist eine wechselsweise Beziehung der Dinge aufeinander (mutua rerum ad se invicem relatio), da nehmlich das eine den hinreichenden Grund von dem andern in sich enthält.  
  I. Umständlichere Erklärung.  
  Es sind nehmlich Dinge mit einander verknüpffet, wenn ein jedes unter ihnen den Grund in sich enthält, warum das andere neben ihm zugleich ist, oder auf dasselbige folget. Z.E. Die Sonne und Erde sind mit einander verknüpffet, weil die Erde durch die Sonne in ihrem veränderlichen Zustande erhalten wird. Der Regen und der Wachsthum der Pflantzen ist mit einander verknüpffet, weil er den Pflantzen Nahrung giebet, und also mit unter die Ursachen seines Wachsthumes gehöret. Die Lufft und die Wärme darinnen halten einen Grund in sich, warum wir in der warmen Lufft leben können, und also sie nebst uns zugleich ist. Das Feuer hält den Grund in sich, warum das Wasser kochet; und, wenn man heißes siedendes Wasser hat, das bey dem Feuer nicht mehr stehet, ist der Grund dieses seines veränderten Zustandes in dem vorhergehenden zu suchen, da es über dem Feuer gestanden.  
  Der Grund ist dasjenige, warum das andere ist. Also, wenn wir vorhin gesaget, daß in der Sonne der Grund zu finden sey, warum die Erde in dem Zustande einer Erde ist, so hat es so viel zu sagen, daß in der Sonne etwas zu finden, daraus man verstehen kan, wie die Erde in dem Zustande einer Erde seyn kan, das ist, wie sie fruchtbar und wohnbar erhalten wird, denn die Sonne wircket dieses durch ihre Wärme. Und so ist auch der Verstand von den andern angeführten Exempeln.  
  Cicero de natura Deorum schreibt: Est admirabilis quaedam continuatio seriesque rerum, ut alia ex alia nexa, et omnes inter se aptae colligataeque videantur.  
  II. Benennung des Zusammenhangs der Dinge.  
  Es mercket Herr Bülffinger in seinen Dilucidationibus Philosophicis … gar wohl an, daß man den Zusammenhang der Dinge lieber nexum, als concatenationem rerum nennet, weil das letztere Wort einmahl aus der Stoischen Philosophie und Spinozä Schrifften eine übele Bedeutung erhalten.  
  III. Arten des Zusammenhangs der Dinge.  
  1) Zusammenhang dem Raume nach.  
  Wenn unter denen Dingen, die zugleich sind,  
  {Sp. 568}  
  eines den Grund in sich enthält, warum das andere neben ihm zugleich ist; so hat ein jedes unter ihnen seine besondere Art, wie es mit den übrigen zugleich ist. Derowegen hat jedes seinen besondern Ort, und also sind sie dem Raume nach mit einander verknüpfft.  
  Die Verknüpffung dem Raume nach zeiget gemeiniglich, wie immer eines um des andern willen ist, und führet uns demnach zu den Absichten der natürlichen Dinge, und folgends zur Weisheit GOttes. Das oben gegebene Exempel von der Sonne und von der warmen Lufft, in der wir leben, erläutert, was wir gesaget.  
     
  2) Zusammenhang der Zeit nach.  
  Wenn unter denen Dingen, die auf einander folgen, das vorhergehende den Grund in sich enthält, warum das andere nachgefolgte, und hingegen das nachfolgende den Grund, warum jenes vorhergegangen; so folgen sie in einer Ordnung auf einander, und also sind sie der Zeit nach mit einander verknüpffet.  
  Die Verknüpffung der Zeit nach erhellet gröstentheils daraus, wie auf eine verständliche Weise die natürliche Veränderungen aus ihren Ursachen erfolgen, und führet uns demnach zur Erkenntniß der natürlichen Ursachen, derer wir uns als Mittel gebrauchen müssen, wenn wir von natürlichen Dingen etwas erhalten wollen, z.E. wie man die Erde pflügen, düngen und besäen muß, wenn man sich auf eine reiche Erndte Hoffnung machen will.  
     
  IV. Mehrere Arten des Zusammenhangs der Dinge.  
  1) Sowohl die Cörper selbst, als auch ihre Veränderungen haben gegeneinander ein solches Verhalten, dergleichen zwischen würckenden Ursachen und Würckungen befindlich ist. Da nun zwischen einer Ursache und Würckung eine Verknüpffung ist; so ist zuförderst der NEXUS EFFECTIVUS zu mercken.  
  2) Die cörperlichen Dinge können zu verschiedenen Nutzen angewendet werden, welchen sie uns auch würcklich, wie die Erfahrung zeiget, öffters leisten. Weil nun nichts gefunden wird, das nicht etwas nutzen könne; zwischen dem Nutzen aber und dem Dinge, das den Nutzen giebet, ein Zusammenhang ist: so kommet auch der NEXUS UTILITATIS ET USUUM zu mercken.  
  3) In der natürlichen Gottesgelahrheit wird erwiesen, daß alle Nutz-Anwendungen GOttes Absichten seyn; und daß das eine immer als ein Mittel das andere befördern müsse. Wenn nun zwischen Absichten und Mitteln nicht minder ein Zusammenhang ist: so nehmen wir auch in der Welt den NEXUM FINALEM an.  
  4) Das Wesen hält den hinreichenden Grund von den Eigenschafften, und dem natürlichen Geschicke eines Dinges, in sich. Folglich ist auch unter ihnen eine Verknüpffung. Weil nun ein Ding, das ein Wesen, Eigenschafften, und zufällige Prädicate hat, ein Subject genennet wird: So kan man dieses den NEXUM SUBJECTIVUM nennen.  
  {Sp. 569|S. 298}  
  Und endlich  
  5) verhalten sich die Dinge als Zeichen und bezeichnete Sachen gegen einander; eines hat seinen hinreichenden Grund in dem andern, darum ist unter ihnen eine Verknüpffung, welchen wir NEXUM SIGNIFICATIVUM nennen wollen.  
  Die erste, andre und letzte Art des Zusammenhanges ist vornehmlich bey denen Dingen, welche auf einander folgen; doch gehören die Signa demonstrativa auch zu denen Dingen, welche neben einander sind. Das übrige aber unterhält besonders den Zusammenhang zugleich seyender (coexistirender) Dinge. Stiebritzens Erläuterung der Wolffischen vernünfftigen Gedancken von allen Dingen überhaupt, der Welt, und der Seele des Menschen ...
     
  V. Daß in der Welt alles dem Raume und der Zeit nach verknüpffet sey.  
  Da nun die Dinge in der Welt mit einander verknüpffet sind, sowohl in soweit sie zugleich sind, als in soweit sie auf einander folgen, (denn die Welt ist eine Reihe veränderlicher Dinge, die neben einander sind, und auf einander folgen, insgesammt aber mit einander verknüpffet sind); so sind sie sowohl dem Raume, als der Zeit nach mit einander verknüpfft.  
  Was der Zeit und dem Raume nach mit einander verknüpffet ist; machet zusammen eines aus. Denn aus der Verknüpffung des verschiedenen dem Raume und der Zeit nach erkennet man, daß es nur ein Ding sey. Da nun in der Welt der Zeit und dem Raume nach alles mit einander verknüpffet ist; so ist die Welt als ein Ding anzusehen.  
  Derowegen ist die Welt ein Gantzes, und die Dinge, welche neben einander sind; ingleichen die, so auf einander folgen, sind ihre Theile.  
     
  VI. Verstand des Zusammenhanges der Dinge in der Welt.  
  Der gantze Verstand von der Verknüpffung der Dinge mit einander ist demnach dieser, daß alles in der Welt mit Grund (Raison) neben einander geordnet sey und mit Grund (Raison) eine Veränderung auf die andere erfolge, das ist, es sey allezeit etwas zu finden, daraus sich verstehen lässet, warum eines neben dem andern zugleich ist, und wie die Veränderung einer Sache erfolget, oder sie aus einem Zustande in den andern kommet. Wenn wir es nicht finden können, so lieget blos die Schuld an uns, nicht an der Sache.  
  Wer sich ein wenig in der Physick umgesehen, wo man sowohl die Ursachen von den Wirckungen, als die Absichten der natürlichen Dinge anzeiget, der wird finden, daß durch diese Verknüpffung in der Welt nichts weiter gesuchet wird, als wie die darinnen befindliche Dinge und ihre Veränderungen von denen End- und wirckenden Ursachen (causis finalibus et efficientibus) oder den göttlichen Absichten und denen von GOtt verordneten natürlichen Ursachen abhangen. Man könnte sogar die Erklärung oder Definition machen, daß der Zusammenhang derer materiellen Dinge sey eine Abhangung (dependentia) von denen End- und wirckenden Ursachen.  
  {Sp. 570}  
  Ob nun wohl eine allgemeine Verknüpffung der Dinge in der Welt vorhanden, welche man die Allgemeine Übereinstimmung (HARMONIAM UNIVERSALEM) der Dinge zu nennen pfleget; so wird doch hier hauptsächlich von den Cörpern gehandelt.  
     
  VII. Beweis der Verknüpffung der Dinge in der Welt.  
  1) Dem Raume nach.  
  Es kan niemand leugnen, daß nicht GOtt in der Welt immer eines um des andern willen gemachet hat, wenn er sich auch nur darinnen ein wenig umgesehen, oder vernünfftig erweget, was der Herr Baron von Wolff in seiner Deutschen Metaphysick … erwiesen, daß solches vermöge der Allwissenheit und Weisheit, ja übrigen Eigenschafften GOttes nicht hat ausbleiben können. Und also muß ein jeder die Verknüpffung dem Raume nach einräumen, die hier behauptet wird.  
  Will er diese leugnen, so muß er nicht mehr zugeben, daß immer eines um des andern willen ist, und daß die Natur voll göttlicher Absichten sey. Z.E. er muß in dem Baue des Auges einige Dinge zugeben, die nicht zum Sehen dienen. Alsdenn aber kan man ihn nicht allein aus der Erfahrung überführen, daß er ungegründet in seiner Meynung sey, indem er kein einiges Exempel wird anzuführen wissen, da man ihn nicht des Gegentheils überführen könnte, oder mehr als dieses einzuräumen vonnöthen hätte, daß wir seine Absichten nur noch nicht verstünden; sondern er wird auch durch die Vernunfft können überzeuget werden, daß es denen göttlichen Vollkommenheiten entgegen sey, und er in den Anthropomorphismum verfället, das ist, von GOtt nach sich urtheilet, als wenn er entweder nicht alles vorher gesehen, noch in seinem Rathe alles erwogen hätte, und so weiter.  
     
  2) Der Zeit nach.  
  Es kan auch niemand leugnen, daß alle natürliche Veränderungen ihre natürliche Ursachen haben, und daß diese ihrem Wesen und den Regeln der Bewegung gemäß wircken, auch ein jeder Cörper, darinnen sich eine Veränderung ereignet, seinem Wesen und vorhergehenden Zustand nach dazu aufgeleget ist, maßen sonst eine jede Ursache ohne Unterscheid alles wircken, und in einem jeden Cörper ohne Unterscheid eine jede Veränderung hervorbringen könnte. Und also muß ein jeder die Verknüpffung der Zeit nach einräumen, die hier behauptet wird.  
  Will er diese leugnen, so verfället er in eine Stoische oder Muhametanische Fatalität, wie man sie zu nennen pfleget, da man sich einbildet, man könne entweder ohne die rechten Mittel, oder auch wohl gar ohne alle Mittel zu gebrauchen in der Natur erhalten, was man wolle; und wirfft den gantzen Grund der Physick über den Hauffen, die darauf erbauet ist, maßen man darinnen keine andere Absicht hat, als zu erklären, wie die natürlichen Veränderungen aus ihren Ursachen auf eine verständliche Weise erfolgen, indem die Ursachen ihrem Wesen und den Regeln der Bewegung gemäß wircken, und die Cörper, in denen sich die Ver-  
  {Sp. 571|S. 299}  
  änderung äussert, vermöge ihres Wesens und ihres Zustandes dazu aufgeleget sind.  
  * * *  
  Wer die allgemeinen Begriffe vom Thun und Leidenschafft inne hat, (daß nehmlich Thun, actio, sey eine Veränderung, davon der Grund in der Sache anzutreffen, die verändert wird; und Leidenschafft, passio, eine Veränderung, davon der Grund in einer andern Sache, als die verändert wird, anzutreffen), wird sich hierein leicht finden; noch leichter aber, wer sich in des Herrn Barons von Wolff Physick umgesehen, sowohl wo von den Absichten der natürlichen Dinge, als wo von den Ursachen ihrer Wirckungen gehandelt worden. Man wird auch sehen, daß blos diejenigen sich darein nicht finden können, die in der Physick unerfahren, und nicht gewohnet sind, Sachen in ihrem Zusammenhange mit einander zu erwegen, welche der gelehrte Jesuit Castel l'Esprits de Detaille nennet.  
     
  VIII. Nutzen der Lehre von der Verknüpffung der Dinge in der Welt.  
  1) Sie machet die Welt zu einem Spiegel der Weisheit GOttes.  
  Oben ist erwiesen worden, daß in der Welt alles der Zeit und dem Raume nach mit einander verknüpffet sey, und ein jedes einen zureichenden Grund in sich hat, warum das andere neben ihm zugleich ist, oder nach ihm folget. Und dieses ist die Ursache, daß eines zur Absicht, das andere zum Mittel werden kan. Wenn man diese Verknüpffung durch den gantzen Raum und durch die gantze Zeit durchgehet; so lässet sich auch immer eine Absicht zum Mittel der ferneren machen. Ja wenn dasjenige, was jetzund geschiehet, durch alles das determiniret wird, was vorhergegangen; so wird alles vorhergehende ein Mittel zu der folgenden Absicht. Und demnach machet die Verknüpffung oder der Zusammenhang der Dinge in der Welt mit einander dieselbe zu einem Spiegel der göttlichen Weisheit, und giebet zugleich durch die Menge der mit einander verknüpfften Dinge die Grösse der Weisheit GOttes zu erkennen, daß wir hier die Unendlichkeit derselben verstehen lernen, und sie zu schmecken und zu sehen beginnen.  
  Es ist demnach diese Verknüpffung oder Zusammenhang der Dinge dem Raume und der Zeit nach in einer Welt eine herrliche Eigenschafft derselben, weil sie dieselbe zu einem so vortrefflichen Spiegel einer der herrlichsten Eigenschafften GOttes machet. Man setze, es sey nicht alles in der Welt dem Raume unter Zeit nach mit einander verknüpfft, sondern die Dinge vielmehr von einander getrennet, daß sich nicht mehr jedes auf alles beziehet; so verschwindet nicht allein die allgemeine Harmonie der Dinge, sondern es verlieren sich auch viele Absichten in der Welt und viele Mittel, die sonst darinnen zu finden sind.  
  Ja es sind auch nicht mehr die Absichten so wie vorhin mit einander insgesammt verbunden, daß immer eine ein Mittel der andern wird. Und solchergestalt ist klar, daß nicht mehr so viel Weisheit GOttes in der Welt übrig bleibet, noch auch eine so grosse göttliche Weisheit darinnen angetroffen wird, wie vorhin: Denn je mehrere Ab-  
  {Sp. 572}  
  sichten durch geschickte Mittel erreichet werden, je mehr sind Wirckungen der Weisheit vorhanden, und je mehrere Absichten dergestalt mit einander verknüpfft, daß wir immer eines als eine Absicht des andern, und das andere als ein Mittel dieselbe Absicht zu erreichen ansehen können, und solchergestalt sowohl in Ansehung des Raumes, als der Zeit immer eines um des andern willen ist; so ist alle Weisheit in der Welt anzutreffen, die in ihr hat statt finden können, und bleibet nicht das geringste übrig, dabey noch eine Probe der Weisheit hätte abgeleget werden können.  
  Ja es ist nicht möglich, daß man eine Welt erdichten kan, darinnen sich mehrere Weisheit befinden solte, oder die mit grösserer Weisheit wäre eingerichtet worden. Und demnach machet die Verknüpffung aller Dinge mit einander in der Welt dieselbe zu einem solchen Spiegel der göttlichen Weisheit, daß man darinnen klärlich erblicket, GOtt beweise in seinen Wercken die allergrößte Weisheit, die möglich ist: Ja sie machet zugleich zur Quelle seiner Weisheit eine unendliche Erkenntnis.  
  Man solte nicht meynen, daß jemanden, der einen GOtt mit unendlicher Erkenntniß und unerforschlicher Weisheit zugiebet, ein solches Bild der Welt mißfallen könnte: Vielweniger solte man glauben, daß man von demjenigen, der es verfertiget, urtheilen wolte, er wäre der Ehre GOttes zuwider, ja durch seine Welt würden die Menschen von der Erkenntniß GOttes gar abgeführet. Und in der That ist es auch schwer zu glauben, daß jemand, der dieses Bild recht angesehen und kennet, auf dergleichen Gedancken gerathen, und es mit Aufrichtigkeit sagen kan.  
  Ja, wenn wir auch auf die Erfahrung Acht geben, wer denn diejenigen sind, die ihnen hierbey so seltsame Gedancken machen; so finden wir, daß es Leute sind, die sich in ihren Urtheilen übereilen, und die Sache verwerffen, ehe sie dieselbe recht angesehen und kennen lernen, entweder aus einem Vorurtheile, so sie einmahl gefasset, oder auch wohl aus übelen Affecten, die sie entweder blenden, daß sie die Wahrheit nicht sehen, oder auch wider ihr Gewisse zu schelten verleiten, was sie selbst als gut erkennen.  
  Denn denen dieses vortreffliche Bild der Welt, dadurch sie zu dem rechten Meister-Stücke eines mit unendlichen Verstande und vollkommener Weisheit begabten Künstlers wird, nicht anstehen will, die geben vor und wollen es andere überreden, als wenn dadurch eine unvermeidliche Nothwendigkeit in allen Dingen eingeführet würde, woraus nach diesem ein jeder ferner folgert, was ihm entweder sein Gedächtniß beybringet, oder seine Art zu schlüssen an die Hand giebet.  
  Wer aber die Sache mit rechten Augen ansiehet, der kan gar nicht ersehen, wo die Nothwendigkeit herkommen soll, die man für unvermeidlich ausgiebet. Denn anfangs ist keine unvermeidliche Nothwendigkeit vorhanden in Ansehung GOttes, maßen die cörperliche Dinge noch auf unzählich viel andere Art der Zeit und dem Raume nach sich mit einander verknüpffen lassen, als sie in dieser Welt mit einander verknüpffet sind, und dannenhero ist kein inwendiger Zwang in GOtt gewesen, daß er die gegenwärtige Verknüpffung der Dinge hat nehmen dörffen sondern er hat sie freywillig erwehlet.  
  Also ist sie durch keine  
  {Sp. 573|S. 300}  
  Nothwendigkeit, sondern durch eine freye Wahl zur Würcklichkeit kommen, und daher in ihrer Würcklichkeit zufällig, da sie auch anders hätte seyn können. Darnach ist auch keine unvermeidliche Nothwendigkeit in den Begebenheiten der Natur, weil die Dinge mit einander insgesammt verknüpfft sind, durch einen freyen Rathschluß GOttes. Denn dieses zeiget weiter nichts an, als daß die Mittel, welche GOtt verordnet seine Absichten zu erreichen, dazu zu reichen. Dadurch aber, das Mittel erwehlet worden, dadurch man seine Absicht völlig und gewiß erreichet, wird die Sache nicht von einer unvermeidlichen Nothwendigkeit.  
  Freilich aber kan es nicht geschehen, daß die Sachen nicht so kommen solten, wie sie GOtt vorher verordnet: Denn dieses wäre eben so viel, als wenn er Mittel erwehlet hätte, die ihn zu seinem Zwecke nicht führeten, als wie es bey uns Menschen zu gehen pfleget, daß unser Rath fehlschlägt, weil wir Mittel erwehlet, dadurch man das vorgesetzte Ziel nicht erreichen kan. Und diese Gewißheit, welche in den Dingen darum ist, weil GOtt durch seinen Rathschluß Mittel fest gestellet, die ihn zu seiner Absicht führen, ist eben dasjenige, was die Gottesgelehrten necessitatem physicam, oder die Nothwendigkeit der Natur genennet (Gerhard in Loc. Theol. …)
  denen zu Gefallen der Herr Baron von Wolf dieses Wort behalten hat, unerachtet man es lieber eine Gewißheit, als eine Nothwendigkeit nennen solte.  
  Dergleichen Nothwendigkeit aber findet sich auch, wenn wir freywillig etwas beschliessen, woferne wir nur nicht in Erwehlung der Mittel fehlen. Denn wenn in dem Mittel kein zureichender Grund enthalten wäre, warum die Absicht daraus erfolget; so wäre auch nicht möglich, daß man es dadurch erhielte.  
  Derowegen, wenn man auch gleich setzen wolte, (der Vernunfft und Weisheit GOttes zuwider,) daß nicht alle Dinge in der Welt mit einander verknüpfft wären; so bliebe doch jederzeit auch in den zertrennten Theilen der Welt die Ursache mit ihrer Würckung dergestalt verknüpfft, als wie wir alles darinnen mit einander verknüpfft angegeben, das ist, in der Ursache wäre allezeit etwas zu finden, daraus man verstehen könnte, warum die Würckung aus ihr erfolgete; wie auch noch seine Lebetage kein vernünfftiger Mensch zu leugnen sich unterstanden. Und also bleibet es in Ansehung der Nothwendigkeit der Natur einmahl wie das andere, die Theile der Welt mögen von einander getrennet, oder mit einander verknüpfft seyn. Es ist einerley, ob ich etwas in abgesonderten Theilen, oder in dem Gantzen zugebe.  
  Es zeiget demnach eine schlechte Überlegung an, wenn man in der Verknüpffung aller Dinge in der Welt mit einander den Grund von einer unvermeidlichen Nothwendigkeit suchen will, absonderlich da wir keine weitere Verknüpffung einräumen, als die zwischen richtigen Mitteln und Absichten statt findet, und von GOttes weiser Einrichtung, der nach seinem freyen ungezwungenen Willen das beste erwehlet, herkommet.  
  Es wird hoffentlich niemanden dieses anstößig vorkommen, wenn wir behaupten, GOtt habe von Ewigkeit her diese Verknüpffung feste gestellet wie die Dinge aus einander kommen sollen, und nun nicht nöthig, daß er wie ein Künstler, der sein Werck  
  {Sp. 574}  
  selbst nicht völlig kennet, noch alle seine Zufälle vorher sehen kan, etwas darinnen ändere: Denn wer sich so vergehen wolte, müste GOtt noch nicht recht erkennen, noch die Schrifft gelesen haben, was sie von GOttes Wercken saget. Ein mehrers hiervon findet man in Wolfens Natürlicher Gottesgelahrheit, Th. I, ...
     
  2) Sie machet die Welt zu einem Spiegel der Güte GOttes.  
  Indem GOtt die Dinge in der Welt dergestalt mit einander verknüpffet, daß immer eines dem andern förderlich ist; ja da GOtt die Begebenheiten in der Welt dergestalt mit einander verbunden, daß selbst das widrige, was uns begegnet, und das Böse der Menschen zum Besten ausschlagen muß: so hat er dadurch Proben von seiner Güte abgeleget.  
  Daß diese sichtbare Welt, und was in derselben würcklich ist, vermöge der Verknüpffung auf der Göttlichen Gütigkeit beruhet, in so ferne vermöge derselbigen eines zu dem Nutzen des andern dienet; hat der Herr Baron von Wolf in seiner natürlichen Gottesgelahrheit, … also erwiesen:  
  "Denn der Göttlichen Gütigkeit ist es zuzuschreiben, daß in dieser Welt eines zu dem Nutzen des andern dienet, und verstehet man demnach daraus, warum diese sich vielmehr so als anders verhalte; folglich ist der Grund in der Güte GOttes enthalten, warum GOtt die Verknüpffung der Dinge dergestalt eingerichtet hat, das eines zu den Nutzen des andern dienen muß.  
  Da nun eines auf dem andern beruhet, in so ferne etwas, welches sich darinnen befindet, in demselbigen seinen Grund hat, so beruhet die Welt, und was in derselbigen würcklich ist, vermöge des Zusammenhanges oder Verknüpffung der Dinge, allerdings auf der Güte GOttes, in so ferne vermöge derselbigen eines zu dem Nutzen des andern dienet."  
  Solchergestalt muß auch die Lenckung des Bösen zu einer guten Absicht hieher gerechnet werden, weil man sie der Güte GOttes zu verdancken hat. Denn das Böse wird zu einer guten Absicht gelencket, in soferne GOtt dasselbige als Mittel brauchet, eine gute Absicht zu erreichen; wofern es sich ohne Nachtheil der Weisheit nicht aus dieser Reihe der Dinge wegnehmen lässet. Da nun das Mittel und die Absicht mit einander verknüpffet sind; so gehöret die Lenckung des Bösen auf eine gute Absicht zu der Verknüpffung der Dinge in dieser Welt, als welche darinnen bestehet, daß die Absicht auf dem Mittel beruhet.  
  Es ist demnach nicht nöthig, daß, wenn man beweisen will, es beruhe die Welt auf der Güte GOttes, zugleich der Lenckung des Bösen auf eine gute Absicht insbesondere Erwehnung geschehe. Denn woferne man allen Nutzen überdencket; so wird sich auch die Lenckung des Bösen auf eine gute Absicht einem als gegenwärtig vorstellen. Und eben dieses hat man auch von andern Dingen zu mercken, welche unter den Nutzen, welchen die Sachen gewähren, zu zählen sind, und sich auf eben solche Weise zu der Verknüpffung und dem Zusammenhang der Dinge hinrechnen lassen.  
  Mehr gerühmter Herr Baron von Wolf erweiset l.c. … daß diese sichtbare Welt, und alles, was in derselbigen würcklich ist, ein Spiegel der göttlichen  
  {Sp. 575|S. 301}  
  Güte, in Absicht auf ihre Vollkommenheit, und den Nutzen der Verknüpffung unter allen Dingen sey; auf folgende Art:  
  "Denn diese sichtbare Welt, und alles, was in derselbigen ist, beruhet nicht allein in Absicht ihrer Vollkommenheit auf der Güte GOttes, sondern auch in Absicht auf die Verknüpffung und den Zusammenhang der Dinge, in soferne vermöge derselbigen eines zu dem Nutzen des andern dienet, und demnach dem andern nützlich ist, folglich auch in Absicht auf den Nutzen dieser Verknüpffung.  
  Nun aber ist die Welt, und alles, was sich in derselbigen befindet, ein Spiegel der göttlichen Vollkommenheiten, in soferne sie auf den göttlichen Eigenschafften beruhet. Sie ist demnach in Absicht auf die Vollkommenheit der Dinge, und die Verknüpffung oder den Zusammenhang derselbigen ein Spiegel der göttlichen Güte, in soferne vermöge dessen eines zum Nutzen des andern dienet, oder eines dem andern nützlich ist."  
  Man siehet hieraus, daß die wesentliche und zufällige Vollkommenheit der Dinge, die auf der Verknüpffung der Dinge, vermöge deren eins dem andern nützlich ist, diejenige Leiter sey, durch welche man zu der göttlichen Güte hinauf steiget. In der That wird auch durch die Verknüpffung und den Zusammenhang der Dinge, in welcher die Lenckung des Bösen zur guten Absicht enthalten ist, die göttliche Güte gerettet, an welcher sich sonst zweifeln lässet, sobald man sein Gemüth von jenem wendet. Diejenigen, welche das, was in der Welt geschiehet, der göttlichen Güte entgegen zu seyn erachten, erkennen wenigstens nicht, daß diese Verknüpffung der Dinge unter allen möglichen die beste sey, ja sie bedencken die allgemeine Verknüpffung der Dinge nicht, oder verwerffen sie gantz und gar.  
  GOtt hat demnach diese Welt zum Spiegel seiner Güte gemacht, in soferne er einem jeden Dinge seine wesentliche Vollkommenheit mitgetheilet hat, und die Sachen dergestalt mit einander hat verbinden wollen, daß eines zu dem Nutzen des andern diene, und selbst aus dem Bösen Gutes entstehet, auch ein jedes seine zufällige Vollkommenheit erhält, welche es als ein Theil in Betrachtung des Gantzen haben kan.  
  Es ist demnach nicht zu ersehen, wie diejenigen, welche die Verknüpffung der Dinge verwerffen, und nicht erkennen wollen, daß sie die beste sey, die Güte GOttes retten, und das Gemüth von den Zweifeln befreyen wollen, welche dem Menschen fast täglich, in Absicht auf dieselbige, vorzukommen pflegen, und das Gemüth offtmahls in nicht geringe Bekümmerniß setzen.  
     
  3) Sie machet die Welt zu einem Spiegel der Göttlichen Allwissenheit.  
  Der Herr Baron von Wolf in seiner natürlichen Gottesgelahrheit, Th. I, … erweiset zuförderst, daß diese sichtbare Welt, und alles, was in derselbigen anzutreffen ist, auf der Allwissenheit GOttes, vermöge der Verknüpffung der Dinge beruhe, in soferne dieselbige allgemein und höchst gut ist. Und zwar erweiset er dieses folgender Gestalt:  
  "Denn GOtt hat eine Wissenschafft aller allgemeinen und besondern Wahrheiten, nach der höchsten Stuffe, weil alles in dieser gantzen Welt mit einander verknüpffet ist, und demnach die Verknüpffung oder der Zusam-  
  {Sp. 576}  
  menhang der Dinge allgemein ist. Und um deswillen hat er auch die beste Verknüpffung unter den Dingen erwehlen können, in soferne alle übrige mögliche ihm zugleich bekannt gewesen sind, welches an sich klar ist. Denn woferne ihm die übrigen Verknüpffungen nicht eben sowohl bekannt gewesen wären, als diejenigen, welche sich in dieser sichtbaren Welt, oder dieser Reihe der Dinge befindet; so hätte er nicht wissen können, daß sie die allerbeste sey. Er hat demnach deswegen die beste Verknüpffung der Dinge machen können, weil er alle mögliche Verknüpffung völlig eingesehen hat.  
  Da nun die Allwissenheit, welche GOtt zukommt, eine Wissenschafft aller derjenigen Dinge ist, welche sich nur erkennen lassen, sie mögen nun eintzeln oder allgemein seyn: so lässet sich aus derselbigen allerdings erkennen, wie alle Dinge in dieser Welt auf die beste Weise mit einander haben verknüpffet werden können. Derowegen ist in der göttlichen Allwissenheit der Grund enthalten, warum alle Dinge in dieser sichtbaren Welt mit einander auf die allerbeste Weise verknüpffet sind, folglich, warum die Verknüpffung der Dinge, welche in dieser Reihe der Dinge anzutreffen ist, allgemein und auch die beste ist. Hieraus erhellet nun, daß diese sichtbare Welt, und was sich in derselbigen befindet, auf GOttes Allwissenheit, vermöge der Verknüpffung der Dinge, beruhe, in soferne dieselbige allgemein und die allerbeste ist."  
  Nehmlich, weil GOtt allwissend ist, so ist ihm auch bekannt, auf wie vielerley Weise alle mögliche Dinge mit einander verknüpffet werden können, und was aus der Verknüpffung der zu gleicher Zeit würcklichen Elemente der materiellen Dinge für eine Verknüpffung des auf einander folgenden, Krafft ihres Wesens und ihrer Natur entstehe, kan ihm auch nicht unbekannt seyn, in welcher Welt die beste Verknüpffung der Dinge statt habe.  
  Es hat demnach gar wohl geschehen können, daß alles untereinander auf die beste Weise verknüpffet worden ist, weil er eine Allwissenheit besitzet. Fehlete es ihm aber an der Allwissenheit, so könnte er nicht, als nur von ohngefehr, auf die beste Verknüpffung der Dinge verfallen; soferne man annimmt, daß aus dem Wesen und der Natur der Dinge gleichsam von freyen Stücken erfolge, daß die Verknüpffung allgemein sey, indem man sich etwas möglich erdichtet, ohne daß davon ein deutlicher Begriff in dem göttlichen Verstande seyn dürffe, welches aber falsch ist.  
  Hierauf kommet nun Hr. Wolf l.c. … zu dem Erweise, daß die Welt, vermöge der Verknüpffung der Dinge die Allwissenheit GOttes vorstelle. Solcher Beweis lautet also:  
  "Weil die Welt auf der Allwissenheit GOttes, vermöge der Verknüpffung oder des Zusammenhanges der Dinge beruhet, in soferne dieselbige allgemein und die beste ist, wie in obigen dargethan worden; sie aber einen Spiegel der göttlichen Vollkommenheiten abgiebt, in soferne sie auf den göttlichen Eigenschafften beruhet: so ist sie allerdings ein Spiegel der göttlichen Allwissenheit, vermöge der Verknüpffung der Dinge, in soferne dieselbige allgemein und zugleich die beste ist."  
  Hier hat man nun die Leiter, vermöge deren man von der Betrachtung der Geschöpffe zu der göttlichen Allwissenheit hin-  
  {Sp. 577|S. 302}  
  auf steigen kan. Denn ohnerachtet kein Mensch die allgemeine Verknüpffung der Dinge völlig einsehen kan; vielweniger aber aus Zusammenhaltung derjenigen, welche in der gegenwärtigen Reihe der Dinge befindlich ist, mit den übrigen Verknüpffungen, welche man in den andern Reihen der Dinge wahrnimmt, die höchste Güte GOttes, nach welcher sie jene übertrifft, zu erkennen vermag: So kan dem ungeachtet einer, welcher die Grundwahrheiten der Weltweisheit, ja die gemeinen Sätze, welche man aus den vorkommenden Erfahrungen abnehmen kan, wohl verstehet, die Verknüpffung einer jeden Sache mit den übrigen insgesammt entdecken, und daraus mit Gewißheit erkennen, daß dieselbige allgemein seye. Und ohnerachtet es sehr schwer scheinet, wenn man dasjenige beyseite setzet, was von dem Göttlichen Willen uns aus dem Lichte der Vernunfft bekannt wird, auf eine beweisende Art zu erkennen, daß die gegenwärtige Verknüpffung der Dinge unter allen möglichen die beste sey; so ist auch bekannt, daß sich dieselbige nach der höchsten Wahrscheinlichkeit aus der Erfahrung erkennen lasse.  
     
  4) Sie machet die Welt zu einem Spiegel der Göttlichen Vernunfft.  
  Die Einsicht in den Zusammenhang der Wahrheiten ist dasjenige, was wir Vernunfft zu nennen pflegen. Wer nun durch seinen Verstand Dinge mit einander verknüpffen kan, ehe sie vorhanden sind, der muß Vernunfft haben. Derowegen machet die Verknüpffung der Dinge in der Welt, die von GOttes Verstande herkommet, die Welt zu einem Spiegel der Göttlichen Vernunfft. Da nun die Vernunfft um soviel grösser ist, je mehrere Verknüpffung der Wahrheiten wir einsehen; so zeiget auch die Welt von der Grösse der Göttlichen Vernunfft nicht allein durch die Menge derer Dinge, die mit einander verknüpffet worden, sondern auch durch die Menge der allgemeinen Wahrheiten, die in dieser Verknüpffung zusammen stimmen.  
  Derowegen da in der Welt alles von dem grösten an bis auf das kleineste der Zeit und dem Raume nach verknüpffet ist; so leget die Welt die allerkräfftigste Probe von der Göttlichen Vernunfft ab, indem sie keine grössere gewehren könnte. Und weil kein Wesen, das mit unendlichem Verstande begabet, diese Verknüpffung zu begreiffen oder deutlich zu erkennen fähig ist; so giebet sich dadurch die Göttliche Vernunfft höher als alle andere Vernunfft zu erkennen, ja man erblicket sie als unergründlich.  
  Der Hr Baron von Wolff, wenn er in seiner natürlichen Gottesgelahrheit, I Th. erweisen will, daß die Welt, vermöge der Verknüpffung der Dinge die Vernunfft GOttes vorstelle; so giebt er vorher davon, daß diese sichtbaren Welt, und alles was sich in derselben befindet, vermöge der allgemeinen Verknüpffung der Dinge, auf der höchsten Vernunfft GOttes beruhe, in so ferne die allgemeinen Wahrheiten darinnen mit einander verknüpffet sind, folgenden Beweis:  
  Weil die verständliche Welt, wie man sich dieselbige vermöge des Göttlichen Verstandes gedencket, den Begriff von der vernünfftigen Welt in sich begreiffet, diese aber alle allgemeine mit einander verknüpffte Wahrheiten enthält: So  
  {Sp. 578}  
  erhellet hieraus, daß diese sichtbare Welt und alle eintzele Dinge in derselbigen die allgemeinen Wahrheiten in sich fassen, in so ferne GOtt die besondern Dinge auf eine solche Weise in einen Zusammenhang gebracht, oder mit einander verknüpffet hat, daß ein Zusammenhang der allgemeine Wahrheiten in den besondern enthalten ist.  
  Da nun GOtt die eintzelen Dinge dergestalt hat mit einander verknüpffen können, daß sich in denselbigen die allgemeinen Wahrheiten in einer Verbindung mit einander befinden, in so ferne er die höchste Vernunfft hat, vermöge deren er auf einmahl allen möglichen Zusammenhang der allgemeinen Wahrheiten einsiehet: So lässet sich aus der Vernunfft GOttes erkennen, warum sich allgemeine Wahrheiten in ihrer Verknüpffung in dieser sichtbaren Welt befinden, oder warum in dem Zusammenhange der eintzelen Dinge ein Zusammenhang der allgemeinen Dinge ist; folglich ist in der Vernunfft GOttes der Grund enthalten, warum sich in der allgemeinen Verknüpffung der Dinge in dieser Welt, allgemeine verknüpffte Wahrheiten befinden. Es beruhet demnach diese sichtbare Welt, und alles was darinnen anzutreffen ist, vermöge der Verknüpffung der allgemeinen Dinge, auf der höchsten Vernunfft GOttes, in so ferne darinnen die Allgemeinen Wahrheiten mit einander verknüpffet sind.  
  „Zu der Verknüpffung der Dinge gehöret nicht allein das Beruhen der Dinge auf einander ihren Veränderungen nach, sondern auch das Beruhen der Eigenschafften, und desjenigen, was der Möglichkeit nach als eine Eigenschafft darinnen ist, auf dem wesentlichen. Daß aber dieses Beruhen allgemein ist, das kommt von der Ähnlichkeit der Dinge her, auf welche sich die Geschlechter, Arten und Fälle gründen. Denn aus dieser Quelle fliessen so wohl die bedingten als unbedingten allgemeinen Urtheile, welche durch ihre Verknüpffung mit einander den Lehr-Begriff der allgemeinen Wahrheiten ausmachen.  
  Gleichwie aber bey uns der Vernunfft zukommt, daß man dieselbigen erkennet: Also hat man es auch allerdings der Vernunfft zuzuschreiben, daß sich dieselbigen in dem Zusammenhange der eintzelen Dinge, das ist, in dieser gesammten Welt befinden. Will man die Lehre in der Grundwissenschafft, von den eintzeln und allgemeinen Dingen, ingleichen aus der Wissenschafft von der Welt, von der Verknüpffung der Dinge in dieser Welt, und dem Beruhen der Würcklichkeit der zufälligen Dinge auf einander, wie auch das von der vernünfftigen Welt wohl bedencken; so wird bey dem Beruhen der Welt auf der Vernunfft GOttes keine Dunckelheit übrig bleiben. Weil im übrigen die Welt auf der Vernunfft GOttes beruhet: So ist auch in dieser Welt nichts anzutreffen, welches nicht einen zureichenden Grund hätte, warum es vielmehr wäre, als nicht wäre.  
  Nunmehro folget der Haupt-Beweis, welcher also abgefasset ist:  
  "Weil diese sichtbare Welt, und alles was sich in derselbigen befindet, vermöge der allgemeinen Verknüpffung und dem Zusammenhange der Dinge, auf der Göttlichen Vernunfft beruhet, in so ferne darinnen die allgemeinen Wahrheiten mit einander verknüpffet sind: die  
  {Sp. 579|S. 303}  
  Geschöpffe aber einen Spiegel der Göttlichen Vollkommenheiten abgeben, in so ferne sie auf den Göttlichen Eigenschafften beruhen: So ist diese sichtbare Welt, und was sich in derselbigen befindet, ein Spiegel der allerhöchsten Vernunfft GOttes, vermöge der Verknüpffung der Dinge, in so ferne darinnen die allgemeinen Wahrheiten mit einander verbunden sind.  
  Es ist demnach die Verknüpffung und der Zusammenhang der Dinge auch diejenige Leiter, durch welche unser Gemüth zu der Göttlichen Vernunfft in die Höhe steiget. Denn gesetzt, daß die Dinge in dieser Welt nicht verknüpffet werden, sondern alle dergestalt würcklich seyn, daß keines auf dem andern beruhete; gleichwie in dem Schlaraffen-Lande: So siehet jedermann, es könne nicht anders seyn, als daß nichts ohne zureichenden Grund geschiehet, indem die Verknüpffung der Dinge daraus entstehet; weil in einem Dinge beständige Bestimmungen angetroffen werden, deren zureichende Gründe in andern enthalten sind, auch man darinnen Zufälligkeiten findet, davon man den zureichenden Grund in den andern Dingen antrifft, warum diese vielmehr darinnen sind, als andere.  
  Wenn man aber in einigen Dingen einige Verknüpffung einräumete, in andern aber nicht, und also daran zweifelte, ob die Verknüpffung oder der Zusammenhang allgemein seye; so würde die Göttliche Vernunfft nicht als die Höchste unter allen durch diese Welt vorgestellet werden. Denn nur alsdenn, wenn die Verknüpffung allgemein ist, so beweiset sie, daß sich die Göttliche Vernunfft, welche aus den Wercken des Schöpffers hervorleuchtet, nicht grösser gedencken lasse. Es ist demnach diese sichtbare Welt dazu tüchtig, vermöge der vernünfftigen Welt, welche sie in sich begreiffet, die allerhöchste Vernunfft GOttes vorzustellen, deren Erkenntniß die Philosophischen Schrifften gewidmet sind, welche die Vernunfft und ihren Nutzen in uns erweitern.  
     
  5) Sie machet die Welt zu einem Spiegel der Göttlichen Regierung.  
  Wenn man aber auf diese Verknüpffung der zufälligen Begebenheiten acht hat, und dabey die Weisheit GOttes (siehe Nummer 1) mercket; so wird uns die Welt zugleich zu einem Spiegel seiner Regierung, und wer darauf acht hat, kan durch vielfältige Exempel zu allgemeinen Maximen gelangen, nach welchen GOtt die Welt regieret.  
  Daß GOtt diese Welt regiere, indem er alles mit einander verknüpffet, hat der Hr. Baron von Wolff in seiner natürlichen Gottesgelahrheit I Th. … auf folgende Art erwiesen:  
  Denn in so ferne alles was in dieser Welt so wohl neben einander ist, als auch auf einander folget, mit einander verknüpffet ist, in so ferne beruhet es auf einander wie die Absicht auf dem Mittel, indem es um der von GOtt gehegten Absichten willen würcket, eben als wenn solches dieselbige selbst hegete. Da nun GOtt durch seine Weisheit solches mit einander verknüpffet; so richtet er dessen Würckungen nach gewissen Absichten, und endlich vermittelst derselbigen auf die Haupt-Absicht ein. GOtt re-  
  {Sp. 580}  
  gieret aber diese Welt, indem er die Handlungen der Geschöpffe nach gewissen Absichten einrichtet: Derowegen regieret er auch dieselbigen, indem er alles mit einander verknüpffet.  
  „Hieraus siehet man, daß die Regierung GOttes verworffen werde, woferne man den Zusammenhang und Verknüpffung der Dinge in dieser Welt aufhebet. Nun werden zwar die Dinge in dem Begriff von der Welt, welcher sich in dem Göttlichen Verstande befindet, noch vor dem Entschlusse, als mit einander verknüpffet angesehen: Weil er aber doch die Würcklichkeit derselbigen in höchster Freyheit von Ewigkeit her beschlossen hat; so kan man daraus weiter keinen Schluß gegen die Göttliche Regierung machen. Denn in so ferne vermöge des Göttlichen Verstandes alles in dieser Welt mit einander verknüpffet wird: So ist die Regierung der Welt möglich. Indem GOtt beschlossen hat, diese Welt hervorzubringen; so hat er sich vorgesetzet, die Welt auf diejenige Weise zu regieren, nach welcher sie vermöge dieser Verknüpffung regieret werden kan.  
  Endlich, indem er dieselbige geschaffen hat, und auch heutiges Tages noch erhält, und den Geschöpffen die Kräffte zu würcken ertheilet, auch die Ordnung vorgeschrieben hat, nach welcher sie handeln sollen: so regieret er die Welt auch würcklich; indem er dasjenige ins Werck richtet, was er von Ewigkeit her beschlossen hat. Diese Regierung ist GOtt anständig, weil er allwissend ist, und alles vorher weiß, auch von Ewigkeit her hat beschliessen können, wie er die Welt habe regieren wollen, und diesem Entschlusse gemäß thut er alles in der Zeit.  
  Er ist aber keinesweges schuldig wie ein Mensch, erst zu versuchen, was in der Welt vorgehe, um daraus einen Anschlag zu fassen, was geschehen solle, damit er die durch die Schöpffung der Welt gehegte Absichten nicht verfehle. Diejenigen versündigen sich an der Hoheit GOttes, welche den undeutlichen Begriff von der Regierung, den sie sich von der Herrschafft der Menschen hergenommen haben, unrichtig auf GOtt deuten, oder auf den Unterscheid zu sehen, welcher sich zwischen dem Fürsten und GOtt, als dem höchsten Selbsthalter, befindet.  
  Man gedencke sich einen Fürsten, welcher alle Handlungen seiner Unterthanen nach einer unbetrüglichen Vorherwissenheit vom Anfange seiner Regierung an bis auf das Ende derselbigen vorher gewust hat, und nicht minder alle Begebenheiten vorher weiß, welche seine Lande nur einige Weise betreffen, auf welche man bey der Regierung zu sehen hat. Woferne nun derselbige durch einen eintzigen Entschluß alles beschliesset, was während seines Regiments geschehen muß, und vorsichtig darauf siehet, daß solches auf seinen Winck zur Würcklichkeit gebracht werde; wer wolte deswegen leugnen, daß er seine Lande regiere. Von GOtt aber hat man dieses in einem ähnlichen Fall um desto mehr zu behaupten, weil derselbige seinen Beytrag zu allen und jeden Handlungen der Geschöpffe thut.  
  Die GOttes Verleugner, welche nicht erkennen, daß die Verknüpffung der Dinge keiner unbedingten Nothwendigkeit unterworffen seye, heben die Göttliche Regierung nicht deswegen auf, weil sie wahrnehmen, daß die  
  {Sp. 581|S. 304}  
  Dinge in der Welt mit einander verknüpffet seyn, sondern weil sie vermeynen, daß sie alle ohne Absicht aus einer unbedingten Nothwendigkeit also würcken, wie schon oben bemercket worden.  
     
  6) Sie lehret: Wie die Göttliche Vorsehung ins Werck gesetzet wird.  
  GOtt hat eine Vorsehung über die Dinge, vermöge des Zusammenhanges dieser Dinge in der Welt. Denn er regieret die Welt, indem er alles mit einander verknüpffet und es ist auch aus der täglichen Erfahrung bekannt, daß die Cörper in Absicht auf die Erhaltung auf andern Cörpern beruhen, folglich als Cörper den Grund ihrer Erhaltung in andern Cörpern haben, und demnach vermöge der Verknüpffung der Dinge erhalten werden. Derowegen, da GOtt eine Vorsehung über die Dinge hat, in so ferne er sie erhält und regieret; so hat er seine Vorsehung über die Dinge in dieser Welt, vermöge des Zusammenhanges der Dinge.  
  Daß eines von den materiellen Dingen zu der Erhaltung des andern etwas beytrage, das erkennet man ohne vieles Nachdencken. Daher haben die Schulweisen gesagt, kein Cörper könne sich selbst erhalten, GOtt aber gebe den Cörpern das Vermögen, andere zu erhalten. Wer die Verknüpffung der Dinge aus der Lehre von der Welt eingesehen hat, und das Beruhen der materiellen Dinge auf einander, in Absicht auf die Würcklichkeit, gantz genau eingesehen hat: der verstehet die Erhaltung des einen durch das andere aus Gründen.  
  Weil GOtt seinen Rathschluß, welchen man die Vorsehung nennet, vermöge der Verknüpffung der Dinge ins Werck setzet, nicht allein in Absicht auf die Regierung, sondern auch auf die Erhaltung der Dinge in der sichtbaren Welt; so erkennet derjenige die göttliche Vorsehung völliger, welcher diese Verknüpffung tieffer untersuchet. Diejenigen betrügen auch demnach gewiß welche die weise Verknüpffung der Dinge mit der unumgänglichen Nothwendigkeit für einerley ansehen, auch sich und andere zu bereden gedencken, es werde dadurch die Göttliche Vorsehung aufgehoben. Bekümmert sie dieses, daß die Dinge durch einen ewigen und unveränderlichen Rathschluß mit einander verknüpffet sind: so ist dieser Zweifel bereits oben gehoben, und was von der Art und Weise der Vorsehung gesagt wird, vertreibet alle Finsterniß völlig.  
  Man hat aber zu mercken, daß die Zweifel, welche aus der Ewigkeit und Unveränderlichkeit des Rathschlusses entstehen, keine andere sind, als welche diejenigen verwirret machen, welche die Vorhersehung GOttes nicht verstehen. Dieses muß man sich nicht Wunder düncken lassen, indem das möglich Vorherwissen auf der Verknüpffung der Dinge, daß Vorherwissen selbst aber auf dem Rathschlusse beruhet, durch welchen die Verknüpffung der Dinge festgesetzt ist und demnach auf der Vorsehung selbst. Wolffs natürliche GOttes- Gelahrheit Th. I, ...
     
  7) Sie lehret: Wie ein jedes Ding GOtt in dem Zusammenhange mit den übrigen vorstellet.  
  Ein jedes Ding, in so ferne es mit den übrigen als in einen Zusammenhang gebracht, ange-  
  {Sp. 582}  
  sehen wird, stellet GOtt als weise und gütig, ingleichen als allwissend und mit der höchsten Vernunfft begabet vor. Denn ein Ding wird als mit den übrigen in einen Zusammenhang gebracht angesehen, in so ferne es mit denselbigen, so wohl in so weit es mit ihnen zugleich ist, als auch in so weit es auf andere folget, verknüpffet ist; folglich wird es in dem Zusammenhange als ein mit den übrigen verknüpftes Ding betrachtet.  
  Nun aber ist alles, was in dieser Welt würcklich ist, in Absicht auf die Verknüpffung mit allen übrigen Dingen ein Spiegel der Weisheit, der Güte, der Allwissenheit, und der höchsten Vernunfft GOttes. Da man nun aus dem Spiegel der göttlichen Vollkommenheiten die göttlichen Eigenschafften abnehmen kan; so stellet ein jedes Ding, insoferne es als in einem Zusammenhang mit den übrigen gebracht angesehen wird, GOtt als weise, gütig, allwissend, und mit der höchsten Vernunfft begabet vor.  
  Man siehet demnach wie nothwendig es sey, daß man dasjenige, was in dieser Welt würcklich ist, als mit einander verknüpfet betrachte, woferne man die Gottheit aus den Wercken der Schöpffung erkennen will. Denn woferne ein jedes nur an sich betrachtet wird: so gehet es nicht an, daß es von der Weisheit, der Güte, der Allwissenheit und höchsten Vernunfft GOttes ein Zeugniß ablegen solte.  
  Die allgemeine Verknüpffung der Dinge gebrauchet GOtt, als das gewisseste Mittel seiner Weisheit, Gütigkeit und allerhöchste Vernunfft, benebst der Allwissenheit durch die Wercke der Schöpffung zu offenbahren. Dieses Mittel aber die recht schönen Eigenschafften GOttes, und solche Dinge, deren Erkenntniß auf eine vielfältige Weise einen Einfluß in die Ausübung hat, bekannt zu machen, ist mit der unvermeidlichen Nothwendigkeit nicht einerley, gleichwie diejenigen schwatzen, welche die Leichtgläubigkeit der Unwissenden zu ihrem Vortheil mißbrauchen. Wolffs natürliche GOttes- Gelahrheit Th. I, ...
     
  IX. Ob durch die Verknüpffung der Dinge eine unvermeidliche Nothwendigkeit und Fatalität in die Welt komme?  
  Es kan daher einem nicht einmahl träumen, daß durch die Verknüpffung der Dinge in Ansehung der End- und würckenden Ursachen, eine unvermeidliche Nothwendigkeit und Fatalität in die Welt kommen solle.  
  Vielmehr bringet die Abhangung (Dependentia) von denen End-Ursachen, oder die Verknüpffung der Dinge, insoweit sie von den göttlichen Absichten herrühret, göttliche Weisheit in die Welt (siehe oben Abschnitt VIII Nummer 1) und verjaget die Stoische Fatalität, ist auch der Grund von einer klugen Aufführung der Menschen, daß sie nicht die Absichten erreichen wollen, ohne die dazu gehörige Mittel zu gebrauchen, z.E. nicht lange und gesund leben wollen, ohne sich der Mäßigkeit zu ergeben.  
  Hingegen die Abhangung (Dependentia) von denen würckenden Ursachen, oder die Verknüpffung der Dinge, in so weit die Würckungen von ihren Ursachen herkommen, bringet Wahrheit und gött-  
  {Sp. 583|S. 305}  
  liche Vernunfft in die Welt (siehe oben Abschnitt VIII Nummer 4.)  
  X. Unterschied des weisen Zusammenhanges oder Verknüpffung der Dinge von einer Fatalität.  
  Damit aber aller Anstoß bey Seite geräumet werden, in einer Sache, darbey die Ehre Gottes und unsere eigene Befriedigung so sehr intereßiret ist, so ist noch dieses zu erinnern, daß die Verknüpffung der Dinge durch den allerweisesten Rathschluß GOttes gantz was anders sey, als dasjenige, was man Fatalität genennet.  
  Die Veränderungen der Cörperlichen Dinge haben nicht allein ihren Grund in ihrem Wesen, sondern auch in der Bewegung, und muß man auf beydes sehen, wenn man sie verständlich erklären will. Die Regeln der Bewegung gründen sich in Maximen, die keine Nothwendigkeit haben, und sich auch daher nicht geometrisch demonstriren lassen:
wie der Herr von Leibnitz in seiner Theodicee … zuerst angemercket, und sich dannenhero mit[1] Recht zueignet, daß er zuerst die unvermeidliche Nothwendigkeit der Spinosisten gründliche gehoben.
[1] HIS-Data: korrigiert aus: nicht
  Die Maxime, deren sich die Mathematici insgemein bedienen, wenn sie die Gesetze der Bewegung demonstriren wollen, ist diese, daß die Würckungen eines Cörpers in den andern und die Gegenwürckung des andern jederzeit einander gleich sind, oder ein Cörper, indem er den andern seine Bewegung mittheilet von ihm so starck zurück gedrucket wird, als er ihn drucket.  
  Herr Newton, so ein vortreflicher Mathematicus als er immer ist, hat in Princ. Phil. Nat. Math. … dennoch keine Demonstration davon geben können, sondern es nur als eine Sache, die in der Erfahrung gegründet, angenommen. Und in der That ist man diesen Satz ohne vieles Scrupuliren anzunehmen willig gewesen, weil man gesehen, daß die Regeln der Bewegung, so daraus durch Hülffe der Mathematick hergeleitet werden, mit der Erfahrung übereinkommen, wie insonderheit Mariotte Traite de la Percussion ou Choc des Corps gewiesen.
  Da nun die Regeln der Bewegung aus dergleichen Gründen fliessen; so haben sie keine unvermeidliche Nothwendigkeit, und folgends kan auch keine dergleichen in den Veränderungen anzutreffen seyn, die sich in den natürlichen Dingen ereignen, und also auch nicht in ihrer Verknüpffung mit einander. Hieraus aber zeiget sich nun ferner gar ein grosser Unterschied zwischen einer Fatalität und einer weisen Verknüpffung der Dinge mit einander. Denn.  
  1) Worinnen Fatalität, oder unvermeidliche Nothwendigkeit ist, da können die Sachen nicht anderst seyn, sondern es hat alles so ergehen müssen, wie es kommet, und ist weder eine Vollkommenheit in denen Dingen anzutreffen, noch ein Bild der Weisheit im Gantzen enthalten, wie alle diejenigen einräumen, die dieselbe behaupten, und also weitläufftig zu erweisen, nicht vonnöthen ist.  
  Hingegen die Verknüpffung der Dinge, die oben feste gestellet, ist von aller Nothwendigkeit frey, so wohl in Ansehung der Würcklichkeit der cörperlichen Dinge, als die auf Gottes freyen Rathschlusse bestehet, als auch in Ansehung der Gesetze der Natur, die GOtt nach seiner Weisheit erwehlet, wie aus demjenigen  
  {Sp. 584}  
  fliesset, was erst jetzt erwiesen. Und daher haben nicht allein die natürlichen Dinge eine Vollkommenheit, die ihnen die Vertheydiger einer Fatalität absprechen wollen, sondern die gantze Welt insgesammt wird das vortreflichste Bild der Weisheit GOttes. Es zeiget sich aber.  
  2) Zwischen der Fatalität, und der weisen Verknüpffung der Dinge, auch noch dieser Unterscheid, daß man bey jener den Ausgang erwarten muß, wie er kommet, hingegen bey dieser der Ausgang erfolget, der den Mitteln gemäß ist, die man erwählet. Daher auch z.E. die Türcken, denen eine unvermeidliche Nothwendigkeit wie man insgemein vorgiebet, im Sinne lieget, in der Pest verbleiben, in Hoffnung, es werde ihnen dieselbe nicht schaden, wofern sie nicht darinnen umkommen sollen. Hingegen wer dessen versichert ist, daß die Verknüpffung der Dinge dergestalt eingerichtet, daß immer eines als ein Mittel anzusehen, wodurch das andere als die Absicht erreicht wird, der suchet auch die Mittel, wenn er die Absicht verlanget. Endlich.  
  3) Anderes der Kürtze halber mit Stillschweigen zu übergehen; so findet man in der Fatalität keine Beruhigung des Gemüthes, massen es ein schlechter Trost ist, daß wir eben diejenige Creatur seyn müssen, der kein Glück in der Welt bescheret: aber wohl in der weisen Verknüpffung und Zusammenhange der Dinge mit einander, wodurch das widrige zu einem Mittel des bessern und einer Verwahrung wider grössers Übel wird.  
  Der HErr Baron von Wolff in seiner Commentatione luculenta de differentia nexus rerum et fatalis necessitatis, hat ausführlich gewiesen, wie ein grosser Unterscheid zwischen der Fatalität und der Verknüpffung der Dinge sey, indem diese ein Abbruch der göttlichen Weisheit in den Geschöpffen der Dinge ist, jene aber die Weisheit GOttes von den Geschöpffen ausschleust.  
  XI. Schrifften von dem Zusammenhange der Dinge.  
 
1. Christian Wolffens Commentatio luculenta de differentia nexus rerum sapientis et fatalis necessitatis.
2. Ebend. Monitum ad commentatinem luculentam etc.
3. Ebend. Vernünfftige Gedancken von Gott, der Welt etc. nebst denen Anmerckungen oder dem andern Theile.
4. Ebend. Ausführliche Nachricht von seinen eigenen Schrifften ...
5. Ebendeß. Deutsche Streit-Schrifften wider Buddeum.
6. Ebend. Horae subsec. Marburg. an. 1730. ...
7. Ebend. Cosmologia latina.
8. Bülfingers Dilucidationes philosophicae ...
9. Richters Diss. de libertate et caussarum nexu.
10. Hoffmanns Diss. de fato physico et medico.
11. Thomas Christ. Hee Dissertatio philoso-
 
  {Sp. 585|S. 306}  
 
  phica posterior de fato ...
 
 
12. Zimmermanns Anmerckung de fato Stoicorum, welche in dem Museo Brem. Vol. I, ... stehet.
 
 
13. Ebendeß. natürliche Erkenntniß Gottes, der Welt und des Menschen.
 
 
14. Frobes Delineatio system. philos. Wolffianae ...
 
 
15. Achilles Programma, in welchem gezeiget wird: Wie uns die Begriffe von denen Geschöpffen überhaupt auf die Gewißheit des Ausspruches Platonis führen: es sey Niemand um seiner willen allein erschaffen, 1742.
 
 
16. Feuerlins Specimen cosmologicum.
 
 
17. Johann Valentin Wagners bescheidene und mit Saltz gewürtzte Entscheidung.
 
 
18. Hollmanns Observationes elencticae.
 
 
19. J.F. Müllers Commentatio de Deo, mundo et homine atque fato.
 
 
20. Ribovs fernere Erläuterung.
 
 
21. Joachim Langens, Entdeckung etc. ...
 
 
22. Ebend. und der Theologischen Facultät zu Halle Anmerckungen über Wolffs Metaphysick ...
 
 
23. Walthers Eleatische Gräber ...
 
 
24. Buddeus und Walchs Streit-Schrifften wider Wolffen.
 
 
25. C. Democriti Analysis cramatis harmon.
 
 
26. Langhansens Diss. de necessitate absoluta in System. Leibnit. et Wolff. Königsberg 1724.
 
 
27. Böldickens abermahliger Versich einer Theodicee ...
 
  Sonst können auch noch aufgeschlagen werden  
 
  • des Herrn von Loen gesammlete kleine Schrifften ...
  • Clarcks Geistliche Reden, Th. VI, ...
  • Theophili und Sinceri Sammlung auserlesener und überzeugender Cantzel-Reden, Th. III ...
     

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Stand: 31. März 2013 © Hans-Walter Pries