HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Definitio HIS-Data
5028-7-409-5
Titel: Definitio
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 7 Sp. 409
Jahr: 1734
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 7 S. 226
Vorheriger Artikel: Definite
Folgender Artikel: Definitio Temporis
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Definitio, ist überhaupt ein abstracter Begriff, welcher uns ein Object nach seinem Wesen, das ist, nach seinem genere proximo und differentia specifica vorstellet, damit wir die Wahrheiten, die aus dem Wesen des Objects folgen, durch richtige Schlüsse erfinden, und beweisen können.  
  Dieselbe wird eingetheilet in nominalem, und in eine gedoppelte realem, nemlich in metaphysicam et disciplinalem. Die nominalis ist wiederum ein abstrahirter Begriff, welcher das Wesen des Wortes vorstellet, damit das definitum, oder das objectum meditandi der darauf folgenden real-definition deutlich und von genugsamer Gewißheit sey: aus der Nominal-Definition aber selbst diejenigen Wahrheiten, die zu vernünfftigem Gebrauche des Wortes dienen, gefolgert werden können.  
  Das Wesen eines Wortes bestehet in der ihm beygelegten Bedeutung. Ein Wort ist ein Zeichen, wodurch wir gewisse Begriffe begreiffen, und die unter demselben begriffene Begriffe sind also das Wesen desselben. Das Wesen einer Nominal- Definition muß also mit dem Wesen einer Real-Definition nicht verwechselt werden. Das erstere bestehet in allen Begriffen des Objecti, ohne Absehen, ob sie essentiales oder accidentales sind, wenn man nur das gantze Concretum hat: das andere hingegen ist nur ein Theil des Objecti, nemlich die wesentlichen abstracta.  
  Man theilet die nominales definitiones in gemeine und besondere ein. Die gemeinen zeigen den allgemeinen Gebrauch eines Wortes. Hierzu wird von denen Peripateticis die Synonymie, Homonymie und Paronymie gerechnet: von welchen wir an ihren besondern Örtern handeln werden. Gerhard Delineatione Philosophiae Rationalis
  Da aber diese drey Arten mehr zur Grammatic als zur Logic gehören, so hat man bey einer guten Nominal-Definition eben nicht darauf zu sehen.  
  Die besondern zeigen hingegen den besondern und eigentlichen Gebrauch eines Wortes an.
  • Titius Arte Cogitandi …
  • Auctor Artis Cogitandi
  Ridiger hat eine neue Eintheilung der Nominal-Definition gefunden. Er hat nemlich  
  {Sp. 410}  
  bemercket, daß einige Begriffe nothwendig sind, so daß es nicht in unserer Willkühr stehet, dieselben auf eine andere Art uns vorzustellen. Bey andern hingegen steht es uns frey, dieselben nach der Anzahl ihrer Theile auf eine andere Art zu gedencken, so daß deren Bestimmung und Zusammenfassung bloß von der Willkühr derer Menschen abstammet. Die erstern nennet er ideas naturales, die letztern ideas arbitrarias.  
  Zu der erstern Classe zehlet er die Begriffe von allen natürlichen Cörpern, Geistern, durch die Kunst hervorgebrachten Cörpern, allen moralischen Dingen, und würcklichen Kräfften und accidentibus. Zu der andern Ordnung gehören alle Begriffe von denen erdichteten substantien, so wohl derer natürlichen, als Centaurus, als derer moralischen z.E. civitatis vtopicae; Ferner alle Begriffe von denen in einer gewissen Zahl zusammengefaßten accidentibus, z.E. die ideen der Freygebigkeit und Kostbarkeit des Geschenckes bey der Magnificentia; und endlich alle Begriffe von vorerwehnten accidentibus, wenn sie mit einem Subjecto verknüpffet werden. Z.E. Die ideen der Unwissenheit, derer Endzwecke bey denen Gesetzen, der Dreistigkeit und der Boßheit mit dem Subjecto verknüpffet, bey einem Rabulisten.  
  Nach diesem Unterschiede hat er die definitiones in primarias et secundarias eingetheilet: von welchen die primariae zu denen ideis arbitrariis; die secundariae zu denen ideis naturalibus gehören. Ridiger Sensu Veri et Falsi
  Der Nutzen der definitionis Nominalis ist dieser, daß wir eigentlich wissen, was zu unserm objecto meditandi gehöret, und also hernachmahls in der definitione reali nicht ausschweiffen. Sie ist dahero das sicherste Mittel, die Wort-Streitigkeiten, welche bey denen Gelehrten sehr häuffig sind, zu heben.  
  Von der gemeinen Definition ohne Noth abzugehen, ist eine Unbesonnenheit, wodurch man sich selbst unverständlich macht. Hat man aber etwas neues hervorgebracht, oder hat der gemeine Gebrauch nicht sattsam bestimmte Begriffe bey einem Worte, so hat man auch Ursache eine Änderung vorzunehmen, und eine besondere Definition auszumachen. Ridiger S.V. et F.
  Was die Definitionem nominalem primariam anlanget, so folget derselben keine realis definitio, und ist solche vor sich vor einer Haupt-Definition zu achten, indem der Endzweck weiter nichts, als eine Untersuchung des Wortes ist.  
  Die Definitio nominalis secundaria ist hingegen nur eine Neben-Definition, und ein Mittel, die rechte definitionem realem zu finden, indem derselben Richtigkeit aus der gehörigen Einrichtung der vorhergehenden Nominal-Definition flüsset.  
  Aus diesen Begriffen von der Nominal-Definition kan die Frage: num quaestio an sit? debeat praecedere quaestionem: quid sit? et vice versa entschieden werden. Man muß nur hierbey mercken, was unter der quaestione quid sit? verstanden werde. Bedeutet solche die definitionem realem, so muß die quaestio: quid sit? vorhergehen: wird aber die Definitio-Nominalis darunter verstanden, so muß die quaestio: quid sit? die erste seyn.  
  Aristoteles leget hin und wieder, sonderlich Analyt. Poster. … der Nominal Definition die Eigenschafft bey: quod sit [ein Wort Griechisch], indemonstrabilis: daher entstehet die Frage: ob man befugt sey eine Nominal-Definition ohne Beweiß zum voraus zu setzen? oder ob man selbige erstlich erweisen müsse? hierauf kan geantwortet werden: Die Bedeutung derer  
  {Sp. 411|S. 227}  
  Wörter entstehet aus der Willkühr derer Menschen, und hat also keine natürliche Verbindung mit denen Ideen und Sachen selbst: ist also wohl gewiß, daß der Beweiß, warum eine Gedancke eben durch dieses Wort habe bezeichnet werden müssen, unmöglich sey. So viel aber ist auch hingegen zu mercken, daß man dennoch die Existentz der Benennung, nemlich daß durch ein Wort eben dasselbe Object, welches wir vorgeben, bezeichnet werde, durch Anführung des allgemeinen Sprachs-Gebrauch könne erwiesen werden. Müller Logic. …
  Die Regeln bey Verfertigung einer Nominal-Definition sind folgende:  
  Man stelle sich von derjenigen Sache, welche man zu überlegen in Willens hat, so viel ohne Zweifel dahin gehörige Exempel vor, als man nur finden kan: Weßwegen man denn nicht leichte eins von dieser Gattung in seinen Gedancken vorbey lassen muß, als zum Exempel: Man untersuchet die Natur der Thorheit; hierbey nimmt man solche Leute in Betrachtung, die vor Thoren gehalten werden, als welche einem Mädgen zu gefallen besondere Kleider tragen, eine lächerliche Stellung des Leibes annehmen, ihr Geld mit zehen Schlössern bewahren, aus Scheinheiligkeit gewisse Tage fasten, bey ihrem grossen Gut sich nichts zu gute thun.  
  Nach diesem untersuche man, nach welchen Begriffen die Exempel alle mit einander übereinkommen. Z.E. Die Narren haben dieses untereinander gemein, daß sie sich einen Endzweck vorsetzen, den sie nicht erlangen: daß sie von andern ausgelachet werden: sich ungewöhnlicher Mittel bedienen, kein Judicium haben, und dasjenige, was sie unternehmen, nur Würckungen des Ingenii sind. Und diese Begriffe zusammen genommen, machen die Nominal-Definition aus.  
  Die Real-Definition ist eine Definition, deren Genus und Differentia das Wesen der Sache selbst in sich enthält, damit man aus diesem Grunde die Wahrheiten, die aus dem Wesen des Objects flüssen, möge demonstriren können. Diese Definition wird wieder in Ansehung der verschiedenen Erkäntniß des Wesens einer Sache in die metaphysicam und disciplinalem eingetheilet.  
  Die Metaphysica ist eine Definition, durch welche wir das definitum nach seinen beyden wesentlichen abstractis metaphysicis, dem Genere und der Differentia, welche letztere wir nemlich bis hieher nach ihrer Existentz betrachten, uns vorstellen: damit wir aus derselben beurtheilen mögen, wie weit sich die Grentzen der Existentz eines Objects erstrecken oder nicht, und die aus dieser Betrachtung herflüssenden Wahrheiten überzeugend beweisen können.  
  Die Caussal Definition ist hingegen eine Definition, durch welche wir uns das Definitum auch nach denen eigentlichen caussis oder Grund-Ursachen, von welchen jene abstracta metaphysica, als Würckungen herrühren, vorstellen: damit wir diejenigen Wahrheiten, die auch aus dieser Betrachtung flüssen, daher erweisen können. Diesen Unterscheid derer Definitionen hat Ridiger S.V. et F. … am besten eingesehen und ausgeführet, welchem hernachmahls Müller in seiner Logic … gefolget.  
  Die Caussal-Definition ist nach dem Unterschiede derer Caussarum wiederum entweder Physicalisch nach der caussa efficiente, oder Moralisch nach der caussa finali, welche auch practisch genennet wird.  
  Da aus diesem erhellet, daß die Real-Definitiones der Grund des Beweises bey allen Begriffen, die zu einem Objecto gehören, sind: so ist solches wieder den  
  {Sp. 412}  
  Lock. de intellectu Humano … zu mercken, welcher die Definitiones deswegen vor sehr geringe hält, weil er dieselben vor schlechte Wort-Beschreibungen gehalten, keinesweges aber das fundamentum demonstrandi in denenselben gesuchet. Müller Logic. …  
  Zu der Real-Definition wird erfordert, daß so wohl das Genus und die Differentia in der Metaphysical-Definition, als die Caussa tam Efficiens quam Finis in der Caussal-Definition ideae proximae, die dem Objecto so zu kommen, daß sie alle die übrigen dahin gehörigen Ideen unter sich begreiffen, ja seyn müssen: damit also alles aus derselben kan hergeleitet werden.  
  Sonst sind noch zwey Haupt-Eigenschafften einer Definition zumercken, nemlich, daß sie deutlich und distinct seyn müsse, wovon wir an denen behörigen Örtern ins besondere handeln werden.  
  Die leichteste Art eine Definition zuerfinden, und welche so wohl vom Aristotele Analyt. posterior. … vorgetragen, als von Ridigern in S.V. et F. … ingleichen Philos. Pragm. in Logica … weiter ausgeführet worden, ist diese: Man suche unter denen Abstractis des Objects, welches zu definiren ist, ein ungezweiffeltes Genus desselben, es mag nun dasselbe auch so entfernet, remotum, wie es will, seyn. Dieses Genus theile man richtig ein in seine Species, und urtheile so dann, zu welcher Species das eigentliche Objectum meditandi gehöre. Siehet man, daß es unter alle Species der Eintheilung kan gebracht werden, so verwerffe man dieselbe als unnütze, und suche so lange, biß sich eine solche Einrichtung findet, unter deren einer Specie unser Objectum meditandi stehet.  
  Auf diese Art hat man schon ein näheres Genus nemlich die obgedachte Speciem gefunden. Weil aber dieses nähere Genus vielleicht noch nicht das näheste Genus ist, welches wir doch haben müssen, so muß man in Eintheilen so lange fortfahren, biß man endlich in der Reihe derer daher entstehenden Subdiuisionen auf diejenige kömmt, in welcher das zu definirende Object, oder dessen Definition, eine unmittelbare Species, oder membrum diuidens wird: da denn das totum diuisum dieser letztern Eintheilung das Genus proximum seyn muß.  
  Diese letzte Subdiuision ist nun eben auch der Grund der differentiae specificae: indem das andere membrum diuidens, welches in obgedachter subdiuision unserm Objecto contradistinguiret wird, das Oppositum ist, von welchem die Differentia specifica das Object unterscheiden soll. Man suche also unter denen wesentlichen Abstractis des zu definirenden Objects diejenigen, die diesem Object allein eigen sind, und dem nur jetzt gedachten Opposito oder Speciei contradistinctae nicht zukommen.  
  Ferner weil sich nun dergleichen Abstracta mehr bey einem Objecto befinden, so wird man bey genauer Aufmercksamkeit wahrnehmen, daß immer eines das andere, als seine Folgerung unter sich begreiffet. Dasjenige Abstractum nun, welches unserm Objecto allein eigen ist, und die übrigen von dieser Art unter sich begreiffet, ist die eigentliche Differentia specifica.  
  Ridiger will zwar in S.V. et F. l.c. eine noch leichterer Art vorschlagen, weil er aber das erfundene Oppositum allbereit supponiret, dieses aber auf keine Weise richtiger, als auf obige kan erfunden werden, so siehet man wohl, daß die erstere der letztern vorzuziehen ist.  
  Wer aber die subordinirten Genera einer Disciplin noch nicht versteht, kan auch keine Definitiones mercken. Doch gehet diese  
  {Sp. 413|S. 228}  
  Erfindung nur auf die Metaphysical-Definition: die Disciplinal-Definitiones müssen, wie alle abstracta disciplinalia, nach denen Regeln theils der Caussal-Schlüsse, theils der Wahrscheinlichkeit erfunden werden. Müller Logic ...
  Die Haupt-Regeln, welche man sonst noch bey der Definition zu beobachten hat, sind diese:  
  Die Definition ist eine abstracte Idee von dem zu definirenden Objecto, als ihrem Concreto: deßwegen muß man das Concretum nicht wieder durch eben dasselbe Concretum definiren. Es mag nun selbiges Synonymice durch gleichgültige Wörter, oder da man das Definitum selbst wieder zum Genere oder zur Differentz macht, geschehen. An Statt des Generis oder Differentiae müssen gleichfalls nicht nur eintzelne Exempel angeführet werden. An Statt der Definition setze man nicht aus Nachläßigkeit eine Diuision. Die Diuision enthält nur zufällige Abstracta, da die Definition hingegentheil aus wesentlichen Begriffen bestehen soll.  
  Das Genus oder die Differentz einer Definition müssen nicht in einer Metaphora bestehen, als obligatio est vinculum juris. Aus Gleichnüssen, dergleichen die Metaphoren sind, kan kein sicherer Schluß gemacht werden.  
  Letztlich muß das Genus oder die Differentz nicht von denen blossen Eigenschafften der Wörter, oder von einer besondern Redens Art seiner Sprache hergenommen werden.  
  Übrigens sind noch zwey Fragen vorhanden.  
  Die erste ist, ob alle Dinge, welche der menschliche Verstand begreiffet, können definiret werden? Hierauf wird mit Unterschied geantwortet. Die blosen willkührlichen Ideen unsers Verstandes können alle, aber nur nominaliter definiret werden. Die natürlichen Ideen sind entweder individuale oder abstracte Ideen. Die Indiuidua können einmahl wegen ihrer Vielheit, und zum andern, weil sie in abstracto, wenn sie von einerley Art sind, einerley Wesen haben, und dessen würckliche Existentz in denen Indiuiduis nur auf unterschiedene Art determiniret ist, nicht definiret werden. Die Abstracta können alle nominaliter und metaphysice: diejenigen aber auch zugleich caussaliter definiret werden, welche keine Entia transcendentalia, sondern noch Objecta derer Disciplinen sind. Ridiger S.V. et. F.
  Die andere Frage ist: Ob man eine Real-Definition beweisen müsse, oder nicht? Dieses wird also beantwortet. Die Objecte, welche definiret werden sollen, fallen entweder unmittelbar in die Sinne, oder sie hangen mit diesen nur mittelbar zusammen. Bey denen erstern brauchen wir, weil die Propositiones sich unmittelbar auf die Sinne gründen, keinen Beweiß. Ob aber die davor ausgegebene Abstracta das wahre Genus und Differentia unsers Objects sind, muß auf Erforderung aus denen Regeln von der Definition erwiesen werden.  
  Man kan das erstere die Materiam, und das letztere die Formam einer Definition nennen. Bey denen mittelbar mit denen Sinnen zusammenhangenden Ideen muß so wohl der Beweiß der Formae als auch der Materiae geführet werden. Müller Logic. …
     

HIS-Data 5028-7-409-5: Zedler: Definitio HIS-Data Home
Stand: 7. April 2013 © Hans-Walter Pries