HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Unmöglich HIS-Data
5028-49-1885-5
Titel: Unmöglich
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 49 Sp. 1885
Jahr: 1746
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 49 S. 958
Vorheriger Artikel: Unmittelbare Zusammenwachsung der Knochen
Folgender Artikel: Unmöglich (dem Gesetz)
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben
  Unmöglich, Lat. Impossibile, ist, was sich selbst wiederspricht.  
  Es wird eingetheilet in das, was unmöglich ist in seinem esse, und in fieri.  
  Das unmögliche im esse involvirt einen Wiederspruch an sich selbst, in Ansehung seiner Existentz als etwas das zugleich ist, und nicht ist z.E. ein höltzerner GOtt, ein strohernes Eisen, ein viereckigter Circul.  
  Das unmögliche hingegen in fieri involvirt einen Wiederspruch in Absicht auf die ihm zugetheilte Grund-Ursache: und ist wiederum entweder schlechterdings oder auf gewisse Massen (vel simpliciter vel secundum quid) unmöglich.  
  Schlechterdings oder simpliciter unmöglich ist das, was, daß es geschehe, mit den Kräfften der Ursache, von welcher es herrühren soll, auf alle Art und Weise einen Wiederspruch involvirt. Also ist z.E. unmöglich, daß GOtt lüge oder sterbe.  
  Auf gewisse massen oder secundum quid unmöglich hingegen ist, was nur mit gewissen Kräfften seiner Ursache einen Wiederspruch involvirt: und zwar wiederum nur mit den Physicalischen Kräfften derselben, welches physice unmöglich heisset, z.E. daß eine Jungfrau gebäre, daß ein Eisen auf dem Wasser schwimme, daß ein Mensch in glüenden Feuer-Ofen nicht verbrenne; Oder nur mit den Moralischen Kräfften derselben, welches unmögliche moraliter unmöglich heisset, z.E. daß nach dem Sünden-Fall alle Menschen vollkommen tugendhafft leben, daß viele Reiche in das Reich GOttes kommen solten, u.s.w.  
  Der Nutzen dieser Eintheilung des unmöglichen zeiget sich fürnehmlich in der von den Schul-Weisen aufgeworffenen Frage: ob GOtt auch unmögliche Dinge d.i. solche, die einen Wiederspruch involviren, könne? Die Frage ist zwar an sich selbst ziemlich verwegen: denn wir Menschen sollen uns fleißiger bekümmern um das, was GOtt wolle, als um das, was er könne. Doch geben uns die angeführten Eintheilungen folgende Gedancken hiervon an die Hand.  
  Wenn einer unter den unmöglichen das unmögliche in esse, und von den Arten des unmöglichen in fieri das, was schlechterdings unmöglich ist, verstanden wird; so ist zu bedencken, daß solches unmögliche just so viel sey als non-ens oder nichts. Denn wenn wir dencken, wenn wir einen höltzernen Gott nennen, oder wenn wir sagen, daß GOtt lüge: so finden wir, daß die Ideen Holtz und GOtt ingleichen GOtt und Lügen einander von beyden Theilen aufheben; und was kan also, wenn alles einander aufhebt, übrig bleiben als nichts? dannenhero heisset die Frage, ob GOtt auch unmögliche oder sich wiedersprechende Dinge könne, wenn das unmögliche in gedachten Verstande genommen wird, just so viel, als wenn man fragte: ob die Allmacht GOttes so groß sey daß er nicht allein alle Dinge sondern auch so gar non-entia oder Nichts herstellen könne? welches gewiß eine thörichte Frage wäre.  
  Wenn aber das unmögliche von dem unmöglichen in fieri secun-  
  {Sp. 1886}  
  dum quid verstanden wird, so lehret die gesunde Vernunfft, daß was sie (unsere endliche Vernunfft) von den ebenfalls endlichen physicalischen und sittlichen Ursachen vor unmöglich erkennt, und auch würcklich nach denselben unmöglich ist, deswegen nicht auch dem unendlichen GOtt, unmöglich seyn könne, als welcher an die natürlichen Kräffte, die er solchen Ursachen verliehen, nicht gebunden ist, sondern dieselben vermehren, vermindern, verändern und ihnen entziehen kan; und daß also GOtt auch allerdings dasjenige leisten und würcklich machen könne, was sonst gewissermassen (secundum quid), z.E. physice unmöglich ist. Z.E. daß eine Jungfrau gebähre; daß das Eisen auf dem Wasser schwimme; daß Sadrach, Mesech, und Abed-Nego in Feuer-Ofen nicht verbrennen, daß ein Mensch auch nach den Sünden-Fall seelig werden könne: oder wie die Schrifft redet, daß GOtt könne überschwencklich thun über alles, was wir bitten oder verstehen. Müllers Philosophie Th. II. …
  Einige halten davor, daß alles dasjenige, was entweder würcklich geworden, noch jetzo würcklich ist, noch einmahl werden wird, unmöglich sey. Dieses aber sind eben diejenigen, welche geglaubt, oder doch glauben können, daß alles schlechterdings nothwendig sey. Einige sind deswegen auf die Meynung verfallen, weil sie in der Ursache der Existentz der Dinge eine blinde u. unvernünfftige Nothwendigkeit statuiret, und diese irren am meisten. Andere aber fehlen nur deswegen, weil sie die Wörter mißbrauchen. Sie vermengen die Moralische Nothwendigkeit mit der Physischen. Denn es kan nicht alles, was möglich ist, auch würcklich werden. Denn ein jedes erfordert seinen besondern Zusammenhang der Dinge, von denen einer dem andern widerspricht.  
  Zwey wiedereinander lauffende Dinge aber können nicht zugleich seyn, z.E. Daß ich jetzund sitze, ist durch die Beschaffenheit der Gliedmassen des Leibes möglich und erhält seine Würcklichkeit durch den gegenwärtigen Zusammenhang der Dinge, das ist, weil der Raum und die Zeit auf eine solche und keine andere Weise erfüllet sind, in so weit ich nehmlich dazu Anlaß nehme aus dem was in der Welt geschicht. Daß ich aufstehe, ist durch die Beschaffenheit der Gliedmassen des Leibes eben so wohl möglich, als daß ich sitze: allein wenn es seine Würcklichkeit erhalten solte, so müste ein gantz anderer Zusammenhang der Dinge seyn, als sich jetzund befindet, d.i. der Raum und die Zeit müsten auf eine gantz andere Weise erfüllet seyn, als er jetzo erfüllet ist. Denn es müste sich etwas ereignen, daraus sich Anlaß nehmen könnte, mich zum Aufstehen zu entschliessen. Da es nun unmöglich ist, daß einerley Raum und Zeit auf einmahl auf verschiedene Art erfüllet seyn kan; so kan es auch auf dieser Welt nicht geschehen, daß ich aufstehe, in dem ich wohl Ursache fand mich zu diesen, aber nicht zu jenem zu entschliessen.  
  Daher muß man also einen Unterscheid machen unter demjenigen, was schlechterdings unmöglich ist, und unter dem was nur nach dem gegenwärtigen Zusammenhang der Dinge oder in dieser Welt nicht geschehen kan.
  • Leibnitzens Theodicaea
  • Wolffs Gedancken von GOtt der Welt etc. …
  Man wirfft die Frage auf: ob sich  
  {Sp. 1887|S. 959}  
  auch die Freyheit äussern oder beweisen könne gegen unmögliche Dinge und zwar entweder gar schlechterdings unmögliche oder nur respective unmögliche Dinge, es sey nun entweder physice oder moraliter. Wir antworten darauf: man kan sie wollen thun, ob man sie gleich nicht würcklich thun oder bewerckstelligen kan. Es ist zwar sonst eine gemeine Lehre: Impossibilium non datur libertas. Es hat auch seine Richtigkeit wenn man es von den Handlungen verstehet, worinnen sich die Freyheit formaliter und unmittelbar befinden oder beweisen soll. Denn da müssen beyde der entgegengesetzten Dinge möglich seyn.  
  Nachdem aber ausgemacht ist, daß die Freyheit wesentlich im Willen sey, und sich in Wollen und nicht wollen beweise: so bleibet es auch dabey, daß im Willen keine Freyheit wäre, wenn uns das wollen und nicht wollen, dis und das wollen nicht gleich möglich wäre. Da es auch ferner bekannt, daß die Freyheit im Wollen und nicht Wollen mittelbar auch auf das Thun der übrigen Kräffte gehe: so sagen wir mit Recht, daß sich in dieser Absicht die Freyheit im Willen dennoch äussern könne, obgleich das verlangte Thun, oder das Thun, was wir wollen, unmöglich ist. Und in so fern wäre die Regel unrichtig, sondern vielmehr war: Erga impossibilium datur libertas.  
  Wir wollen aber dieses noch weiter erweisen.  
 
1) Ob gleich der Mensch, weil er vernünfftig ist, solche Dinge, die und so ferne er sie würcklich für unmöglich erkennet, auch nicht in solchen Ernst wollen kan oder wird, daß er würcklich seine Kräffte anstrecken solte um sie zu bewerckstelligen: so kan er sie doch wohl ernstlich wünschen und begehren, und sich in Gedancken daran belustigen, und darauf dencken, wie er sie möglich machen möge, welches auch schon ein Wollen ist.
 
 
Man setze, daß zwey liederliche Leute und Sauff-Brüder vor einem Hausse vorbey gehen, darinnen eine lustige Gesellschafft ist, welche Musick hat, tantzet und springet. Da wird ihnen ihr Hertz auch warm werden, daß sie auch gerne mit dabey seyn wolten, wenn sie nur dürfften. Sie dencken auch hin und her, ob sie es können möglich machen, fragen nach, wer doch in der Compagnie zugegen sey, und was sonst vorgehe u.s.f. Allein sie werden durch Moralische Hindernisse abgehalten, daß sie es nicht thun können, was sie doch hertzlich gerne thun wolten.
 
 
Z.E. dem einen fält ein, er habe eben kein Geld bey sich, daß er den Wirth oder Musicanten geben könnte, und also würde er mit Schimpf bestehen; Dem andern die Compagnie sey vor ihm zu vornehm, daß er sich nicht unter sie machen dürffte. Beyde erfahren, daß jemand darinnen zugegen sey, vor dem sie Ehrerbietung haben müssen, u. der es ihnen sehr verargen würde, wenn sie ungebeten sich einfänden. Summa es ist ihnen die Sache sitlich nicht möglich, obgleich physice. Sie müssen also abziehen, aber es thut ihnen wehe genug und sie dencken noch nachher immer; wenn du doch da dürfftest dabey seyn. Und also äussert sich allerdings dagegen eine Freyheit, nehmlich im Wollen, und das kan ihnen zur Sünde gerechnet werden, und gielt nach einhelliger Meynung so viel vor GOtt, als ob sie die That verrichtet hätten. Überdieß
 
 
2.) Kan sich
 
  {Sp. 1888}  
 
auch ein Wollen und zwar im rechten Ernste äussern gegen schlechterdings oder physice unmögliche Dinge, wenn wir nicht wissen oder bedencken, daß sie unmöglich sind. Z.E. wenn man einen Anfänger in der Mathesi, der bisher schon Drey-Eck und Vier-Ecke u.s.f. zeichnen gelernet, auch nun aufgebe, er solle ein geradelinichtes Zwey-Eck zeichnen, da er doch noch nicht weiß oder sich besinnet, daß es schlechterdings unmöglich ist; so wird er sich würcklich hinsetzen, sein Linial und Reiß-Feder zur Hand nehmen und ansetzen, und nachsinnen, wie er es machen wolle? mit dem ernstlichen Wollen ein Zwey-Eck zu Papier zu bringen. Und dieses Wollen, oder diese wissentliche Bemühung wird er so lange fortsetzen, bis er siehet, oder höret, oder sich besinnet, daß es schlechterdings unmöglich sey?
 
 
Und was war es anders, da Adam wolte GOtt gleich werden als daß er etwas wolte, daß doch schlechterdings unmöglich ist? Es ist aber ausser Zweifel, daß Adam darinnen Freyheit bewiesen, sonst hätte er keine so erschreckliche Sünde begangen, die ihm und allen seinen Nachkommen zur Verdammniß zugerechnet werden können.
 
 
So kan man auch nach der Vollkommenheit in der Heiligung streben, ob sie gleich in dieser Welt unmöglich zuerreichen ist. u.s.f.
Friedrich Wagners Versuch von der Freyheit des Willens …
  In der heiligen Schrifft finden wir gleichfalls eine gedoppelte Unmöglichkeit. Eine ist eine unbedingte: die andere begreifft in sich gewisses Ziel und Maaß. Die unbedingte hält einen wahren Wiederspruch in sich, z.E. es ist unmöglich, daß der Mensch des HErrn Hand entfliehen möge, Weißh. XVII, 15.
  Es ist unmöglich daß GOtt lüge.  
  Die bedingte aber ist diese, daß zwar die Ursache wohl so viel Kräffte gehabt hätte, als eine gewisse Würckung erfordert: allein dieses Vermögen ist durch etwas darzwischen gekommenes so geschwächt worden, daß bereits die Würckung nicht mehr daraus erfolgen kan, als z.E. Wenn der Mensch in dem Stande der Vollkommenheit verblieben wäre, so hätte er wohl können durch das Gesetze ewig gerecht und seelig werden. Nachdem aber das Gesetz durch das sündliche Fleisch geschwächet war, so ist nunmehro dem Gesetz unmöglich, das geistliche Leben zu geben, wie Paulus lehret Röm. 8, 3. und der Artickel Unmöglich (dem Gesetz) mit mehrern besaget; Also ist es auch nach dem Sünden-Fall unmöglich, daß ein Mensch aus seinen eigenen Kräfften seelig werde, wie CHristus auch zu seinen Jüngern sagt: Bey den Menschen ists unmöglich, aber bey GOtt sind alle Dinge möglich, Matth. 19, 26.
  von einer solchen bedingten Unmöglichkeit redet Paulus Ebr. XI, 6.
  Ohne Glauben ists unmöglich GOtt zugefallen.  
  Sihe übrigens auch den Artickel: Unmöglichkeit.  
     

HIS-Data 5028-49-1885-5: Zedler: Unmöglich HIS-Data Home
Stand: 24. Februar 2013 © Hans-Walter Pries