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Zedler: Wort-Erklärung, Nominal-Definition HIS-Data
5028-59-404-8
Titel: Wort-Erklärung, Nominal-Definition
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 59 Sp. 404
Jahr: 1749
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 59 S. 215
Vorheriger Artikel: Wort-Erfindung
Folgender Artikel: Wort-Erklärung … Deutung
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Wort-Erklärung,  
 
  • Nominal-Definition,
  • Nominal-Notion,
  • Lat.
    • Definitio nominalis,
    • Definitio Verbalis,
    • Notio Nominalis,
 
  bestehet in einer Erzehlung einiger Eigenschafften, dadurch eine Sache von allen andern ihresgleichen unterschieden wird, z.E. wenn ich sage, ein Uhrwerck sey eine Maschine, welche die Stunden anzeigt, so erkläre ich das Wort Uhrwerck; zeige ich aber, aus was für Rädern und andern Zugehör es zusammen gesetzet werde; so erkläre ich die Sache. Gleichergestalt erkläre ich das Wort: Vernunft, wenn ich sage, sie sey eine Einsicht in den Zusammenhang der Wahrheiten.  
  Es kan also in eine Wort-Erklärung nichts genommen werden, als was einer Sache immer zukommt, z.E. bey der Danckbarkeit ist allezeit ein Andencken der Wohlthaten. Derowegen wird dieses mit in ihre Erklärung genommen. Damit man nun solches erfahre, hat man wohl zu untersuchen, warum einer Sache dieses oder jenes zukomme. Denn, finde ich den Grund davon in der Sache selbst: so bin ich versichert, daß es ihr beständig zukomme. Hingegen ist der Grund ausser der Sache zu suchen: so kan es ihr nur unter gewissen Umständen zu kommen.  
  Da nun keine Sache unmittelbar in die andere etwas würcken kan, als wenn sie ihr nahe genug ist: so muß ich sie aus der Nähe der Dinge, unter welchen sie sich befindet, in die Nähe anderer bringen, alsdenn wird es sich bald ausweisen, ob ihr nur um gewisser Umstände willen etwas zukomme oder nicht, z.E. ich setze, es habe einer noch kein Wachs gesehen, und finde ein Stück in heissen Sommer-Tagen auf dem Fenster liegen, alsdenn wird es gantz weich seyn. Will man nun wissen, ob die Ursache, warum das Wachs weich ist, in ihm oder ausser ihm zu suchen sey: so darf man es nur in die kalte Luft, als in Keller, legen. Hier wird es hart werden, und also werde ich setzen, das Wachs sey nicht immer weich, sondern nur im Warmen. Hingegen ein Stein mag in warmer oder in kalter Luft seyn: so bleibt er hart. Und daher ist die Ursache seiner Härte nicht ausser ihm, sondern in ihm zu suchen.  
  {Sp. 405|S. 216}  
  Man hat sich sonderlich wohl in Acht zu nehmen, das nicht die Wort-Erklärungen bloß aus andern Wörtern bestehen, die eben so viel als das Wort bedeuten, welches erkläret werden soll. Denn so würde ich durch die Erklärung nicht klüger, als ich vorhero war, auch würde man aus derselben nichts erweisen, vielweniger etwas unbekanntes erfinden können. Z.E. Wenn einer unendlich dadurch erkläret, was keine Schrancken hat: so hat er noch keinen deutlichen Begriff vom Unendlichen beygebracht. Denn es ist nicht klärer, keine Schrancken haben, als unendlich seyn. Wiederum, wenn einer sagt, die anziehende Krafft des Magneten sey eine Krafft, dadurch der Magnet das Eisen an sich ziehet: so sagt er mit vielen Worten eben das, was er mit einem gesagt hat.  
  Auch muß man davor sorgen, daß mich eins durch das andere erkläret werde: denn sonst wird der Begriff nicht recht deutlich, z.E. wenn man die Stunde durch den vier und zwantzigsten Theil eines Tages, den Tag aber durch eine Zeit von vier und zwantzig Stunden erkläre: so verstehe ich weder recht, was ein Tag, noch was eine Stunde ist. Eben, so wenn man sagte: ein Gelehrter sey eine Person, die studieret hat, und jemand fragte, was studieren hiesse, man antworten wolte: sich bemühen gelehrt zu werden; so wüste ich weder, was studieren, noch auch, was ein Gelehrter heisse.  
  Hierinne kan man es über die Maasse leicht versehen, wenn man mit Dingen zu thun hat, die von unsern Sinnen etwas weit entfernet sind, absonderlich wenn man von Sachen ausser ihrer Verknüpffung mit andern handelt, als z.E. von der Tugend allein, ausser der Moral, und ein ander mahl wieder vom Gesetze der Natur allein. Hier kan es leicht geschehen, daß man die Tugend durch eine Fertigkeit, seine Handlungen nach dem Gesetze der Natur einzurichten; und nach diesem, das Gesetz der Natur durch eine Richtschnur tugendhafter Handlungen erklärt: welche beyde Erklärungen zugleich doch nicht bestehen können.  
  Die Wort-Erklärungen dienen im gemeinen Leben darzu, daß die Sachen jederzeit mit ihrem rechten Nahmen genennet werden: sie geben aber auch in den Wissenschafften einen richtigen Grund zum Beweise, wie wir aus den mathematischen Wissenschafften zur Gnüge sehen können, welches auch bey Abhandlung anderer Theile der Weltweisheit erhellet. Ja aus der Wort-Erklärung wird die Erklärung der Sache selbst gefunden.  
  Es ist aber nicht möglich von allen Dingen eine Wort-Erklärung zu geben. Denn sie muß aus Merckmahlen zusammen gesetzet werden, dadurch eine Sache von allen andern unterschieden wird. Alle diese Merckmahle werden durch Wörter angezeigt. Derowegen ist nöthig, daß etliche Wörter müssen unerklärt angenommen werden, die wir lernen, wenn wir die gegenwärtigen Dinge nennen hören, und also von ihnen einen klaren, ob zwar undeutlichen Begriff erhalten.  
  Wer aber eine Wort-Erklärung machen will: der muß folgende Stücke darbey beobachten. Erstlich muß er sich einen eigenschafftlichen Begriff von dem Dinge machen, welches er erklären will. Ferner, muß er so wohl aus dem gemeinen, als auch  
  {Sp. 406}  
  aus dem angenommenen Gebrauche zu reden diejenigen Wörter, welche darzu gemacht sind, suchen, daß diese Merckmahle des Erklärten damit sollen ausgedruckt werden. Endlich verknüpffet man mit diesen Merckmahlen die gefundenen Wörter: so ist die Wort-Erklärung fertig.  
  Man siehet hieraus, daß es unmöglich ist, eine Wort-Erklärung von einem Dinge zu machen, wenn wir dessen eigenthümliche Eigenschafften nicht erkennen können. Hierbey ist zu mercken, daß in diesem Falle, die erklärende Idee durch Exempel müsse erläutert werden, damit wir uns einander verstehen können.  
  In dem nun die Wörter willkührliche Zeichen sind: so folgt, daß auch die Wort-Erklärungen in Ansehung der Wörter willkührlich seyn. Weil man aber im Erklären den ordentlichen Gebrauch zu reden nicht verlassen muß: so folgt deutlich, daß der angeführte Satz nur gelte,  
 
1) wenn ein Ding aufs neue erfunden worden;
2) Wenn ein Wort in verschiedener Bedeutung gebraucht wird; weil man in diesem Falle die Bedeutung des Wortes nach seinem Willen bestimmen kan;
3) Wenn von einem Worte viele Wort-Erklärungen möglich sind: alsdenn stehet es in unserm Gefallen, welche Erklärung wir von den möglichen Erklärungen annehmen wollen. Doch ist hierbey zu mercken, daß man beständig solche Wort-Erklärungen annehmen müsse, welche einem den kürtzestem Weg zum Beweisen anbieten.
 
  Wenn man übrigens wissen will, ob eine Wort-Erklärung möglich sey: so muß man untersuchen, ob der Begriff möglich ist, welcher durch die Wort-Erklärung ausgedruckt wird. Denn da eine Wort-Erklärung nichts anders, als einen eigenschafftlichen Begriff ausdrücket: so muß auch die Wort-Erklärung möglich seyn, wenn der Begriff möglich ist. Folglich darf man nur die Möglichkeit des Begriffes zeigen: so wird die Möglichkeit der Wort-Erklärung von selbst folgen.  
  Übrigens werden die Wort-Erklärungen insgemein von den Philosophen in zwo Arten eingetheilt, nemlich in diejenigen, kata lexin, und in diejenigen, welche kat' etymologian [1] Wort- Erklärungen genennet werden. Die erste Art sind diejenigen, wovon wir im gegenwärtigen Artickel gehandelt haben. Nach der andern Art wird der Ursprung des Wortes, wodurch das Erklärte ausgedruckt wird, aus der gemeinen Sprach-Kunst gezeiget. Diese letztere Art gehöret also nicht in die Philosophie, im engern Verstande, genommen.
  • Wolfens Logick …
  • Darjes lehrende Vernunfft-Kunst ...
[1] HIS-Data: korrigiert, vgl. Vorlage
     

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Stand: 8. April 2013 © Hans-Walter Pries