Titel: |
Gewissen |
Quelle: |
Zedler Universal-Lexicon |
Band: |
10 Sp. 1390 |
Jahr: |
1735 |
Originaltext: |
Digitalisat BSB
Bd. 10 S. 712 |
Vorheriger Artikel: |
Gewisse Zuversicht |
Folgender Artikel: |
Gewissen heisset mich nicht meines gantzen Lebens halber |
Siehe auch: |
|
Hinweise: |
- Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe
Hauptartikel
- Für die Auflösung der Quellenangaben siehe:
Personen
|
|
Text |
Quellenangaben |
|
Gewissen, ist das innerliche
Urtheil von der
Wahrhafftigkeit unserer
Pflichten,
und dererselben Adplication. Man kan aber dasselbe verschiedentlich
eintheilen,
nemlich |
|
|
1.) |
in das
theoretische und
practische, denn es
stellet uns entweder die
Warhafftigkeit einer Pflicht oder Befügniß
überhaupt vor, oder es stellet uns vor die
Wahrhafftigkeit der Adplication solcher Pflicht oder
Befügniß auf diesem oder jenem besondern
Fall. |
2.) |
Ist das Gewissen von
beyderley
Art, entweder ein richtiges, und auf
Wahrheit
gegründetes, oder ein
irriges, indem
unsere Urtheile entweder wahr oder irrig seyn
können; das Gewissen aber, wie gedacht, von
denen Pflichten urtheilet. |
3.) |
Ist es entweder gewiß
oder probabel: indem die |
|
|
|
{Sp. 1391|S. 713} |
|
|
|
Wahrheit in Ansehung unserer
Erkenntniß
entweder gewiß oder probabel ist. |
|
|
|
Das Practische Gewissen wird ferner
eingetheilet in das überlegende, und in das
richtende: jenes gehet vor der
That vorher, dieses
aber folget nach derselben. |
|
|
Das richtende Gewissen ist wiederum bald
ein gutes, bald ein
böses. Denn es |
|
|
- überzeuget uns entweder, daß solche Thaten
recht und GOttes Geboten gemäß sind, und also
haben wir ein gutes Gewissen, welches alle
Zeit
mit einer innerlichen
Zufriedenheit
vergesellschafftet ist, welcher
Zustand des
Gemüthes die Freudigkeit des Gewissens, oder
die Gewissens-Ruhe nach dem
Unterschied derer
Grade
genennet wird:
- oder es überführet uns, daß
unsere begangene
Thaten
unrecht sind, und wir
daher der göttlichen Rache gewärtig seyn
müssen; dergleichen
würckliche Überführungen,
und die damit verbundenen Regungen der Reue,
Furcht, Verzweiffelung, und s.w. Gewissens-Bisse heissen.
|
|
|
Ferner, weil der
Mensch zum öfftern die zu
einem heilsamen Gewissens-Triebe
nöthigen
Überlegungen, entweder menschlich, oder aus
Unachtsamkeit hintan setzet, oder sich dieselben,
um nicht in dem süssen Traume seiner
Lüste
gestöret zu werden, aus dem
Sinne schläget,
gleichwohl aber die
Würckungen seines
Gemüths
nicht so gar in seiner freyen
Gewalt hat, daß, so
lange er sie auch hindert, sie nicht dennoch
wieder seinen
Willen sich äussern
sollten: so wird
in diesem Absehen das Gewissen in das
schlaffende und aufwachende eingetheilet, unter
denen das letztere der
Grund der Busse ist, da
denn ein jeder gewärtig seyn muß, daß das
Gewissen, wenn es auch noch so lange schläffet,
zu rechter
Zeit, wenn nemlich die kurtzen Lüste,
die es im Schlaff unterhalten, aufhören werden,
und also zum wenigsten am Ende seines
Lebens
aufwachen werde; und zwar mit desto
empfindlicherer Nagung seiner
Seele, und mit desto
grösserer Gefahr der Verzweifelung, je später es
aufwachet. |
|
|
Was das theoretische Gewissen betrifft, so
dependiret von der Richtigkeit desselben ausser
Zweifel die Richtigkeit des
practischen.
Dannenhero ist ein jeder
verbunden, zuförderst
vor die Richtigkeit und
Gründlichkeit seines
theoretischen Gewissens alle
mögliche Sorge zu
tragen, indem
GOtt, damit unser
Gehorsam
vernünfftig seyn
möge, alle unsere
Pflichten
schlechter
Dings an eine gründliche
Erkenntniß
gebunden. |
|
|
Weil derowegen nicht alle Menschen, ja auch
nicht alle
Gelehrte im
Stande sind, von allen
menschlichen Pflichten und Befugnissen, durch
ihre
eigene sich selbst gelassene
Kräffte des
Verstandes, mit gründlicher Versicherung zu
urtheilen, in dem viele sehr wichtige menschliche
Pflichten und Befugnisse sind, deren richtige
Erkenntniß auf einer besondern scharffsinnigen
Einsicht in die tieffsten Gründe der
Gelehrsamkeit
beruhet, so folget, daß nicht alle Menschen das
Recht haben, nach dem
Urtheile ihres sich selbst
gelassenen Gewissens zu handeln. |
|
|
Dahero eine schwere Pflicht Theils derer
Gelehrten, Theils derer Hohen im
Lande ist, sich
wohl vorzusehen, daß sie die einfältigen
Gewissen Theils durch unrichtige Lehre, Theils
auch durch
böse
Exempel nicht in
Irrthum
verleiten mögen, welche grosse
Sünde dasjenige
ist, was man insgemein Ärgerniß
nennet, im
Massen ein Mensch, der die Gewissen in Irrthum
führet, die daraus entstehenden Sünden, und die
Schuld des daher erwachsenden menschlichen
Elends auf sich ladet. |
- Dilher Disput. de
Conscientia …
|
|
{Sp. 1392} |
|
|
|
|
|
|
- Sanderson de Conscientia.
- Jäger de Conscientia.
- Sagittarius in Otio Jenens. …
-
Wolff von derer Menschen Thun und Lassen ...
- Müller
Metaphysic …
|
|
|
|