|
Text |
|
|
Geld-Geitz, ist eine unersättliche
Begierde
nach zeitlichem
Vermögen, da man dasselbe zu
seinem
Endzweck machet, das doch nur ein
Mittel
seyn
solte. |
|
|
Dahero kan man den Geld-Geitz gar leicht
daher
erkennen, wenn man bey genauer
Beobachtung der
Thaten eines
Menschen
befindet, daß sie alle, oder wenigstens die
meisten auf Gewinnst, als auf die letzte Haupt-Absicht zielen, und wenn das genommene
Vermögen von seinem Besitzer nicht als ein Mittel
anderer Absichten, sondern mit Hindansetzung
aller andern
tugendhafften, oder auch eitler |
|
|
{Sp. 720} |
|
|
Absichten, zu denen sonst zeitliches
Vermögen ein Mittel ist, als das höchste
Guth, an
dem sein
gantzes Hertze hanget, betrachtet
wird. |
|
|
Aus diesem
Grunde äussert sich an allen
Geld-Geitzigen, eine mehr als gemeine und gantz
unersättliche Begierde und Emsigkeit
Geld zu
erwerben, und zwar dessen soviel, als immer
möglich ist. Denn der Geitz siehet im Erwerben
nicht, wie andere Gemüths-Arten auf einen
Zweck, zu welchen er das zuerwerbende Geld
und Gut als ein Mittel brauchen
wolle, und durch
dessen Erreichung er des Geldes endlich einmahl
genug haben, und seine Begierden ersättiget
werden
solten: sondern die
Lust grosses
Vermögen zu haben, und insonderheit die Grösse
desselben von
Zeit zu Zeit zu vermehren, ist sein
höchstes Guth. |
|
|
Deswegen ist er äusserst
arbeitsam, wo und
in so fern nur was zu gewinnen ist, und zwar auf
eine sehr niederträchtige Art, so daß er auch um
eines geringen Gewinnsts
willen keine
Beschwerlichkeit sich
verdriessen lässet, noch an
die Unanständigkeit einer Bemühung sich
sonderlich kehret. |
|
|
Eine
Arbeit hingegen, durch welche zwar der
gemeine Nutz befördert, aber seine
Einkünffte
nicht vermehret werden, ist ihm äusserst zuwider,
daher wird bey allen Unternehmungen dieses
seine erste
Frage seyn: Was wird uns davor?
Wenn er sonst nichts dawider zu
sagen
weiß, so
beschweret er sich doch, daß es Neuerungen
seyn, und vermeynet nach den lange
hergebrachten
Gewohnheiten zu verfahren, ein
Recht zu haben, daß er sich nicht dürffe nehmen
lassen. |
|
|
Hingegen wenn er etwas
verliehret, so ist
dieses sein höchstes Ubel, und sein
Leben ist
ihm kaum so lieb, als sein Vermögen, so daß er
um den Verlust oder einer mehr als
gewöhnlichen
Verminderung desselben, leicht gar in
Verzweifelung fällt, und in solchem
Zustande wohl
eher sich zu entleiben fähig ist; immassen er sein
Leben zwar hefftig, aber nur um seines
Vermögens willen liebet, und den
Tod nur
deswegen hefftig scheuet, weil durch denselben
sein Vermögen auf einen andern kommen
soll. |
|
|
Er ist also äusserst karg und filtzig, so gar in
denen Ausgaben, die seine und der seinen
unentbehrliche Nothdurfft betreffen, so daß es
immer an etwas fehlen
muß: noch weit mehr aber
in denen Ausgaben, die zur
Bequemlichkeit oder
zur
Lust dienen, oder die
Ehre und der Wohlstand
erfordert. Dahero ist er ein Feind dieser beyden,
weil sie immer Ausgaben erfordert. |
|
|
Weil aber Geld und Guth unter allen
Glücks-Gütern
das Unbeständigste ist, und er durch die
tägliche
Erfahrung lernet, wie leicht ein
Gewinst
verlohren gehe, und dagegen
Schade geschehe;
so ist er immer fort in
ängstlicher Sorge, und
stellet sich tausenderley
Möglichkeiten vor, wie er
etwa um das seinige kommen könte, daher ist er
niemals frölich, sondern er unterhält sein
Gemüth
in beständiger
Unlust und Verdrießlichkeit, die er
hernach über die, die unter ihm stehen, oder von
ihm
dependiren, am meisten auslässet. Diese
Gemüths-Bewegung machet ihn in allen seinen
Verrichtungen
furchtsam, so ferne etwa ein
Verlust zu besorgen ist. |
|
|
In seiner Kleidung, Haußrath und andern
Dingen, die von
Zeit zu Zeit aufgehen, findet man
keine Kostbarkeit, hingegen liebet er Reinlichkeit
und
Ordnung, nicht aber wegen derselben
Wohlanständigkeit, sondern weil dadurch die
Sachen zu einem längern
Gebrauch aufbehalten
werden. |
|
|
Die Liebe gegen den Nächsten findet man
bey ihm gar nicht: |
|
|
{Sp. 721|S. 374} |
|
|
Denn da sich diese auf die
Geselligkeit
gründet, so geniesset ein Geitziger zwar gar gerne
die Vortheile, die aus denselben entspringen,
allein er
will nicht, daß ein anderer viel von ihm
gewinne. So lange er von einem einen
Nutzen
ziehet, so lange schmeichelt er ihn auf das
allerniederträchtigste, sobald er aber anfähet,
einen Nutzen wieder von ihn zu ziehen, so fähet
er an zu murren. |
|
|
Am allerwenigsten hat er eine Liebe gegen
die, so seiner Gnade
leben, und von ihm
Versorgung erhalten müssen, es wäre denn daß
sie den Aufwand durch augenscheinliche Vortheile
in seiner
Nahrung wieder ersetzte, und sich die
ihm gewöhnliche Kargheit in allen gefallen ließen.
Hingegen ist er zu allen Ungerechtigkeiten,
dadurch der andere unter dem Scheine des
Rechten kan bevortheilet werden, überaus
geneigt, also daß ihn weder
Ehre noch
Gewissen,
noch
Billigkeit abhalten kan, seinen Vortheil mit
des andern Schaden zu machen, wo er nur weiß,
daß er deswegen nicht
mögte zur Verantwortung
vor
Gerichte gezogen werden. |
|
|
In solcher Absicht sucht er in
Unterhandlungen, da er sich gegen einen etwas
verbinden soll, gemeiniglich allerhand
Unrichtigkeiten zu verursachen, damit er
dieselben nach Belieben, wenn er den gehofften
Vortheil nicht daraus verspüret, wiederum stossen
könne. In denen Unterhandlungen, da sich andere
gegen ihm zu etwas verbinden sollen, ist er über
aus scrupulös, und kan ihm kaum gnug Sicherheit
verschaffet werden, und der Advocat, der ihm die
mehresten Clausuln in die
Contracte einwickeln
kan, ist ihm der Liebste. |
|
|
Gehet es einem wohl, so entstehet bey ihm
Neid und Mißgunst, gehet es einem
übel, so ist er
nicht zur Barmhertzigkeit zu
bewegen: hingegen
wenn es ihm selbst wohl gehet, so herrschet der
Ubermuth in seinen Hertzen, wenn es ihm aber
übel gehet, so ist er im höchsten Grad
zaghafft. |
|
|
Übrigens ist er zum Aberglauben sehr
geneigt, denn da er niemand gerne trauen will,
behält er die Mährgen, die ihn in der Jugend in
Kopff gesetzt worden, auch im
Alter beständig.
Der
Grund davon ist, wie
gesagt, das Mißtrauen,
weil er
meynet, ein jeder könne das, was er
thut,
aus der Absicht thun, ihn um das seinige zu
bringen: Dahero
zählet er
täglich seine
Baarschafft, und besorget stets, es mögte ihm
etwas davon seyn gestohlen worden: wie etwa
der sonst
berühmte Johann Jacob Hoffmann,
welcher ein rechtes Muster eines Geitzigen
abgeben kan. Er arbeitete beständig, und soll
Zeit
seines
Lebens nicht aus Basel kommen seyn,
damit er auf
Reisen kein
Geld verzehren möchte.
Er zählete alle
Tage sein Geld, und zwar gar offt,
und als er um die
Ursache befragt wurde:
antwortete er im rechten Ernst: Etiam sonus
delectat. |
Mr. Rouwiere Voyage du tour
de la France. |
|
Aus dieser
gantzen Beschreibung siehet man,
daß allerdings
wahr sey, was Bion gesagt: Der
Geitz sey die Haupt-Stadt aller Gottlosigkeit, |
Stobaeus Serm.
VIII. |
|
ingleichen: Die Geitzigen trügen vor ihr
Vermögen so viel Sorge, als wenn es
würcklich ihr
eigen wäre, sie nähmen aber keinen
Nutzen
davon, gleich als wenn es andern zugehöre. |
- Stanley Hist.
Philosophic. …
- Cicero de offic. …
-
Müller Ethic …
-
Thomasius Ausübung der Sittenlehre …
-
Rüdiger Instit. erudit. …
-
Wolff Gedancken von der
Menschen Thun und Lassen …
- Trier von den
Menschl. Neigungen …
- Rohr
|
|
{Sp. 722} |
|
|
|
|
Erkäntniß der Menschl.
Gemüth. … |
|
|
Oder wie es die
heilige Schrifft ausspricht 1.
Tim. 6, 10. Der Geitz ist eine Wurtzel alles
Übels.
Denn die Schrifft verbeut ausdrücklich, nicht auf
das seine zu sehen, sondern auf das, das des
andern ist, |
Philipp. 2, 4. |
|
noch sein Hertz an das Irrdische zu
hängen. |
Ps. 62, 11. |
|
Die
Gottes
Gelehrten
erzehlen die Stücke, wordurch er sich hervor thut, und wovor man sich hüten muß,
folgender
Gestalt |
|
|
1) |
Das
schädliche
Mißtrauen, da der
Mensch
GOtt dem HErrn nicht kan noch
will zutrauen, er wolle ihn mit
Nahrung
und Nothdurfft versehen, sondern fähret zu und
will sich selbst versorgen. |
|
Ebr. 13, 5. |
|
2.) |
Das Vertrauen auf
Reichthum, welches aus dem Mißtrauen
folget, |
|
- Marc. 10, 24.
- 1. Tim.
6, 17.
|
|
3) |
Die
Begierde immer mehr
zu haben, welches eben die rechte
Form und Art
des Geitzes ist, |
|
1. Tim. 6, 19. |
|
4) |
Die Geld-Sucht, dafür
David warnet, |
|
Ps. 62. 11. |
|
5) |
Die Bauch-Sorge dafür
Christus warnet, |
|
- Matth. 6, 25.
- Luc. 1,
22. 26. seqq.
|
|
6) |
Wenn man gerne
Geschencke nimmt, und sich dadurch bewegen
lässet wider die
Gerechtigkeit zu handeln, |
|
- Exod. 23, 8.
- Devt. 16,
19. c. 27, 25.
|
|
|
Sap. 15, 12. |
|
8) |
Fürwitz, wenn man nicht
in seinem
Stande und
Beruff bleibet, sondern sich
in fremde Händel menget, |
|
Syr. 11, 10. 11. |
|
9) |
wenn man auf Theurung
hoffet, |
|
- Prov. 11, 26.
- Amos 8,
4. 5.
|
|
|
Bernd von dem Stande der
Sicherheit … |
|
|
|