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Zedler: Gottes-Furcht HIS-Data
5028-11-392-4
Titel: Gottes-Furcht
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 11 Sp. 392
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 11 S. 213
Vorheriger Artikel: Gotteseck
Folgender Artikel: Gottes-Gabe
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben
  Gottes-Furcht, ist diejenige Gemüths-Beschaffenheit, da man sich hütet, daß man GOtt nichts zu wieder thue, weil derselbe uns deswegen bestraffen mögte.  
  Der Grund dazu ist die Vorstellung von GOttes Macht und Gerechtigkeit. Jene weiset, daß GOtt diejenigen, so ihm zuwieder sind, unendlich straffen könne; diese aber, daß er auch straffen wolle.  
  Nachdem nun diese Furcht mit oder ohne Liebe gegen GOtt ist, nachdem ist sie entweder kindlich oder knechtisch. Wenn wir jemanden, von dessen Weisheit und Gerechtigkeit wir genugsam überzeuget sind, rechtschaffen lieben, so geschiehet solches mit einer zärtlichen Sorge, und einer behutsamen Vorsichtigkeit verbunden, daß wir nicht etwa was thun mögen, das dem geliebten mißfallen, und uns seiner Liebe unwürdig machen möge.  
  Diese Sorge wird desto ehrerbietiger, und die damit verbundene Vorsichtigkeit desto behutsamer, auch von uns selbst als eine desto gerechtere ge-  
  {Sp. 393|S. 214}  
  gebilliget, ie mehr wir der Weisheit und Gerechtigkeit des uns liebenden und von uns wieder geliebten Wesens, und derer würcklichen Thorheiten alles dessen, was ihm mißfällt, versichert sind.  
  Da wir nun GOTT zu lieben verbunden, so müssen wir ihn auch kindlich zufürchten verpflichtet seyn. Weil wir aber GOTT nicht alleine zulieben, sondern noch dazu über alles schuldig sind; ihm aber alle Thaten wieder seine allweise und gerechteste auf unser eigenes Heil gerichtete Ordnungen äusserst mißfallen, deswegen ihn die heilige Schrifft einen eifrigen GOtt nennet, als müssen wir GOtt über alles kindl. fürchten.  
  Weil nun aber die Übertretung des göttlichen Gesetzes nothwendig scharffe Straffe nach sich zühet, so kan auch die blosse Erwägung derer göttlichen Straffen eine Furcht vor GOTT ohne Liebe erwecken, welches man eine knechtische Furcht nennet. Weil aber diese Art der Furcht GOTTES aus einer gar unvollkommenen Erkenntniß GOTTES und seiner natürlichen Gesetze herrühret, da nemlich der Mensch nicht überzeugend erkannt, daß die göttlichen Gesetze nicht anders als die wesentlichsten Mittel des wahrhafften menschlichen Wohlergehens sind, und GOTT sie uns nicht etwa aus Haß, uns das Leben damit sauer, sondern vielmehr aus Liebe, es uns vergnügt zu machen, vorgeschrieben; so kan diese Art der Furcht GOTTES entweder vor gar keine rechte, oder doch aufs höchste vor eine nur gar unvollkommene Pflicht gegen GOTT, gelten.  
  Es ist zwar an dem, daß auch die kindliche Furcht GOTTES nicht ohne Furcht der Straffe ist, indem auch die kindliche Furcht GOTTES sich GOTT nicht anders als einen eifrigen GOTT vorstellen kan, als von dessen Straffen auch ein Mensch, der GOTT kindlich fürchtet, wenn er böses thut, nicht befreyet ist. Weil aber nun alles böse, so GOTT denen Menschen zuschicket, nichts anders als göttliche Mittel sind, die Menschen in Gehorsam seiner Gesetze zu erhalten, oder sie auf denselben wieder zurück zu bringen; so muß nothwendig derjenige, der GOTT kindlich liebet, auch selbst in dem von GOTT zugeschickten bösen die deutlichen Merckmahle der Liebe GOTTES finden. Er kan sich also dasselbe nicht anders als lieb seyn lassen, und muß solcher Gestallt auch sogar durch das böse GOTT desto mehr zu lieben, jedoch freylich mit kindlicher Furcht bewogen werden. Wer aber diese Erkenntnis des von GOTT zugeschickten bösen nicht hat, noch dessen Absicht nicht erkannt, wird GOTT freylich knechtisch fürchten müssen.  
  Das Kennzeichen, durch welches wir unterscheiden können, ob unsere GOttes-Furcht knechtisch oder kindlich sey, äussert sich gar leichte. Beobachten wir GOTTES Befehle willig und gerne, so ist eine kindliche Furcht da; geschiehet aber solches ungern und mit Wiederwillen, so ist eine knechtische Furcht da. Denn obgleich alle Furcht ihrer Natur nach eine Aversation ist, so ist doch eine kindliche Furcht GOTTES eine Aversation nicht GOTTES und seiner Gesetze, Massen ein Mensch, der GOtt kindlich fürchtet, ihn liebet, und seine Gesetze vor Mittel seines Wohlergehens erkennet, und also weder vor GOtt noch seinen Gesetzen einen Abscheu haben kan, sondern sie ist eine Abscheu des Mißfallens, so man GOtt durch die Laster erwecken, und sich dadurch der gött-  
  {Sp. 394}  
  lichen Liebe unwürdig, seines eigenen Wohlergehens aber verlustig machen würde. Diese knechtische Furcht hingegen ist, weil sie ohne Liebe, ein furchtsamer Abscheu vor GOTT und seinen Gesetzen. Müller Metaph ...  
  Eben derselbe l.c. §. 8. Anmerck. extr. weiset sehr schön, wie die Furcht des HERRN, wie Ps. 111, 10. stehet, der Weisheit Anfang sey; wahre Weisheit wäre nichts anders als ein Begriff dererjenigen Geschicklichkeiten des Gemüths, des Verstands, des Willens und derer Sinne, die zur Erlangung und zum Genusse einer wahren Glückseligkeit erfordert werden; die Geschickligkeiten des Willens und derer Sinne aber von denen Geschickligkeiten des Verstandes dependiren, alle Geschickligkeit und Erkenntniß des Verstandes aber zuletzt auf die Erkenntniß GOTTES als der allerbesten Grund-Ursache aller Dinge hinauslaufen muß, die Erkenntniß GOTTES aber uns zur Erkenntniß seines Willens und Gesetzes, und diese endlich uns zu einem weisen Gehorsam leitet, welcher, wenn er GOTT angenehm, und unsere wahre Glückseligkeit als den Zweck derer göttlichen Gesetze zu befördern tüchtig seyn soll, mit kindlicher Furcht GOTTES geleistet werden muß, so wäre also die Furcht GOTTES und der daher entspringende Gehorsam erstlich der Zweck, auf welchen alle weise Wissenschafft abzielen muß, als welche durch die Reihen derer Geschöpffe biß auf GOTT empor steigen muß, und nicht höher kann, so dann aber zum andern die eintzigste höheste Grund- oder Bewegungs-Ursache, die den Willen derer Menschen zur wahren Tugend und ihren Geschmack zu dem zugewartenden gründlichen Vergnügen bringen kann.  
  Wird in der heiligen Schrifft von der GOttes-Furcht geredet, so muß man sie so verstehen, daß es nicht deute auf Furcht und Schrecken, so einen Augenblick währet, sondern, daß es sey das gantze Leben und Wesen, das da gehet in Ehren und Scheu vor GOTT, denn es wird niemand GOTT dienen, denn wer sich vor ihm fürchtet.  
  Diese Furcht GOTTES ist  
 
  • Gen. 22, 12.
  • Coh. 12, 13.
  Syr. 1, 21.
 
  • bringet, denen die sie ausüben, viel gutes,
Syr. 1, 13. 18. ...
 
  • sie wird in heiliger Schrifft sonderlich gerühmet an
 
 
  • Abraham,
Gen. 11, 12.
 
  • Joseph,
c. 39, 9.
 
  • an denen Egyptischen Weh-Müttern,
Exod. 1, 17.
 
  • an David,
  • 1 Sam. 24, 5.
  • Ps. 5, 8.
 
  • an Obadia, des Ahabs Hof-Meister,
1 Reg. 18, 3. 12.
 
  • an Ebed-Melech,
Jer. 38, 7. seq. 39, 18.
 
  • Hiob,
Job. 1, 8. 9.
 
  • Tobia,
Tob. 2, 9.
 
  • Judith,
Judith 8, 7.  
 
  • Zacharia und Elisabeth,
Luc. 1.
 
  • Simeon und Hanna,
c. 2.
 
  • an Cornelio, dem Hauptmann zu Cäsarien.
Act. 10.
     

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Stand: 17. Februar 2023 © Hans-Walter Pries