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Zedler: Festung HIS-Data
5028-9-669-10
Titel: Festung
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 9 Sp. 669
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 9 S. 354
Vorheriger Artikel: Festune
Folgender Artikel: Festung. Zach. 9,12.
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel

  Text Quellenangaben
  Festung, Fortresse, ist ein Ort, welche entweder von Natur durch Wasser, Moräste, hohe Felsen u. d. g. oder von der Kunst durch Mauern, Wälle, Bollwercke, Gräben und allerhand Außenwercke der Gestallt beschlossen und verwahret ist, daß der Feind demselben entweder gar nicht, oder doch nicht leichtlich beykommen kan.  
  Wie nun aber des Feindes Angriffe zu aller Zeit nicht einerley bleiben, so ist auch nöthig, daß sich die Manieren der Befestigung darnach ändern, man kan also keine Art vor beständig und vollkommen ausgeben. Doch ist man in so weit einig, daß ein Ort vor eine gute Festung zu halten, wenn er so angeleget ist, daß er nicht viel Besatzung erfordert, an allen Orten gleich starck, und die Gegend umher so beschaffen, daß sie allenthalben frey bestrichen werden, der Feind aber nichts zu seinem Vortheil daran finden könne. Die Wercke sollen so angeleget seyn, daß immer das eine von dem andern beschützet werden.  
  Die Festungen werden in reguläre und irreguläre getheilet. Diese sind, an welchen die gleichnamigen Linien und Winckel nicht einerley Grösse haben; jene, deren Stücke, Linien und Winckel, die einerley Namen führen, alle von gleicher Art und Grösse sind. Die regulären werden gemeiniglich denen irregulären vorgezogen, weil sie an allen Orten gleich starck befestiget werden können. S. Julien dans l' Architecture militaire zeiget, wie ein irregulärer Ort dermassen fortificiret  
  {Sp. 670}  
  werden könne, daß er die Vollkommenheit einer regulären Festung erhalte.  
  Es giebt zweyerley Arten einen Ort zu befestigen, die Holländische und Frantzösische. Jene ist von Freytag, Doyen, Stevin und andern excoliret, und so lange beybehalten worden, biß der Graf von Pagan ihre Fehler entdecket, und durch seine Manier zu verbessern getrachtet. Hiernächst hat Blondel eine neue und starcke Manier heraus gegeben, welche Vauban vollends verbessert, und vor den stärcksten Ingenieur unter denen Frantzosen gehalten wird; doch hat er den Baron von Coehorn noch etwas zu verbessern überlassen. Die berühmtesten Scribenten von Festungs-Bau sind; Lorini, Speckle, Freytag, Stevin, Doyen, Pagan, de Ville, Blondel, Vauban, Coehorn. Der Freyherr von Borcksdorff, Rimpler, Scheiter, haben viel darüber mit Raison gekünstelt, aber nicht allenthalben Beyfall gefunden. Eine genaue Untersuchung derer vornehmsten Manieren stellet Maillet in Travaux de Mars, und Leonh. Christoph Sturm in Architect. milit. hypothet. Eclect.
  Der Nutzen wohlangelegter und starcker Festungen erhellet aus dem zur Gnüge, daß sie die Grentzen wohl versichern, den anzühenden Feind, wo nicht ermüden, dennoch den Paß lange disputiren, oder da er zwischen denen Festungen durchgehet, seine Trouppen mit Parteyen stets incommodiren. Sie erhalten die Correspondenz und Communications-Linien, bedecken die vornehmsten Passagen und Ströme, und dienen denen vornehmsten des Landes zur Sicherheit und Retirade bey einem erfolgten feindlichen Einbruch. Man kann die Schätze des Landes in selbigen verwahren, und die Artillerie, Munition und andere Kriegs-Bereitschafften, benebst der Lebens-Prouision darinnen aufbehalten.  
  Sie geben denen Unterthanen eine Zuflucht und denen verflüchteten Armeen eine sichere Retraite, biß sie sich wieder recolligiren können. Sie sind die besten Mittel, die genungsam überlegten Kriegs- Desseins zu exsequiren. Bey sich ereignenden Revolten können sie die Fluthen unbändiger Gemüther am besten aufhalten; auch die nahe und weit gelegenen adquirirten Provintzien ihre Devotion zu bezeigen, zwingen. Sie unterbrechen nicht nur des Feindes gewaltsame und in der Campagne überhand genommene Progressen, sondern können auch einen durch feindlichen Überzug in äussersten Ruin gesetzten Staat, vor dem gäntzlichen Untergange biß zu Wiedererkräfftung befreyen.  
  Bey Erwegung dieser Vortheile wird ein jeder verständiger gerne einräumen, daß einem Staat höchst nöthig sey, wohl angelegte Festungen zu haben. Wenn aber auch andern Theils die vor Augen stehenden Exempel, daß nemlich so berühmte Festungen in kurtzer Zeit sich an den Feind haben ergeben müssen, ansiehet, und dabey einen Überschlag machet:  
 
  • Was solche Festungen Anfangs zu bauen gekostet;
  • was auf den Unterhalt der darinnen gelegenen Guarnison, Jahr aus Jahr ein verwendet worden;
  • was die Artillerie und Kriegs-Munition anzuschaffen betrage;
  • was zum Aufbau derer Zeug- und Magazin-Häuser, zur Reparatur mangelhaffter Wercke, und Anschaffung allerhand Kriegs-Materialien angewendet werden müssen;
  • was die Infanterie zu errichten gekostet, welche man Zeit währender Belagerung verlohren und hinein geschicket,
  • und was die Ranzion betragen, wenn die überbliebene Guarnison gefänglich angenommen worden;
  • was auf die Verfertigung derer Particular- und General-Retraiten verwendet worden, so man währenden feindlichen
 
  {Sp. 671|S. 355}  
 
  Angriffes neu aufbauen müssen;
 
   
  so wird man zu gar grossen Summen gelangen. Da nun auch über alle angewendete Unkosten und Mühe die Festung dennoch, und in kürtzerer Zeit, als man vermuthet gehabt, verlohren gegangen; so wird sich befinden, daß von so großen Spesen dem Public-Wesen gar ein kurtzer Dienst geleistet, der Feind durch die Übergabe gestärcket, der Staat hingegen geschwächet worden.  
  Zudem so muß alsdenn der Staat die Intraden einer solchen Festung und der herumliegenden Gegend missen. Und was kostet nicht die Wiedereroberung eines solchen Platzes, wenn man solchen durch formelle Belagerung wieder in seine Gewalt bringen will?  
  An allen diesen aber ist die Ursache, daß man die Festung zu schwach gebauet, ihr nicht genug innere Defension gegeben, Vermöge welcher sie dem Feinde das Terrain Fuß vor Fuß disputiren, sich eine sehr lange Zeit defendiren, den Feind entkräfften, und so lange aufhalten können, biß solche durch einen annahenden Succurs von der Belagerung befreyet werde.  
  Oben specificirter Nutzen ist nur von starcken und wohl angelegten Festungen zu erwarten; dahero man abnehmen kann, wie höchst nöthig dieselbe einem Staat seyn, und was hingegen dieser vor Schaden von schwachen Festungen zu gewarten habe. Es erfordert aber Rimpler in seiner befestigten Festung, daß solche nicht nur wieder die feindlichen Wercke mit Artillerie und Infanterie wohl besetzet, sondern auch der Gestallt befestiget sey, daß sie sich innwendig viel stärcker wehren könne, als auswendig, damit ein Feind gemüssiget sey, alle ihre Polygonen samt dem innern Terrain zu gewinnen, wenn er sie erobern will. Hierzu setzet er nun folgende Maximen zum Grunde:  
 
  • daß die Linien derer Aussen- und Haupt-Wercke sich wieder den äussern Feind starck defendiren, und einander secondiren, wieder den innewärtigen Feind aber noch stärcker;
  • daß die Cavallerie so geleget werden, damit sie vom Feinde erobert, denen Festungen nicht viel Schaden können;
  • daß die innern Polygonen sowohl fortificirt, und mit einem Graben versichert werden, als die äussern, und daß auch zu beyden Seiten des innern Grabens Terrain gelassen werde;
  • daß man das Haupt-Werck mit einer starcken Faussebraye umzühe;
  • daß nächst vor jeder Polygon in denen Wasser-Gräben zwey versicherte und gedeckte Häfen, in denen trockenen Gräben aber zwey dergleichen Plätze wegen derer Ausfälle gemacht, und zu solchem Ende auch die Communications-Linien aus dem innern in den äussern Graben geleget werden;
  • daß jede Polygon mit zwey abgebrochenen Ravelinen oder kleinen Bollwercken verstärcket werde;
  • daß man das Haupt-Werck und die abgebrochenen Ravelins mit der durch halben Monden fortificirten doppelten Contrescarpe, so ihren Graben habe, verwahre;
  • daß alle Bollwercks- und auf selbige correspondirende Winckel mit Caponieren versichert, und mit Bonetten gedeckt seyn;
  • daß die Profile, wie es zum Wiederstande erforderlich, und zur Defension vorträglich, ordiniret, die Bau-Materien aber nach Erforderung derer offensiv-Waffen und Wercke, denen Festungen adpliciret werden;
  • daß man in Anlegung neuer Festungen denen Quartieren der Stadt auch einige Defension verschaffe;
  • ingleichen daß man zwischen diesen befestigten Quartieren, oder auch zwischen denen vornehmsten Passagen der Stadt, Communica-
 
  {Sp. 672}  
 
  tions-Wercke zur Versicherung der Correspondenz anordne.
 
  Die Artillerie soll der Gestallt verdeckt stehen, daß sie von der feindlichen Artillerie nicht kan ruiniret werden; die Infanterie aber muß man so gedeckt logiren, daß sie weder von mäßigen Steinen, Hand- Granaten, Mousqueten-Kugeln beschädiget, noch in Bestürmungen sogleich in ihren Posten überwältigt werden, sondern sich lange erhalten, und dem Feinde wiederstehen könne. Was vor Defension und Vortheil nach diesem Maximen einer Festung zuwachse, zeiget Rimpler l.c.
  Das Recht aber Festungen anzulegen, gehöret unter die Regalia eines Landes, unter dieselben wird das Recht Krieg und Frieden zu führen gezählet. Weil nun die Festungen Mittel zu diesem Endzwecke sind, als gehöret solche Sache vor den Regenten. Hieraus flüßet, daß der Regent des Landes seinen Unterthanen die Befestigung der Schlösser verbiethen, Handreichung zum Festungs-Bau anbefehlen, ihre Schlösser, Häuser oder Äcker, ja auch die Kirchen im Fall der Noth zur Befestigung anwenden könne.  

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Stand: 8. Oktober 2016 © Hans-Walter Pries