Titel: |
Untersuchung … einer Sache |
Quelle: |
Zedler Universal-Lexicon |
Band: |
49 Sp. 2205 |
Jahr: |
1746 |
Originaltext: |
Digitalisat BSB
Bd.
49 S. 1118 |
Vorheriger Artikel: |
Untersuchen, Examiniren |
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Untersuchung … einer That |
Siehe auch: |
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Hinweise: |
- Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe
Hauptartikel
- Für die Auflösung der Quellenangaben siehe:
Personen
- ¶: Absatz in der Vorlage vorhanden
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Text |
Quellenangaben |
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Untersuchung, Untersuchung einer
Sache. |
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Es soll
billig
vor und ohne gehörige Untersuchung und Prüfung von keiner Sache heissen, vel
sola novitate oder antiquitate suspectum est, wie es bey denen zu
heissen pfleget, die in einem von diesen beyden Abwegen, nehmlich dem
Praejudicio antiquitatis auf der einen, und novitatis auf der
ander Seite stehen. Denn sonst ist es ein Vorurtheil, praejudicium. |
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Wenn man aber eine Sache, sie sey alt, oder
neu, genau untersuchet, und hernach eine der andern mit
Grunde
vorziehet, es sey die alte oder neue; so ist es kein Vor-Urtheil
mehr, sondern ein Nach-Urtheil, kein Prae sondern, daß man so
reden
mag,, ein
Postjudicium; daß man aber doch für billig hält, das alte und gemeine
lieber beyzubehalten, wenn es auch nur eben so
gut ist, als das
neue; das hat diese
Ursache:
Weil man sonst ohne
Noth
und
Nutzen
andere
irre macht, die des alten und gemeinen
gewohnt
sind: Und also ist es gar nicht zu billigen, wenn man nach Neuerungen schnappt,
dabey doch kein
Vortheil ist, und solchen unruhigen
Gemüthern gleichet, die immer etwas neues haben
wollen, und ihre alte
Häuser
ohne Noth und Nutzen einreissen, um nur die Freude zu haben, daß sie ein neues
bekommen, das doch entweder nicht besser, oder wohl lange so gut nicht ist, als
das alte war. |
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Spricht man: Was ist denn aber das sonderliches und was nutzt
denn eine Untersuchung, wenn man zuletzt doch nicht mehr heraus bringet, als das
alte? so ist mit wenigen zu antworten: Wir können und
müssen
nicht eben lauter neue
Wahrheiten
erfinden, sonst müste man supponiren, daß die
alten gar keine Wahrheiten gehabt hätten, welches ja unbesonnen wäre. Man thut
in vielen Fällen genung, wenn man alte Wahrheiten nur duch neue Anmerckungen
wieder die überbliebene Dunckelheit näher erläutert, oder duch neue
Gründe
wieder die überbliebene
Ungewißheit
unwidersprechlicher erweiset, oder duch neue Aufschlüsse wider alte oder neue
Einwürffe der Gegner nachdrücklicher behauptet. Ist dieses alles nun nicht der
Mühe werth, daß man
es um alter Wahrheiten
Willen,
die von Wichtigkeit sind bewerckstelligt?¶ |
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Absonderlich aber ist bey Lesung der
Bücher
eine gehörige Untersuchung
nöthig-
Denn es haben ihrer viele von allen ihren Lesen sehr schlechten und fast gar
keinen
Nutzen,
indem sie keine Untersuchung anstellen, ob die Lehrsätze mit der
Wahrheit
übereinstimmen,
ob sie zu appliciren, ob sie sich solche so viel
möglich
zueignen und ihre
Handlungen
darnach anstellen
wollen; sie sind zufrieden, wenn sie nur lesen und viel
lesen; sie gehen öffters
moralische,
theologische,
politische und andere
Schrifften,
die mit Aufmercksamkeit wollen gelesen seyn, durch, auf die Art, wie man die
Romainen oder
Historien-Bücher
zu lesen pflegt. |
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Manches
Frauenzimmer
lieset viertzig, funftzig und bisweilen noch mehr moralische Bücher, und bleibt
doch immer auf einem Flecke, und in eben der Disposition des
lasterhafften
Zustandes
ihres
Gemüthes, in dem sie sich befand, da sie das er- |
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{Sp. 2206} |
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ste Buch angefangen zu lesen. Wenn sie diese Buch lieset, lobet sie es, und
sagt,
es sey admirable
geschrieben,
kommt sie über ein anders, das offt contraire
Principia hat, giebt sie ihm auch Beyfall; weil sie die
Sätze
nicht auf dem Probierstein der gesunden
Vernunfft und der Untersuchung streicht, ob sie den Strich
der Wahrheit haben oder nicht. |
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Ein anderer, der einige wenige Schrifften mit Meditation und Aufmercksamkeit
lieset, hat viel grössern
Nutzen
davon zu gewarten, und kan einem andern, der viel hundert Schrifften von einer
Materie unter einander gelesen, ziemlich die Spitze bieten,
er kan dasjenige, was er gelesen, viel besser behalten, er hat deutliche und an
einander hängede
Begriffe
von einer Sache in seinem
Kopffe, da hingegen bey dem andern alles mit Unordnung
verwickelt, er kan die Sätze der Wahrheit gegen den andern
gründlich
vertheidigen,
und des andern Sätze im
Disputiren
geschwinde über den Hauffen schmeissen. |
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Unter den
Gelehrten,
die von
unterschiedener
zwar vieler doch confuser Belesenheit seyn, und unter denen, die wenig lesen und
starck dabey miditiren, ist ein grosser
Unterscheid,
jene haben nicht sowohl Lehrsätze der Wahrheit, als vielmehr eine
Historie
allerhand
Meynungen im Kopffe. Solange als sie
reden
und ihnen niemand widerspricht, erweisen sie einen grossen Schein der
Gelehrsamkeit,
kommt aber einer, der ihnen mit starcken Argumentne zu
Leibe
gehet, so
müssen
sie gar bald nachgeben. |
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Behalten diejenigen, die viel lesen, vieles oder das meiste von den
Sachen,
so setzen sie sich macherley
unordentliche Conclusiones in den Kopf, indem die
meisten Autores in ihren
Principien
unterschieden
sind. Behalten sie aber wenig oder nichts davon, so ist der Nutzen von ihrem
Lesen sehr schlecht, und bestehet weiter in nichts, als daß sie zu der
Zeit,
da sie gelesen,etwas vorgenommen, dadurch ihnen ein
Theil
der Zeit vergangen. |
- Rohrs Vernunfft-Lehre ...
- Wagners Untersuchung von der Freyheit des Willens ...
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