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Zedler: Ritterschafft (des Heil. Römis. Reichs freye) HIS-Data
5028-31-1817-2
Titel: Ritterschafft (des Heil. Römis. Reichs freye)
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 31 Sp. 1817
Jahr: 1742
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 31 S. 922
Vorheriger Artikel: Ritterschafft (Land-)
Folgender Artikel: Ritterschaffts-Consulenten
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

Stichworte Text Quellenangaben
  Ritterschafft (des Heil. Römis. Reichs freye) Ordo Equestris Immediatus, sind diejenigen, welche in Schwaben, Francken und am Rheinstrom wohnen, zu welchen letztern auch die im Unter-Elsaß von einigen gerechnet worden seyn.  
  Wiewohl die Elsasser 1610 auf dem Correspondentz-Tage zu Eßlingen, den vierten Kreyß ausmachen wollen, welches aber die andere nicht gestattet. Indessen findet man, daß der Kayser Ferdinand III 1654 in einem Gnadenbriefe die Elsasser noch an die übrigen 3 Kreysse ins besondere füget, welches Kayser Ferdinand II auch der Wetterauischen Ritterschafft 1630 thut. Jetzo ruhet der Streit, nachdem Elsaß unter Frantzösischer Gewalt stehet.  
  Ein solcher Reichs-Ritter nun zu seyn ist nicht genung, daß einer in einem von den 3 Krayssen gesessen, und unmittelbare Ritterschafftliche Güter besitzet; sondern er muß auch besage des gedachten Gnadenbriefs von Ferdinanden III in einem gewissen Canton stehen, und unter einen gewissen Bezirck, mit Bewilligung der Mitglieder, oder durch das Herkommen eingezeichnet seyn.  
Privilegien Ihre Privilegien sind gar ansehnlich. Sie sind von den Steuern und Türcken-Hülffe befreyet, stehen in keinem Reichs-Anschlage, und sind nicht gehalten, dasjenige zu zahlen, was das Reich dem Kayser verwilliget; sondern der Kayser lässet durch Commissarien, an statt daß sie vor diesem mit ihrer Person dem Reich gedienet, einen gutwilligen Beytrag, worüber man sich allezeit erst mit ihnen vergleicht, fordern, und ertheilet dargegen Reversalien. Von Ferdinanden III 1652, und Leopolden 1672 ist ihnen das Vorrecht bestätiget worden, daß sie von keinem Reichsstande weder unter dem Vorwand der hohen Obrigkeit, noch der Centgerichte mit Arrest können beleget werden.  
  Jeder Ritter hat die Landes-Obrigkeit, welches der Kayser Leopold in einem Gnadenbriefe 1688 ihre Zünffte betrefffend, selbsten gestehet. Sie haben das Recht des Krieges und Friedens geübet, und findet sich nicht alleine dessen ein starckes Merckmahl in den ehemaligen Fehdezeiten, sondern auch noch unter Maximilian I, da die Ritterschafft in Schwaben den Venetianern den Krieg beson-  
  {Sp. 1818}  
  ders angekündigt. Ihre Handwercke und Zünffte, die sie in ihren Städten und Dörffern krafft des Vorrechts von Leopold 1688 haben, sollen aller Orten im Reiche gelten.  
  Sie sind der Stände Einquartirungen zu leiden nicht schuldig. Sie genüssen den Religion- und Profan-Frieden. Wenn ein Streit zwischen einem Reichsstand und einem Ritter in Lehns-Sachen entsteht, soll der Handel von den paribus Curiae, und nicht vor des Lehnsherrn Hofgerichte ausgemacht werden. Sie sind von Zöllen gefreyet, und ist ihnen die Durchführung der Ubelthäter durch anderer Herren Land gleich diesen gestattet. Einige derselben haben besondere Hof- und Appellations-Gerichte.  
  Die adelichen Güter, so Bürger, Bauren, oder auswärtige von Adel an sich bringen, müssen die Ritter-Anlagen eine wege fort tragen. Ihre Personen bleiben unmittelbar, wenn gleich alle ihre Güter von andern Herren zu Lehn gehen. Sie haben das Jus retractus, die Ober- und Unter-Jagd, und wo es hergebracht ist, die Folge in andere Gebiete. Das Recht Abgesandte und Deputirte zu schicken, leget ihnen Ferdinand II in einem Briefe von 1625 bey. Sie nehmen ihrer Lehnsherren noch anderer Lehnsherren Recht, Maaß und Gewicht nicht an. Vom Kayser Ferdinand III haben sie 1654 das Privilegium erhalten, daß ihnen aus der Reichs-Cantzley der Titul Edel gegeben wird, welchen kein Landsäßiger von Adel bekömmet.  
Kreise Ein jeder Kreyß theilet sich wiederum in seine besondere Viertel, Cantons oder Gau ab, und hat seine besondere Ritter-Ordnungen und Gesetze.  
Fränkischer Ritterkreis Der Fränckische Ritter-Kreyß fänget sich an zu Franckfurt hinunter auf dem Vogelsberg nach dem Knoll zu dem Sollingswald an die Werra, dann disseit solches Flusses an dem Thüringer- und Böhmer-Wald herum, hinter dem Nordgau her bis an das Hertfeld, und herwärts des Kochers die Jax hinab, dem Necker zu gegen Wimpfen, von dannen nach Aschaffenburg, und also den Mayn hinunter, bis wieder nach Franckfurt. Sie theilen sich in 6 Viertel: als  
 
1) Odenwald,
2) Steyerwald,
3) Gebürg,
4) Altmühl,
5) Pan, oder die Buchen und Buchenau,
6) Rohr und Weyden.
 
Rheinische Die Rheinische Ritterschafft nimmt ihren Anfang im Hagenauer Forst, und erstreckt sich auf selbige Seite des Rheins bis an das Ertzstifft Cöln, auf der andern Rheinseite aber gehet sie an gegen Mayntz über, wo der Mayn in den Rhein fällt, und gehet bis Aschaffenburg, von dannen wiederum auf Gelnhausen, folgends hinüber auf dem Lohnstrom, von dar auf beyden Seiten den Westerwald hinan, bis an das Land zu Bergen. Limnäus theilet sie in 3 Landschaffts-Orte ab, als da sind  
 
1) Gau oder Wasgau
2) Wetterau, Westerwald  und Rheingau,
3) Nieder-Rheinstrom, Hundsrück und Eberswald.
 
Schwäbische Der Schwäbische hat 5 Cantons oder Viertel, nemlich  
 
1) Donau,
2) Hegau, Algau, Bodensee,
3) Wecker, Schwartzwald und Ortenau,
4) Kocher,
5) Kreichaw.
 
  Ein jeder dieser 5 Cantons hat einen Regierer aus ihrem Mittel, gleichwie der gantze Kreyß insgesamt eine Haupt-Regierung hat, welches aus dem Regierer, Räthen und Beysitzern bestehet. Vor  
  {Sp. 1819|S. 923}  
  dem Viertels-Regierer müssen die Klagen angebracht werden, welcher nach der Ritter-Ordnung, so 1560 aufgesetzt, und 1653 zu Mergentheim verbessert worden, verfahren muß. Von dar gehet die Appellation an die Commissarien oder an die Krayß-Ritter-Regierung, und von diesem an die Reichs-Gerichte, wenn die Summe über 1000 Rthlr. ist. Viele Sachen werden auch vor dem Rothweilischen Hofgerichte ausgemacht, wenn die Personen nicht ins besondere privilegiret.  
  Neben der Regierung haben die Schwäbischen Ritter 1654 zu Mergentheim einen Deputations-Rath verordnet, welcher die Regierung soulagiren, und in der ersten Instantz Güte pflegen, solchen anhören, Commissarien verordnen, der die Sachen an den Viertels-Regierer zurück schicken muß. Sonst verordnen die Regierer Vormünder, erklären Verschwender und setzen Vormünder der Güter.  
Allgemeines Jeder Krayß hat seine allgemeinen und besondern Zusammenkünffte. Diese bestehen aus den Regierern und Ausschuß. Zu jenen aber werden alle, so in den Krayß gehören, beruffen. Endlich ist von der Rittersschafft überhaupt anzumercken, daß dieselbe in keinem Reichs-Krayse stehet, und sich von den Krayß-Regierern des Reichs nicht befehlen lässet. Wie sie sich denn hefftig widersetzten, daß 1561 der Reichstag zu Regenspurg sie in den Landfrieden mit eingeschlossen, darzu sie nicht anders als Vereinigungsweise wollen gezogen seyn, welches ihnen auch der Kayser in einem Schreiben eingestunde, als der sich der Ritterschafft jedes mal ins besondere annimmt, sintemal die Subsidien-Gelder, so der Kayser von der Ritterschafft zühet, unmittelbar in Kayserl. Hände lauffen, dahingegen derselbe von den Reichsgeldern Rechnung thun muß.  
Reichstag Vor diesem sind sie auch zu Reichstagen verschrieben worden, und findet man die Ritterschafft zu Hegau noch zu Worms 1495. Sie wollen aber der Kosten halber davon geblieben seyn, und beruffen sich auf die Exempel von Österreich und Böhmen, welche solches alles als eine besondere Freyheit von dem Kayser erhalten. Dieserhalben haben sie ihre Stimme auf dem Reichstage wieder erlanget, wowider sich aber viele Stände gesetzt. Besonders haben die Reichs-Städte nicht leiden wollen, daß die Ritterschafft auf dem Reichstage den Vorsitz vor sie bekäme, sintemal die Frage noch nicht ausgemacht, ob ein Reichs-Ritter vor einem Bürgermeister einer Reichsstadt den Rang habe.  
  Hippolytus von Treisbach hat sich in einem besondern Tractat viel Mühe gegeben. So hat auch Burgmeister den Streit entscheiden wollen, und der berühmte Lerch von Durnstein hat sich der Ritterschafft ernstlich angenommen. Die Frage aber, ob die Ritterschafft ein Stand des Reichs sey, hat Titius in jure publico fein aus einander gesetzet. Indessen hat sie der Kayser Leopold bis auf den Ausgang der Sache in einen Anschlag und Matricul gesetzt, dessen Rechnung beym Burgmeister pag. 444. zu finden.  
  Endlich wollen die Reichs-Ritter auch auswärtigen und landsäßigen Grafen den Rang streitig machen, worüber sich Schweder in jure publ. … auf den 40sten Articul  
  {Sp. 1820}  
  der Leopoldinischen Capitulation berufft. Es hat aber Glafey de titulo Baronis gewiesen, daß der 40ste Articul solches gar nicht in sich halte.  
Literatur  
  • Mauritius de nobilit. …
  • Limnäus addit. …
  • Kreidemann tract. von der Reichs-Ritterstand.
  • Burgmeister de ordine equestri.
Siehe auch Siehe auch den Artickel: Adel, im I Bande, p. 470. u.ff.  
     

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Stand: 24. April 2012 © Hans-Walter Pries