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Text |
Quellenangaben |
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Geduld, ist eine wohl angewöhnte Fertigkeit des
Gemüths, in allen Beschwerlichkeiten des
Lebens,
in allen vorfallenden Ungemach in so weit
gleichmüthig und geruhig zu seyn, als es
nöthig ist,
das Gemüthe im
Stande der Aufmercksamkeit,
Überlegung und
Klugheit zu erhalten, und auch in
dem
Übel auf das
gute bedacht zu seyn, zu
Behaltung und Beförderung guter
Zufriedenheit. |
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Sie ist darinnen von der Standhafftigkeit
unterschieden, daß sich iene im Leiden, diese aber
im
Thun äussert. Denn da
gewiß, daß nicht alle
Mittel, die zu Erlangung des höchsten
Gutes nöthig,
auch an sich selbst
angenehm sind, sondern auch
einige an sich selbst unangenehm und beschwerlich
fallen, so ist zwar nicht zu
läugnen, daß der
Mensch
das unannehmliche zu verabscheuen einen
besondern Trieb bey sich finde, allein eben diesem
Triebe muß man nach denen
Regeln der
Tugend so
wenig den Zügel schüssen lassen, als wenig dieses
bey der uns eben Falls eingepflantzten
Begierde
des angenehmen geschehen darf. |
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Dahero, da einige von diesen beschwerlichen
Mitteln auch die eintzigen sind, wodurch man zum
Genuß dererjenigen
Zwecke, die wir
begehren,
gelangen kan, so erfordert die gesunde
Vernunfft
durch die Gegeneinanderhaltung eines zu
erduldenden Übels, und des davor zu
hoffenden
Guten, dem natürlichen Triebe zu der
Verabscheuung des beschwerlichen bißweilen
Gewalt zu thun, und einem
gegen- |
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{Sp. 573|S. 300} |
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wärtigen unangenehmen sich willig und getrost
zu unterwerffen, um eines dadurch zu erlangenden
grössern Gutes
theilhafftig zu werden, oder ein
bevorstehendes noch grösseres Übel zu
vermeiden. |
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Indessen will man hierdurch nicht eine apathien
derer Stoicer
verstanden haben, welche eine
gäntzliche Unempfindlichkeit in Wiederwärtigkeiten
von denen Menschen forderten, indem sie den
Schmertz allein zu dem
Leibe rechneten, und
diesen als ein Gefängniß der
Seelen ansahen, der
zu dem
Wesen eines Menschen eigentlich nicht
gehöre, und daher
schlossen, der Schmertz gehe
das Gemüth oder den Menschen gar nicht an,
sondern sey was fremdes, das die Seele weder
glücklich noch
unglücklich mache. |
Cicero Tusc. Quaest. … |
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Allein da diese Unempfindlichkeit dem
Endzwecke, welchen in Wiederwärtigkeiten sich
vorzusetzen die Vernunfft erfordert,
gantz zuwieder
ist, so
muß vielmehr ein weiser
Mann ein Übel nicht
obenhin ansehen, sondern er wird es vielmehr in
allen seinen Folgerungen, u. nach aller seiner
Wichtigkeit
empfinden, auch darüber eine
Gemüths-Bewegung empfinden; allein bey derselben wird er
alle
Zeit soviel Gleichmüthigkeit und Gelassenheit
übrig behalten, als von
Nöthen ist, das Gemüth im
Stande der Aufmercksamkeit, der Überlegung, und
der Klugheit zu erhalten, damit er dem Übel mit
Verstand begegnen könne. Ein geduldiger Mensch
hält also die Strasse zwischen einer Stoischen
Unempfindlichkeit, und zwischen einer wilden und
verwegenen
Wuth. |
- Esprit de la Fausseté
de Vertus humaines Tom. II. c. 22.
-
Ridiger
Anweisung zur Zufriedenheit.
-
Wolff Gedancken von
derer Menschen Thun und Lassen …
-
Thomasius
Einleit. zur Sitten-Lehre …
- Müller Anmerck. über
Gracians Oracul. … Ethic. 12.
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Zu einer christlichen Geduld gehöret |
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1) |
wahre Busse; denn man
muß dencken, man habe das zugeschickte Creutz
mit seinen
Sünden
verdienet, |
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Jer. 30, 15. |
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und daher wahre Busse
thun; |
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Es. 94, 6. 9. |
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- 2. Thess. 1, 4.
- Jac. 1,
3.
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a) |
weil wir durch den Glauben gewiß seyn müssen,
daß uns die Trübsal nicht ungefähr begegne, sondern nach dem
Willen und vorbedachten Rath GOttes; |
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- Amos 3, 6.
- Matth. 10, 29.
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b) |
weil wir gewiß seyn müssen, daß wir durch
Christum mit
GOtt versöhnet, |
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Rom. 5, 1. 10. |
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und daß daher GOtt unser lieber gütiger
Vater
sey daß er es nicht
böse
meynen
könne, und daß alle seine Wege, die er mit uns gehet, auf eitel Güte und
Wahrheit, Heil und Seligkeit hinauslauffen; |
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c) |
weil wir durch den Glauben den Trost ergreiffen
müssen, den uns GOtt in seinem Worte vorhält; |
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Rom. 15, 4. |
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d) |
weil wir durch den Glauben auf CHristum, unsern
Vorgänger, sehen und ihm folgen müssen; |
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Ebr. 12, 2. |
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e) |
weil wir durch den Glauben unsere Hertzen müssen
abwenden von der äusserlichen
Gestallt
des Creutzes, und auf GOttes
Liebe
und die verheissene Herrlichkeit sehen. |
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Luc. 23, 43. |
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3) |
Ein gut
Gewissen, denn
wenn man
weiß, daß man ihm selbst durch Sünde
das Creutz zugezogen, so ist das Hertz unruhig,
daraus denn leichtlich Ungeduld und
Kleinmüthigkeit entstehen kan. |
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- 1. Tim. 1, 18.
- Ps. 7, 4.
5.
- Es. 38, 3.
- 1 Petr. 4, 15. 16. 19.
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4) |
Die
Hoffnung der Hülffe
GOttes, daß man im Hertzen gewiß sey, GOtt
werde das Creutz lindern. |
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- 2. Macc. 7, 20.
- Rom. 5,
5. 8, 25. 15. 4.
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5) |
Die
Liebe
GOttes und des
Nächsten, daß man nicht wieder GOtt murre, |
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Job. 30, |
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{Sp. 574} |
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21. |
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sondern stille halten, und
mit des Nächsten Schwachheit auch Geduld
trage. |
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- Col. 3, 12. 13.
- 1. Thess. 5, 14.
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6) |
Innerliche Freude des
Geistes, daß einen GOtt so hoch
gewürdiget, ihm
das Creutz nachzutragen. |
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- Ps. 118, 21. 119, 21.
- Matth. 5, 11. 12.
- Act. 5, 41.
- Rom. 5, 3.
- 1. Petr. 4, 13.
- Jac. 1, 2.
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7) |
Beständigkeit, daß man bey
allen Trübsalen in der Geduld beständig
bleibe. |
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Jac. 1, 4. |
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Solche Geduld |
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- Prou. 3, 11.
- Syr. 2, 4.
- Ps. 27, 14.
- Luc. 21, 19.
- Rom. 12, 12.
- 2. Cor. 6, 4.
- Eph. 4, 2.
- 1. Tim. 6, 11.
- Tit. 2, 2.
- 2. Petr. 1, 6.
- Ebr.
12, 1.
- Jac. 5, 7.
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- Rom. 15, 5.
- Phil. 1, 28.
29.
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Gal. 5, 22. |
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Syr. 1, 33. |
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er verheisset alles
Gute davor, nemlich |
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- Ps. 91, 15.
- Es. 41. 10. c. 3, 2.
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Ps. 138, 7. |
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- Ps. 91, 14.
- Thren. 3,
31. 32.
- Es. 54, 8.
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Matth. 5, 11. 12. 10, 22. 24,
13. |
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er weiß unser Creutz und Geduld, |
Apoc. 2, 19. |
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sie ist
nöthig, |
- Luc. 14, 27.
- Act. 14,
22.
- Ebr. 10, 35.
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und
nützlich. |
- 2. Cor. 1, 6.
- Ebr. 10,
35.
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Damit sie aber in dem Hertzen erwecket werde,
muß man |
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- sich aufs Creutz wohl bereiten,
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- Syr. 2, 1.
- 1. Petr. 4,
12.
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- die Ungeduld im Hertzen töden und andächtig
beten.
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Solche Geduld haben ausgeübet, |
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Gen. 22, 9. |
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Gen. 45, 5. |
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Num. 12, 3. |
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- Job. 1, 21. 2, 3. etc.
- Jac. 5. 11.
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Tob. 2, 13. |
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- 1. Petr. 2, 21. 23.
- Ebr.
12, 2.
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Act. 5, 41. |
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- die Mutter mit ihren sieben Söhnen,
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2. Macc. 7. |
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