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Text |
Quellenangaben und Anmerkung |
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Seckendorf,[1] (Veit Ludwig von) auf Oberzenn und
Meuselwitz,
Chur-Brandenburgischer
Geheimer Rath,
und einer der
berühmtesten
Gelehrten des 17den
Jahrhunderts, war zu Hertzogen-Aurach, einer im
Bambergischen gelegenen kleinen
Stadt, den 20
December 1626
gebohren. |
[1] |
HIS-Data: Spaltenüberschriften und Text: Seckendorff |
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Er war nur ohngefehr 5 Jahr alt, da sein
Vater, der in dem vorigen
Articul
erwehnte Joachim Ludewig, als Obrister, in Schwedische
Kriegs-Dienste trat; daher seine
Mutter, Marie Anne Schertelin
von Burtenbach, vor seine
Auferziehung desto grössere Sorge trug, und ihn
Anfangs in die Coburgische, nachmals aber in die Mühlhäusische, und ferner 1636
in die Erfurthische Stadtschule schickte. |
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Als er nun an diesen
Orten so wol in der
Lateinischen,
Griechischen,
Ebräischen und
Frantzösischen Sprache, als auch in der Mathematic, und andern
Wissenschafften einen feinen
Grund
geleget, kam er 1639 an des
Hertzogs
Ernstens des frommen Hof nach Coburg, welcher ihn um seiner Fähigkeit
und andern guten
Eigenschafften willen unter seine
Pagen aufnahm, und mit den
beyden daselbst lebenden Würtenbergischen Printzen, Sylvius Nimrod
und Manfreden, in |
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{Sp. 911|S. 469} |
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den
Studien noch ferner
unterrichten ließ. |
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Wiewol er aber bey dem
Hertzoge, welcher seinen Fleiß und ungemeine
Liebe
zur Gelehrsamkeit gern unterhalten wollte, keine
Dienste zu versehen hatte; so
suchte er doch einen stillen
Ort,
und begab sich daher 1640 auf das Gothaische Gymnasium, 1642 aber auf die
Universität zu Straßburg, allwo er sich ins dritte Jahr aufhielt, und binnen
solcher
Zeit Rebhans, Tabors, Böclers,
und anderer Gelehrten
Unterweisung sich zu
Nutzen machte. |
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Nicht lange darauf verfügte er sich an den Hessen-Darmstädtischen Hof, und
wurde 1646 von dem
Landgraf Georgen II. zum Fähndrich
bey seiner adelichen
Leib-Garde bestellet. Da ihm aber der Schwedische
Obrist-Lieutenant, Casp. Cornel. Mortaigne, der sich nach
seines
Vaters
Tode seiner vor andern angenommen, aus eigener
Erfahrung
rieth, wie er besser thun würde, wenn er allein beym Studiren bliebe; kehrte er
noch selbiges Jahr nach Erfurth zurück, und wartete unterwegs zu Gotha dem
bemeldten
Hertzog Ernsten auf, der ihn auch nicht lange hernach, nemlich
1648, zum Hof- und einige
Zeit darauf zum Cammerjuncker ernennte, und zwar mit
dem Beding, daß er alle Zeit zum Studiren frey behalten, und sich dabey der
Fürstlichen Bibliothec bedienen sollte. |
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Er theilte demnach den Tag also ein, daß er die Frühestunden auf den
Gottesdienst und Rechtsgelehrsamkeit, den Nachmittag auf die
Geographie,
Genealogie, Historie, Theologie,
Philosophie und Mathesin wendete; wobey er denn
um so viel grössern Fortgang hatte, weil er mittlerweile, ausser den schon oben
angezeigten, auch die Spanische, Italiänische, Dänische und Schwedische
Sprachen
wohl erlernet hatte. |
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Der
Hertzog aber hatte an allen dessen Bemühungen ein so besonderes
Vergnügen, daß er auch selbst in gewisser maasse die Direction seiner Studien
auf sich nahm; immassen Seckendorff alle Wochen einige gewisse
Stunden zu ihm kommen, und ihm nicht nur alles, was er seit der
Zeit gelesen,
oder auch von andern gehöret, erzehlen, sondern auch den
Nutzen, den das
gemeine Wesen davon schöpfen könte, zeigen, und ihm hiernächst auf allerhand so wol den
geistlichen als
politischen
Stand betreffende Fragen Antwort geben muste. |
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Nach einer so sorgfältigen und trefflichen Vorbereitung ward er endlich 1651
Hof- und Kirchen-Rath, welche Stellen er auch so
geschickt bekleidete, daß ihm
1656 die Bedienung eines Cammer-Raths dazu anvertrauet wurde. In dem folgenden
Jahre trug ihm der
Hertzog zu Altenburg auch noch die
Würde eines Hofrichters zu
Jena auf; 1663 aber ward er
Cantzler, Geheimer Rath, wie auch Regierungs-
Consistorial- und Cammer-Director in Gotha, zu welchen
Ämtern er durch
vielerley Verdienste, besonders aber auch durch die bisher vergeblich versuchte,
und endlich 1660 durch ihn glücklich bewerckstelligte Theilung der gefürsteten
Grafschafft Henneberg den Weg sich gebahnet hatte. |
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Er behielt aber doch dieselbe nicht gar lange, sondern bat sich, weil ihm
der wichtigen Geschäffte eine allzu grosse Menge auf dem Halse lag, und wegen
anderer
Ursachen, |
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{Sp. 912} |
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1664 seine Entlassung aus, die ihm auch, wiewol etwas ungern, nach einiger
Zeit verwilliget wurde. So bald nun der Ruf hiervon an andere
Orte
gekommen, wurde er zu gleicher Zeit an unterschiedliche Höfe verlanget; er
schlug aber die übrigen Anerbietungen insgesamt bescheiden aus, und nahm 1665
bey dem
Hertzog
Moritz zu Sachsen-Zeitz die Stelle eines
geheimen Raths, Cantzlers, und Präsidenten des Consistorii an,
worauf ihn auch der
Churfürst zu
Sachsen, Johann George II.
1669 mit einer jährlichen Besoldung zu seinem geheimen Rath ernennte, da er denn
das bis anher gehabte Amt eines
Fürstl. Sächsischen gesamten Hofrichters zu Jena
niederlegte. |
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Hierauf ward er 1676 auch noch Landschafts-Director in Altenburg, und 1680
Steuer-Director in eben diesem Hertzogthum. Als aber in dem folgenden Jahre der
Hertzog und
Administrator Moritz mit
Tode abgegangen, gab er
alle seine an diesem Hofe gehabte
Bedienungen auf, und behielt allein die
ersterwehnte Altenburgische Stellen, wurde aber auch hiernächst von dem
Eisenachischen Hertzoge, Johann Georgen, zum Geheimen Rath
ernennet. Nachdem er nun den
Sächsischen Häusern in die 30 Jahre die wichtigsten
und ersprießlichsten
Dienste geleistet, begab er sich auf sein Gut und Städtgen
Meuselwitz im Altenburgischen, und arbeitete allda verschiedene
Schriften aus. |
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Als ihn aber der
Churfürst zu
Brandenburg, Friedrich
III, 1691 zu seinem Geheimen Rath nach
Berlin berief, gieng er nicht allein
dahin, sondern übernahm auch noch im folgenden Jahre die
Würde eines
Cantzlers
bey der neu aufzurichtenden
Universität in Halle, da er denn sogleich nach
seiner Ankunft als das Haupt der von dem Churfürsten abgeordneten Commißion die
zwischen der theologischen Facultät und dem Ministerio entstandene
Streitigkeiten mit besonderer
Klugheit beylegte. |
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Doch bald darauf verfiel er in eine gefährliche Kranckheit, nach welcher er
den darauf folgenden 18 December des schon gedachten Jahres 1692 auf eine für
einen Christen höchstrühmliche und ersprießliche Art, nemlich unter den
gottseligsten
Gedancken und Gesprächen, von der
Welt Abschied nahm. |
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Von seinen zwo Gemahlinnen, die er nach einander gehabt, ingleichen von
seinen
Kindern, welche jedoch seinen
Stamm wegen zeitig erfolgten
Todes nicht
fortgesetzt haben, ist bereits in dem
Geschlechts-Artickel Seckendorff
Nachricht ertheilt worden. |
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Es verfiel hierauf dessen im Jahre 1677 erkaufftes schönes Gut und Städtlein
Meuselwitz, zwischen Zeitz und Altenburg gelegen, welches er mit einem sehr
prächtigen Schlosse, Lust-Garten und anderen Gebäuden gezieret hat, an dessen
Bruders
Söhne, von denen es der eine, nemlich der Herr General-Feld-Marschall
Graf von Seckendorff, noch itziger
Zeit besitzet. |
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Im übrigen besaß er neben einer grossen und weitläuftigen
Gelehrsamkeit auch
eine ungeheuchelte
Gottesfurcht, und war ein Feind von allem Eigennutz und
Eitelkeit. Mit dem Herrn von
Pufendorf
gerieth er bey Gelegenheit der damahligen Streitschriften, de principio juris
naturae, wider sein Vermuthen in einige Zwistigkeit; wobey man |
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{Sp. 913|S. 470} |
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seine Großmuth und Gelassenheit nicht
unbillig verwunderte; wiewohl auch
Pufendorf, nachdem er ihn an dem Brandenb. Hofe kennen lernen,
seine vormahlige Heftigkeit zu bereuen schien, und nach der Hand alle
Hochachtung vor ihn bezeugte. |
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Mit gleicher Sanftmuth begegnete er auch dem berühmten Böcler,
als dem Verfasser der wider ihn, und seine so genannte Justitiam protectionis
in civitate Erfurtensi, herausgegebene überaus anzüglichen assertionis
juris Moguntini; immassen er in seiner repetita et necessaria defensione
justae protectionis Saxonicae in civit. Erfurt. nicht einmahl dessen
Nahmen
bekannt machen wolte, ob er gleich, so viel die
Sache an sich selber betrifft,
dessen Schmähungen wider das Haus
Sachsen nachdrücklich abzufertigen kein
Bedencken getragen. |
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Seine übrigen
Schrifften sind: |
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1. Commentarius historicus
et apologeticus de Lutheranismo, s. de reformatione religionis, ductu D. M.
Lutheri, recepta et stabilita. Leipzig 1694 in V Theilen in Fol. |
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Es ist dieses
Werck hauptsächlich dem Jesuiten Lud. Maimburg
entgegen gesetzt; und ist nachhero von Elias Frick, wiewohl in
einer etwas veränderten
Gestalt und
Ordnung, zu Leipzig 1714 in 4 ins Deutsche
übersetzt und ediret worden. Siehe davon Deutsche Acta Erudit. II Th.
p. 1029 u.ff. ja es ist auch ins Holländische übersetzt, und in Delfft 1720
gedruckt worden. Dieses berühmten Wercks wegen wird dem gelehrten Verfasser von
einigen nicht unbekannten Gelehrten der Titel: Omnium Nobilium
Christianissimus, et omnium Christianorum Nobilissimus beygelegt. |
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2. Dissertatio historica
et apologetica pro doctrina D. Lutheri de missa. |
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3. Christen-Staat. Leipzig
1716 in 8. |
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4. Deutscher Fürsten-Staat,
Franckfurt 1660 in 8 Franckf. und Leipzig 1703 in 8; und nebst des Verfassers
Zugabe und Anmerckungen zu Jena, 1720 in 8. durch Biechlingen. [1] |
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5. Deutsche Reden, an der
Zahl 44. |
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6. Jus publicum, oder: Beschreibung des Heil. Röm. Reichs
Deutscher Nation, 1687 in 8. |
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7.
Politische und
moralische Reden über
M. Ann. Lucani 300
auserlesene Sprüche u. dessen Gedichte: Pharsalia genannt, Leipzig 1695 in 8. |
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8. Capita Doctrinae et praxis Christianae,
welche er aus Speners Predigten ins
Lateinische übersetzt. |
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9. Bericht und Erinnerung auf eine
Schrifft, Imago Pietismi genannt, welche mit Speners Vorrede zu Halle
1713 in 4 heraus gekommen. |
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10. Instruction für seine Vettern, wie sie sich auf
Universitäten aufführen sollen; nebst D. Geyers Lehren an seinen
Sohn. Helmstädt
in 8. Siehe von dieser Schrifft den Arti-
{Sp. 914}
ckel Seckendorff. (Friedr. Heinr. Graf von). |
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11. Ausführlicher Entwurff etlicher
Bestallungen der Ämter und Dienste; welcher Tractat bey dessen Deutschen
Fürsten-Staat befindlich ist. |
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12. Bedencken von Absetzung eines Pfarrers, ohne Rechtliche Ausmachung
etc. welches von einem Ungenannten 1713 in 8. nebst seinem eigenen Bedencken darüber,
in Druck gegeben worden. |
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13. Hand-Postille, in welcher die Evangelischen
Glaubens-Lehren aus dem Evangelio erkläret werden, Leipzig 1730. in 8. |
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Ausserdem hat er auch an dem bekannten compendio historiae ecclesiasticae
Ernestino oder Gothano denjenigen Theil verfertiget, der die
Geschichten des Alten Testaments enthält; und zu den actis eruditorum
Lipsiensibus einen überaus
ansehnlichen Beytrag gethan, worunter er die
Recension von der Bourignon
Schriften, welche 1686 Monat Jenner enthalten,
insbesondere zu mercken, weil er darüber mit P. Poiret in einen
Streit gerathen, und sich gegen denselben in seiner defensione relationis de
Antonia Burignonia, Leipzig 1686 in 4 zu vertheidigen genöthiget worden. |
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Übrigens hat er auch den Tractat: Schola Latinitatis Gothana
betitelt, welcher eigentlich von Richtern und Ludolphen
aufgesetzt worden, aufs genaueste übersehen, mit Zusätzen bereichert, und
solchergestalt zu seiner gehörigen Vollkommenheit gebracht. |
Siehe davon
Actor. Erud. Lips. Lit. T. IV. p. 524. |
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Schreber hat von seinem
Leben eine ausführliche
Schrift
unter dem Titel: historia vitae ac meritorum V. L. a Seckendorf 1733 in 4
herausgegeben. Siehe übrigens
-
Thomasius in den kleinen
deutschen Schriften.
- Pipping memor. theol. p. 1062. sq.
- Walchs Relig. Streit. in der Evang. Kirche, I u.
II Th.
- Morhofs Polyhistor.
-
Unschuld. Nachrichten.
- Leipz. Gelehrte Zeit.
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