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Quellenangaben und Anmerkungen
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Cantzler, Cancellarius, Chancelier. Diesen
Titel
führt derjenige, welcher die oberste Stelle in
Regiments-[1]
und Justitz-Sachen eines
Reichs, oder
Fürstenthums
bedienet, und sein Amt
und Vorzug
daher hat, weil er in Abwesenheit und an Statt des
Landes-Herrn |
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HIS-Data: vergleiche
Staats-Sachen |
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- eine Sache
- bey Verhören und Vorbeschieden
thut er den
Vortrag, und
giebt die Antwort,
- durchsieht und
verbessert alles, was in der Cantzeley
ausgefertiget wird,
- und unterschreibt dasjenige, welches sich nicht der
Fürst
zur eigenständigen Unterschrifft vorbehalten hat.
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Es sind auch die Fürstlichen Siegel in seiner
Verwahrung, und beruht allein
in seiner
Verordnung, was damit bedruckt werden
soll. |
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Alle, die so wohl bey der Cantzeley
bedient sind, als auch diejenigen,
welche das
Policey- und Justitz-Wesen
bestellen, sind seiner Aufsicht
anbefohlen, daß er jeden seiner
Pflicht nachzukommen anhalten
muß. Daher ist
dieses Amt eines von denen
ansehnlichsten
Ämtern in
unterschiedenen
Kayserthümern,
Königreichen und andern
Provintzien. |
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Entwicklung |
Anfangs hat ein Cantzler nicht viel zu
sagen gehabt, und wurde als eine von
denen allerschändlichsten
Thaten
dem Kayser Carino ausgelegt, daß er
einen von denen Cancellariis zum Praefecto Praetorio gemacht. |
Vopiscus in Carino 16. |
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Es
meynt auch Casaubonus ad
Vopisc. l.c. daß der
Name erst dazumahl
aufgekommen, weil in denen
Pandecten
dererselben nicht gedacht wird, allein Salmasius ad Vopisc.
l.c.
schreibt, das sey keine Folge, zumahl die Cancelli damahls
schon gewesen, von welchen sie ihren
Namen sowohl hätten, als die Velarii
von denen velis, es wären nemlich die Cancellarii so viel als
Thürhüter bey denen cancellis oder gegitterten Thüren vor denen
Kayserlichen und
vornehmer Leute Zimmern gewesen. Man hatte auch dergleichen vor
denen
Schrancken, welche zu Abhaltung derer Leute von dem Gerichts-Platze
gemacht waren, stehen musten |
Tit. Cod. ... |
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Casaubonus l.c. hält davor, daß nach der
Zeit, wiewohl lange nach des
Kaysers Carini Zeiten die Cancellarii
in grösseres Ansehn gekommen, und so viel als die heutigen Secretarii
oder Reqveten-Meister gewesen, wiewohl ihm Salmasius
l.c. hierinne auch nicht beypflichtet, sondern zu zeigen sucht, daß
Casaubonus die Stelle aus dem Cassiodoro de
Form. cancellar. fälschlich von denen cancellariis am
Kayserlichen
Hofe, die nichts weiter als die heutigen Thür-Hüter gewesen,
verstanden, da doch
solches auf die Cancellarios in Judiciis gehe, als welche um den
Zulauff derer Klagenden zu verhindern, an der Thür gestanden, die
Personen
angemeldet, hineingelassen, die gesprochenen
Urtheile zur Exsecution
gebracht, und über dieses das
Archiu in
Verwahrung gehabt, die Urtheile
publiciret, daher sie eben das, was die
Griechischen antigrapheis,
waren. |
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Man hat aber den Cancellarium auch pro tabellione, das
ist, zu Verfertigung derer
Instrumente gebraucht. |
Anianus ad Leg. ... |
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Bißweilen werden sie auch Referendarii
genennt. |
Sigebertus ad an. 637. |
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Der
Name Cancellarius kommt, wie schon gedacht worden, am
wahrscheinlichsten her von denen Cancellis, weil der
Ort,
wo die
öffentlichen Documenta geschrieben worden, mit Cancellis, mit
Gittern oder |
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{Sp. 604} |
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Schrancken umgeben war. |
Cocceius J.Publ. X. 4. |
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Andre hingegen
wollen das
Wort von cancellare herleiten, weil der
Cantzler die
Priuilegia und
Rescripte, ehe sie besiegelt
worden, corrigirte, und ausstrich, was falsch wäre. Allein wer
betrachtet, was derer Cancellariorum
Amt Anfangs gewesen, wird leicht
sehen, daß diese Deriuation weit hergeholet ist. |
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Unter denen Fränckischen
Königen sind die Cancellarii auch
Referendarii, Capellani, Archi-Capellani, Apocrisiarii, Abbates, Diaconi und Sub-Diaconi genennt worden, biß man
endlich angefangen, denjenigen kat' exochen einen
Cantzler zu nennen, unter welchem alle Secretarii und Referendarii
stehen. |
- Sylburg Hist. ...
-
Crusius de Praeced. ...
- Gastelius
de statu ...
- Bignonius not. ad
- Marculphi Formulare. ...
-
Schilter de Libert.
- Aimoinus Hist. ...
- Lambecius
Comment. ...
-
du Fresne voc. Capellani p. 785.
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Anforderungen |
Es wird aber zu dem Cantzler-Amt, als einem derer allerwichtigsten und
ansehnlichsten
Bedienungen
eine
gründliche
Wissenschafft derer
gemeinen und
besondern
Rechte,
Priuilegien, pactorum, praetensionum und
Interesse, wie auch eine gnugsame
Geschicklichkeit im
Reden und
Schreiben
erfordert,
muste deßwegen in denen Zeiten der Unwissenheit von denen
Geistlichen
verwaltet werden, weil dieselben damahls allein die Feder zu führen
wusten,
daher auch im Teutschen
Reiche die drey
geistlichen Chur-Fürsten
Ertz-Cantzler sind. |
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3 Reichskanzler |
Weil die Teutschen Kayser
ehemahls 3
Reiche besassen, hatten sie auch so viele Ertz-Cantzler. Die
Ertz Bischöffe zu Mayntz
sollen zu Kaysers Ottonis I. Zeiten diese
Würde im
Teutschen Reiche erblich erhalten haben. Die
Ertz-Bischöffe zu Cölln sind ungefehr zu Kaysers Henrici IV oder V
oder Lotharii Zeiten Ertz-Cantzler in Italien, und die Ertz-Bischöffe
zu Trier im 12 Seculo ungefehr in Gallien und Arelat solches worden.
Nachdem aber Italien und Gallien dem Teutschen Reiche gröstentheils entrissen
worden, daher sie wenig zu
verrichten haben. |
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Hingegen hat der
Chur-Fürst zu Mayntz desto wichtigere Vorrechte; denn
ausser dem eintzigen
Westphälischen Frieden, welchen der Chur-Fürst von
Sachsen, wiewohl nicht
ohne starckem Wiederspruch von Chur-Mayntzischer Seite, bey sich hat,
verwahret
er alle übrigen
Reichs-Acten und andere Urkunden, deßgleichen die
Reichs-Matriceln. |
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Er muß auch die Reichs-Decreta cognosciren, siegeln und
unterschreiben, doch verrichtet das letztere mehrentheils der Reichs-Vice-Cantzler,
welchen er an seiner Statt am
Kayserlichen Hofe hat; wie man denn dieses unter
die sonderbahren Vorrechte des Churfürsten zu Mayntz rechnet, daß er ausser
gedachten Reichs-Vice-Cantzler noch zwey, den einen als Hof-Cantzler,
und den andern als Cantzler über die Mayntzischen
Länder habe. |
Val. Ferd. de Gudenus Syllog.
... |
Reichs-Vize-Kanzler |
Die Reichs-Vice-Cantzler-Würde hat fast gleichen
Ursprung mit denen
Ertz-Cantzlern, wiewohl man derselben dieses
Praedicat nicht über 150
Jahr zugestanden, weil vorhero nur der
Titel: Cantzler des Kayserlichen Hoffs
gewoöhnlich war, ausser daß man von dem einigen
Bischoffe zu Würtzburg
Conrado. findet, wie ihm auf einer Grabschrifft der
Name Cantzler des
H.
Römischen Reichs gegeben werde. |
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Übrigens
verwahret der Reichs-Vice-Cantzler die Reichs-Siegel und
stellt sie bey der
Kayserlichen Crönung einem von denen Ertz-Cantzlern zu. So
bald aber solche vorbey, ist der Ertz-Cantzler
schuldig,
die Siegel durch einen
gewissen
Mann ihm wieder einzulieffern, da denn der Reichs-Vice-Cantzler
das Pferd, worauf der Überbringer geritten, ingleichen den silbern Stab, woran
die Siegel gehangen, vor sich behalten darff. |
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Erzkanzler der Kaiserin |
Die Römische Kayserin hat auch ihren Ertz-Cantzler, welches vermuthlich
schon von derer
Kayser Ottonum Zeiten her derer
Gefürstete
Abt zu Fulda
ist. Seine
Verrichtungen besteht darinnen, daß, so offt als eine Kayserin
gecrönet wird, oder sonst in ihrem
Kayserlichen Habit erscheint, der Abt solcher
entweder die Crone von dem Haupte nehme, oder wiederum aufsetze. |
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weitere kaiserliche Kanzler |
Sonst findet man an dem Kayserlichen Hofe wegen des Königreichs Böhmen auch
einen obersten Cantzler, welcher einen Cantzler und Vice-Cantzler unter
sich hat, und wegen derer Österreichischen
Lande einen Hoff-Cantzler; wie denn
auch
Ungern und Siebenbürgen ihre eigene Cantzler daselbst haben. |
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An dem Päbstlichen Hofe hat einen Cardinal, so dabey Cantzler war, gleichen
Rang mit dem Pabste selbst haben
wollen; daher die Päbste ietzo nur Vice-Cantzler
haben
sollen. |
Freinshemius |
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{Sp. 605|S. 318} |
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de Elect. ... |
Europa |
Unter denen
Königen von Franckreich ist dieses
Amt nicht unansehnlich
gewesen, sonderlich unter dem Capetingischen
Stamme, da die Cantzler zugleich
Cron-Siegel-Verwahrer worden. Ein Cantzler von Franckreich praesidirt
in allen Königlichen Raths-Versammlungen, und trägt dem Parlamente des Königs
Willen vor, wenn derselbe ein lit de Justice hält, bey welcher
Gelegenheit er dem Könige zur lincken Hand unter dessen Thron sitzet. |
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Er kan nicht abgesetzt werden, sondern wenn der Hoff nicht wohl mit ihm
zufrieden ist, pflegt man ihm nur die
Regel zu nehmen, und einem andern zu
geben, der Garde des sceaux ist, wodurch doch der Cantzler in der
That
alle seine
Gewalt
verliehrt. Er legt seinen
Eid in des Königs Hände ab, darff um
niemanden die Trauer anlegen, und hat seinen Sitz und Stimme nächst denen
Printzen vom Geblüte, anderer großen Vorrechte zugeschweigen |
- Lanouius de sanctis ...
- Etat de la France Tom. IV.
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In England hatte der Reichs-Cantzler noch einen neben sich, und führt den
Namen eines geheimen Siegel-Verwahrers. In Polen ist ein Cron- und
Unter-Cantzler, davon einer Wechsels-Weise
geistlich, der andere aber
weltlich
ist. In Lithauen sind deren auch zwey, können aber alle beyde weltlich seyn. In
Spanien ist der
Ertz-Bischoff von Toledo Cancellarius natus von
Castilien. |
- Kirchner de offic. ...
- Rutgerus zur Horst de Cancellar.
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Universitäten |
Man hat auch auf
Vniuersitäten einen Cancellarium, welcher
gleich nach dem Rectore kömmt, und ein
Amt ist, so vordem denen
Bischöffen zugestanden, dahero es heutiges
Tages in
Protestirenden
Ländern, wo
die Vniuersitaeten noch vor der
Reformation gestifftet worden, die
Besitze derer Bißthümer sich nochzuzueignen pflegen; also ist bey der
Vniuersitaet Leipzig der
Hertzog und
Bischoff zu Merseburg Cancellarius
Perpetuus. Er ertheilet die
Macht
Promotiones in ieder
Facultaet anzustellen, und wird deswegen auf gehöriges Anhalten ein
Procancellarius
verordnet. |
Brunn. J.E. ... |
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Auf manchen
Academien
haben die
Professores
Theologiae
oder auch zuweilen
Juris, das Cancellariat, in welchem Falle
es eine Inspection über die
Vniuersitaets-Verwandte bey sich
führet. |
Schwed. ... |
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Es ist auch von der gleichen Cantzler und dessen
Amte
unterschiedenes
verordnet, in der Vniuersitaets-Ordnung
Churfürst Augusti tit.
vom Cancellario beyder Vniuersitaeten, allein es ist meistens
auf denen
Chur-Sächßl. Academien
würcklich nicht verhanden. |
- Meibomius Orat. ... in
Meibom. Tom. III. ...
-
Pfeffinger
ad
Vitriar. ...
- Pfaff. Or.
...
- Weinrichs Hist. und Theol. Betracht. II.
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