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Zedler: Archiv HIS-Data
5028-2-1241-3
Titel: Archiv
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 2 Sp. 1241
Jahr: 1732
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 2 S. 642
Vorheriger Artikel: Architriclinius
Folgender Artikel: Archivarius
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben
  Archiv ist nichts anders, als ein gewisser Ort, da die Instrumenta publica und andere wichtige und geheime Sachen, die den Staat und Jura des Fürstens und seines Landes anbetreffen, verwahret werden.  
  Dann was Privat-Acta und Parthey-Sachen, die sonst zwischen denen Unterthanen ventiliret, und in denen Cantzeleyen aufgehoben werden, betrifft, wird der hierzu bestimmte Ort eine Registratur genannt, in einigen Cantzeleyen aber mit dem Wort Archiv confundiret.  
  Wer nun die Jura superioritatis besitzet, kann auch ein Archiv aufrichten. Woraus leicht zu schliessen, wem das Recht, Archiva aufzurichten, zukomme, nemlich allen denen, welche Stände des Reichs sind, und einfolglich Jura Territorialia exerciren können, oder welche dieses Recht per concessionem oder praescriptionem erlangt haben, und werden solchemnach diejenigen ausgeschlossen, welche dem Reich mittelbar unterworffen sind, und werden ihre Scrinia Gerichts-Stuben oder expeditiones genannt, sie hätten dann solches Recht specialiter concedirt bekommen, oder durch langwierige Gewohnheit adquiriret.  
  Wie es nun respectu derer Stände des Reichs keine Difficultaet giebt, daß solche ein Archiv aufrichten könne: also entstehet ein dubium bey der freyen Reichs-Ritterschafft, ob auch solche dieses Rechts fähig sey? Da dann insgemein ein Unterscheid gemacht wird unter der gantzen Ritterschafft, wann sie als ein Corpus considerirt wird, und unter deren Individuis. Jenen will man ein Archiv zulegen, diesen aber nicht.
  • Fritsch. de Jure archivi tract. ...
  • Mulz. P. II. ...
  • Ruland. de Commis. ...
  In unserm Deutschen Reich kann das Archiv getheilet werden in das Kayserliche und Reichs-Archiv. Jenes haben Ihr. Kayserl. Maj. bey dem Hochpreißl. Reichs-Hof-Rath, dem er auch aus eigener Autoritat einen Cantzler vorsetzet. Dieses gehört dem Reich, und haben Ihr. Chur-Fürstl. Durchl. zu Mäyntz als Ertz-Cantzler in Deutschland das Directorium darüber.  
  Und ist das Reichs-Archiv zweyerley, eines, welches die Acta publica, welche in denen Reichs-Deputations-Visitations-Tägen, und anderen Reichs-Conventen vorgehen. Das andere aber, worinnen die Judicial-Acta und die von denen Ständen und andern deponirte Privilegia auf Begehren aufbehalten werden.  
  Jenes verwahret der Churfürst von Mayntz an seinem Hoff, und wird dahero öffters in Reichs-Abschieden die Chur-Mäyntzische Cantzeley genannt,
  • R.I. An. 1542. §. und zu mehrer.
  • R.I. 1548. §. Etliche andere.
  Dieses dirigiret zwar  
  {Sp. 1242|S. 643}  
  auch Chur-Mayntz, jedoch im Cammer-Gerichts-Ort, und ist darüber ein Cantzley-Verwalter gesetzet.  
  Wer nun einige Acta aus dem erstern Archiv verlanget, der muß es bey Chur-Mayntz suchen, letztern Falls aber bey der Cammer.
  • Otto de I.P. ...
  • Fritsch. de I. Arch. ...
  • Ruland. de Commiss. ...
  Unter Particular-Ständen, besonders von Fürsten eines Hauses, pfleget auch ein gemeinschafftlich Archiv oder Cantzeley von einigen aufgerichtet zu werden, welches entweder der Älteste von der Familie adserviret, oder es ist der gemeinschafftlichen Inspection überlassen, und pfleget sodann, wann ein gemeinschafftlich Instrument  heraus zu nehmen ist, irer aller Gegenwart nöthig zu seyn.  
  Man macht auch einen Unterscheid unter ein geheimes Archiv, wie die Arcana Status, welche die Jura und Regalia des Landes und Regentens betreffen, und ein gemeines, worinn Gerichts- und Parthey-Sachen verwahret, und ad differentiam des Archivs bey einigen Cantzeley-Registraturen genannt werden.  
  Dieses ist noch notable bey dieser Materie, was die Dd. von dem Glauben, welche die in den Archivis anzutreffende Scripturen verdienen, in acht nehmen, wobey dieses zu observiren:  
 
1) Schrifften und Briefschafften, die aus einem öffentlichen Archiv genommen werden, ob es schon keine Instrumenta publica sind, verdienen völligen Glauben, und probiren plene.
  • Auth. ad haec C. de fid. Inst.
  • Rul. ...
  • Nicol. de Passer de Script. priv. ...
  • Fritsch. d.I. ...
 
  Wobey aber ein und anderes, wenn das Archiv solche Krafft haben soll, von denen Dd. requiriret wird, und zwar
 
 
 
1) daß ein gewisser Bedienter dem Archiv vorgesetzet werde, welcher Archivista, oder Archivarius genannt wird.
2) Daß solcher von demjenigen, der das Jus Archivi hat, dazu verordnet sey.
3) Daß die Schrifft, davon die Frage ist, unter andern authentischen Briefschafften anzutreffen.
4) Daß der Archivarius adtestire, es sey das Instrument oder Brieff, davon die Frage ist, aus dem Archiv genommen.
 
  Wiewohl einige mehr, andere wenigere Requisita erfordern, welches in casibus singularibus dem Arbitrio eines Richters überlassen wird, ob schon regulariter dieses einige, was auch dem Juri Civ. nach per auth. ad haec C. de fid. instr. ... requiriret werden mag, ad Archivum genug zu seyn scheinet, daß selbiges in einem loco publico, der keinen Verdacht leidet, wohl verwahret gefunden, und von einer gewissen Person demselben vorgestanden wird.
  • Rul. ...
  • Fritsch. d.I. allwo er dieses Vorgeben weitläufftig deduciret.
  • Rhet. Inst. I.P. ...
  • Brunn. ad L. 50. ...
 
  daß auf den Ort allein zu sehen, und daß dadurch der Scriptur der Glaube zuwachse, folget, daß auch eine alte Abschrifft und Copey, wann nur offenbahr ist, wer es geschrieben, ob schon weder Ort, Tag noch Pitschafft dabey zu finden, probire.
  • Nic. de Passer ...
  • Rhet. ...
  • Knipsch. ...
  • Myler. ...
  • Klock.
 
  Denn das Archiv authentisirt gleichsam eine solche an und vor sich des völligen Glaubens halben gravirte Schrifft, und werden alle Schrifften, so im Archiv gefunden werden, in dubio pro authenticis gehalten, so lang ein widriges nicht probiret
 
  {Sp. 1243}  
 
  wird. Ja es gehen die Dd. so weit, daß sie sagen: Eine alte Copia im Archiv probire so viel, als das Original, wo solches nicht mehr zu bekommen ist.
  • Arg. C. ult. de fid. Instr. ibique Mynz. Masc. ...
  • Knipsch. d.l.
 
  Gewiß ist es, daß man denen Privat-Scripturen und Registern, welche in dem Archiv angetroffen werden, auch bey dem Kayserlichen Cammer-Gericht Glauben zustellet, welches mit Praejudiciis beweiset Knipsch. ...
 
 
  Wären aber Fragmenta und blosse Stücke von Scripturen im Archiv zu finden, die weder Anfang noch Ende haben, so ist denselben, besonders in wichtigen Sachen, kein Glaube beyzumessen.
  • Tusch. ...
  • Besold. ...
  • Fritsch. ...
 
  Es fragt sich aber ferner, ob dergleichen aus denen Archiven genommene Documenta auch ausser dem Territorio probiren? Oder: Ob ein aus dem Archiv genommenes Document nicht nur wider die Unterthanen, sondern auch wider andere Exteros probire?
 
 
  Hierinn sind die Doctores nicht einerley Meynung. Den bejahenden Theil vermehren diejenigen, welche, wie vor erwehnet, davor halten, daß denen Scripturen der Glaube aus der Beschaffenheit des Orts zuwachse, dahero, wo ein Document aus dem Archiv, als einem loco publico erweißlich kommet, so verdiene es seinen Glauben, es werde in- oder ausser dem Territorio produciret. Und sehe man keinen Unterscheid, wann das Archiv seine gehörige Requisita hat, warum nicht eine daraus genommene Scriptur, sowohl ausser- als innerhalb dem Territorio, Glauben finden soll? Es probiren ja Zeugen extra Territorium, warum nicht auch die Documenta, da doch beyde sonst aequipariret werden?
Mehrere rationes pro adfirmativa sind zu finden beym
  • Rulando ...
  • Klock. de Contrib. ...
  • Nicol. de Pass. ...
  • Myler. d. l. in fin.
  • Fritsch. ...
 
  Welche aber die verneinende Parthey vertreten, die argumentiren von der Authoritaet dessen, der das Archiv aufrichtet, weil nun solche nicht ausser das Territorium sich erstrecket, so kan auch die daraus genommene Schrifft nichts probiren. Allein daß dieses und andere Argumenta nicht zu adtentiren, beweiset Ruland. d.I. Und distinguiret ... unter die Archiva, ob solche im Römischen Reich aufgerichtet sind, oder ausser demselben.
 
 
  Erstern Falls, meynet er, erstrecke sich deren Krafft durch das gantze Reich; letztern Falls aber müsse darauf gesehen werden, ob einer ein Freund oder Feind des Römischen Reichs sey.
Vid. latius de hac quaest. Fritsch. d. tract. ...
 
  Letztlich ist auch diß zu mercken, daß, was in der Registratur einer Municipal-Stadt zu finden ist, praesumirlich alle Bürger derselben wissen, so, daß sie keine Ignorantz vorschützen können.
  • Crav. ...
  • Fritsch. ...
  Ehedem wurde, ehe noch dergleichen besondere Örter errichtet, das gemeine Geld und Urkunden in denen Kirchen- oder Rath-Häusern und andern öffentlichen Örtern verwahrlich aufbehalten. Die gemeinschafftlichen Urkunden wegen derer Geschlechter, Adels-Briefe, werden heut zu Tage bey denen Ältesten aus der Familie aufbehalten.  
  Archivum civitatis ist derjenige Ort, wo der Stadt Statuta, Rolle derer Bürger, Brieff, Straff- Forst- Saal- Steuer- Raths- und Gerichts-Bücher verwahrlich aufbehalten werden.  
  {Sp. 1244|S. 644}  
  Archivum regni, das Reichs-Archiv, wo eines Reichs Urkunden, Jahr-Geschichten, Memoiren, Privilegia und Reichs-Gerechtsame verwahrlich beybehalten werden.  
  Mit eins: Archiv heißt ein Behältniß von Sachen und Briefschafften, welchen man, des Ortes halben, Glauben beyzulegen. Die Römer haben solches Laterculum sacrum genennet. Wovon de Ludevvig in Justiniano ...
  Wer also ein Recht oder Amt hat, dem man trauen und glauben solle, (persona publicae fidei) der kan auch dem Ort, wo er seine Papiere hinleget, dergleichen Glauben machen.  
  Weil aber blosse Richter und eintzele Menschen ihre Papiere, wo sie wollen, verwahren; so wird ihnen dieses Wort billig verweigert.  
  Wie aber, wenn zwey Archiva gegen einander streiten? So heisset es: Quod si testes sibi contradicant, nihil actum. Und deswegen ist im Rißwickischen Frieden die Frage vorkommen: Ob wenn das Reichs-Archiv mit eines Reichs-Fürsten Archiv uneinig? Wem hiebey zu trauen.  
  Zu bedauren ist es, daß insgemein die Archiven wie ein vergrabener Schatz verborgen liegen: Weil entweder der Herr mißtrauisch, oder die Archivarii faul sind.  
     

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Stand: 24. Februar 2013 © Hans-Walter Pries