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Zedler: Aër HIS-Data
5028-1-673-7
Titel: Aër
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 1 Sp. 673
Jahr: 1732
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 1 S. 377
Vorheriger Artikel: Aequus judex
Folgender Artikel: Aër … der Lunae Gemahl
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Aër, Frantzösisch Air, die Lufft, ist ein flüßiger, webender, dünner, durchsichtiger Cörper, welcher die Erd-Kugel umgiebt, und durch seine eigene Schwere allenthalben ein gleiches Gewicht hält.  
  Daß die Lufft ein Cörper sey, ist offenbar, weil kein anderer Cörper eingehen kan, wo Lufft ist, bis diese ausgetrieben worden.  
  Daß sie flüßig sey, zeigen die Würckungen des Lichts, des Schalles und des Geruchs, so in derselben vorgehen.  
  So muß sie auch webend seyn, weil sie in den lebenden Cörpern den Oden erhält, welcher nichts anders ist, als eine von der Lungen Wechselsweise eingezogene, und wieder ausgelassene Lufft.  
  Sie bestehet aus solchen subtilen Theilen, daß sie sich gar leicht durch alle Cörper schleicht, dieselben annimmt, und sich davon wieder losmachet.  
  Sie ist auch dünn, weil sie aus Theilen bestehet, die zwar stramm und spreißig, aber nicht gantz dicht an einander liegen, daß nicht darzwischen noch ein kleiner Raum übrigbleibe, wie sie denn sich allezeit von selbst mehr auszubreiten  
  {Sp. 674}  
  suchet, hingegen durch Gewalt in die Enge getrieben werden muß.  
  Aus der Dünne folgt die Durchsichtigkeit, weil durch die darinne befindliche Klüffte (poros) das Licht dringen kan.  
  Sie umgiebt den aus Erd und Wasser bestehenden Erden-Ball, so, wie das Wasser die Erde umgiebet, und erfüllet allen Raum, der von andern Cörpern verlassen wird. Und dieses allenthalben in gleicher Schwere, dieweil sie mit allen ihren Theilen gleich nach dem Mittel-Punct der Erden dringet, daher auch alles, was dergestalt auf dem Erd-Boden ruhet, daß dessen Mittel-Punct der Schwere sich zu dem Mittel-Punct der Erden richtet, an demselben vest bleibet.  
  Die Wärme, Kälte, Feuchte und Trockne der Lufft sind nach der heutigen Natur-Kündiger Sätzen solche Eigenschafften, die sich nur zufälliger Weise in derselben befinden, obgleich die Alten eine und andere davon als wesentliche Stücke der Lufft angesehen.  
  Die Lufft wird zuforderst unterschieden nach ihrer Reinigkeit, oder Vermischung. Die reine Lufft ist, die weit in der Höhe von dem Erdboden schwebet, Dieselbe wird Aether, die Himmels- Lufft, genennet. Die vermischte ist zunächst an der Erden, mit Dämpffen und Dünsten vermengt, und Atmosphera, die Wetter-Lufft, genennet.  
  Daß in allen vermischten Cörpern Lufft vorhanden sey, bekennen die alten und neuen Natur-Kündiger, doch nicht auf einerley Weise. Jene zehlen die Lufft unter ihre vier Elemente, oder Urstuffen, und wollen, daß sie zugleich mit den andern das Wesen der vermischten Cörper bestelle. Diese gestehen nicht, daß die Lufft an das schlechte Wesen (simplicitatem) eines Elements reiche, und halten sie vor die Behältniß derer von der Himmels-Lufft aufgelöseten, irdischen und wässerichten Theile, doch geben sie zu, daß sie in die andern Cörper eindringe, und derselben Klüffte durchstreiche, in denselben, wider ihre Eigenschafft, gleichsam gefangen gehalten werde, und wenn sie durch stärckere Wärme verdünnet, mehr Raum erfordert, offt mit Gewalt und Getöse ausbreche, und die ihr angebohrne Freyheit suche, welches sie mit mancherley Erfahrungen an dem Wasser, an den irdischen, wachsthümlichen und thierischen Cörpern beweisen.  
  Die Würckung der Lufft, so sich in allen Cörpern, welche sie berührt, verspüren lässet, und wie dieselbe von ihr durchdrungen, verändert, mit neuen Eigenschafften angethan, oder ihrer eigenen beraubet werden, und so ferner, ist durch unzehlbare Exempel am Tage, so, daß die Lufft wie vor eine allgemeine Mutter der Erzeugung, also auch vor eine allgemeine Ursache der Zernichtung mag angegeben werden. Alle diese Würckungen aber rühren einig her zum Theil von ihrer Schwere, zum Theil von ihrer Flüßigkeit, zum Theil von ihrer Spreißigkeit, (elasticitas) das ist, einer solchen Eigenschafft, nach welcher sie kan ausgedehnet und zusammengedrückt werden. Chauv.
  Die Lufft ist ein Theil des Himmels, ein Schau-Platz der Welt; das Sieb der Natur, durch welches die Kräffte und Einflüsse der andern Cörper gereutert werden; die mittlere Natur, welche alle die andern weit auseinander zerstreueten Naturen zusammenfasset; der allersubtilste Dampff, der von dem himmlischen Feuer zu einem unauslöschlichen Licht angezündet worden; der Aufenthalt des Lichts und des Schattens.  
  Sie ist das erste durchscheinende Wesen, leidet nichts leeres, nimmt alle zufällige Beschaffenheit leichtlich an, hat aber selbst keine eigene, ist dem geistlichen Wesen nahe, und wird daher in der geheimen Arbeit der Philosophen der Geist genannt. Sie ist der schwebende Frie-  
  {Sp. 675|S. 378}  
  dehalter zwischen Feuer und Wasser, beyder Eigenschafften fähig, und beyden zugethan, weil ohne Lufft das Feuer nicht brennen kan, und das Wasser, wenn es von dem Feuer gedränget, sich in einen Dampf auflöset, von der Lufft aufgenommen wird.  
  Die unterste Gegend derselben ist einem Helm an einem Brenn-Kolben zu vergleichen, weil darinn die Dämpffe aufsteigen, und wenn sie aufs höchste gekommen, von der Kälte zusammengedruckt, in Wasser-Tropffen wieder herniederfallen. Um deßwillen ist diese uns am nähesten gelegene Lufft unreiner und dicker, als die höhern.  
  Ihr oberster Theil ist die Gegend, wo die Wolcken sich zusammenziehen, und Blitz und Donner erzeuget werden. Soweit reichet nach gemeiner Meynung die Atmosphaera, oder Wetter-Lufft, wie wohl einige neue Observationes hierunter einen Zweifel erwecken.  
  Was darüber ist, wohin die wäßrige Natur wegen ihrer Schwere aufsteigen kan, da fähet an die mittlere Gegend der Lufft, in welche doch die schwefelichten Dämpffe, wenn sie sich der wäßrigen entlediget, sich erheben, aus welchen mancherley feurige Lufft-Zeichen entstehen. Diese Gegend ist stille, und von Winden nicht verunruhiget.  
  Die oberste Gegend der Lufft reicht bis zum Mond, und ist nicht mit Feuer erfüllet, wie die Alten vorgegeben, sondern das reinste Theil derselben, mit keinem Ruß der untern Cörper verunreiniget, und der heitern Himmels-Lufft am nähesten. Brown.
  In der Bilder-Kunst wird die Lufft vorgestellet als ein Weib mit fliegenden Haaren, auf einer Wolcken sitzend, zur rechten einen Pfau, auf der lincken ein Chamaeleon haltend; Ripa.
  Oder wie ein munterer Knabe mit fliegenden Haaren, und lichtblauer Kleidung, über ihm ein Regen-Bogen, neben ihm ein Pfau; in der einen Hand eine Sprütze, in der andern einen Ballon haltend. Dieses Bild siehet mehr auf die Lufft-Kunst, als auf die Lufft selbst. Harsd.
  Von den Medicis wird Aër, die Lufft, mit diesem Zeichen [grafisches Zeichen], abgebildet.  
     

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Stand: 6. November 2016 © Hans-Walter Pries