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Text |
Quellenangaben |
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II. Der Zorn GOttes.¶ |
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(A) Dogmatische Abhandlung.¶ |
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Unter denen Eigenschafften GOttes, die ihm
als
Neigungen
des Hertzens in der
Heiligen Schrifft zugeschrieben werden, als da sind
Freude, Traurigkeit,
Liebe und Haß, ist auch der
Zorn, |
siehe Psalm XC, 7. Röm. I,
18. und andere
Schrifft-Stellen mehr. |
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Der Zorn ist eine
Art und Blick des Hasses
und Widerwillens.¶ |
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(1) Beschaffenheit.¶ |
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Insgemein ist der Zorn eine
Lust, das
Unrecht, das uns angethan ist, zu rächen, oder er
ist eine
Bewegung des Gemüths, denen zu
vergelten, die uns entweder beschädiget haben,
oder beschlossen hatten, uns zu
beleidigen. Ein
solcher Zorn ist in
GOtt nicht. Lactantius
Firmianus de ira Dei … hat
geirret, daß er von
dem Zorn Gottes
geschrieben, da er die
Meynungen der
Philosophen widerleget, als des
Epicuri, der in GOtt weder
Gnade noch Zorn
wissen
wolte, auch der Stoicker, die in GOtt zwar
Gnade sahen und
erkannten, aber den Zorn
läugneten, und da er den Zorn zwar feste setzt,
aber doch solchen beschreibet, daß er eine
gewisse Bewegung in GOtt, um zu straffen
sey. |
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Denn gleichwie in GOtt keine
bösen
Bewegungen seyn, so seynd auch in GOtt keine
Bewegungen zum
Guten. Denn GOtt ist
unveränderlich. In GOtt sind derowegen die
Neigungen nur allein
Würckungen: Also hat GOtt
Zorn, dieweil er das thut, welches jemand thut, der
zornig ist, nehmlich er schicket
Straffe, welche die
Sünde und Missethat
verdienet hat. |
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Der Zorn Gottes bedeutet demnach in der
Heil. Schrifft¶ |
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1) einen heiligen und
gerechten
Willen, auch
festen
Schluß, die Sünde zu straffen, und über
alle Übertretung gerechte Vergeltung zu geben.
Also wird der Zorn Gottes beschrieben: |
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„Wer an den Sohn gläubet, der hat das ewige
Leben, wer den Sohn nicht gläubet, der wird das
Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes
bleibet über ihn;„ |
Joh. III, 36. |
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das ist, Gottes gerechte und
festbeschlossene Rache. |
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Diese wird bisweilen der Eyfer GOttes wider
die Sünde
genennet, dieweil GOtt gleichsam im
Eyfer feste stellet und beschliesset zu rächen und
zu straffen sein geschändetes
Gesetz, da er wird
ein eyfriger GOtt genennet, |
- 2 Buch Mose XX, 5.
- Nah. I, 2.
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Hierdurch wird auch¶ |
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2) bisweilen die ausgedrückte und
mannigmahl geschehene Dräuung Gottes
verstanden, dadurch er seine Straffen und
Gerichte ankündigen und
vorstellen lässet. |
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Hiervon spricht David: „GOtt schwur in
seinem Zorn, sie solten nicht zu seiner Ruhe
kommen,„ |
Ps. XCV, 12. |
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das ist,
öffentlich und mit einem
Eyde bey mir
selbst habe ich ihnen gedräuet und verkündiget,
daß sie in meine Ruhe nicht kommen sollen, |
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Endlich werden¶ |
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3) die Gerichte, Plagen und Straffen selbst
durch den Zorn Gottes verstanden, welche GOtt
dem Sünder zusendet, |
- Matth. III, 7.
- Luc. XXI,
23.
- Röm. II, 8.
- Ps. XC, 7. 15.
- Offenb. XV.
7.
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{Sp. 523|S. 275} |
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- und
sonderlich Colosser III, 6. und Ephes. V,
6.
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in welchen Stellen stehet: Der Zorn GOttes
kommet über die Kinder des Unglaubens. |
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Dieser Zorn ist nicht ein blosser Blitz, noch
allein ein Nachsinnen des Gehirns, nicht eine
Chymere, ein Gedicht, das niemahlen geschicht,
sondern ein
Übel, das
gewißlich kommt und nicht
dahinten bleibt, darum
spricht er, daß Gottes Zorn
kommt. |
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Bisweilen heisset es in Gottes Wort, daß
Gottes Zorn wie eine Fackel, wie ein brennendes
Feuer angezündet wird, wie denn das
Wort
orgē von orō anzünden,
und von agō erhitzen
herkommt. Bisweilen wird er von dem Zorn Gottes
gesagt, daß er offenbaret wird, |
Röm. I, 18. |
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daß er wie
Wasser ausgegossen wird. |
Offenb. XVI, 1. |
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Bisweilen stehet zörnen, |
Röm. III, 5. |
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und Zorn erzeigen, |
Cap. IX, 22. |
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In ob angezogenen
Stellen Coloss. und
Ephes. stehet, daß er kommt, wie mehrmahlen in
dem Worte Gottes. Unter andern spricht
Paulus: |
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„Lasset euch niemand verführen mit
vergeblichen Worten, denn um dieser Willen
kommt der Zorn Gottes über die Kinder des
Unglaubens etc.„ |
Ephes. V, 6. |
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Es ist anmercklich, daß der Apostel in der
gegenwärtigen
Zeit redet, er kommt. Hierdurch
wird zu
erkennen gegeben: |
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α) Die gegenwärtige
Schuld und
schleunig darauf erfolgende
Straffe von dem
Augenblicke an, darinne der
Mensch sündiget; in
Ansehung des Beschlusses und der Dräuung
Gottes muß er gewärtig seyn; daß der Zorn
alsobald kommt. Er hat sich des Zorns Gottes
schuldig
gemacht, und in dieser Absicht, ist es allezeit war, daß zu allen Zeiten, und
nun und nach dieser Zeit, und also allezeit könne gesaget werden, der Zorn kömmt
über die
bösen
Wercke,
das ist, er hat den Zorn
verdienet, und sich
dessen schuldig und
würdig gemacht. |
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|
β) Der Apostel spricht, daß der Zorn
kömmt, damit er actionem contiuam zu erkennen
giebt. Der Zorn fänget mit der
Sünde an, er gehet
mit der Sünde fort, und höret niemahl auf, so
lange sich der Sünder nicht bekehret: Hier in
diesem
Leben nimmt der Zorn seinen
Anfang, und
mancherley zeitliche Plagen, die GOtt dem
Sünder entweder an seiner
Seelen,
Leibe oder
Stande, darinnen er in der
Welt sich befindet,
zusendet. Wo der Sünder gehet oder stehet, er
schlaffe oder wache, er vergesse oder
gedencke
an die Sünde, so ist er doch unter Gottes Zorn
und Fluch, er kömmt überall und allezeit. Dieses
ists, welches Christus kräfftig ausdrücket: |
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|
„Wer an den Sohn gläubet, der hat das ewige
Leben, wer den Sohn nicht gläubet, der wird das
Leben nicht sehen, sondern der Zorn Gottes
bleibet über ihm.„ |
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Er ist, er bleibet, er ruhet in dem Sünder, als
in seinem Elend und eigenen Sitze. |
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Endlich |
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γ) spricht der Apostel: Der Zorn
kömmt, dieweil solcher
gewiß und
wahrhafftig
kommen wird, den Menschen ewiglich zu
verderben und zu verdammen, welches so gewiß
ist, als wenn der Zorn schon gegenwärtig da wäre.
Also ist in Gottes Wort diese
Redens-Art sehr
gemein, daß die gegenwärtige Zeit vor die
Zukünfftige gesetzet wird, damit die
Gewißheit
derselbigen zu erkennen zu geben, |
- Offenb. I, 7. Cap. III,
11.
- 1 Tessal. I, 10.
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{Sp. 524} |
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GOtt schiebet zwar seinen Zorn bisweilen
wohl auf eine lange Zeit auf; er kommt aber zu
seiner Zeit
gantz gewiß, damit seine
Gerichte
desto
gerechter und schwerer werden, und die
Sünder destoweniger Entschuldigung haben
möchten, |
Röm. II, 5. Cap. IX,
22.¶ |
|
(2) Das Object oder der Vorwurff.¶ |
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Der Apostel führet ferner an die
Objecte und
Vorwürffe des Zorns Gottes, und spricht, daß die
seynd |
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1) die Kinder des Unglaubens, das sind
Ungehorsame, die dem Worte Gottes nicht
glauben, und mit
Lust und
Gewohnheit sündigen,
nach der Redens-Art, die bey den Ebreern sehr
gebräuchlich ist, da sie denjenigen darzu er irgend
geneigt, darinne er
erfahren ist, oder deme er sich
ergeben hat, ein
Kind desselben nennen, als der
da von diesem oder jenen
gebohren und
desselben
eigen ist, als |
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im
Guten |
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- Kinder des Trostes, Kinder des
Bundes,
|
- Ezech. XXX, 5.
- Apost. Gesch. III, 25.
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|
Röm. IX, 8. |
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Luc. XX, 36. |
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also auch im
Bösen: |
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- böse Buben, oder Kinder der
Boßheit,
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2 Sam. III, 34. |
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- Kinder der Ungerechtigkeit,
|
Ps. LXXXIX, 23. |
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- Judas, das verlohrne Kind,
|
Joh. XVII, 12. |
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Und hier Kinder des Unglaubens, wie auch
Eph. V, 6. die eigen sind am, und gebohren aus
und zum Unglauben, und dem übergeben. Das
Wort, daß der Apostel hier gebrauchet, bezeichnet
nicht allein einen blossen und einfältigen
Unglauben und Ungehorsam, sondern einen
vorsetzlichen und
unveränderlichen Unglauben,
die wir mit einem Worte Hartnäckigkeit, oder
Widerspenstigkeit nennen können, also daß diese
Kinder des Unglaubens sind Leute |
|
|
a) denen der Teuffel die Augen verblendet
und verfinstert hat, daß sie nicht
verstehen noch
begreiffen das Evangelium ihrer Seeligkeit,
dasselbige zu glauben, sondern verwerffen es,
und sind also dem Evangelium ungehorsam, |
2 Cor. IV, 4. |
|
b) oder, wenn sie das mit ihrem
Verstande
einigermassen
erkennen, so verstocket ihnen
doch der Teuffel das Hertz, daß sie das
Evangelium Christi mit ihrem
Gehorsam nicht
zieren, sondern gäntzlich verunehren, und zu
Schanden machen, |
Ebr. X, 26-30. |
|
c) Endlich sind es solche Leute, die sich
verführen lassen, alle
Sünden und Greuel mit
Lust
und Ergötzlichkeit zu begehen, oder eintzige Reue
und Leid zu
beweisen, oder zu
sagen: Was mache
ich doch? |
Jer. VIII, 6; |
|
sondern die von einer Boßheit zur andern fortgehen, wie ein
grimmiger Hengst im Streit, und wie ein Wild in der Wüsten pflegt, wenn es für
grosser Brunst lächzet und läufft das niemand aufhalten kan. |
|
Diese beschreibet der Apostel also Ephes. IV, 19. |
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|
„Welche ruchloß sind und ergeben sich der
Unzucht, und treiben allerley Unreinigkeit sammt
dem Geitze.„ |
|
|
Diese sind der eigene und rechte Vorwurf des
Zornes Gottes. Denn obschon auch Gott wohl
seinen Zorn über seine lieben Kinder ausschüttet,
wenn sie sich zu einigen,
vornehmlich aber zu
diesen garstigen Sünden aus Schwachheit des
Fleisches begeben, wie an Davids Ehebruch und
Loths Blut-Schande zu sehen: So
müssen wir
dennoch
wissen, daß es nicht ein Zorn eines
Richters zur Genugthuung seiner
Gerechtigkeit
sey, sondern eines
Vaters aus Liebe zu ihrem
Heyl, wie |
|
|
{Sp. 525|S. 276} |
|
|
GOtt verhieß: |
|
|
„Ich will sein Vater seyn, und er soll mein
Sohn seyn, wenn er eine Missethat thut, will ich
ihn mit Menschen Ruthen, und mit der Menschen-Kinder Schlägen straffen. Aber meine
Barmhertzigkeit soll nicht von ihnen entwandt
werden, wie ich sie entwandt habe von Saul, den
ich vor dir habe weggenommen.„ |
2 Sam. VII, 14. 15. |
|
Die Kinder des Unglaubens aber sind der
eigene Vorwurff dieses Zorns, welchen GOtt bis
ans Ende über sie ausgeschüttet, dieweil sie
hartnäckig und widerspenstig bleiben. |
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|
„Denn GOttes Zorn vom Himmel wird offenbar
über alles gottlose Wesen, und Ungerechtigkeit
der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit
aufhalten.„ |
Rom. I, 18. |
|
Und darum nennet die Heil. Schrifft
dieselbigen vornehmlich Kinder des Zorns, |
Eph. II, 3. |
|
Petrus füget darum hier sehr kräfftig diesen
garstigen Sünden, die hie v. 5 gemeldet werden,
in Betrachtung der Auswürcker derselben hinzu,
und nennet sie verfluchte Leute, wenn er
spricht: |
|
|
„Sie haben Augen voll Ehebruchs, lassen
ihnen die Sünde nicht wehren, locken an sich die
leichtfertigen Seelen, haben ein Hertz
durchtrieben mit Geitz, verfluchte Leute,„ |
- 2 Petr. II, 14.
- Knibbe
Explic. Ep. Coloss. …
- Exegetisch. Prediger-Lex. II
Th. …¶
|
|
(3) Die Eintheilung.¶ |
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|
Einige theilen den Zorn GOttes ein in den
begleitenden (concomitantem) |
wovon
- Joh. III, 36,
- Röm. II, 8, IX, 22,
- Eph. V, 6,
- Col. III, 6,
nachzulesen; |
|
|
und in den nachfolgenden
(consequentem) |
davon Matth. III, 7, Rom. II, 5
gesaget wird. Borns neu-eröffnete Schatz-
Cammer aller Theolog. Wissensch. I Th.
...¶ |
|
(B) Polemische Abhandlung.¶ |
|
|
Die Socinianer lehren unter andern in dem
Artickel von dem Versöhnungs-Amte des HErrn
Christi: Daß
GOtt aus Zorn seinen Sohn nicht
geschlagen habe, oder, daß der zornige GOtt im
Himmel durch Christi Leiden und Tod nicht sey
versöhnet worden. Sie
wollen solches |
|
|
1) Aus der
Heil. Schrifft und zwar aus den
Worten Pauli 2. Cor. V, 19 beweisen, allwo der
Apostel nicht sage: „GOtt war in Christo, und
versöhnete sich mit der Welt, sondern: Versöhnte
die Welt mit ihm selber:„ es heisse nicht,
Katallassōn heauton tō Kosmō, sondern
Katallassōn ton Kosmōn eautō. |
- Schmaltz de divinit.
Christi …
- Smiglec. de Satisf. …
- C. Democritus im
Beweiß …
|
|
Allein hierauf wird geantwortet: Daß, dieser
Ort den Artickel von der wahrhafftigen
Aussöhnung GOttes hier nicht
zweiffelhafftig
mache, in welchem gesaget wird, daß GOtt die
Welt zu ihm selber versöhnet? Denn man kan
leicht die
Ursache mercken, warum der Apostel
so, und nicht anders
geredet, und warum er nicht
vielmehr gesaget, daß GOtt sich mit den
Menschen versöhnet. Nehmlich GOtt ist hier der
beleidigte
Theil; und da er durch sein allgemeines
Erbarmen gegen das menschliche
Geschlecht in
seinem Sohne ein Mittel erfunden, daß er nicht die
Menschen vermöge seiner Gerechtigkeit darf zur
Höllen verstossen, sondern sie bekehren, und
seelig machen kan: Ja da er den Anfang zur
Versöhnung gemacht, und allen Sündern seine
Gnade und Pardon anbieten läßt; |
|
|
{Sp. 526} |
|
|
so kan der Apostel mit gutem Fug sagen, daß
er die Welt mit ihm selber versöhne; gleich einem
Könige auf
Erden, der seinen rebellischen
Unterthanen selbst
Gnade anbieten läst; daferne
sie die Waffen wollen niederlegen, und mehr
bereit ist, alle Königliche Güte und Schutz ihnen
zu erzeigen, als dieselben, als solche Aufrührer zu
verderben und umzubringen, und sie seinen
gerechten Zorn fühlen zu lassen. |
|
|
Ja es sind mehrere Orte in der Heil. Schrifft
vorhanden, da diese Redens-Art daß GOtt
versöhnet worden, und versöhnet werden könne,
nichts ungewöhnliches ist.
Z.E. im VI
Capitel des
Propheten Micha stehet: und wird
gefraget v. 6:
Womit soll ich den HErrn versöhnen? Mit
Heuchlerischen Bücken vor dem hohen GOtt? soll
ich mit Brand-Opfern, und mit dem blossen
äusserlichen
Wercke ihn versöhnen? oder soll ich
meinen ersten Sohn vor meine Ubertretung
geben? Hieraus siehet man ja, daß es auf Seiten
GOttes keinen Widerspruch in sich enthalte, noch
seinem Göttlichen Wesen zuwider sey, daß er
könne versöhnet werden. |
|
|
Es ist nur bey dem Propheten die Frage von
der rechten Art und Weise, wodurch solches
geschehen müsse. So beschreibt auch der weise
Haus-Lehrer Sirach in seinem 39 Capitel das
Amt
eines Predigers, wie derselbige vor GOtt so wohl
für sich selbst, als für des
gantzen
Volcks
Sünde
bete, und also den HErrn versöhne, der ihm dann
den
Geist der
Weisheit reichlich gebe, |
v.8. |
|
Kan GOtt von den Menschen dermaßen
beleidiget werden, daß er ihr Feind wird, so wird
es auch nichts
ungeräumtes seyn, zu sagen, daß
er versöhnet werde. |
|
|
Nun aber ist das erste
wahr. Die Sünder sind
nicht nur GOttes Feinde, nach dem 5 Capitel der
Epistel an die Römer, sondern es wird auch von
GOtt gesagt, daß er ihr Feind sey, ja daß er, als
ein Feind hernach wider sie streite, u. sie um ihrer
Sünde willen, wie seine ärgsten Feinde,
tractire.
Sie erbitterten, und entrüsteten seinen
Heiligen
Geist, heist es von den gottlosen
Jüden, im 63
Capitel Jesaiä, v. 10. Darum ward er ihr Feind,
und streitet wider sie. |
|
|
Ja, was soll man sagen von denjenigen
Örtern, wo unser Heyland hilasmos, die
Versöhnung selbst, und NB. vor unsere Sünde,
nicht die Versöhnung der Menschen
genennet
wird; welches
Wort, als ein vox relativa, sich auf
jemanden beziehet, der durch die Sünde muß
seyn beleidiget worden, und der nun wieder
ausgesöhnt wird, welches niemand anders, als
GOtt selber seyn kan? |
Bernds Wahrheit der Christ-Lutherischen Religion ... |
|
Ja es finden sich auch klare und deutliche
Zeugniße in der Heil. Schrifft, darin die Schläge
und Leiden des Meßiä als
Würckungen des
Göttlichen Zorns angegeben werden. Als im Ps.
XXXVIII, 2. redet der Heyland also: |
|
|
„Herr straff mich nicht in deinem Zorn, und züchtige mich
nicht in deinem Grimm, denn deine Zorn-Pfeile, (5 B. Mos. XXXII, 23)
stecken in mir etc.„ |
|
|
welche Worte eben den
Verstand haben, als jene Lucä XXII, 42. Vater,
wilst du, so nimm diesen Kelch, (das innerliche Gefühle deines Zorns) von mir. |
|
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Ps. LXXXVIII, 8. ruffet er: Dein Grimm drücket
mich, oder eigentlich: stützet und lehnet sich auf
mich, und drengest mich mit allen deinen
Fluthen, |
vergl. Ps. LXIX, |
|
{Sp. 527|S. 277} |
|
|
|
2, 3. |
|
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Und abermahl, |
v. 17. |
|
Dein Grimm gehet über mich, dein Schrecken
drücket mich; da auch wohl ein
Kind siehet, daß
ein solcher Grad der
Empfindung des Zorns
GOttes, mit diesen Worten beschrieben werde, als
kein blosser Mensch zu ertragen fähig ist. Hier
aber stehet ein Mann, der die
gantze Last des
Zornes des Allmächtigen auf seinen von der
inwohnenden Gottheit gestärckten Schultern an
unserer statt träget, damit wir nicht ein ewiges
Opfer desselben werden dürfften. |
|
|
Was heist Gal. III, 13. die Redens-Art: Christus
ist für uns, (nicht uns zum
Exempel der Nachfolge,
sondern an unserer statt,) ein Fluch worden,
anders, als: Es ist in ihm und an ihm die
allerschrecklichste Offenbarung des Zornes
GOttes vorgegangen, über die ihm zugerechnete
Sünden der
Welt. Und was wird wohl durch das
Schwerd
verstanden, welches der höchste
Richter, über dem Meßiam rufet, |
Zach. XIII, 7. |
|
„Schwerd mache dich auf über meinen Hirten,
und über den Mann, der mir der Nächste ist,
spricht der HErr Zebaoth. Schlage den
Hirten!„ |
|
|
Der HErr Zebaoth rufft hier nicht der Ruthe,
die noch ein
Vater aus
Liebe gegen seinen
Sohn
ergreiffen kan, sondern er rufft dem Schwerd, und
zwar einem solchen Schwerd, das sich selbst
aufmachen kan: Schwerd, mache dich auf!
einem Schwerd, das eigenmächtig schlagen kan:
Schlage den Hirten. Das kan kein ander Schwerd
seyn, als der Zorn und die
Gerechtigkeit des
Allmächtigen; ein Schwerd, das durch die
Seele
dringet, und bis auf den
Grund derselben
verwundet; |
5 B. Mos. XXXII,
41, |
|
daher Matth. XXVI, 31.
GOtt selbst
redend
eingeführet wird: Ich, ich will den Hirten
schlagen. |
|
|
Die Schläge des Satans und seiner
Werckzeuge waren hier bey weiten nicht
hinlänglich. GOtt selbst war
Richter, GOtt selbst
führte das Schwerd, GOtt selbst schlug mit
demselben unsern Hirten. Die Faust-Schläge des
Satans sind empfindlich; aber es sind doch nur
Schläge einer zornigen Creatur. So viel aber der
Schöpffer stärcker ist, als alle seine Creaturen,
so viel durchdringender sind auch seine Schläge,
als die Schläge der zornigsten Geschöpffe. Sein
Zorn ist ein solcher Abscheu für der Sünde, die
seiner Heiligkeit gemäß, das ist, unendlich ist,
welcher dergestalt auf alle sündliche Creaturen
dringet, daß sie fühlen
müssen, was für ein
grosser Feind und Rächer der Sünde der Heilige
GOtt sey. |
|
|
Diese Schwerd-Schläge des Allmächtigen
muste der Mittler auch empfinden, als er die
Sünden der Welt auf sich genommen, samt allen
dadurch verdienten
Straffen. Denn ob er wohl an
sich der liebe Sohn war, an welchem die Seele
des Vaters Wohlgefallen hatte, so sahe doch GOtt
bey dem Wercke der Versöhnung nicht auf die
persönliche Heiligkeit JEsu, an welcher er mehr zu
lieben, als an unser aller Sünden zu hassen fand:
Sondern er sahe auf die ihm zu geeignete Sünden
der Welt: Gleichwie ein unpartheyischer Richter
keine Reflexion machet auf die
Würde, die sonst
ein Bürge im
gemeinen Wesen haben kan,
sondern auf die
würckliche Leistung der
Bürgschafft dringet. |
Besiehe des Herrn Past. Joh.
Wincklers, das Vollkommene Alles unserer
Seelen, JEsus Christus, der gecreutzigte, … allwo
er mit diesem Gleichniß die Sache erläutert. |
|
|
Also da GOtt |
|
|
{Sp. 528} |
|
|
unsere Sünde in Christo richtete, setzte er die
hohe Liebwürdigkeit seiner
Person aus, und sahe
blos auf ihn, wie er sich für uns zum Bürgen
dargestellet, und sich erkläret zu zahlen, was er
nicht geraubet hatte, |
Ps. LXIX. 5. |
|
Wie er nun diese unsere Sünden-Schulden so
wahrhafftig übernommen, als er unsre
Natur
angenommen; so drung auch GOttes Zorn so
wahrhafftig und
gewaltig auf ihn, als er auf aller
Menschen Sünde dringen
solte. Denn ob man
gleich keinesweges
sagen kan, daß GOtt seinen
Sohn zu solcher
Zeit gehasset habe; so offenbarte
er doch seinen Haß gegen die Sünde nicht nur
dadurch, daß er ihn in die Hände der Ungerechten
gab, ihn zu schlagen und zu tödten; sondern, da
diese nur den
Leib schlagen konnten, so ließ er
zugleich seine Heiligste Seele, sonderlich am
Ölberge und am Creutze, etwas von demjenigen
empfinden, was die Verdammten in eine ewige
Verzweiffelung stürtzet: Er aber ohne
Verzweifelung in der grösten
Liebe und
Gelassenheit zu seinem Vater erduldete, indem er
mitten in dem
Stande der Verlassung, unter der
Entziehung des innerlichen Trostes, unter dem
Gefühl einer unaussprechlichen
Angst und
Traurigkeit, sich fest an GOtt hielt, und rief: „Mein
GOtt, Mein GOtt, warum hast du mich verlassen?„
Dieses innerliche Seelen-Leiden des Mittlers,
welches das äusserliche unendlich an Hefftigkeit
u. Empfindlichkeit überwogen, und ihm in einem
entsetzlichen Todes-Kampfe blutigen Schweiß
ausgepresset, waren die eigentlichen Schläge
GOttes und seines tief verwundenden
Schwerdes. |
Heßisches Heb-Opffer, III
Stück … |
|
Jedoch denen Gegnern ist es nicht genung,
daß sie, wie wir bisher gehöret, die Örter, so in
Heiliger Schrifft von Christi Versöhnungs-Amte
handeln in
falschen
Verstande annehmen, oder
nur lauter menschliche Weisen zu
reden, in
demselbigen suchen; sie bemühen sich auch |
|
|
2) Sogar aus der
Vernunfft, und mit
vernünfftigen
Gründen
darzuthun, daß es weder
möglich, noch
nöthig gewesen, den Vater im
Himmel auszusöhnen. GOtt sey nicht ein GOtt,
sagen sie, daß er nicht erzürne, u. erboße, noch
ein Menschen-Kind, daß er an jemanden Rache
ausüben, u. an den gefallenen Sündern seinen
Muth kühlen wolle. Es sey alles dieses auch nur
auf menschliche Weise von GOtt geredet. Denn er
sey lauter Liebe; er straffet auch die Menschen
eigentlich nicht, so gesündiget, sondern die
Menschen als freye Creaturen wenn sie von ihm,
als dem höchsten
Gute abfielen, strafften sich
selbst: brächten sich selbst in
Unglück u. in lauter
Höllische Pein und Angst, und auch diese
Höllische Pein und Angst wären lauter Ausbrüche
der Liebe Gottes: Denn GOtt suche sie dadurch
als durch heilsame Artzney-Mittel wieder gesund
zu machen, u. von ihren Thorheiten zu bekehren.
Alle
Straffen wären zur Besserung; Und folglich
hätten auch alle Straffen, womit GOtt die Sünder
in dieser, u. in der zukünfftigen Welt belege,
keinen andern
Endzweck, als ihre Busse und
Besserung; so daß, wenn diese Besserung
erfolge, alle Straffen, ja die Pein der Höllen selbst
endlich ein Ende haben, und aufhören
müsten. |
Democritus in der
Entdeckung … |
|
Auf alle dieser Einwürffe aber wird folgendes
geantwortet: Daß einmahl unser
GOtt sich nicht
erzürne noch erboße, wie wir
Menschen, und |
|
|
{Sp. 529|S. 278} |
|
|
also der
Gemüths-Affect, den wir Zorn
nennen, und der mit Alteration und Verwirrung des
Gemüths verknüpffet ist, bey GOtt nicht gefunden,
sondern ihm auf eine menschliche Weise zu reden
beygeleget werde, solches giebt man gerne zu;
inzwischen geht es doch dem Menschen, und
dem Sünder so, und kommt wegen seiner
Missethaten so viel Unglück,
Angst und Pein über
ihn, als ob GOtt zornig wäre, wie wir Menschen;
indem seine Gerechtigkeit, die ihm
wesentlich ist,
erfordert, daß er die Sünder straffe, ob er schon
keine
Lust an ihrem Verderben hat, noch sein
Müthlein an ihnen zu kühlen suchet. Ein
weltlicher,
und
irdischer
Richter erboßt sich auch nicht über
den Delinquenten, den er vor sich hat, und doch
pfleget er, wenn er
gerecht ist, den Übelthäter auf
die schimpflichste und
empfindlichste Weise zu
straffen, und hinrichten zu lassen. |
|
|
Daß GOtt lauter Liebe sey, stehet mit so viel
Worten und
Buchstaben wohl nicht in der Heiligen
Schrifft; Man müste denn den Ort des Apostels
Johannis hieher ziehen, da er von GOtt schlecht
weg saget, daß er die Liebe sey. GOtt ist die
Liebe, und wer in der Liebe bleibet, der bleibet in
GOTT, |
1 Joh. IV. |
|
Und wenn es auch von GOtt stünde, daß er
lauter Liebe wäre, so könnten wir mit eben so
gutem
Recht, und mit gleichem
Verstande sagen,
daß er lauter Zorn sey; Wie ihm denn auch die
Heilige Schrifft ein verzehrend Feuer, und eine
ewige Gluth nennet, |
Es. XXXIII, 34. |
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Es sind rhetorische, und nicht
logische oder
eigentliche
Sätze, welche demnach auf
gebührende Weise müssen
erkläret werden. Ist
bey GOtt nicht der
Affect des Zorns, der bey uns
Menschen öffters erreget wird, anzutreffen; so
mögen wir sicher dencken, daß GOtt auch nicht
auf eine solche Weise liebe, wie wir Menschen,
lieben: und daß auch der Affect der Liebe, der
absonderlich, wenn er starck ist, niemahls ohne
grosse Bestürtzung und
Bewegung des Gemüthes
ist, bey GOtt nicht gefunden werde. Wird doch
unser Heyland auch in abstracto selbst die
Weißheit, die
Wahrheit, der Weg, und das
Leben
genennet. Wer wolte denn daraus
schliessen, daß
in Christo nichts als Weißheit, nach unserer Art zu
begreiffen, zu finden sey? Es ist bald, als wenn
man spräche: Die menschliche
Seele ist eine
Gedancke, oder nichts, als lauter Gedancke; Wie
man den Cartesianischen
Weltweisen
Schuld
giebt, daß sie sagen
sollen: Verständige
Philosophen
wissen es besser zu treffen, und
sagen, daß die menschliche Seele eine
Substantia cogitans, und ein denckendes Wesen
sey. |
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Eben so ist GOtt auch nicht lauter Liebe, wo
man diesen Satz als einen puren Logicalischen
Satz, und propriam propositionem synonymicam
annehmen
will; sondern eine Substantia amans,
ein
Wesen, das Liebe hat. Denn er hat ja auch
Weisheit,
Verstand und
Erkenntniß; und, wie er
von Ewigkeit sich selbst gewolt, approbiret, und
geliebet, und sich in ihm selbst erfreuet: so hat er
sich auch von Ewigkeit selbst erkennet, und
verstanden; und in solchem Verstande könnte
man auch sagen, daß er das Erkenntniß selbsten
sey. |
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Daß die Sünder sich selbst straffen, und daß
Unglück, Jammer, Hertzeleid, Verzweifelung auch
natürliche
Effecte und
Wür- |
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{Sp. 530} |
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ckungen der
Sünde sind, räumet man auch
gerne ein; aber deswegen folget es nicht, daß
GOtt davon auszuschliessen, und daß er nicht
auch selbst die Sünder straffen, und heimsuchen
solte. Er thut solches eben, einmahl mittelbahr,
und vermittelst des natürlichen Zusammenhangs,
den er zwischen der Sünde und zwischen dem
Unglück gestifftet, und in die menschliche
Natur
geleget. Denn, wenn er nicht die Natur des
Menschen selbst so erschaffen hätte, daß, wo sie
sich von GOtt, als der Quelle des
Guten
abwendet, sie lauter Pein,
Angst und Unruhe
fände, so müste er allemahl die Sünder zu
straffen, und zu bekehren
unmittelbahre Hand
anlegen, und ihnen allerhand Pein und
Schmertzen verursachen, sie auf bessere
Gedancken zu bringen: Gleich einem irrdischen
Vater, der sein Kind mit der Ruthe
züchtiget:
welche Züchtigung und Handlung doch mit der
Sünde des Kindes keine natürliche Verbindung
hat. |
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Man thut nicht wohl, wenn man bey den
Wegen und Mitteln der Natur, wodurch die
Sünden gestrafft werden, GOttes, des
Urhebers
der Natur,
gantz vergessen will. Die weltlichen
Richter haben viel Mühe mit den Delinquenten auf
Erden. Sie müssen Gefängnisse vor sie
bauen,
vor
Gerichte sie ziehen, in Pranger stellen, den
Staubbesen ihnen geben, ja sie zuweilen gar
schmählich hinrichten lassen; entweder sie noch
zu bessern, und
nützliche
Werckzeuge der
Republick aus ihnen zu machen, oder andere
Unterthanen von gleicher
Boßheit abzuschrecken.
Wären sie aber so weise,
mächtig und
künstlich
wie GOtt, und könnten mit leichter
Mühe Wege,
Mittel und
Maschinen
erfinden, wodurch die
Übelthäter sich selbst entweder mit grosser
Schmach, oder mit grossen Schmertzen strafften,
so daß solche zulänglich wären, dem
Übel zu
steuren, und jetztgedachte
Endzwecke zu
erhalten; sie würden solches zu
thun
gewiß nicht
unterlassen. |
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Wer wolte aber alsdenn so einfältig seyn, und
jubiliren und sagen: Die
Obrigkeit ist
gut, sie ist
lauter Liebe, sie thut niemanden was
böses; Die
Diebe und Todtschläger hencken und straffen sich
selbst? Darnach, ob man wohl zugestehen muß,
daß
gewisse Schmertzen, Pein,
Angst und Unruhe
der
Seelen natürliche Früchte und Folgen der
Sünde sind, und auch in der Höllen solche Angst
und Schmertzen anzutreffen seyn werden, die
eine natürliche Verwandniß mit der Sünde haben,
so die Verdammten in der
Welt begangen; So sind
doch auch viele poenae positivae und arbitrariae,
wie man sie zu
nennen pflegt, willkührliche
Straffen, die GOtt den Übeltäthern schon in
dieser Welt öffters anthut; entweder durch die
Engel, die er hier zu seinem
Dienste als
Werckzeug brauchet, oder, weil er als ein
allwissender GOtt, da er die Welt erschaffen, alles
so weißlich eingerichtet, daß allerhand Jammer,
Noth, Unruhe, und Plagen über die Sünder
kommen müssen, die keine natürliche Verbindung
mit der Sünde selbst haben. Ja, es würde auch
nicht mit GOttes Heiligkeit und Güte streiten, das
selbst zu thun, was er durch andere, nehmlich
durch Engel und Menschen, und natürliche Zufälle
thut, und die Sünder
unmittelbahr anzufallen, und
z.E. den Sünder auf der Stelle zu tödten; gleichwie
auch in GOttes |
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{Sp. 531|S. 279} |
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Wort von mehr als einem Sünder stehet: Der
Herr schlug ihn, daß er
starb. |
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Die heiligen
Scribenten sehen in solchen
Fällen so wenig auf die
Natur, und auf die
natürlichen Mittel, deren sich
GOtt bedienet, die
Bösen zu straffen, und die Frommen zu belohnen,
daß sie fast überall von dem grossen GOtt im
Himmel so
reden, als ob er allemahl unmittelbahr
würckte, ohne
Zweifel, damit die
Menschen nicht
GOttes vergessen, der alles solches thut, noch
bloß auf die Natur, und natürliche Einrichtung
sehen, sondern GOtt zu
fürchten, und ihn zu
lieben
Gelegenheit haben sollen: welche
Furcht
und Liebe zu GOtt bey den Menschen überaus
sehr geschwächt wird, daferne sie nur immer auf
die Neben-Ursachen, und auf die natürlichen
Ursachen sehen wollen, wodurch sie in
Unglück
gerathen, und darbey manchmahl denen Hunden
gleich werden, die in den Stein beissen, womit sie
geworffen werden, und nicht auf den sehen, der
ihn geworffen. |
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Doch, so offt auch GOtt sich der natürlichen
Mittel und Wege bedienet, die Sünder zu straffen
mit der Ruthen, die sie sich selbst gebunden; so
ist die
Heilige Schrifft doch auch voll von solcher
Straff-Gerichten, die keinen natürlichen
Zusammenhang mit den Sünden der Übelthäter
gehabt haben. Das
Feuer vom Himmel so Sodom
und Gomorra in die Asche legte, war keine
natürliche Folge ihrer
Geilheit, noch das
Erdbeben, welches die Rotte Korah verschlang,
eine natürliche
Würckung ihres Aufruhrs; sondern
man kan bey solchen, und bey andern
Straffen
der Sünder mehr wahrnehmen, daß GOtt, weil
hier noch keine natürliche böse Folgerungen der
Sünden vorhanden waren, selbst nach seiner
freyen
Willkühr Tod und Unglück über die Sünder
zu bringen gewust habe. |
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Und da man aus GOttes Wort wohl hundert
Exempel anführen könnte, solcher Sünder, die
GOtt willkührlich gestrafft; Wer wolte
läugnen, daß
nicht auch einst in dem
Orte der Quaal GOtt die
Verdammten auf allerhand willkührliche Art und
Weise peinigen, oder peinigen werde lassen; und
sagen, daß die Hölle, und die höllischen Plagen
bloß natürliche Früchte und Würckungen der
Sünden seyn werden. |
Bernds Wahrheit der
Christen-Lutherischen Religion ...¶ |
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Endlich ist noch zu gedencken, was
Herr
Reinbeck in seiner Sammlung einiger Leichen-Predigten Theil II … von dem Zorne GOttes
saget: |
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„Weil GOtt der Allerheiligste ist, so kan es
nicht anders seyn, er muß die Sünde hassen, er
muß sie auch straffen. GOtt ist zwar die Liebe,
daher einige auf die Gedancken kommen, daß der
Haß bey und in GOtt nicht statt finde; aber es ist
zu bedencken, daß GOtt nicht anders, denn das
wahre Gute, dessen innere Beschaffenheit er aufs
genaueste kennet, lieben könne, und daß er, da er
die Natur der Sünde, als schädlich, schändlich
und thöricht einsiehet und kennet, dieselbe
hassen und verabscheuen müsse, und ihme der
Haß gegen das Böse eben so eigen sey, nach
seiner wesentlichen Gerechtigkeit und Heiligkeit,
als ihn die Liebe gegen das wahre Gute eigen
ist. |
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Wie GOtt das Böse oder die Sünde, und
zugleich |
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{Sp. 532} |
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den Sünder hasse, sagt David, Psalm V, 5:
Du bist nicht ein GOtt, den gottloß Wesen gefället,
wer böse ist, bleibet nicht für dir. Daher auch
Christus den Göttlichen Zorn und Haß wider die
Sünder fühlen und empfinden müssen.„ |
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Und ebendas. … fähret er weiter fort und
saget: |
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„Christus hat uns zwar nicht davon erlöset,
daß wir nicht auch den Zorn GOttes über die
Sünde in etwas solten empfinden müssen, und
daß wir auch von allem Leiden des Leibes
befreyet bleiben solten; sondern, daß der Zorn
GOttes nicht an uns hafften, und daß unsere
Leibes-Leiden nicht Vorboten der ewigen Leiden
seyn dürfen, sondern daß sie uns zu unserm
Besten gereichen müssen. |
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Die Menschen, wenn sie ihre Sünden recht zu
erkennen anfangen, müssen auch offt inne
werden, daß GOtt nicht ein GOtt sey, dem gottloß
Wesen gefällt. Diese schmertzliche Empfindung
hat ihre gewisse Grade und Zeit: und ist bey
manchen grösser, währet auch länger, als bey
andern. Man sehe an das Exempel des
bußfertigen Davids, Psalm VI, 2. 5. 8. XXXVIII, 2
7. 9. 10. 11. |
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So geht es manchen. Sie werden um ihrer
Sünde willen so geängstiget, daß sie die
grösseste Seelen-Pein empfinden. Wie
Augustinus von sich schreibet, daß er
mannichmahl solche Freude in sich verspühret,
daß, wenn selbige beständig wäre, es nichts
anders seye, als eine Freude des ewigen Lebens;
Dagegen haben manche solche schmertzliche
Empfindungen über ihre Sünden in ihren Seelen,
daß es recht wie eine Höllische Marter anzusehen
ist. Was nützet denn nun bey solchen Christus
und sein verdienstliches Leiden, wenn sie so viel
um der Sünde willen ausstehen müssen? |
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a) Dieses, daß sie nicht verzagen dürfen, das
Leiden hat ein Ende, wie bey Christo. |
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b) Die Sünde wird ihnen um destomehr
verbittert, daß sie mit Hiskia sagen können: Ich
will mich meine Tage hüten für solcher Angst
meiner Seelen. Alles Leiden muß zum besten
dienen; darzu sind sie zeitlich und leichte, und sie
schaffen eine ewige und über alle Massen
wichtige Herrlichkeit.¶ |
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