|
Text |
Quellenangaben |
|
(C) Exegetische Abhandlung.¶ |
|
|
|
|
|
Wir wollen nunmehro noch etliche Sprüche
Heiliger Schrifft erklären, in welchen des Zorns
GOttes gedacht wird: |
|
|
1) 2 Sam. XXIV, 1, wo es heisset: Und der
Zorn des Herrn ergrimmete abermahl wider Israel,
und reitzte David unter ihnen etc. |
|
|
Hier scheinet es fast, als habe es
GOtt
gethan, der habe den David versucht und
gereitzet, daß er das
Volck
solte
zählen lassen.
Allein, wenn wir 1 Chron. XXII, 1 ansehen, da
eben die
Historie erzehlet wird, so finden wir es
klar, daß es von dem Satan hergerühret. Die
Ursache, warum es GOtt zugelassen, war sein
Zorn, weil er abermahls ergrimmet war, |
Ps. XL, 7 und 8. |
|
Israel hatte GOtt erzürnet mit allerhand
Sünden; Mit was vor welchen, kan man zwar
eigentlich nicht
wissen; Wenn man aber die
Beschaffenheit der damahligen
Zeiten betrachtet,
ists so schwer nicht |
|
|
{Sp. 533|S. 280} |
|
|
zu errathen. Israel war sehr
glückselig und
sieghafft unter David, |
Ps. LX, 9. 10. |
|
das
Glück aber ist wie ein Sauerteig, der den
Menschen aufblähet und stoltz macht; wie ein
brausender Most, der den Menschen also
einnimmt, daß er offt selber nicht weiß, wo ihm der
Kopf stehet. |
|
|
Also mags auch damahls in Israel seyn
zugegangen, daß sie stoltz und sicher worden,
haben sich ferne geachtet von
bösen
Tagen, und
nach GOtt und dessen Wort wenig
gefraget, |
Ezech. XVI, 49 |
|
so mochte man auch damahls zur selbigen
guten Zeit stattlich gesauset und geschmauset,
und um den Schaden Josephs sich wenig
bekümmert haben, |
Amos VI, 6. |
|
daher ist dem Satan Platz gegeben worden,
sich an ihnen zu reiben: und zwar abermahl:
womit gesehen wird auf Cap. XXI, 1. darinnen wir
finden, wie schon des HErrn Zorn über Israel
entbrannt um des Sauls
willen, und um des Bluts
willen, daß er die Gibeoniter getödtet hatte, daher
eine Theurung ins Land kommen war drey
Jahre
an einander. |
|
|
Hierauf entbrannte nun des HErrn Zorn
abermahls wider Israel, und ließ dem Satan zu,
daß er David eingab, das Volck aus Hoffart zählen
zu lassen. Dahin gehen die
Worte: Und reitzet
David unter ihnen etc. Dieselbigen können wir,
wie obgedacht, keinesweges von GOtt effective
verstehen, als wenn GOtt selbst den David darzu
verleitet oder angetrieben, denn GOtt ist nicht ein
Versucher zum Bösen, etc. |
Jac. I, 13. |
|
Wie solte er das eingeben, oder einen darzu
nöthigen, reitzen und treiben, was ihm misfället,
was er ernstlich hasset, und darnach straffet? das
sey ferne, |
Ps. V, 5. |
|
Derohalben bleibts dabey, nicht GOtt der
HErr, sondern der Satan hat eigentlich den David
gereitzet, daß er aus Hoffart das Volck zu zählen
geboten; GOtt hats nur zugegeben, weil sie ihn zu
Zorn gereitzet. Thut also Piscator
unrecht, wenn
er den Junium und Tremellium deswegen strafft,
daß sie diese Worte also paraphrasiren: Et
adversarius (Satan) incitavit David, und der
Widersacher, Satan, reitzet David unter ihnen etc.
nennet solches audax supplementum, eine
verwegene Ergäntzung; da doch dieselbe nicht
allein GOttes Heiligkeit erfordert, sondern auch
der Text klar weiset, |
- 1 Chron XXII, 1.
- Schreibers Pest-Pred. …¶
|
|
2) Psalm XXX, 6. wo wir diese Worte lesen:
Denn sein Zorn währet einen Augenblick etc. |
|
|
David
redet von GOttes Züchtigung, die er
über die Seinigen ergehen lässet; nennt sie einen
Zorn, nicht nach dem Vorsatz und
Willen GOttes
(ex intentione Dei) gleich als wenn er aus
sonderbahrem Haß u. feindlichem
Gemüthe
solche seine Züchtigung ergehen liesse, sondern
nach unser gefasten
Meynung und fleischlicher
Einbildung (ex nostra opinione) die vielmahls
solche
Gedancken erreget, als wenn sein Zorn
über uns ergrimmet wäre, und er achtete uns für
seinen Feind, |
Hiob XIX, 11. Cap. XXX,
21. |
|
Aber solche Feind- und Gramschafft ist ferne
von GOtt, als welcher nicht zürnet, wie ein
Mensch, daß er sich nicht versöhnen lasse, |
Judith. VIII, 13; |
|
sondern er ist und bleibet auch im Zorn und
Züchtigung ein liebreicher
Vater, von dem man
allerdings
sagen
muß: Wenn er uns, nach seiner
Freundlichkeit liebkoset, so ist er ein Vater, und
wenn er schlägt und züchtiget, so ist er ein
Vater. |
|
|
{Sp. 534} |
|
|
Er liebkoset uns, daß wir nicht verzagen, er
schlägt und züchtiget uns, daß wir nicht
umkommen und verderben. Solches hat Basilius
mit dem Gleichniß eines
Medici fürgebildet, der
offt einem Patienten hart und widrig fürkömmet,
wenn ers nicht in allen nach seinem Gefallen
machen, und ihm in Essen und Trincken zulassen
will, was ihm beliebet; oder, wenn er mit starcken
Purgantien, Vomitiven und andern Artzeneyen, die
da schwächen, angreiffet, auch wohl einen
unheilbaren
Schaden mit dem scharffen Messer
oder der Sägen schneidet, da doch alles zu des
Krancken Besten und seiner Wohlfarth aus treuen,
wohlgesinneten Gemüthe herrühret; so pflegt
auch GOtt in seinem Zorn und Züchtigung mit
seinen gläubigen Kindern, als
geistlichen
Patienten zu verfahren. |
|
|
Soll das
Übel in ihnen gesteuret, und das
schädliche Verderben abgewendet werden, so
muß die Reinigung durchs Creutz geschehen, und
durch seine väterliche Züchtigung alles, was
schädlich und verderblich ist, abgethan und
geheiliget werden. Das hat David Ps. XXX, 3.
erkannt: HErr mein GOtt, da ich schrie zu dir,
machtest du mich gesund. Das führet Augustinus
gar schön an, da er weiset, welchergestalt GOtt
den Menschen züchtiget, damit er
möchte
erkennen lernen, GOtt sey ein
Artzt, und seine
Züchtigung eine Artzeney zur Gesundheit, nicht
aber eine Strasse zur Verdammniß. |
|
|
Sehr tröstlich aber lautets, daß GOttes Zorn
nicht ewig währet, nur einen Augenblick.
Momentum in ira ejus, lautet es nach dem
Hebr.
es ist ein Augenblick in seinem Zorn, gleich als
spräche er: Ein Mensch kan fast nicht so
geschwinde einen Augenblick
thun, als
geschwinde GOtt seinen Zorn fahren lässet. Das
kömmt nun unserm Fleisch und Blut über alle
Masse schwer zu
glauben für, und will aus dem
Augenblick GOttes eine lange und
höchstbeschwerliche Zeit erzwingen, und hebet
denn mit David das Domine, quousque? an. Ach
du Herr wie lange? wende dich HErr, und
etc. |
Ps. VI, 4 u.f. |
|
oder, wie er Ps. XIII, 2 u.f. geseufzet hat:
HErr, wie lange wilt du mein so gar vergessen
etc. |
|
|
Wenn man aber bedencket die Wohlthaten,
die GOtt einem Menschen mitten in seinem Zorn
erweiset, theils was für ein ewiges und
überschwengliches Gut darauf zu erfolgen pfleget,
so ists und bleibts dennoch ein Augenblick, |
- Esa. LIV, 7 u.f.
- Röm. VIII, 18.
- 2 Cor. IV, 17.
- 1 Petr. V,
10.
|
|
Er hat
Lust nicht zum
Tode, zum Verderben
und Untergang des Menschen, denn so
wahr er
lebet, so wahr er GOtt ist, hat er keinen Gefallen
am Tode des Gottlosen, |
Ezech. XXXIII, 11. |
|
sondern zum
Leben: das
bedeutet in H.
Schrifft allerhand
Glückseeligkeit, Gesundheit,
Krafft, Stärcke und Wohlergehen, |
Ps. LXIX, 33. |
|
die GOtt suchen, denen wird das Hertz
leben. |
|
|
Wenn gleich GOtt einen gläubigen Menschen
tödtet, so macht er ihn doch wieder
lebendig,etc. |
- 1 Sam. II, 6.
- Ps. LXXI, 20 u.ff.
- Tob. III, 22.
- Schreibers Leichen-
Pred. h.l.
- Biblisch. Real-Lex. Th. II …¶
|
|
3) Hos. V, 10. wo die Worte lauten: Darum
will ich meinen Zorn über sie ausschütten, wie
Wasser. |
|
|
Es redet GOtt allhier nicht von seinem
göttlichen Vaters Zorn, durch welchen er die
Menschen züchtiget, und ihre Besserung suchet,
wie etwa Moses sagt, 5 Mose I, 37: Der HErr ward
zornig über mich, und sprach: Du solt auch nicht
hinein |
|
|
{Sp. 535|S. 281} |
|
|
kommen: Bey welchem Zorn immerdar
Gnade, und die Gnade grösser als der Zorn;
sondern er rede von seinem verzehrenden
grimmigen Zorn, dessen Grausamkeit keine
Creatur begreiffen kan, welcher ist wie das
ungeheure
Meer, wenn es durch Wind und
Ungewitter beweget wird, da es hefftig wittet und
brauset; wie eine grosse Feuers-Brunst, die alles
ergreifft und einäschert, weit und breit um sich
frist: Also wütet und tobet auch der Zorn GOttes,
wenn er über die Menschen recht angehet, daß
sie plötzlich zu
Grunde gehen, und kein Aufhalten
da ist, |
- Esa. XIII, 13.
- Hiob
XXVI, 11.
|
|
Solchen Zorn will GOtt über die
Fürsten Juda
ausschütten, wie
Wasser, er soll mit grosser
Macht und
Gewalt, als vom Himmel herunter, wie
ein grosser Wolckenbruch über sie ausgeschüttet
und ausgegossen werden, daß niemand werde
entfliehen können: Er solte sie als eine tobende
und wütende Fluth ergreiffen, und ein
verzehrendes und fressendes Feuer wegnehmen,
wie etwa Ps. LXIX, 25. von den Feinden des
Meßiä stehet: GOtt solte seine Ungnade auf sie
ausgiessen etc. |
Man sehe auch
- Ps. LXXVI, 6.
- Esa. XLII, 25.
- Jer. VII, 20.
- Ezech. VII, 8. Cap. XX, 33.
- Ps CVII, 40.
- Offenbahr. XVI, 1.
- Dan. IX, 27.
- Weihenm. Fest-Pos. …
- Biblisch. Real-Lex. Th. II …¶
|
|
4) Zach. I, 12. woselbst dieses stehet: Über
welche du zornig bist gewesen diese siebenzig
Jahre. |
|
|
Das
Hebräische
Wort drücket die Hefftigkeit
des göttlichen Zorns gar wohl aus, denn es heist
so viel als schelten, wiewohl es nur an einem Orte
der
Schrifft in solchem
Verstande gefunden wird,
nehmlich 4 Mose XXXIII, 8. allwo Bileam zu
Balack der Moabiter
Könige
spricht: Wie soll ich
schelten den, der nicht schilt? Was aber dadurch
angedeutet werde, erhellet aus den LXX
Dollmetschern, welche allda das kataraomai,
devoveo, ich verfluche, gesetzet haben, wie es
denn anderweit, auch in solchem Verstand
gebraucht wird, |
als 1 Mose V, 29. ingleichen
Hiob III, 1. |
|
GOtt hatte der
Stadt Jerusalem zum öfftern
den Seegen und den Fluch vorgeleget, mit dem
hertzlichen Wunsche, ach daß du den Seegen
erwehletest, |
5 Mose XI, 26: |
|
allein sie
wolten den Seegen nicht, etc. |
Ps. CIX, 17. |
|
drum spricht auch selbst Zacharias, Cap. VIII,
13: Die vom Hause Juda und Israel sind ein Fluch
gewesen. |
|
|
Allein hier haben die LXX Dollmetscher das
hypereidō, welches eigentlich heist über etwas
hinsehen, |
Apost. Gesch. XVII,
30. |
|
oder etwas verachten, |
- 3 Mose XXVI, 43.
- Buch der Weish. XIX, 21.
- Syr. XXIII,
13.
|
|
Hatte nun ehemahls Jerusalem das Wort des
HErrn verachtet, so ward sie nunmehr von dem
HErrn wieder verachtet, |
1 Sam. II, 30. |
|
Verachtet waren sie nicht nur bey GOtt,
welcher ihr Gebet nicht wolte hören, sondern sich
mit einer Wolcken verdeckte, |
Klag. Lieder III, 33. |
|
Veracht nicht nur bey ihren Feinden, ja bey
allen
Völckern, denn der HErr hat sie zu Koth und
Unflat gemacht unter denen Völckern, |
Ebend. |
|
sondern auch verachtet bey ihren Freunden,
denn es war niemand, der sie tröstete, alle ihre
Nächsten verachteten sie, |
Klag-Lied I, 2. |
|
Sie waren verachtete
Seelen, ein Volck, des
man Greuel hat, |
Es. XLIX, 7. |
|
denn der HErr war zornig über sie, und zwar
nicht auf eine kurtze Zeit, sondern sehr lange,
nehmlich siebenzig
Jahre, oder wie es die |
|
|
{Sp. 536} |
|
|
Vulgata übersetzet: Iste jam est
septuagesimus annus. Dieses ist eben das
siebentzigste Jahr, denn es hatte GOtt
versprochen, sein Volck nach 70 Jahren in
Gnaden heimzusuchen, |
Jer. XXV, 11. Cap. XXIX,
10. |
|
Solche Verheissung hält hiermit der
Sohn GOttes seinem himmlischen Vater für, jam est
septuagesimus annus, jetzo sind es 70 Jahre, und
gleichwöhl muß dein Volck noch elend und
verachtet seyn, so gedencke doch an deine
verheissene Gnade, und sey einem Volck gnädig,
denn es ist Zeit, und die
Stunde ist kommen. |
- Erklär. der Buß-Texte, Ao. 1711.
- Anhang des Biblisch. Real-Lex.
…¶
|
|
|
|
|
(D) Schrifften von dem Zorn GOttes.¶ |
|
|
Ausser denen schon angeführten
Schrifften
können von dem Zorne GOttes auch noch
folgende aufgesuchet werden: |
|
|
- Rambachs Dogmatische Theologie, T. I ...
- Wohlgemuths Entdeckung des Systematis
Christiani Democriti ...
- Zimmermanns natürliche
Erkenntniß GOttes ...
|
|
|
|
|