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Zedler: Scholasticker HIS-Data
5028-35-922-4
Titel: Scholasticker
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 35 Sp. 922
Jahr: 1743
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 35 S. 475
Vorheriger Artikel: SCHOLASTICI VAGANTES
Folgender Artikel: SCHOLASTICUM (INTERREGNO-) SECULUM
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Scholasticker, Schullehrer, Scholastici, Scholastici Doctores, sind diejenigen, so in den mittlern Zeiten oder im XII und den folgenden Jahrhunderten in Schulen und Klöstern sich blos auf die Theologie legen sollten; aber an deren statt der Aristotelischen Philosophie all zu sehr nachhiengen, und daher auf seltsame und unnütze Fragen geriethen, über deren Evolution sie der Theologie beynahe gäntzlich vergassen, die heilige Schrifft liegen liessen, und solche Studia tractirten, die weder das Heil der armen Seelen, noch die Wohlfahrt der Republick beförderten. (Von ihnen hat die Scholastische Theologie, von der unten ein besonderer Artickel folget, ihren Namen).  
  Es hatten nehmlich die Lehren dieses Weltweisen, des Aristoteles, schon im 8 Jahrhunderte ihre Liebhaber in Arabien gefunden, von dannen sie mit den Saracenen erst nach Spanien, und nachmals auch in andere Länder von Europa, gekommen. Weil aber die Geistliche, bey welchen hierdurch eine sonderliche Begierde zur Philosophie erwecket worden, das Griechische nicht verstunden, so bedienten sie sich der aus dieser Sprache ins Arabische, und aus dem Arabischen auf Kaysers Friderici II. Befehl ins Lateinische gemachten Übersetzungen, nebst den Commentariis des Avicenna und Averrohis, woraus denn  
  {Sp. 923|S. 476}  
  endlich eine neue Philosophie (siehe den Artikel: Scholastische Philosophie) erwachsen, die bey nahe gantz und gar aus lauter Subtilitäten bestanden, und nachdem sie endlich auch mit der Theologie vermischet worden, diese beyde Wissenschafften mehr verwirret und verfinstert, als in Aufnahme gebracht.  
  Wenn nun die Gelehrten den Urheber dieser Lehrart anzeigen sollen, sind sie unter sich sehr uneinig. Von deren Vergleichung, nach besondern Unterscheide, der Artikel: Scholastische Philosophie, nachzusehen ist.  
  Inzwischen werden die Scholastici in Ansehung der Zeit, da einer oder der andere gelebet, in 3 Abschnitte und Periodos abgetheilet.  
  Von dem sich der erste anfange, kan nicht eigentlich bestimmet werden. Daher muß man sich begnügen lassen, daß man weiß, daß er bis auf Albert den Grossen gehet, der um die Mitte des 13 Jahrhunderts gelebet. Der folgende erstreckt sich von letztbemeldter Zeit bis auf 1320 oder 1330, das ist, bis auf den Durandus de S. Portiano. Der dritte aber gehet mit der Zeit zu Ende, da die Religions-Änderung von Luthern unternommen worden.  
  Diejenigen, welche sich in dem ersten Abschnitte von den Scholastickern besonders hervorgethan, sind  
 
  • Wilhelm de Campellis,
  • Peter Abälardus,
  • Peter Lombardus,
  • Robert Pulley,
  • Gilbert Porretanus,
  • Peter Comestor, oder Manducator,
  • Johann Saresberiensis,
  • Alexander Alesius.
 
  Die vornehmsten im andern Abschnitt heissen  
 
  • Albertus der Grosse,
  • Thomas Aqvinas,
  • Bonaventura,
  • Peter Hispanus,
  • Rogerus Baconus,
  • Aegidius de Columna,
  • Joh. Duns Scotus.
 
  Aus dem dritten Abschnitt verdienen folgende angemercket zu werden:  
 
  • Durandus a St. Porciano,
  • Wilhelm Occam,
  • Richard Suisset,
  • Johann Buridanus,
  • Marsilius ab Inghen,
  • Walter Burläus,
  • Peter de Alliaco,
  • Johann Wesselus Gansfort,
  • Gabriel Biel.
 
  Ausser diesen sind noch viel andere in allen dreyen Abschnitten, welche mit dem Namen der Scholasticker zu belegen sind, die aber hier alle anzuführen, nicht nöthig ist.  
  Fast alle bereits angeführte sind Theologen gewesen, weil besonders um der Theologie willen die Scholastische Philosophie beliebt wurde. So haben auch die allermeisten die ansehnlichsten Ämter und damit verknüpffte Würden besessen, und sind Cardinäle, Ertz- und Bischöffe gewesen.  
  Man hat ihnen auch übermäßig lobsprechende Beynahmen beygeleget.  
 
  • Alexander Alesius hieß Fons vitae, Doctor Doctorum, und Doctor irrefragabilis;
  • Peter Lombardus, lumen omnium;
  • Alphonsus Tostatus, stupor mundi;
  • Wesselus Gansfortius, lux mundi;
  • und so weiter.
 
  Ja es haben sich nach der Hand auch nach der von Luthern unternommenen Reformation noch hin und wieder einige gefunden, welche der Scholastischen Philosophie angehangen. Denn obgleich ein grosser Theil der Philosophischen Welt die Ungründlichkeit, Barbarey, und unnütze Spitzfindigkeit der Scholastischen Philosophie eingesehen, auch wohl Theils nachdrücklich bestritten, so war doch dieselbe mit dem Interesse des Römischen Hofes und der darauf gebaueten Theologie so sehr verbunden, daß man sie nicht abschaffen können.  
  Über dieses war  
  {Sp. 924}  
  das Vorurtheil für den Aristoteles, vornehmlich für dessen Scholastische Ausleger, den Thomas Aqvinas, und Johann Scotus, bey den Ordensleuten von ihrer Profeßion sehr groß, auch noch in neuern Zeiten, zumal da sie mit ihren Philosophischen Subtilitäten bey unterschiedenen Gelegenheiten viel zu gewinnen vermeynten. Und da der Jesuiter-Orden aufgekommen, welcher allen andern den Fleiß und Ruhm in Vertheidigung des Römischen Hofes, worzu die Scholastische Philosophie am allerdienlichsten war, streitig zu machen gesucht hat; so ist leicht zu erachten, daß diese Ordensleute, welche auf Römisch- gesinnten Universitäten den Philosophischen Lehrstuhl meistentheils besitzen, die Scholastische Philosophie im Flor zu erhalten gesucht haben, welche sie auch noch darzu für eine Philosophiam orthodoxam et catholicam gehalten. Heumann de Philosophia Catholica, in Act. Phil. ...  
  Gleichwie aber nun die Scholastische Philosophie, wie schon gedacht, dem Römischen Hofe und dieser Kirche sehr zuträglich gewesen, so wurden gegentheils diejenigen, welche die Philosophie profitiren wollten, verbunden und verpflichtet, keine andere, als die Scholastische Philosophie zu üben, derselben zu huldigen und sie sowol mündlich als schriftlich zu lehren: Daher man siehet, daß auch ein Gebot, und, so zu sagen, Zwang, den Fortgang dieser Philosophie getrieben habe.  
  Nun ist zwar nicht zu läugnen, daß einigen aufgeweckten Männern, besonders unter den Frantzosen, die Augen aufgegangen, daß sie die Scholastische Barbarey zu vermeiden, und wo nicht der in der Sache, doch in den Worten etwas netters, das den Geschmack des zärtlichen Seculi mehr vergnügte, hervor zu bringen sich bemühet: Allein wenns hoch kam, so änderte man etwas weniges an der Lehrart, oder ließ in Physicalischen Materien da und dort eine Anmerckung der Neuen mit einfliessen, dergleichen der berühmte Jesuit Fabri gethan.  
  Im Hauptwerck aber wurde nichts verändert, und auch diejenigen, welcher in der Reinlichkeit der Lateinischen Sprache andere übertrafen, priesen dennoch die Scholastische Philosophie nicht nur ihren Schülern, sondern auch sogar der gelehrten Welt auf das nachdrücklichste an, welches unter andern der berühmtes Frantzösische Jesuit Vavasseur in einer Oration: Quid Scripturae interpretes Scholastive juvet, gethan.  
  Daß man aber auch in der Römischen Kirche an vielen Orten nunmehr von der Philosophie einen bessern Geschmack hat, ist nicht den hohen Schulen und Gymnasien, sondern den gelehrten Gesellschafften, und dem Critischen, Physicalischen und Mathematischen Studio zuzuschreiben. Und gewiß, seit einem halben Jahrhundert hat die Scholastische Philosophie selbst unter den Philosophen der Römischen Kirche einen starcken Stoß erlitten.  
  Und hiervon ist die Ursache theils, weil man sowol die Vernunft- als Naturlehre auf eine gründlichere Art eingesehen und mit vielem Fleiß excoliret hat, theils weil der Mißbrauch der Scholastischen Philosophie in Theologischen Sachen, Anlaß gegeben, daß manchem  
  {Sp. 925|S. 477}  
  die Augen aufgegangen sind. Denn da sonderlich die Jesuiten, welche sich mit vielem Fleiß auf die Moral und das Natur-Recht legten, ob sie gleich nach Art ihrer Vorfahren Vernunfft, Offenbahrung und Tradition mit einander vermischten, ihres besondern Nutzens wegen, auf verschiedene sowohl ungründliche als gefährliche und schädliche Lehrsätze verfielen, die mit in die Jansenistische Streitigkeiten lieffen, so nahmen sich etliche von den Jesuiten gedruckte gelehrte Männer und scharffsinnige Philosophen den Muth, die abscheuliche Gestalt der Jesuitischen Moral mit lebendigen Farben abzumahlen.  
  Es ist hier noch zu berühren, daß auch unter den Protestanten sich einige gefunden, welche sich die Scholastische Spitzfindigkeit gefallen lassen: Allein erstlich sind ihrer nicht viel, und dürffte man die meisten in Engelland sucheten; hernach haben auch diejenigen, welche von Scholastischen Philosophen verschiedenes beybehalten, den Aristoteles dabey zu Rathe gezogen, und die Scholastische Gedancken nach dessen eigentlichen Systemate verbessert, daher sie auch eigentlich nicht hierher gehören. Tribbechovius hat ein besonder Buch de Doctoribus Scholasticis geschrieben.
  Siehe übrigens den Artickel: Scholastische Philosophie.  
     

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Stand: 20. Februar 2013 © Hans-Walter Pries