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Zedler: Land-Charte HIS-Data
5028-16-393-12
Titel: Land-Charte
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 16 Sp. 393
Jahr: 1737
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 16 S. 208
Vorheriger Artikel: Land-Boten
Folgender Artikel: Land-Comther
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

  Text Quellenangaben
  Land-Charte, Lat. Mappa Geographica oder Charta Geographica, ist eine Vorstellung von einem gewissen Theile der Ober-Fläche auf der Erde, wie solche auf einer ebenen Fläche erscheinet.  
  Weil nemlich die Ober-Fläche der Erde die Figur einer erhabenen Kugel hat, so können die Örter, welche sich auf derselben befinden, nicht mit ihrer vollkommenen Lage gegen einander auf ebenen Flächen vorgestellet werden. Man kann sie aber doch so vorstellen, wie sie unserm Auge erscheinen würden, wenn unser Auge so weit von derselben entfernet wäre, daß die Figur ihrer Fläche nur wie ein ebener Teller erschiene: oder wenn zwischen unserm Auge und der Erd-Fläche eine ebene und vollkommen durchsichtige Fläche befestiget wäre, wie die Fläche der Erde auf diese Taffel müste gemahlet werden, wenn die Örter darauf unserm Auge eben so erscheinen sollten, wie sie demselben auf der Kugel Fläche selbst zu liegen scheinen.  
  Es ist dieses eine perspectiuische Proiection, Vermöge deren man sich vorstellet, daß zwischen dem Auge und dem Cörper, den man entwerffen will, eine durchsichtige Taffel gestellet wird, und jeden Punct an dem Orte abmahlet, wo der von ihm ins Auge fallende Licht-Strahl die Taffel durchsschneidet.  
  Man hat aber zweyerley Arten von Land- Charten, nach dem man einen grossen Theil der Erd-Fläche darauf vorstellen will. Die einen nennet man Mappas Vniuersales, und stellen diese die Helffte der Erd-Kugel vor, denn es ist keine Lage möglich, darinnen ein Auge die gantze Fläche auf ein Mahl übersehen kann, sondern der größte Theil, den man auf ein Mahl mit dem Gesichte fassen kann, ist die Helffte der Kugel.  
  Die allgemeinen Land-Charten sind deswegen alle Zeit in zwey Hemispheria oder halbe Kugeln abgetheilet, deren  
  {Sp. 394}  
  jedes die eine Helffte der Erd-Fläche bis an einen Circulum maximum vorstellet. Denn es ist aus der so genannten Geometria sphaerica bekannt, daß die größten Circel eine Kugel jeder Zeit in zwey gleiche Theile abtheilen.  
  Weil die Lage derer Örter auf der Erde durch die Länge und Breite derselben bestimmet wird, so muß man sich das planum, darauf man die Land-Charte verzeichnen will, in einer solchen Lage vorstellen, daß die Längen und Breiten derer Örter auf eine bequeme Art können determiniret und gefunden werden. Die verschiedene Arten dieses zu bewerckstelligen können von dem grösten Circel her, den man als das planum Proiectionis ansiehet, und von der verschiedenen Lage des Auges gegen denselben.  
  Mehren Theils nimmt man zum plano Proiectionis entweder den Aequatorem oder das planum primi Meridiani an, und setzet das Auge in den Pol des Circels, den man zur Proiection erwehlet hat. Man concipiret sich hierbey, als wenn man durch die durchsichtige Taffel die Örter der Erde auf der entgegen gesetzten Seite erblickte, oder als wenn die Erde hohl, und die Örter sammt den zugehörigen Circeln an die innere Fläche derselben gezeichnet wären, welche man durch die gläserne Taffel erblickte, und auf derselben abmahlen sollte.  
  Man erwählet aber diese beyden Circel deswegen zum plano Proiectionis, und giebt dem Auge gemeldeten Situm, weil dadurch die Zeichnung derer Charten sehr erleichtert wird. Denn bey der ersten Art, da das Auge vom einem Pole der Erde die andere Seite ansiehet, werden in der Proiection alle Meridiani gerade Linien, und die Circuli Latitudinis, oder diejenigen, welche mit dem Aequatore parallel sind, werden lauter concentrische Circel; und bey der andern Art, da man das planum eines Meridiani zum plano Proiectionis erwählet, werden die Paralleli Aequatoris zu Circel-Bogen, der Aequator selbst zu einer geraden Linie, der Meridianus, in dem das Auge, nach dieser Vorstellung befindlich ist, wird eben Falls eine gerade Linie, und die übrigen Meridiani praesentiren sich als Circel-Bogen.  
  Wenn man das Auge anders situiret, so bekommet man an Stat einer oder der andern von diesen Circeln krumme Linien, welche schwer zu beschreiben sind, und also denen Künstlern viele Mühe verursachen würden. Z. E. wenn man das Auge in dem Centro der Erde subponiret, so werden dadurch die Circuli Latitudinis in Hyperbeln verwandelt, wenn man aber subponiret, daß das Auge. wie man in der Geometrie zu reden pfleget, unendlich weit von der Erd Fläche weg ist, so daß die von dem Auge dadurch auf den Meridianum gezogenen Linien insgesammt vor parallel untereinander, und vor perpendicular auf den Meridianum Proiectionis können gehalten werden, so werden die Meridiani Ellipses, ausser demjenigen Meridiano, in dessen Fläche sich das Auge befindet, welcher eine gerade Linie bleibet, und dem, worauf die Proiection geschiehet, welcher eben Falls ein Circel ist.  
  Diejenige Art allgemeiner Land Charten, wo der Polus der Erde zum Augen-Puncte und der Aequator zur Taffel erwählet wird, brauchet man heute zu Tage wenig, ausser daß man in einigen Charten die um den Pol gelegenen Länder dadurch vorstellet, aber die andere, wo man auf dem Meridiano proiiciret, wird fast in allen Atlantibus und  
  {Sp. 395|S. 209}  
  Planisphaeriis gebrauchet, weil sie den Prospect der Kugel am allernatürlichsten verstellet, und die Länge und Breite derer Örter am besten ausdrücket.  
  Aber freylich hat sie wiederum einige Fehler. Nemlich daß die Grade des Aequatoris darauf ungleich fallen, in dem diejenigen, welche dem Meridiano der Proiection näher sind, sehr klein sind in Ansehung dererjenigen, die dem Auge näher sind; ferner daß die Gegenden gegen die Pole grösser erscheinen als sie sind; in gleichen daß die Distantz und folglich die Lage derer Örter nicht genau genug kann erkannt werden. Mehreres von denen Mappis Vniuersalibus, von ihrer Construction und ihrem Gebrauche findet man in Varenii Geograph. Gen. III. 32. in gleichen in Wolffens Elem. Geogr. wo man verschiedenes erwiesen findet, was Varenius annimmt.
  Weil die Vniuersal-Charten, von welchen wir bisher geredet haben, sehr wenig Örter fassen können, und die Lage dererselben nicht völlig deutlich zeigen, so hat man auf Special Charten müssen bedacht seyn, worauf ein gewisser kleinerer Theil der Erde vorgestellet wird. Diese können desto mehrere Örter fassen, je ein kleineres Stück Landes sie vorstellen.  
  Die grossen Particular Charten, welche einen von denen so genannten Theilen der Welt vorstellen, werden auf eben die Art als die Vniuersal-Charten gezeichnet. Diejenigen, durch welche der Aequator gehet, werden nach der andern Art gezeichnet, daß nehmlich der Aequator eine gerade Linie ist, die übrigen Circel aber würckliche Circel-Bogen sind. Auf solche Art ist meistens Africa und America entworffen, wie auch Asia, denn ob gleich der Aequator nicht würcklich durch das feste Land von Asien gehet, so gehet er doch durch etliche Inseln, welche zu diesem Theile der Welt gehören, und nahe dabey liegen. Europa wird nach der ersten Art gezeichnet, bey welcher das Auge im Süder-Pole der Erde gesetzet wird, und wodurch die Meridiani gerade Linien, die Parallel-Circel des Aequatoris aber concentrische Circel werden.  
  Bey den kleinern Particular- oder denen so genannten Special-Charten werden alle Circel als gerade Linien vorgestellet, ausser, wenn man eine grosse Charte von einem Lande, so nahe an dem Pole gelegen ist, geben will, in welcher die Paralleli gegen den Pol Circel-Bogen bleiben. Es gründet sich dieses auf die Considerationes der Geometrie, Vermöge deren die Circel-Bogen und andere krumme Linien der geraden Linie immer näher kommen, je kleinere Theile sie von ihrer Peripherie sind. Daher es denn kommt, daß kleine Theile des Meridiani oder derer Parallelorum als gerade Linien können angenommen werden.  
  Bey der Zeichnung einer solchen Charte theilet man die gegen überstehenden Seiten des Parallelogrammi, worauf das Land soll gezeichnet werden, in so viel Theile als nöthig ist. Nehmlich die obere und untere Seite in so viel Theile, als man Grade der Länge in dem Lande zählet; und die Seiten zur rechten und lincken in so viele, als es Grade der Breite hält, und numeriret sie, wie sie auf dem Globo folgen. Nach diesem werden die Örter aus denen Längen- und Breiten- Taffeln eingezeichnet, wohin sie gehören.  
  Wenn man nur einen kleinen District, den man von etlichen Örtern übersehen kann, auf eine Land-Charte verzeichnen will, so geschiehet solches nach denen ordentlichen Methoden der Geo-  
  {Sp. 396}  
  daesie, wovon man in denen Geometriis practicis Nachricht findet.  
  Die accuratesten unter allen Land-Charten, sind unstreitig diejenigen, welche aus Astronomischen Obseruationibus gemacht werden, weil solche die Lage derer Örter auf das allergenaueste bestimmen. Man hat aber wenige dergleichen, ausser denen, welche de l'Isle auf Befehl des Königes in Franckreich gemacht, und der Charte von Rußland, welche jüngst von denen Academicis in Petersburg gegeben worden.  
  Ausser der Zeichnung derer Land-Charten hat man auch auf ihre Illumination zu sehen. Weil nehmlich die Erde in verschiedene Reiche, und die Reiche wieder in ihre Landschafften und Districte eingetheilet sind, so werden billig die Grentzen derer Länder mit auf denen Land- Charten angemercket. Anfangs bemerkte man die Grentzen derer Länder durch zarte Puncte, welche Rings um das Land wie eine blinde Linie herum giengen. Man merckte aber gar bald, daß diese Art nicht allzu beqvem war, in dem sich die Puncte leicht confundiren, wenn man kleine Districte anzeigen will, man fieng deswegen an, die verschiedenen Grentzen mit verschiedenen Farben zu umzühen, und endlich überzog man die Länder mit dünnen Wasser-Farben. Durch dieses Mittel kann man die Landschafften auf der Charte gleich unterscheiden, ohne daß die Deutlichkeit des Stiches verdunckelt wird. Hübner in Hamburg hat hierauf grossen Fleiß gewendet, und dadurch die Charten um ein grosses brauchbarer gemachet, als sie vorher waren.  
  Ausser der Illumination derer Charten hat man noch einige Zeichen erdacht, dadurch man die merckwürdigsten Plätze bezeichnet, man hat Z.E. besondere Zeichen, dadurch man ausdrücket, was eine Festung, eine freye Stadt, eine Post- Station sey, wo eine Schlacht geliefert worden, welche, weil sie willkührlich sind, meist bey denen Charten angemercket werden.  
  In gleichen einen besondern Maß-Stab zu jeder Charte, nach dem man die Distantz zweyer Örter ausmessen kann, welches aber nur bey denen Particular-Charten geschehen kann, weil bey denen Vniuersal-Charten gleich weit von einander gelegene Örter in ungleicher Weite von einander kommen, und sich also dazu kein beständiger Maß-Stab verfertigen lässet. Man hat zwar auch Vniuersal-Charten, welche lauter gerade Linien haben, und auf denen man also wohl einen Maß-Stab machen kann, sie sind aber so wenig accurat, daß man schlechten Nutzen davon haben würde. Varenius l. c.
  Der erste, der eine Land-Charte gezeichnet, ist Vermöge der Nachricht derer Griechen Anaximander von Mileto, ein Schüler des berühmten Thaletis, gewesen.
  • Agathemerus Hypotyp. Geograph. I. 1.
  • Diogenes Laertius II. 2.
  • Strabo I. p. 13.
  Es sind aber die alten Charten durchgehends sehr unvollkommen gewesen, wie man leicht vermuthen kann. Denn obgleich die Philosophi derer alten Zeiten sich unbeschreibliche Mühe gegeben haben, die Wissenschafften in Aufnahme zu bringen, und solches insonderheit von denen Nachfolgern Thaletis muß gerühmet werden, so waren doch ihre obseruationes aus Mangel recht accurater Instrumente sehr unvollkommen, und wenn sie solche auch eben so gut als wir gehabt hätten, so wäre es doch nicht eines, oder so weniger Männer Arbeit gewesen, an alle Örter selbst hin zu reisen, und aus denen Obseruationibus  
  {Sp. 397|S. 210}  
  derer Sterne die Lage derer Örter genau zu bestimmen.  
  Nach Anaximandro haben noch viele sich um accurate Land-Charten bemühet, und hat absonderlich der berühmte Geographus Ptolemaeus nicht nur dazu Anleitung gegeben, sondern auch dergleichen selbst verfertiget.  
  In Teutschland hat sich Io. Stoeflerus zu erst mit Ernste um die Besserung derer Land-Charten bekümmert, und nach ihm Sebastian Münsterus, und in denen neuesten Zeiten haben sich Iacob Sandrart in Nürnberg, Dauid Funcke, Johann Homann verdient gemacht.  
  Unter denen Frantzosen sind Tavernier, Sauson, Iaillot, Molin, und absonderlich de l'Isle berühmt. Unter denen Italiänern Ioh. Castaldus, Paullus Canius, und Vincentius Coronelli. Bey denen Holländern Gerhard Mercator, Iodocus Hondius, Wilhelm Ianson, Ioannes und Cornelius Blau, Nicolaus Vischer, Iustus Danckert, Friderich de Witt, Petrus Mortier, Petrus Schencke u.a.m.  
  Man muß sich bey denen Land-Charten hauptsächlich in Acht nehmen, daß man sich nicht bloß durch den saubern Stich dererselben einnehmen lässet. Die Holländischen Charten sind mehren Theils überaus zart und schön gestochen, es fehlet ihnen aber immer an der Accuratesse, die accuratesten sind wohl von de l'Isle und Coronelli gegeben worden.  
  Joh. Gottfried Gregorii curieuse Gedancken von denen vornehmsten unb accuratesten alten und neuen Land-Charten nach ihrem ersten Ursprunge, Erfindung, Auctoribus und Sculptoribus, Gebrauch und Nutzen. Franckf. und Leipzig 1713. in 8. und Eberh. David Habers Versuch einer umständlichen Historie von denen Land-Charten, können weiter nachgelesen werden, und des jungen Hübners in 3 Octav-Bänden herausgegebene Geographie hat das gute besonders, das bey Abhandlung ieden Landes die ietzo vorhandene beste Charte angezeiget wird, daß also derjenige, der sich einen Atlanten von denen besten Charten schaffen will, wohl thun wird, wenn er sich nach der Hübnerischen Anzeige eine zusammen suchet.  

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Stand: 30. Mai 2023 © Hans-Walter Pries