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Quellenangaben |
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Herbst,
Lat.
Auctumnus, ist die mittlere
Jahres-Zeit, zwischen dem
Sommer und
Winter
an einem
Orte des
Erdbodens, wenn es zuvor
Som- |
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{Sp. 1636} |
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mer gewesen, und der Winter alsdenn heran
nahet. |
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Hier zu Lande pfleget man zu
sagen, es sey
Herbst, wenn die Bäum- und Reben-Früchte zu
reiffen beginnen; oder so man solchen nach der
Astronomischen
Eintheilung derer Jahres-Zeiten
beurtheilen
will, wenn die Sonne von dem
Anfange des himmlischen Zeichens der Wage
sich biß in den Anfang des Steinbocks
beweget,
und daselbst den kürtzesten
Tag machet. |
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Es ist nemlich von allen
Völckern die
Eintheilung derer Jahres-Zeiten in Ansehung der
Wärme und Kälte, oder wenigstens einen
geringern Grad der Wärme, beliebet worden, und
hat man die wärmste
Zeit im
Jahre, Sommer, die
kälteste, Winter, die mittlere temperirte Zeit,
zwischen beyden, Frühling oder Herbst genennet;
nachdem nemlich in jenem Falle nach geendigten
Winter der Sommer heran genahet ist; oder in
diesem, wenn die wärmste Zeit vorbey, es wieder
kälter zu werden angefangen hat. |
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Nun hat man zwar angemercket, daß sich die
Veränderung derer Jahres-Zeiten in der Witterung
an einerley Orte des Erdbodens sehr
verschieden
ereignen und offt ziemlich warm zu einer solchen
Zeit sey, da es sonst gemeiniglich sehr kalt zu
seyn pfleget, et vice versa; allein man hat auch
gar bald wahr genommen, daß die Haupt-Veränderungen in der Witterung sich nach dem
verschiedenen Abstande der Sonne von dem
Zenith oder Scheitel-Puncts eines Ortes richte;
und alsdenn das wärmste Wetter sey, wenn die
Sonne dem Scheitel-Puncte am nächsten ist;
hingegen das kälteste, wenn sie am weitesten von
selbigen entfernet. |
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Da nun dieses der
Erfahrung so wohl als der
Vernunfft gemäß, daß die Sonne als die Qvelle
der Wärme auf dem Erdboden, mehr
Krafft zu
erwärmen erweise, wenn sie dem Zenith näher,
als wenn sie weiter davon weg ist; und man gar
leichte
erkannt, daß obberührte Diversité von
zufälligen Veränderungen in unserer Atmosphaere
herrühren
müste;
so hat man auch die Eintheilung derer Jahres-Zeiten, nach diesem Abstand der
Sonnen, vom Zenith eingerichtet, und den Anfang
des Sommers in selbige Zeit gesetzet, wenn die
Sonne dem Zenith eines Orts auf der Erden am
nächsten; hingegen des Winters, wenn die Sonne
von dem Zenith am weitesten abstehet; der
mittlere Abstand der Sonnen von Zenith hat so
wohl den Anfang des Frühlings, als des Herbsts
bestimmet, nachdem in jenem Falle, die Sonne
von ihrer weitesten Entfernung an sich gegen das
Zenith zu bewegt; in diesem hingegen, wenn sie
sich wiederum von Zenith weg bewegt. |
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Es ist demnach nach diesem
Begriffe, der
Herbst diejenige Jahres-Zeit, zwischen dem
Sommer und Winter, deren Anfang sich an
demjenigen
Tage ereignet, an welchen zur
Mittags-Zeit die Sonne den mittlern Abstand von
dem Scheitel-Puncte eines Ortes erhält, indem sie
sich von dem Zenith desselben Ortes, weg
bewegt; hingegen das Ende derselbigen sich an
dem Tag begiebet, in dessen Mittage die Sonne
die weiteste Entfernung von dem Zenith eines
Ortes auf dem Erdboden hat. Dieses ist der
wahrhaffte und allgemeine Begriff des Herbstes,
welcher sich für alle Örter des Erdbodens
schicket. |
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Hier zu Lande, die wir in der Zona temperata gegen Norden
wohnen, begiebet sich ermeldeter
mittlerer Abstand, wenn die Sonne in die Wage
tritt; hingegen der wei- |
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{Sp. 1637|S. 848} |
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teste Abstand von dem Zenith, wenn die
Sonne in dem Anfange des Steinbocks sich
befindet; dahero saget man, der Herbst sey
diejenige Jahres-Zeit, in welcher die Sonne die
drey himmlischen Zeichen der Wage, des
Scorpions und des Schützen durchlaufft. Man
muß sich aber hüten, daß man diese
Definition
des Herbstes nicht für allgemein ausgebe,
massen dieses nur bey denen mitternächtigten
Örtern Stat findet, welche von dem Tropico Cancri an, gegen den Norder-Pol, zu liegen. |
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Bey denjenigen Örtern in dem mittägigen
Theil der Erd-Kugel, die zwischen dem Tropico
Capricorni und Süder-Pol liegen, ist es just
umgekehret, massen sie Herbst haben, wenn die
Sonne durch die drey himmlischen Zeichen des
Widders, Stiers und Zwillinge sich beweget, zu
welcher Zeit es hier zu Lande Frühling ist. |
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Die Örter, so unter dem Aequatore liegen,
haben zwey Mahl Herbst, ein Mahl, wenn die
Sonne den mittlern Abstand von dem Zenith des
Orts, das ist in diesem Falle, die mittlere
Declination von dem Aequatore erhält, indem sie
sich von dem Aequatore weg nach dem Tropico
Cancri beweget; und zum andern, wenn sie
wiederum die mittlere Declination hat, indem sie
von dem Aequatore weg nach dem Tropicum
Capricorni zu gehet. |
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Und so kan man auch nach oben angeführter
allgemeinen Definition des Herbstes beurtheilen,
wenn, und auf was Art der Herbst sich an einem
Orte des Erdbodens ereigne, der zwischen dem
Aequatore und denen Tropicis lieget; wie denn in
diesem Falle nach
verschiedener Breite derer
Örter der Anfang und Ende des Herbstes sehr
verschieden ist. |
Varenius Geograph. gener. … |
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Es hat der Herbst bey denen
Teutschen
seinen
Nahmen von der Herbigkeit, weil er herbe
und der Gesundheit des
Leibes sonderlich
zuwider ist, weil um selbige Zeit die Säffte und
Lebens-Geister, nach vorhergegangener Hitze,
anfangen schwach zu werden. Daher auch
Horatius Sat. …
schreibet: |
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Auctumnusque gravis, Libitinae quaestus
acerbae. |
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Zur Herbst-Zeit gehen gemeiniglich die
schädlichsten und gefährlichsten Kranckheiten im
Schwange, besonders aber die Lungen- und
Schwind-Sucht. |
Hipp. … |
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Einen Auszug von Herbst-Kranckheiten kan
man sehen an angeführten Orte |
aph. 22. |
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Was in Geheimniß-vollen
Verstande Auctumnus bey der Zubereitung des Steins derer
Weisen heisse, ist zu sehen in Magistr. Ortulani
Practic. Alchym. und May. Valentini vortrefflichen
Wercke, |
welche in Th. Chym. … zu
finden. |
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Ja der Stein derer Weisen selbst wird bey
dem Lagneo Harm. Chym. …
Auctumnus
genennet. |
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Es
soll aber das
Wort
Auctumnus ab augendo
vom Vermehren herkommen, weil man im Herbst
die Früchte einsammlet. |
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Sommer und Winter, Frühling und Herbst
haben ihre besondere und
gantz
unterschiedene
Eigenschafften vor und gegen einander selbst;
Krafft deren der Sommer heiß und trocken, der
Winter aber kalt und trocken; hingegen der
Frühling feuchte und warm, und der Herbst
feuchte und frisch zu seyn pfleget. Und dieses
alles
würcket und mäßiget der unterschiedene
Abstand der Sonnen, in und durch unsere Erd-
und
Wasser-Kugel. |
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Nach solchen Witterungs-Absätzen muß
nothwendig der
menschliche Leib, hauptsächlich,
vermöge seiner in sich haltenden Säffte und
Feuchtigkeiten, un- |
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{Sp. 1638} |
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terschiedene Veränderung ertragen. Solcher
Gestalt sind im Winter die Säffte schwerer, dicker
und unbeweglicher, zugleich aber auch häuffiger;
die Schweiß-Löcher des äussern Leibes
geschlossener: und die Excretiones periphericae gehemmet, die meiste Last derer Feuchtigkeiten
ist in denen innern Theilen; die
Natur in einer
mercklichen
Gewohnheit zu Ertragung solcher
Beschaffenheit. In Sommer hingegen sind die
Säffte sehr zarte, flüßig, beweglich, und wegen
derer starcken und häuffigen Ausdünstungen
weniger, das meiste Blut findet sich äusserlich, die
Schweiß-Löcher sind gleich durchgängig offen,
der Umgang derer Säffte und Feuchtigkeiten
überall frey, und die Natur ebenfalls in steter
Gewohnheit, die
Bewegung derer Säffte, und
deren Ab- und Aussonderung ungehindert zu
verrichten. |
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Auf solche Weise würde
gewiß, wenn auf den
heiß-trockenen Sommer
unmittelbar, und ohne
darzwischen lauffende Grade der Abweichung, ein
kalt-trockener oder feuchter Winter folgte, die
menschliche Gesundheit, so, wie die
gantze Natur
gantz ausserordentliche und höchst
schädliche
Veränderungen zu erdulten haben. Damit aber
dieses nicht geschehe, siehe, so muß der
dazwischen kommende Frühling und Herbst das
geschickteste Band, und die behutsamste
Vorbereitung auf den Winter und Sommer geben,
zugleich aber von beyden etwas annehmen, und
durch eine gemäßigte Mittel-Maasse sich beyden
gleich stellen, die Jahres-Zeiten durch eine
beständige
Übereinstimmung zu verbinden. |
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