HIS-Data
Home | Suche
Zedler: Herbst HIS-Data
5028-12-1635-8
Titel: Herbst
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 12 Sp. 1635
Jahr: 1735
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 12 S. 847
Vorheriger Artikel: Herbsleben
Folgender Artikel: Herbst … Weinlese
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Herbst, Lat. Auctumnus, ist die mittlere Jahres-Zeit, zwischen dem Sommer und Winter an einem Orte des Erdbodens, wenn es zuvor Som-  
  {Sp. 1636}  
  mer gewesen, und der Winter alsdenn heran nahet.  
  Hier zu Lande pfleget man zu sagen, es sey Herbst, wenn die Bäum- und Reben-Früchte zu reiffen beginnen; oder so man solchen nach der Astronomischen Eintheilung derer Jahres-Zeiten beurtheilen will, wenn die Sonne von dem Anfange des himmlischen Zeichens der Wage sich biß in den Anfang des Steinbocks beweget, und daselbst den kürtzesten Tag machet.  
  Es ist nemlich von allen Völckern die Eintheilung derer Jahres-Zeiten in Ansehung der Wärme und Kälte, oder wenigstens einen geringern Grad der Wärme, beliebet worden, und hat man die wärmste Zeit im Jahre, Sommer, die kälteste, Winter, die mittlere temperirte Zeit, zwischen beyden, Frühling oder Herbst genennet; nachdem nemlich in jenem Falle nach geendigten Winter der Sommer heran genahet ist; oder in diesem, wenn die wärmste Zeit vorbey, es wieder kälter zu werden angefangen hat.  
  Nun hat man zwar angemercket, daß sich die Veränderung derer Jahres-Zeiten in der Witterung an einerley Orte des Erdbodens sehr verschieden ereignen und offt ziemlich warm zu einer solchen Zeit sey, da es sonst gemeiniglich sehr kalt zu seyn pfleget, et vice versa; allein man hat auch gar bald wahr genommen, daß die Haupt-Veränderungen in der Witterung sich nach dem verschiedenen Abstande der Sonne von dem Zenith oder Scheitel-Puncts eines Ortes richte; und alsdenn das wärmste Wetter sey, wenn die Sonne dem Scheitel-Puncte am nächsten ist; hingegen das kälteste, wenn sie am weitesten von selbigen entfernet.  
  Da nun dieses der Erfahrung so wohl als der Vernunfft gemäß, daß die Sonne als die Qvelle der Wärme auf dem Erdboden, mehr Krafft zu erwärmen erweise, wenn sie dem Zenith näher, als wenn sie weiter davon weg ist; und man gar leichte erkannt, daß obberührte Diversité von zufälligen Veränderungen in unserer Atmosphaere herrühren müste; so hat man auch die Eintheilung derer Jahres-Zeiten, nach diesem Abstand der Sonnen, vom Zenith eingerichtet, und den Anfang des Sommers in selbige Zeit gesetzet, wenn die Sonne dem Zenith eines Orts auf der Erden am nächsten; hingegen des Winters, wenn die Sonne von dem Zenith am weitesten abstehet; der mittlere Abstand der Sonnen von Zenith hat so wohl den Anfang des Frühlings, als des Herbsts bestimmet, nachdem in jenem Falle, die Sonne von ihrer weitesten Entfernung an sich gegen das Zenith zu bewegt; in diesem hingegen, wenn sie sich wiederum von Zenith weg bewegt.  
  Es ist demnach nach diesem Begriffe, der Herbst diejenige Jahres-Zeit, zwischen dem Sommer und Winter, deren Anfang sich an demjenigen Tage ereignet, an welchen zur Mittags-Zeit die Sonne den mittlern Abstand von dem Scheitel-Puncte eines Ortes erhält, indem sie sich von dem Zenith desselben Ortes, weg bewegt; hingegen das Ende derselbigen sich an dem Tag begiebet, in dessen Mittage die Sonne die weiteste Entfernung von dem Zenith eines Ortes auf dem Erdboden hat. Dieses ist der wahrhaffte und allgemeine Begriff des Herbstes, welcher sich für alle Örter des Erdbodens schicket.  
  Hier zu Lande, die wir in der Zona temperata gegen Norden wohnen, begiebet sich ermeldeter mittlerer Abstand, wenn die Sonne in die Wage tritt; hingegen der wei-  
  {Sp. 1637|S. 848}  
  teste Abstand von dem Zenith, wenn die Sonne in dem Anfange des Steinbocks sich befindet; dahero saget man, der Herbst sey diejenige Jahres-Zeit, in welcher die Sonne die drey himmlischen Zeichen der Wage, des Scorpions und des Schützen durchlaufft. Man muß sich aber hüten, daß man diese Definition des Herbstes nicht für allgemein ausgebe, massen dieses nur bey denen mitternächtigten Örtern Stat findet, welche von dem Tropico Cancri an, gegen den Norder-Pol, zu liegen.  
  Bey denjenigen Örtern in dem mittägigen Theil der Erd-Kugel, die zwischen dem Tropico Capricorni und Süder-Pol liegen, ist es just umgekehret, massen sie Herbst haben, wenn die Sonne durch die drey himmlischen Zeichen des Widders, Stiers und Zwillinge sich beweget, zu welcher Zeit es hier zu Lande Frühling ist.  
  Die Örter, so unter dem Aequatore liegen, haben zwey Mahl Herbst, ein Mahl, wenn die Sonne den mittlern Abstand von dem Zenith des Orts, das ist in diesem Falle, die mittlere Declination von dem Aequatore erhält, indem sie sich von dem Aequatore weg nach dem Tropico Cancri beweget; und zum andern, wenn sie wiederum die mittlere Declination hat, indem sie von dem Aequatore weg nach dem Tropicum Capricorni zu gehet.  
  Und so kan man auch nach oben angeführter allgemeinen Definition des Herbstes beurtheilen, wenn, und auf was Art der Herbst sich an einem Orte des Erdbodens ereigne, der zwischen dem Aequatore und denen Tropicis lieget; wie denn in diesem Falle nach verschiedener Breite derer Örter der Anfang und Ende des Herbstes sehr verschieden ist. Varenius Geograph. gener.
  Es hat der Herbst bey denen Teutschen seinen Nahmen von der Herbigkeit, weil er herbe und der Gesundheit des Leibes sonderlich zuwider ist, weil um selbige Zeit die Säffte und Lebens-Geister, nach vorhergegangener Hitze, anfangen schwach zu werden. Daher auch Horatius Sat. … schreibet:  
  Auctumnusque gravis, Libitinae quaestus acerbae.  
  Zur Herbst-Zeit gehen gemeiniglich die schädlichsten und gefährlichsten Kranckheiten im Schwange, besonders aber die Lungen- und Schwind-Sucht. Hipp. …
  Einen Auszug von Herbst-Kranckheiten kan man sehen an angeführten Orte aph. 22.
  Was in Geheimniß-vollen Verstande Auctumnus bey der Zubereitung des Steins derer Weisen heisse, ist zu sehen in Magistr. Ortulani Practic. Alchym. und May. Valentini vortrefflichen Wercke, welche in Th. Chym. … zu finden.  
  Ja der Stein derer Weisen selbst wird bey dem Lagneo Harm. Chym. Auctumnus genennet.  
  Es soll aber das Wort Auctumnus ab augendo vom Vermehren herkommen, weil man im Herbst die Früchte einsammlet.  
  Sommer und Winter, Frühling und Herbst haben ihre besondere und gantz unterschiedene Eigenschafften vor und gegen einander selbst; Krafft deren der Sommer heiß und trocken, der Winter aber kalt und trocken; hingegen der Frühling feuchte und warm, und der Herbst feuchte und frisch zu seyn pfleget. Und dieses alles würcket und mäßiget der unterschiedene Abstand der Sonnen, in und durch unsere Erd- und Wasser-Kugel.  
  Nach solchen Witterungs-Absätzen muß nothwendig der menschliche Leib, hauptsächlich, vermöge seiner in sich haltenden Säffte und Feuchtigkeiten, un-  
  {Sp. 1638}  
  terschiedene Veränderung ertragen. Solcher Gestalt sind im Winter die Säffte schwerer, dicker und unbeweglicher, zugleich aber auch häuffiger; die Schweiß-Löcher des äussern Leibes geschlossener: und die Excretiones periphericae gehemmet, die meiste Last derer Feuchtigkeiten ist in denen innern Theilen; die Natur in einer mercklichen Gewohnheit zu Ertragung solcher Beschaffenheit. In Sommer hingegen sind die Säffte sehr zarte, flüßig, beweglich, und wegen derer starcken und häuffigen Ausdünstungen weniger, das meiste Blut findet sich äusserlich, die Schweiß-Löcher sind gleich durchgängig offen, der Umgang derer Säffte und Feuchtigkeiten überall frey, und die Natur ebenfalls in steter Gewohnheit, die Bewegung derer Säffte, und deren Ab- und Aussonderung ungehindert zu verrichten.  
  Auf solche Weise würde gewiß, wenn auf den heiß-trockenen Sommer unmittelbar, und ohne darzwischen lauffende Grade der Abweichung, ein kalt-trockener oder feuchter Winter folgte, die menschliche Gesundheit, so, wie die gantze Natur gantz ausserordentliche und höchst schädliche Veränderungen zu erdulten haben. Damit aber dieses nicht geschehe, siehe, so muß der dazwischen kommende Frühling und Herbst das geschickteste Band, und die behutsamste Vorbereitung auf den Winter und Sommer geben, zugleich aber von beyden etwas annehmen, und durch eine gemäßigte Mittel-Maasse sich beyden gleich stellen, die Jahres-Zeiten durch eine beständige Übereinstimmung zu verbinden.  
     

HIS-Data 5028-12-1635-8: Zedler: Herbst HIS-Data Home
Stand: 18. August 2013 © Hans-Walter Pries