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Quellenangaben |
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Mode, Mode,
Modo, Modus,
ritus,
ratio, heißt überhaupt und nach seinem
weitläuffigsten
Verstande die |
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besonders aber die gewöhnliche oder gebräuchliche Tracht und
Manier in |
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- Kleidungen,
- Meublen,
- Kutschen und Zim-
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{Sp. 701|S. 372} |
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Daher die bey den Frantzosen gebräuchliche Redens-Art à la mode moderne, nach der
neuesten Art und Weise. |
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In dem eigentlichsten Verstande aber ist die Mode nichts anders, als eine
Gewohnheit,
welche durch den
Willen der Leute
eingeführet, und also, nachdem derselbe beschaffen ist, nachdem ist auch die Mode
tugendhafft oder
lasterhafft,
vernünfftig oder
unvernünfftig,
oder auch indifferent. |
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Sonst wird auch bisweilen die
veränderliche Art
des Gebrauchs in
Sachen, so den
Wohlstand betreffen, und nur in
gewissen
Ländern oder bey gewissen
Völckern, jawohl
gar nur an gewissen eintzelen
Örtern
und zu
gewissen
Zeiten gelten, mit dem
Namen Mode
beleget. Wovon unter Wohlstand ein mehrers. |
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Sonderlich haben sich die Frantzosen wegen ihres von
Natur schon
etwas flüchtigen und veränderlichen Temperaments, so viel die Moden so wol in
Kleidern, als in Exercitien und höfflichen Ceremonien, ja so gar in der
Sprache selbst
betrifft, schon von langen
Zeiten her, bey
nahe von allen andern
Nationen mercklich
unterschieden. |
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Uberhaupt aber von der Sache zu
reden; so führen
die Moden insgemein die höhern
Personen ein. Denn
was dieselbigen
thun; ahmen die
geringern gleich nach. Einige aus einem Vorurtheil des menschlichen
Ansehens, daß
sie dencken:
vornehmere Leute sind
verständiger, denn andere. Manche bilden sich ein, sich hierdurch bey den Höhern
beliebt zu machen, wenn sie ihnen nachahmen. Andere haben wohl gar keine
Ursache, als diese, weil es zur Mode geworden, daß man dasjenige vor
anständig hält, was die Grossen davor halten. Bisweilen nehmen sich auch wohl
geringere Leute die
Freyheit nach
ihrem
Eigensinn in einem und
dem andern etwas zu verändern, und wenn es einigen gefällt, finden sich hernach bald
mehrere, die es nachthun. |
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Auf die Art entstehen bisweilen die Moden, und werden denn hernach die
vornehmsten Leute heimlich ausgelacht, daß sie dem Willen und der Einbildung einer
gemeinen Person gefolget haben. Wir
Deutschen
bekommen unsere Moden, und sonderlich in der Kleidung, gemeiniglich aus Franckreich,
weil bey denen meisten von uns das Vorurtheil ist, daß die Frantzoscn in Erfindung
solcher Dinge am geschicktesten sind. Wie ungegründet aber solches sey, ist von
andern schon zur Gnüge gezeiget worden. Unterdessen ist es so Mode. |
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Ist eine Ursache vorhanden, warum man sowohl in der Kleidung, als auch in andern
Stücken etwas verändern
soll; so ist es ja
billig, daß man
das
alte abschafft, und
etwas, welches den
Nutzen u. die
Bequemlichkeit des
menschlichen
Lebens besser
befördert, oder unterhält, aussinnet; es wird auch ein jedweder
vernünfftiger Mensch sich solcher neuen Mode gar willig unterwerffen,
und die alte fahren lassen. Denn da man die alten
Gesetze
abschaffet, und neuere vorschreibet, die sich auf den
gegenwärtigen
Zustand der
Republick besser anwenden
lassen; warum
wolte man nicht
auch, da die
Welt in
allen Stü- |
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{Sp. 702} |
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cken immer sinnreicher wird, und es heist; inventus addere licet, in dergleichen
Gewohnheiten
eine
Veränderung
vornehmen? |
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Wenn man aber neue Moden annimmt, die nicht so
bequem
sind, als die vorigen, und die alten nur aus der
Ursache abschafft, weil sie schon eine Zeitlang im Schwange gegangen,
und man wieder auf etwas neues
müsse bedacht seyn; so
ist es wohl eine erschreckliche Thorheit, und der Erfinder davon ein sehr
unvernünfftiger Mensch. Denn das
gute bleibt immer gut, wenn
es auch gleich lange
gedauert hat. |
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Also scheinet es bald, daß bey vielen thörichten Leuten heutiges
Tages die Christliche
Religion, und die Lehre von
GOtt, Himmel und
Hölle nicht mehr Mode seyn will, weil man sich nun schon einige tausend
Jahre damit herum getragen,
und man nun einmal etwas neues muß zum
Vorschein bringen.
Solche Moden, die wider GOtt, und sein Wort, und also unvernünfftig sind, must du
nimmermehr annehmen, wenn sie gleich allgemein wären, und du bey deren Verabsäumung
vor einen Thoren gehalten werden soltest. Denn was thöricht ist vor der Welt, hat
GOtt
erwehlet, daß er die
Weisen zu schanden mache. |
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Nachdem nun also die Mode eine höchst veränderliche Weise ist, die bey allerhand
Sachen, in so weit sie in die äusserlichen
Sinne fallen,
eingeführt, und auf eine gewisse Zeit, so lange es nemlich dem
Willen einiger
Leute gefällig ist, vor wohlanständig und
rühmlich geachtet wird, bis
sie wieder von einer andern Weise verdrungen wird; so ist dieselbe dennoch von der
sonst so genannten
Gewohnheit,
dem
Gebrauch und
Observantzien in manchen Stücken
unterschieden.
Diese sind viel dauerhaffter, als jene. Sollen diese abgeschafft werden, so gehört
grosse
Mühe und
Gewalt
darzu.
Hohe Landes-Obrigkeiten
und Privat Personen, Priester und
Richter
haben gnug zu
thun, bevor sie
mancherley
böse Gewohnheiten
und Gebräuche abschaffen können. |
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Hingegen die Moden vergehen wieder von sich selbst, ohne grosse Unruhe; die
Gewohnheiten und Gebräuche entstehen nach und nach, bis sie endlich allgemein werden,
und je langsamer es mit ihnen zugehet, jemehr befestigen sie sich nachgehends. Bey
den Moden aber heist es, quod cito fit, cito perit, was geschwinde wird, vergehet
auch wieder geschwinde. |
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Eine neue Mode überschwemmt in kurtzer Zeit, wie ein reißender Strohm, ein
gantz
Land, und inficirt, wie
eine ansteckende Seuche, die meisten Leute, bey denen sie eindringt. Die
Gewohnheiten, und Gebräuche sind nicht so allgemein und nach dem besondern
Unterscheid der
Örter und Landes-Arten, mehr von einander unterschieden. Die Moden sind viel
allgemeiner und nehmen die
Gemüther vieler
Menschen ein;
Fehlt es einigen an
Vermögen und
Gelegenheit sie
mitzumachen und auszuüben, so finden sie doch ihre Belustigung daran. |
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Zu der Einführung eines Gebrauchs und einer Observantz wird öffters die
Einwilligung der meisten aus einem
Collegio oder von
der
Gemeinde eines
Orts erfordert. Hingegen zu der Einführung einer Mode gehören weniger Leute, bis sie
sich nach und nach erweitert oder wieder verlöschet. Um die Gewohnheiten, Gebräuche
und Observantzen sind die Landes-Gesetze,
Obrigkeiten und
richterliche Per- |
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{Sp. 703|S. 373} |
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onen mehr besorget, sie haben auch in Ansehung der
bürgerlichen
Handlungen ihre
besondern
Würckungen.
Hingegen um die Moden lassen sie sich gemeiniglich unbekümmert, bis sie gewahr
werden, daß sie entweder den Landes-Mandaten zuwider werden, oder sonst dem
gemeinen Wesen
Nachtheil dadurch
zugezogen wird. |
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Die Moden kan man
eintheilen in
die allgemeinen und besondern. Die allgemeinen sind, die entweder aus der
Residentz des
Landes-Herrn
ihren
Ursprung
herleiten, oder sonst von dem Höchsten im Lande erfunden, oder doch angenommen und
beliebet, und von demselben auf die Geringen gebracht worden; die besondern hingegen,
die von denen, die sich an einem
Ort vor
die
Vornehmsten,
Klügsten und
Wohlhabensten düncken, herfliessen, und von ihren Anhängern nachgeahmt werden. Diese
letztern sind gar von schlechter
Dauer. Denn wenn die
Geringern sehen, daß sie bey denen, die noch höher sind, nicht Beyfall finden; so
werden sie ihrer Nachahmung auch bald überdrüßig, und erreichen also gar eine kurtze
Währung. |
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Die
Gräntzen einer
Mode reichen, sowol der
Zeit, als dem
Orte
nach, weiter, als die andern, nachdem sie entweder wegen ihres
Nutzens und
Beqvemlichkeit bey andern Beyfall findet, und also der
Eigenliebe der
Menschen schmeichelt, oder auf eine leichte Art nachgeahmt werden kan, oder sich mit
den Landes-Gesetzen, der Verfassung eines Landes und den Gebräuchen eines Orts,
vereinigen läst, oder dem
Willen der
Vornehmsten ansteht oder nicht. |
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Die Mode erstreckt sich auf mancherley Dinge, nicht allein auf die Kleidung,
sondern auch auf die
Gebäude, auf Meublen und
Haußgeräthe, auf Speisen und Geträncke und dessen Zurichtung und auf
verschiedene
andere
Handlungen, in so
weit ihr äusserliches
Wesen in die
Augen fällt. Die Thorheit der Menschen will auch so gar bey der äusserlichen
Gestalt Mode
einführen. Manche bilden sich ein, ein blasses Angesichte sey bey der jetzigen
Zeit unter dem
vornehmen
Frauenzimmer
Mode; da hingegen die rothe Farbe den gemeinen
Bürger-
Töchtern und
Bauer-
Mädgen
anständiger wäre. Daher
bemühen sich auch einige
durch mancherley Medicamenta, die rothe Farbe der Wangen bey ihnen zu mindern. |
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In den vorigen Zeiten sind die Gold-gelben Haare bey dem Frauenzimmer als eine
Schönheit angesehen, und von manchen verliebten Poeten mit den grösten Lob-Sprüchen
beehret worden; in den heutigen Zeiten aber werden sie vor einen Ubelstand geachtet,
und die
Weibes-Bilder,
die von der
Natur damit
begabet, bemühen sich, den strahlenden Glantz ihrer Haare, so viel als nur
möglich, zu
verbergen. |
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Es wäre zu wünschen, daß die Mode-Sucht nur allein bey diesen angeführten Stücken
geblieben wäre; allein so hat es leider! Satan so weit gebracht, daß sie gar bis auf
das Christenthum und die heiligsten Handlungen eingedrungen, und ein grosser
Theil, ja ich sorge, der
gröste unter heutigen sogenannten
Christen, will den
Glauben und die
Gottseeligkeit nicht nach den Regeln des Göttlichen Wortes, sondern nach der Mode
ausüben. |
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Der allgemeine
Brunnqvell
der Mo- |
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{Sp. 704} |
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den ist wohl die den meisten Menschen angebohrne
Liebe zur
Veränderung,
und die Neugierigkeit, da sie an demjenigen, was sie stets um sich haben, und ihnen
allzubekannt und alltäglich worden, keinen sonderlichen Geschmack mehr finden, den
wahren Preiß
davon nicht kennen und daher stets nach etwas andern und neuern trachten. |
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Diese unmäßige
Begierde zur
Abwechselung bringt öffters zu wege, daß die Menschen das
Unvollkommene dem
Vollkommenen, und das
Schlimmere dem Bessern vorziehen, wie unten weiter erhellen wird. Ob zwar wohl alle
Menschen in ihren
Neigungen
veränderlich und unbeständig sind, so ist doch
gewiß, daß eine
Nation die andere an
Leichtsinnigkeit in diesem Stück übertrifft, und ist eine längst bekannte Sache, daß
die Frantzösische vor allen übrigen
Europäischen am
veränderlichsten und in Aussinnung der neuen Moden am begierigsten. |
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Nachdem nun unsre
Deutschen
angefangen sie zu bewundern und nachzuahmen, und sie disfalls in ihrem
Lande zu besuchen; so ist
dieses veränderliche Wesen auch auf unsere Landes-Leute gekommen. Es hat auch die
häuffige Aufnahme der aus Franckreich vertriebenen
Reformirten
und ihr Etablissement in den Deutschen
Provintzen nicht
wenig beygetragen, daß unsere Deutschen halb Französisch werden, und sich nicht
allein in ihren Kleidungen, sondern auch in der Art zu speisen, in Meublen, in den
Equipagen, bey ihren Visiten, Assembleen, Parties de plaisir u. s. w. nach den
Franzosen richten. |
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Es hohlen zwar die Deutschen, als die überhaupt fremden
Völckern gern
nachahmen, eines und das andere von ihren Gebräuchen aus Italien, aus Engelland,
Holland, Pohlen,
Moscau u. s. f. Inzwischen sind die Französischen Gebräuche vor andern bey uns
allgemein worden. |
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Viel Moden leiten ihren
Ursprung aus dem
verderbten
Willen und den
bösen
Begierden der
Menschen. Also
treibet die
schändliche Gewinnsucht
die meisten Künstler,
Kauff- und
Handwercks-
Leute an, daß sie, um der eingerissenen Liebe zur Abwechselung zu schmeicheln, die
sonderlich unter den Wohlhabenden herrscht, den
Wercken der
Kunst, die sie zu
öffentlichem
Verkauf feil bieten
wollen, fast alle
Jahre eine neue
Veränderung
und
Gestalt geben. Sind
sie nun
glücklich, daß diese ihre
Versuche vielen Leuten anfangen zu gefallen; so haben sie ihren
Zweck erreicht, und
eine Mode erfunden; wo aber nicht, so lassen sie es bey dem bisherigen bewenden, oder
thun zu einer
andern
Zeit wieder einen
andern Versuch. |
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Die Unmäßigkeit in Essen, und Trincken, da man allzusinnreich ist, sich und
seinen Nächsten, bey den Speisen und Geträncke beschwerlich zu seyn, hat mancherley
neue Arten erfunden, der Kehle ein flüchtiges Vergnügen zu wege zubringen. Manchen
Lecker-Mäulern sind alle Geschöpffe des Erd-Kreysses nicht mehr zureichend ihre
Begierden zu stillen, sondern sie wünschen sich lieber aus dem Monden, oder aus einem
andern finstern und bewohnten
Cörper, neue
Arten der ihnen
unbekannten Speisen herzuhohlen. |
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Die
Geilheit hat mancherley
Moden ersonnen, auf was vor Art, theils durch die Kleidung, theils durch andere Wege,
die Fleischeslüste zu erwecken und zu stärcken. Der Hochmuth und
Ehrgeitz |
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{Sp. 705|S. 374} |
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hat bey dem
Titul-
und Rauchwesen bey dem Point d'honneur viel seltsame, theils auch wohl thörichte
Gebräuche ausstudiret. Der entflammten Rachbegierde hat man zugeschrieben, daß man
einander nach dem Ceremoniel die Glieder verletzen, und ermorden, und diese
Boßheit gar zu einer
Wissenschafft, die von den Italiänern la Scienze Cavalleresche
genannt wird, machen will u s. w. |
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So heßlich als nun der
Grund ist, auf dem
viele von unsern Moden beruhen; so ist es hingegen auch
gewiß, daß manche aus der
Vernunfft und
Tugend entspringen.
Und wie kan es auch anders seyn? Denn ein
Tag lehret ja den andern.
Die Wercke der Kunst und mancherley
Moralische
Handlungen der
Menschen erreichen so wenig, als die Wercke der
Natur, ihre
Vollkommenheit auf
einmahl, sondern nach und nach. Unsere Vorfahren haben nicht alles
gute und
nützliche auf einmahl
sehen und erfinden können, und unsern Zeiten daher noch manches überlassen
müssen. |
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Mit uns hat es eine gleiche Bewandniß, das
gegenwärtige
Jahrhundert sey so
scharffsinnig, als es wolle; so wird es doch nicht ein solch Ziel erreichen, das
unsere Nachkommen nicht in vielen Stücken überschreiten werden. Es ist demnach klar,
daß manche gute und vernünfftige Moden von uns erfunden worden, und auch von unsern
Nachkömmlingen noch weiter hin werden erfunden werden. Daß man statt des schweren,
unbequemem und unnützem etwas leichters, bequemers und nützlichers
erwehlt, ist
vernünfftig und
löblich; thöricht hingegen,
wenn man von dem vollkommenem auf das unvollkommene wieder zurücke fällt. Hat man in
einem und dem andern solange gekünstelt, bis man es auf einen gewissen Grad der
Vollkommenheit gebracht, warum bleibt man denn nicht dabey? Die
Wahrheit muß
ja ewig Wahrheit und das
Gute stets gut bleiben.
Doch das thörichte Vorurtheil der Moden hat viel Menschen so eingenommen, daß sie
auch das Gute, wenn sie es beständig geniessen. oder stets anschauen, vor etwas
schlimmes achten. |
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Die Mode-Brüder widersprechen sich bey ihren Moden selbst. In der gegenwärtigen
Zeit lieben sie und bewundern etwas, sie schreiben ihm viel Vollkommenheiten zu, sie
achten die Erfinder davon vor weise und kluge Leute, sie
meynen, daß nichts bessers
ausgedacht werden könnte. Nach dem Verlauff einiger Jahre aber verachten und
verlachen sie eben die Weise, die ihnen doch ehedem so gefällig gewesen, sie spotten
derer, die sie vor gut halten, und verwundern sich über sich selbst, daß sie einem so
wunderseltsamen Gebrauch haben können Beyfall geben. Alles bleibet hier überein, und
man findet in nichts einen
Unterscheid als nur
in der
Zeit. |
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Bey Einführung einer thörichten Mode kan man wohl sagen, daß ein Thore viel
Thoren zu machen pflege Öffters sind privat Personen, auch wohl gar schlechte und
geringe Leute, die ersten Erfinder einer Mode, die nachgehends allgemein wird, nicht
allein aus Gewinnsucht, sondern auch aus einer
Begierde denen
Höhern zu gefallen, und sich bey ihnen einzuschmeicheln, indem sie die Hohen der
Welt mehr
fürchten und lieben, als
den grossen GOtt im Himmel, und sich in allen Stücken nach ihren Paßionen richten. So
geben ihrer viele grossen Herrn |
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{Sp. 706} |
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neue
Methoden an, wie
sie auf eine neue und veränderliche Weise ihre
Lüste ausüben, und in der
Kleidung, in der Equipage, bey ihrer Taffel, bey den Ergetzlichkeiten u. s. w. andere
ihres gleichen, oder geringere, übertreffen können. Grosse
Herrn
lassen sich denn dergleichen Vorschläge nicht selten gefallen, und nehmen zu ihrem
Schaden von denjenigen
Gesetze an,
denen sie Gesetze vorschreiben
sollen. Mancher
Kauffmann,
Künstler, Schneider und andere dergleichen Leute, bilden sich bisweilen nicht wenig
darauf ein, daß sie hierinne
vermögend sind den
Willen eines
grossen Herrn nach ihrem Gefallen zu lencken. |
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Bisweilen geschicht es auch, daß hohe
Standes-
Personen auch selbst von beyderley
Geschlecht ohne
fremdes Anrathen und aus ihrem eigenen Gehirne eine Mode erfinden, die denn auch
nachgehends mit dem
Namen ihres
Durchlauchtigsten Erfinders zu prangen pflegt. Also ist bekannt, daß viel Moden
sonderlich in Ansehung mancherley
Arten der
Kleidung in den ältern und neuern Zeiten in Franckreich von den Personen
Königl. und
Fürstlicher Häuser angegeben und ausgedacht worden. |
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Es mag nun eine Mode von hohen Standes-Personen oder Privat-Leuten ihren Ursprung
herschreiben, so kan sie in einem
Lande doch nicht eher
allgemein werden, als bis sie von den Höchsten desselben Landes angenommen worden.
Denn diese sind es, die eine Mode einführen müssen, und auf welche die Geringen ihr
Augenmerck gerichtet. So lange als einige von den Höhern sich einer gewissen Weise
vor sich bedienen, kan man es nicht sowol eine Mode als vielmehr eine bey ihnen
angenommene Ceremonie
nennen. So bald aber
viele von den Geringern anfangen, den Höhern hierinnen nachzuahmen, sobald entsteht
eine Mode. |
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Und dieses gilt in Ansehung der meisten allgemeinen Moden. Denn einige besondere
Moden und Gebräuche pflegen bisweilen zu entstehen und zu vergehen, ohne daß sich
grosse Herrn darum zu bekümmern pflegen. Es ist mehr als zu bekannt, daß die
Geringern sowol in Moden, als auch sonst den Höhern gerne nachzuahmen pflegen. Regis
ad exemplum totus componitur orbis: wie der
Herr, so
der
Knecht. |
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Zu dieser Nachahmung werden sie durch
unterschiedene
Bewegungs-
Gründe angetrieben, die doch aber auch nach dem
Unterscheid der
Leute
unterschieden
seyn. |
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Einige
thun es aus einer
unmäßigen
Liebe den Höhern zu
gefallen, sie
wollen durch
diese Nachahmung ihre Hochachtung, ihre Verwunderung und ihren
Gehorsam gegen die Höhern an
Tag legen. |
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Andere lencket der Hochmuth,
meynen hierdurch einen
Theil der Glückseligkeit,
den die Höhern besitzen, zu erlangen, wenn sie es ihnen in einem und dem andern
gleich thun, sie wollen sich von den Geringern absondern und sich bey ihnen in
besonder
Ansehen
setzen. |
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Noch andere stehen in denen, obgleich
irrigen
Gedancken, daß
diejenigen, die andere an
Reichthum und
Macht
übertreffen, auch
nothwendig an
Weisheit und
Klugheit
übertreffen müsten, und daß also alle ihre Handlungen lauter Meister-Stücke der
Weisheit wären, die von andern Leuten als Richtschnuren müsten angesehen werden. |
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{Sp. 707|S. 375} |
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Bey vielen vereinigen sich alle diese Bewegungs-Gründe zusammen. |
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Es ist eine grosse Thorheit, daß der gröste
Theil der Geringern eine so
unmäßige
Begierde hat, den
Höhern bey ihren Moden nachzuahmen. Sie wollen sich hierdurch
Zufriedenheit
zu wege bringen, vermehren aber meistentheils ihre Unruhe, indem sie den
Endzweck, den sie
sich hierbey vorgesetzt, gar selten erreichen. Sobald die Höhern gewahr werden, daß
eine Mode allgemein worden, das ist, unter den Pöbel, und unter die gantz Geringen
gekommen, sobald werden sie der Mode, die ihnen erstlich so gefällig gewesen,
überdrüßig, und sind auf eine Änderung bedacht; und also bleiben die Geringen
allezeit in einer unruhigen Begierde, den Höhern nachzuahmen, können es aber doch bey
aller dieser Bemühung nicht weiter bringen, als daß sie anfangen, dasjenige zu
belieben, was denen Höhern vor einiger Zeit gefallen, nunmehro aber ihnen nicht mehr
anständig ist. |
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Uber dieses machen sie sich bey Hohen und Niedrigen recht lächerlich, und ihre
schlechten
Einkünffte und geringer
Stand fällt
bey einer so
unvernünfftigen
Nachahmung andern Leuten, zu ihrer Beschimpffung, desto mehr in die Augen. Bey einem
vernünfftigen Lebens-Wandel muß alles zusammen stimmen; hingegen hier
ist unter den Moden, die sie zum
Theil mitmachen, und unter
ihrer übrigen
Lebens-Art
nicht die geringste Übereinstimmung. Läst es nicht wunder-seltsam, wenn einiges
Frauenzimmer
bey ihrer Kleidung, und bey ihren Caffe-Meublen, denen vornehmsten Damen es gleich
thun will, und hingegen sich in Ansehung ihrer Kost oder ihrer
Wohnung, wie die
armseligsten
Handwercks-
Leute aufführet, und auch
Armuths und
geringen Standes wegen sich so aufführen muß. |
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Ist es nicht eine grosse Thorheit, wenn mancher öffters ohne Ursache solche
Gastereyen anstellt, die über seinen Stand und Einkünffte sind, und nachgehends
wieder einige
Wochen nach einander trocken
Brod oder schlechte Zugemüsen speiset. Die noch geringern beneiden ihn, theils, daß
er es in manchen Stücken den Höhern gleich thun will, theils spotten sie seiner, wenn
sie gewahr werden, daß die übrigen Stücke seiner Lebens-Art der Aufführung der Höhern
gar unähnlich sind; Bey den Höhern, die vor den andem immer gerne etwas voraus haben
wollen, sehen sie sich gewißlich auch in schlechten Credit, daß sie sich bemühen, es
ihnen in manchen Stücken gleich zu thun. |
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Wie nun eine unmäßige Nachahmung der Höhern mit mancher Thorheit
vergesellschafftet, also sind auch gar öffters die Klagen derer, die sich über die
Nachahmung beschweren, und darüber unwillig sind, ungegründet, zum Theil
unvernünfftig
und lächerlich Vielmals entspringen sie aus einem abscheulichen Hochmuth, Neid, und
Mißgunst gegen die Geringern, manche Höhere wollen sich in allen Stücken von den
andern, die ihnen an Einkünfften oder
Range nicht gleich
kommen, absondern, und gönnen ihnen nicht den allergeringsten Theil, ja auch nicht
einmal den Schein der Glückseligkeit, die der ihrigen ähnlich ist. |
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Manchmal sind einige aus einer unmäßigen |
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{Sp. 708} |
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Selbst-Liebe so verblendet, daß sie sich, und ihren Stand selbst nicht kennen;
weil sie einige andere entweder an Einkünfften, oder an einer thörichten Einbildung
übertreffen, so glauben sie, sie seyn mehr, denn andere berechtiget, diese oder jene
Mode von den Höhern anzunehmen, und sich solcher mit gutem Fug anzumassen; andere
hingegen dürffen sich dergleichen nicht unterstehen, ob sie schon selbst von so
geringem Stande sind, daß sie sich dergleichen solten vergehen lassen. |
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Doch man
möchte sie wohl
fragen, wer ihnen denn das
Privilegium
ertheilt, denen von höherm Standes-Character nachzuahmen, und diese
Freyheit bey
dem andern als etwas strafbares anzusehen. Sie möchten doch bey Betrachtung fremder
Thorheiten ihre
eigene
erkennen
lernen. Der
falsche
Grund, daß sich
manche einbilden, als ob sie diesem oder jenem ziemlich gleich und ähnlich waren,
verführet auch andere. |
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Die Höhern haben auch bey dieser Nachahmung um des willen einen vergeblichen
Kummer, weil sie dennoch vor den Geringern den
Vorzug behalten,
und sie in der äusserlichen
Ehre übertreffen.
Sie solten bedencken, daß die Moden-Sucht den Geringern öffters zu ihrer
Schande und zu ihrem
Schaden, und hingegen
den Höhern zu Vermehrung ihres
Ansehens
gereicht; sie möchten bisweilen die Geringern, die ihnen an
Einkünfften nicht gleich
kommen, eher mit mitleidigen und erbarmenden, als mit neidischen und
zornigen Augen ansehen,
weil sie sich vielmals durch ihre Torheiten an den Bettelstab bringen. |
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Und obschon andere ein mehrers im
Vermögen haben, und es dem Höhern in einigen Stücken gleich thun,
auch beständig aushalten können, so dürffen sie ihnen doch nicht in den andern
Stücken, die zum
Staat gehören,
nachahmen, und diese Uneinigkeit gereichet ihnen in den Augen der Verständigen zu
schlechter Ehre. Es siehet also gar armselig, wenn manche
Frau von geringem
Stande in der Kleidung der grösten
Minister-Frau nichts
nachgiebt, zu ihrer
Bedienung aber
eine
Magd hinter sich
her treten hat. |
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Es ist auch nichts seltsames, daß die von niederm
Stande
einigen Höhern an Einkünfften
völlig gleich, und sie
auch wohl gar übertreffen; inzwischen können sie dennoch mit aller ihrer Pracht,
darinnen sie den Höhern nachahmen, diejenigen Vorzüge nicht erlangen, die einem
höhern Stande oder Character
eigenthümlich
sind. Es
dienet ihnen mehr zu
ihrer Bekränckung und Gram, wenn sie bey ihrem äusserlichen
Wesen dem Höhern
ähnlich sind, zugleich die
Begierde besitzen,
dasjenige zu seyn und zu
bedeuten, was sie
scheinen, und dennoch weder von den Geringern, noch weniger von ihres gleichen und
den Höhern den Rang, die
Titel
und andere Ehren-Bezeugungen überkommen, die sie sich wohl wünschen. |
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Die Moden-Sucht richtet viel und mancherley Unheil an. Ein grosser
Theil der
Menschen wird
durch dieses
Laster in die äusserste
Armuth gestürtzet.
Sobald manch eiteles und Moden-süchtiges
Frauenzimmer
hört, daß eine
gewisse Farbe nicht mehr
nach der Mode seyn
soll, so kan sie das
Kleid nicht mehr vor Augen sehen, |
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{Sp. 709|S. 376} |
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sie schickt es auf den Trödel,
verkaufft es um ein
Spott-Geld, und schafft sich wieder ein anders, bis endlich der
Mangel des
Geldes ihre
Moden-Sucht einschräncket; wenn diese lasterhafften vernehmen, daß das Silber-Werck,
Zinn, u.s.w. aus der Façon gekommen, so lassen sie es sogleich umschmeltzen, und
büssen vieles an Macher-Lohn ein. |
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Man könte hier weitläufftiger anführen, was vor besondere
Laster aus ihr zu
entspringen pflegen, nachdem es aber theils gar bekannte
Wahrheiten,
theils auch eines und das andere davon in dem vorhergehenden allbereits erwehnet
worden, so soll hiervon nichts weiter erwehnet, sondern nur
erinnert werden, daß
die Moden-Sucht vor eine allgemeine
Qvelle anzusehen, aus der
unsere mannigfaltigen
sündlichen, lasterhafften
und
schändlichen
Gewohnheiten
herfliessen. |
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Der Ausspruch: es ist nun einmal so die Mode, schmeist fast alle
Regeln der
Christlichen und
vernünfftigen
Tugend-Lehre über
den Hauffen. Wenn die weisesten Sitten-Lehrer die Menschen durch die stärcksten
Beweis-Gründe und bündigsten
Schlüsse
von denen Lastern abrathen wollen, so setzen sie ihnen alsobald folgende
Sätze dagegen: Es ist
heutiges
Tages
gantz eine andere
Welt als
vor diesem, wer nicht mit macht, wird ausgelacht, wer unter den Wölffen ist,
muß mit heulen, wir
können die Welt nicht anders machen. Dieser falschen Lehr-Sätze bedienen sie sich als
einer Schutz-Wehre, und als eines Privilegii, dadurch sie sich aller
Pflichten der
vernünfftigen und Christlichen Sitten-Lehre widersetzen wollen. |
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Wie nun die Moden-Sucht, da man allzubegierig ist, ohne
Grund neue Moden zu
erdencken, und stets damit abzuwechseln, oder dieselben nachzuahmen, vor etwas
thörichtes und lasterhafftes anzusehen, also muß man auch bekennen, daß einige Leute
wieder auf einen andern Abweg gerathen, wiewol deren Anzahl, in Ansehung der Moden-
süchtigen, so gar groß nicht ist. Sie haben eine so unmäßige
Liebe vor das
Alterthum, daß sie in
keinem Stück bey ihrem äusserlichen Wesen einige
Veränderung
belieben, ob sie ihnen schon zuträglicher, leichter,
beqvemer,
wohlanständiger und überhaupt besser wäre. |
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Es zeiget sich dieser
Irrthum sowol bey
Gelehrten, als
Ungelehrten,
bey mancherley
Wissenschafften und
Künsten und bey
verschiedenen
Handlungen des
menschlichen
Lebens. Also
zweiffeln einige,
daß etwas neues und besseres könte erdacht und vorgebracht werden, als unsern
Vorfahren bekannt gewesen, und besitzen eine ungemeine Hurtigkeit des Hertzens,
diesen Irrthum zu vertheidigen. Sie bleiben dabey, ihre Vorfahren wären auch keine
Narren gewest, und machen diesen
falschen
Schluß,
wenn dieses oder jenes
möglich oder
gut wäre, so würden es ihre
Vorfahren auch
erfunden oder
gethan
haben. |
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In ihrer Kleidung ziehen sie so altväterisch einher, daß sie fast darüber zum
Kinder-Spott werden, man kan sie durchaus nicht dazu bringen, daß sie eine neue Mode
sollten mitmachen. Bey ihren Wohn-Häusern und
Schlössern, ob sie
gleich in dem höchsten Grad baufällig, wollen sie keine Veränderung vor- |
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{Sp. 710} |
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nehmen, bloß deswegen, daß es ihnen dauret, daß sie dem Gemach, darinnen ihr
lieber Herr Großälter-Vater und Großälter-Mutter
gewohnt, eine andere
Gestalt geben sollen,
als es ehedem gehabt. Bey ihren Meublen und Hausgeräthe schaffen sie sehr ungerne
etwas neues an, sondern behelffen sich mit dem, was sie von ihren
Eltern und Groß-
Eltern bekommen, so gut, als sie können, und wenn ja etwas davon abgehen solte, muß
es nicht nach der neuen Mode, ob sie schon in vielen Stücken besser wäre, sondern
nach der
alten eingerichtet
seyn. |
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Ein vernünfftiger Mensch muß sich
bemühen, hiebey sowohl als
in andern Stücken die Mittel-Strasse treffen zu lernen. Er ist zwar alle Tage bemüht,
zu seiner eigenen, und seines Nächsten
wahrer
Glückseeligkert, etwas neuers und bessers auszusinnen, oder zu
erfahren, im
geringsten aber nicht
begierig, solche
Moden zu erfinden, oder zu erlernen, dadurch bloß die Eitelkeit der menschlichen
Gemüther
gestärcket wird. Er achtet dieses vor eine Leichtsinnigkeit, und die
Zeit ist ihm viel
zu kostbar, als daß er sie mit dergleichen verderben solte. Er
weiß wohl, daß die
Welt an
Boßheit mehr zu- als
abnimmt, und daher die Anzahl der
lasterhafften Moden von
Tage zu Tage grösser wird. |
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Bey Nachahmung der Moden
beurtheilet er erstlich
die Mode selbsten, nachgehends seine eigenen
Umstände, darinnen er
sich befindet, und den besondern
Zweck, den er sich
in seinem Leben vorgesetzt, und durch seine Handlungen, soviel als möglich, zu
erreichen gedencket. |
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Bey der Mode
erweget er, ob sie
löblich und vernünftig und
daher in den göttlichen geoffenbahrten, oder natürlichen Gesetzen gegründet, ob sie
den göttlichen und weltlichen Gesetzen zuwider oder in Ansehung ihrer als zulässig
und
unschuldig könne
erklärt werden. |
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Er betrachtet ferner, ob die Mode allgemein worden, das ist bey sehr vielen, die
mit ihm von gleichen Umständen, angenommen, oder nur von etlichen Leuten beliebet.
Bey seinen Umständen erforschet er die Beschaffenheit seines
Alters, seiner
Leibes-
Constitution
und seine äusserliche Gestalt; er examinirt sein
Amt, seinen
Beruff, und
diejenigen, bey denen und unter denen er sich aufhält; insonderheit ziehet er dabey
seinen Beutel zu rathe, und macht sich also gewisse
Regeln, in wie weit
er dieser oder jener Mode zu folgen habe oder nicht. |
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Erlangt er Nachricht von einer
vernünfftigen und in göttlichen Gesetzen wohlgegründeten Mode so ist
er der erste mit, der sich
bemühet diese Mode, so viel
als
möglich nachzuahmen und
sie so allenthalben auszubreiten und bekannt zu machen, siehet er aber, daß eine Mode
den
Verordnungen
Gottes zuwieder
lauffe, so ahmet er sie im geringsten nicht nach, sondern schlüsst sich davon aus, ob
sie schon von den Höchsten oder von den meisten gebilliget wird, und er von aller
Welt darüber verspottet und verlachet würde. |
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Denn er weiß wohl, daß sich ein
Christ bey denjenigen
Stücken, die von GOtt verbothen, der
Welt nicht
gleich stellen
soll, er
muß sich um Christi
willen, wenn es die
Nothwendigkeit mit sich bringt, vor einen Narren achten lassen, und
ziehet die
Ehre und die
Freundschafft bey Gott seiner
eigenen Ehre und der
Freundschafft der Welt vor. Bey den unschul- |
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{Sp. 711|S. 377} |
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digen und zuläßigen Moden, das ist, durch welche, wenn man sie überhaupt ansieht,
der
Zustand eines
Menschen weder
vollkommener noch
unvollkommener
wird, erweget er, ob er in Ansehung seiner Umstände, darinnen er sich befindet, ein
Stück seiner zeitlichen Glückseligkeit befördern kan, wenn er die Mode nachahmet oder
nicht. Bey jenen Fall macht er die Mode mit, denn er wird durch einen tüchtigen
Bewegungs
Grund hiezu veranlasset, bey diesem aber wartet er, bis sie allgemeiner wird.
Also ist ein Hoffmann, der sich an einem
galanten
Hoffe aufhält, viel
eher
verbunden
eine neu aufgekommene Mode in der Kleidung nachzuahmen, weil er sich hierdurch bey
seiner
Herrschafft in bessern Credit setzen kan, als ein Cavalier auf dem
Lande, der sein eigener
Herr
ist. |
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Ist eine
unschuldige und
zuläßige Mode allgemein worden, das ist, von sehr vielen, die sich mit ihm in
einerley oder doch ähnlichen
Umständen befinden,
angenommen, so
weiß er, daß er
nicht allein nach den Regeln der gesunden Vernunfft, sondern auch nach den
Regeln der
Offenbahrung verbunden sey, dieselbe Mode nachzuahmen. Als ein vernünfftiger Mensch
muß er sich bemühen, so viel Ehre und Hochachtung bey den Menschen zu erlangen, als
möglich; dieses aber wird geschehen, wenn er sich angelegen seyn läst bey seinen
äusserlichen Handlungen auch so aufzuführen, wie andere vernünfftige Leute |
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Als ein
Christ
muß er sich bemühen,
seinem Nächsten zu gefallen im
Guten und zur Besserung. Er
muß sich mit Paulus üben, ein gutes
Gewissen zu haben,
beydes gegen
Gott und gegen
die
Menschen, er muß
seinem Nächsten keinen Anstoß setzen zum Ärgerniß, u. alle Gelegenh. vermeiden, daß
der Nächste nicht in sündl. Beurtheilung seiner Handlungen falle, als welches
unfehlbar geschehen würde, wenn er sich bey einer und andern indifferenten
äusserlichen Handlung von andern Leuten gantz und gar absondern wolle. |
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Joseph und Daniel waren ihrem GOtt getreue Knechte, und dabey manierliche und bey
ihren Herrschafften beliebte Hoffleute. Unser Heyland Christus JEsus selbst, der uns,
in Ansehung unserer Lebens-Pflichten, zu einem Fürbild vorgestellt, daß wir sollen
nachfolgen seinen Fußtapffen, nahm zu an
Gnade bey GOtt und auch bey
den Menschen. |
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Ein vernünfftiger Mensch giebt der allgemeinen
Meynung auch so
viel nach, daß er bisweilen bey dem Mode-Wesen, wenn ihn ein tüchtiger
Bewegungs-
Grund dazu
verbindet, einen
kleinen
Irrthum der
Wahrheit, und
etwas
unvollkommenes den
vollkommenern
vorziehet. Er läst, wiewohl ungerne, manche gute und
nützliche Mode fahren,
und beliebet davor eine andere, die nicht so nützlich, nicht so leicht, nicht so
bequem,
nicht so wohlfeil und nicht so wohl anständig, bloß darum, weil er denjenigen folgen
muß, an deren
Gnade, Freundschafft und
Hochachtung ihm gar viel gelegen, oder in deren Händen ein guter
Theil seiner äusserlichen
Glückseligkeit beruhet. |
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Er
erkennet
wohl, daß vor ihm kein so grosses Unheil erwachse, wenn er bey einem und dem andern
seinem
Vermögen, seiner
Bequemlichkeit und
Zufriedenheit
etwas abbricht, als wenn er sich eine fast allgemeine Verachtung und Verspottung über
den Halß ziehen solte, und sich vor einen unsinni- |
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{Sp. 712} |
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gen Menschen und Sonderling müste schelten lassen. |
Besiehe Julius Bernhards von Rohr Klugheit zu leben p. 589 u. ff.
und dessen Ceremoniel-Wissenschafft der Privat-Personen I Th. II Cap. p. 33. u.
ff. |