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Quellenangaben |
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Natur des Menschen (moralische) Natura
hominis moralis, enthält in sich alle
wesentliche
Eigenschafften,
Kräffte und
Würckungen der
Seele,
benebst deren natürlichen Verbindung mit dem
Leibe, mit andern
Menschen und mit
GOtt in Absicht
auf die Seligkeit. |
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Oder es ist die moralische Natur des
Menschen, nichts anders, als die
Natur des
Menschen, so weit sie seinem willkührlichen
Gebrauche nach seiner
vernünfftigen
Erkänntniß
und Gutbefinden anheim gegeben ist, damit er frey
nach
Zwecken
würcken
möge, und zwar, in einer
vernünfftig abzufassenden Subordination derselben,
bis auf einen letzten, als ein ihm
eigenes, und ihm
um sein selbst willen vorgesetztes höchstes
Gut,
auf dessen Genuß er mit genugsamer
Zufriedenheit
möge acquiesciren können. |
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Zuförderst muß also der Mensch vermöge
seiner moralischen Natur mit
Sinnen begabet seyn;
und zwar in zweyerley Absicht: erstlich der
Erkänntniß des
Verstandes wegen, um nemlich sich
selbst sowol, als andere
Dinge, durch die
Empfindung der Sinnen kennen zu lernen; in
welcher Absicht die Sinne der erste
Grund aller
menschlichen Erkänntniß im Verstande sind, und in
die äusserlichen und innerlichen Sinne
eingetheilet
werden, durch deren erstere, (die der Mensch mit
dem Viehe gemein hat,) die Seele die Dinge, die
ausser ihr sind, insonderheit die
Cörper, durch die
andern aber, (die dem Menschen allein eigen sind,)
sich selbst, und ihre eigene in ihr selbst geschehene
Würckungen empfindet, und hierdurch
erkennet. |
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Zum andern muß der Mensch mit Sinnen
begabet seyn, auch des zu empfindenden
Annehmlichen und Unannehmlichen wegen, in
Absicht nemlich auf das
Gute und
Böse, als den
Gegenstand des menschlichen
Willens; welches
(annehmliche und und unannehmliche) ebenfalls
entweder durch die äusserlichen Sinne empfunden
wird, und also in so weit dem Menschen und Viehe
gemein ist; oder durch die innerlichen Sinne,
welches dem Menschen alleine eigen ist. |
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Jenes ist ein blosser physicalischer Kützel oder
Schmertz, und kan auch einem
Wesen, das nicht
von moralischer, sondern von bloß physicalischer
Natur ist, zukommen; dieses aber ist ein innerliches
Vergnügen oder Unvergnügen einer vernünfftigen
Seele, das sie, indem sie auf ihre innerliche
Würckungen reflectiret, und hierdurch ihrer selbst
sich bewust ist, über sich und ihren
Zustand
empfindet. |
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Dergleichen innerliches Seelen-Vergnügen ist
seiner Natur nach
moralisch, und dem Menschen
eigen; doch kan es auch bey jenem physicalischen
Kützel der äusserlichen Sinne in dem Menschen zu
finden seyn, und besagten Kützel also zu einem
Object einer menschlichen |
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{Sp. 1170} |
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moralischen Belustigung machen, in
Betrachtung der natürlichen Verbindung der Seele
mit dem Leibe, Krafft deren die Seele auch über die
durch die äusserlichen oder bloß leiblichen Sinne
empfundene Annehmlichkeit, indem sie darüber in
sich selbst reflectiret, sich ein innerliches
moralisches Vergnügen machen kan, dessen
hingegen ein Vieh bey dem physicalischen Kützel
seiner Sinne nicht fähig ist. Dahero der
Unterscheid
unter der Leibes- und Seelen-Lust der Menschen,
und wie jene von dem bloß physicalischen Kützel
des Viehes
unterschieden sey, erhellet. |
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Es ist natürlicher Weise nicht
möglich, daß ein
Mensch, der vermöge seiner moralischen Natur mit
Sinnen, mit einer Fähigkeit das Annehmliche und
Unannehmliche zu empfinden, begabet ist, die
Annehmlichkeit, so weit sie Annehmlichkeit ist, nicht
begehren, die Unannehmlichkeit aber oder den
Schmertz, soweit er ein Schmertz ist, nicht
verabscheuen
solte. Und also, wo eine Empfindung
des Annehmlichen und Unannehmlichen ist, und
insonderheit, wenn das empfindende Wesen sich
solcher Empfindung auch in sich selbst bewust ist,
da muß natürlicher Weise auch ein Wille seyn, d.i.
eine Fähigkeit, ja ein natürlicher Trieb, das
Angenehme zu begehren, das Unangenehme aber
oder den Schmertz zu verabscheuen. |
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Es ist auch nicht zu begreiffen, wenn die
Empfindung des Annehmlichen nicht wäre, wie, und
wodurch eine
Begierde, und wenn die Empfindung
des Unannehmlichen nicht wäre, wie und wodurch
eine Abscheu entstehen oder erwecket werden
könte: denn ohne Empfindung des Annehmlichen
und Unannehmlichen kan natürlicher Weise nicht
einmahl ein Gegenstand eines Willens, nemlich ein
Gut oder Ubel, welches sich solte begehren oder
verabscheuen lassen können, möglich seyn: und
wie solte eine Begierde oder Abscheu möglich seyn,
wenn nichts vorhanden wäre, daß sie erwecken
könte? |
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Alles Gute
muß, so weit es ein Gut ist,
angenehm, und ein Ubel, soweit es ein Ubel ist,
unangenehm seyn. Ja, ein Gut, das als ein Gut
nicht angenehm, und ein Ubel, das als ein Ubel
nicht unangenehm ist, ist ein Begriff, der sich selbst
widerspricht. Derowegen da alle
Güter des
Menschen in das höchste Gut, und in die mittlern
Güter eingetheilet werden; und das höchste Gut um
sein selbst willen, und nicht wegen eines fernern
Gutes, dessen Mittel es sey, begehret wird, so muß
das höchste Gut vor allen andern am meisten, an
sich selbst, und seiner Natur nach angenehm, und
also entweder die Annehmlichkeit selber, und zwar
die allerhöchste und beständigste, deren der
Mensch in seinem
Leben fähig ist, seyn, oder doch
dasjenige, das solche letzte, höchste und
beständigste Annehmlichkeit
unmittelbar
erwecket. |
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Nicht allein das höchste Gut ist durch sich
selbst und seiner Natur nach angenehm, sondern
auch unter den mittlern Gütern, die nur als Mittel zur
Erlangung des höchsten Gutes dienen, hat GOtt
nach seiner Güte diejenigen, die vor andern
nöthig
sind, mit einer ihnen eigenen Annehmlichkeit
versehen, damit nicht allein der Genuß des
höchsten Gutes selbst, sondern auch so gar die
Bestrebung nach demselben, die durch Ergreifung
besagter Mittel geschiehet, desto angenehmer seyn
möge. |
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Solche Annehmlichkeit der Mittel ist zweyerley.
Denn sie bestehet entweder in einer
würcklichen |
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{Sp. 1171|S. 603} |
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Belustigung, die mit dem
Gebrauche der Mittel
verbunden ist,
z.E. die Annehmlichkeit einer
wohlschmeckenden Speise; oder, wenn auch die
Mittel ihrer Natur nach beschwerlich sind, in der
sehr angenehmen Empfindung der Aufhörung oder
Nachlassung solcher Beschwerlichkeit, z.E. in der
Ruhe nach vollbrachter saurer
Arbeit; welcher gar
besondern Annehmlichkeit des Lebens diejenigen,
die ein faules Leben führen, sich leichtsinnig
berauben. Dannenhero ist alle Annehmlichkeit des
Lebens zweyerley, nemlich theils eine letzte und
höchste, die mit dem Genusse des höchsten Gutes
verbunden ist, auf welcher allererst man mit
Zufriedenheit zu acquiesciren
Ursache hat; theils
blosse Zwischen-Annehmlichkeit, die in den mittlern
Gütern ist, auf welcher man also mit Vernunfft nicht
acquiesciren kan, sondern sie nur beyläuffig zur
Erleichterung der Bestrebung nach dem
wahren
höchsten Gute mitnehmen mag. |
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Da alle Empfindung des Annehmlichen von
Natur den Appetit, oder ein Verlangen erwecket, so
kan es von Natur nicht anders seyn, als daß sowol
die Haupt-Annehmlichkeit des höchsten Gutes, als
die besagten gar vielerley Zwischen-
Annehmlichkeiten, die mit dem Gebrauch der
mittlern Güter verbunden sind, der Grund eben so
vieler natürlicher Appetite, Triebe, oder Verlangen
seyn müssen. Diese Triebe sind also dem
Menschen so natürlich, als die Sinne, deren
Ergötzung sie zum Zwecke haben; sie sind also an
sich selbst nicht böse, sondern sollen den
Menschen zu Ergreiffung der Mittel des höchsten
Gutes annehmlich locken und die Bestrebung nach
demselben ihm erleichtern. |
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Die
Alten, insonderheit die Stoici, haben die
natürlichen Triebe oder Appetite, wie Cicero de
finib. bezeuget, prima naturalia
genennet: Deren
Stillung aber, wenn wir den obersten Haupt-Trieb,
der nach dem höchsten Gute ringet, ausnehmen,
der Menschen nicht allein nicht zu seinem letzten
Zwecke oder höchsten Gute machen, sondern sie
wohl gar mit Willen und gern unterlassen, und die
daher zu gewartende Annehmlichkeit entbehren
soll, wenn und in sofern sie der Erlangung des
wahren höchsten Gutes entgegen seyn solte;
immassen die blosse Zwischen-Annehmlichkeit der
Mittel eben so wenig die letzte Haupt-Annehmlichkeit seyn kan, als ein blosses Mittel der
Zweck selbst seyn kan; und die Zwischen-
Annehmlichkeiten also nicht wegen ihrer selbst zu
suchen sind, gleich als ob man nemlich in ihnen mit
einer letzten
Zufriedenheit acquiesciren könte,
sondern als blosse Neben-Annehmlichkeiten des
Lebens, die man, nur soweit die Subordination der
mittlern Zwecke bis auf den letzten oder das
höchste Guth, als die eintzige beständige Haupt-
Annehmlichkeit des Lebens, es zulässet,
mitnehmen könne. |
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Ob dahero gleich alles Gute seiner Natur nach
angenehm ist, so ist doch deswegen nicht auch
alles, was angenehm ist, oder Annehmlichkeit an
sich hat, ein wahres Gut, obwol die Annehmlichkeit
an sich selbst nichts Böses ist. Das höchste Gut
zwar muß an sich selbst angenehm, und dieses
Angenehme schlechterdings und um seiner selbst
willen zu suchen seyn, weil es als der höchste und
letzte Zweck, unstreitig das höchste und
vollkommenste Annehmliche seyn muß, welches,
gleichwie das höchste Gut den mittlern Gütern ihre
gantze wahrhaffte Güte, also auch eben denselben
die zu |
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{Sp. 1172} |
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einem ieden Gute von Natur erforderte
Annehmlichkeit mittheilet, wenn solche mittlere
Güter auch vor sich selbst mit keiner
Annehmlichkeit begabet, ja wohl gar unannehmlich
und beschwerlich sind. Allein die mittlern Güter,
obgleich einige derselben ebenfalls an sich selbst
angenehm sind, sind doch deswegen nicht auch
wegen ihrer selbst angenehm; dieweil sie, als
mittlere Güter, nicht um ihrer selbst willen sind:
sondern GOtt und die Natur hat sie auch an sich
selbst dem Menschen angenehm machen
wollen,
um des höchsten Gutes willen; dahero, in sofern sie
zu Erlangung desselben angewendet und
gebrauchet werden, dergestalt, daß ihre an sich
selbst bloß natürliche Annehmlichkeit durch die
letzte Haupt-Annehmlichkeit des höchsten Gutes
das rechte Leben einer vernünfftigen oder
moralischen Annehmlichkeit bekommt, solche ihre
Annehmlichkeit eine wahrhaffte menschliche,
widrigenfalls aber eine bloß animalische oder
thierische, und eine höchst gefährliche Abführerin
von dem höchsten Gute, und Verführerin zu einem
unglückseligen Leben ist. |
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Also müssen nicht allein diejenigen mittlern
Güter, die an sich selbst ohne Annehmlichkeit, ja
unangenehm und beschwerlich sind, sondern auch
selbst diejenigen, die an sich selbst annehmlich
sind, ihre wahre moralische und menschliche
Annehmlichkeit von der letzten Haupt-Annehmlichkeit des höchsten Gutes erlangen. Und
unter den Mitteln demnach ist weder alles natürlich
Annehmliche ein wahres Gut, noch alles natürlich
Unannehmliche ein wahres Ubel; weder alle
Entbehrung des natürlich Annehmlichen ein wahres
Ubel, noch alle Uberhebung des natürlich
Unannehmlichen ein wahres Gut. |
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Nunmehro erhellet, warum zur moralischen
Natur des Menschen, nebst den
Sinnen, dadurch er
das
Gute mit
Lust, das
Böse mit
Unlust empfinden,
und nebst dem Willen, dadurch er jenes begehren,
dieses verabscheuen
soll, auch ein vernünfftiger
Verstand, der jene beyde
regieren müsse, erfordert
werde. Denn soll der Mensch des Verlangens und
Genusses einer wahren
Glückseligkeit fähig seyn,
so muß er, indem er das Gute mit Anmuth
empfindet, darüber, als über einen letzten Zweck, in
sich selbst zufrieden und vergnüget seyn können:
welches nicht anders geschehen kan, als wenn er
durch innerliche Empfindung sich seiner selbst, der
empfundenen Annehmlichkeit des Guten, und
insonderheit der
Wahrhafftigkeit dieses letztern
bewust ist. |
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Alle Wahrhafftigkeit des Guten aber muß von
einem höchsten und letzten Gute, das an sich selbst
ein Gut sey,
dependiren, dergestalt, daß alles, was
wir vor mittlere Güter achten sollen, nicht durch
seine eigene Annehmlichkeit, als welche ihm zum
öfftern fehlet, sondern durch seine Abziehlung auf
das höchste Gut, wahrhafftig gut ist, und
widrigenfalls, wenn es nemlich dem höchsten Gute
zuwider ist, vielmehr vor ein Ubel zu achten ist. |
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Weil man nun sich seiner selbst, der
Annehmlichkeit des Guten und der Wahrhafftigkeit
dieses letztern, nicht anders bewust seyn kan, als
durch einen vernünfftigen Verstand, als welcher das
höchste Gut, und die Abzielung der mittlern Güter
auf dasselbe, durch richtige Vernunfft-Schlüsse
erkennen muß: so muß der Mensch, wenn er
anders des Verlangens und Genusses einer wahren
Glückseligkeit fähig seyn soll, mit einem
vernünfftigen Verstande begabet seyn, |
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{Sp. 1173|S. 604} |
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nach dessen Anweisung er manches natürlich
Annehmliche als ein wahres Ubel zu fliehen, und
manches natürlich Unannehmliche als ein wahres
Gut zu suchen sich genöthiget siehet. Hierinnen
bestehet die wahrhaffte moralische Natur des
Menschen, die denen Bestien, als welche in
Ermangelung eines ihnen wahrhafftig eigenen
höchsten Gutes bloß nach dem sinnlichen Appetite
leben, nicht gegeben ist. |
Müllers Einleitung zu den
philosophischen Wissenschafften. |
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