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Zedler: Recht, Jus, Droit HIS-Data
5028-30-1327-5
Titel: Recht, Jus, Droit
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 30 Sp. 1327
Jahr: 1741
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 30 S. 673
Vorheriger Artikel: Rechperger
Folgender Artikel: Recht, heisset auch die Zueignung
Siehe auch:
Hinweise:

Stichworte Text Quellenangaben
  Recht, Jus, Droit. Dieses Wort hat verschiedene Bedeutungen, die unter andern Grotius de Jure … an- und ausführet.  
1. Erstlich bedeutet solches offters so viel als ein Gesetz, oder vielmehr den Begriff vieler Gesetze, als wenn man sagt: das Bürgerliche Recht, das Canonische Recht; ingleichen ein Doctor der Rechten, die Rechts-Gelehrsamkeit.  
2. Vors andere zeigt es eine Eigenschafft einer Person (attributum personae) an, welche eine freye Macht zu etwas ist. Grotius de jure sagt, es sey qualitas moralis personae competens, ad aliquid juste habendum vel agendum, an welcher Definition Rüdiger in instit. … drey Fehler aussetzet. Denn das Genus, daß dieses Recht eine qualitas moralis sey, wäre dunckel: an statt der Differentz habe er eine Eintheilung gemacht, und wenn er hinzu gesetzet: ad aliquid juste agendum, so sey dieses so beschaffen, daß man es auch von der Obligation, die doch diesem Recht entgegen stünde, sagen könnte. Er meynet, man müsse es vielmehr so beschreiben: est aliquid grati a lege in favorem alicujus personae intentum.  
  Der Grund dieses Rechts ist das Gesetz, welches auf der einen Seite die Verbindlichkeit, auf der andern das Recht hervor bringet. Thomasius in jurisprud. … erinnert, daß man vor allen Dingen GOttes Recht und der Menschen Recht von einander unterscheiden müsse: jenes sey nur Vergleichungs-Weise ein Recht, und gantz was anders, als der Menschen Recht; dass Menschen-Recht aber müsse ursprünglich von dem Willen GOttes und überhaupt von dem Willen des Oberherrn hergeleitet werden, welcher, so fern es der Freyheit Raum lasse, ein Recht hervor bringe, so fern er sie aber einschräncke, so hieß es ein Gesetz und sey ein Ursprung der Verbindlichkeit.  
  An sich hat freylich das Gesetz nur eine Verbindlichkeit in sich; aber eben dadurch veranlasset es das Recht, daß wenn ich z.E. verbunden bin, meine Schulden zu bezahlen, so haben meine Gläubiger das Recht, ihr Geld von mir zu fordern.  
  Solches Recht ist unterschiedlich. Denn man theilet dasselbige  
 
1) in ein vollkommenes und unvollkommenes: jenes ist so beschaffen, daß man krafft desselbigen einen zwin-
 
  {Sp. 1328}  
 
  gen kan, wenn er seine Schuldigkeit nicht beobachten wolte, und daher bey den Pflichten der Nothwendigkeit statt hat; dieses hingegen giebt solche Gewalt nicht, welches bey den Pflichten der Bequemlichkeit statt findet. Es ist aber zu mercken, daß wenn bisweilen in dem menschlichen Gericht ein Recht vor unvollkommen gehalten wird, solches in dem göttlichen ein vollkommenes Recht seyn kan;
 
 
2) in ein angebohrnes und erlangtes; jenes nennt man, so der Mensch unmittelbar von GOtt habe durch das natürliche Gesetz; dieses aber, so man vermittelst eines Vergleichs erlange;
 
 
3) geht es entweder auf die Handlungen, daß man Macht hat etwas zu thun z.E. die Obrigkeit hat das Recht die Unterthanen zu straffen; ein Professor öffentlich zu lesen; oder auf das Eigenthum, daß man entweder eine Sache mit Recht schon hat; oder fordern kan; anderer Eintheilungen zu geschweigen, welche sonderlich bey den Juristen fürkommen.
 
3. Drittens bedeutet dieses Wort eine Eigenschafft einer Handlung, so fern sie dem göttlichen Gesetz gemäß ist, wovon der Artickel Gerechtigkeit nachzusehen. Man lese hier nach die Ausleger des Grotii als  
 
  • Velthem p. 8.
  • Osiander p. 173.
  • Boecler p. 179. ingleichen
  • Pufendorf in jure
  • Hochstetter in Colleg. …
  • Müller in Guil. …
  • Gerhard in delineat. …
  • Gundling in via
 
Im Juristischen Verstande Im Juristischen Verstande hat das Deutsche Wort Recht so wohl, als das Lateinische Jus, ebenfalls unterschiedene Bedeutungen, wie aus dem l. 11 und 12. ff. de Just. et Jur. zu ersehen. Die gewöhnlichsten sind folgende:  
 
1) bedeutet es alles dasjenige, was nicht unrecht ist;
 
 
2) eine rechtliche Befugniß, (Facultatem moralem) welche ihre Absicht entweder auf die Personen, oder deren Thun und Lassen hat
 
 
3) eine Regel oder Richtschnur, darnach zu leben, oder vielmehr vor den Befehl und das Gebot eines Höhern. In welcher letztern Bedeutung es beschrieben wird, daß es sey eine Ordnung, Regel und Grundsatz, welches von den Obern vorgeschrieben worden, und welches zugleich wegen der Hoheit und Willens-Meynung dessen, der solche vorschreibt, die Unterthanen verbindet, ihre Handlungen darnach anzustellen, damit solche gerecht und billig seyn, oder nach welcher die Güte und Boßheit, die Billig- und Unbilligkeit derer Handlungen geschätzet und beurtheilet wird.
  • Struv in Synt. …
  • Textor in Synops. …
  Ferner wird es auch bißweilen  
 
4) vor die Macht und Gewalt Recht zu sprechen, ingleichen
 
 
5) vor den Ort oder die Gerichts-Stäte, wo dasselbe gehandhabet und geheget wird, z.E. in dem Titel de in Jus vocando;
 
 
6) für eine Gerechtigkeit, Befugniß, Berechtigung, Wohlthat, Macht und Gewalt; oder eine solche Sache, die einem vermöge richterlichen Ausspruchs gebühret und zustehet, und endlich auch
 
 
7) für die Jurisprudentz oder für eine Kunst, welche das Recht zu lehren und zu handhaben beschäftiget ist, genommen.
 
  In dem letztern Verstande ist also das Recht insgemein eine Kunst, welche lehret, was der Gerechtigkeit gemäß ist, und was in einem ieden besondern nicht  
  {Sp. 1329|S. 674}  
  entschiedenen Falle geantwortet werden soll, wenn dabey auch in etwas auf den gemeinen Nutz gesehen wird. Brunnemann in l. 1. …
  Oder sie ist eine Kunst des Guten und Billigen, und folglich der Gerechtigkeit. Jede Kunst ist von der Sache, womit dieselbe umgehet, zu benennen. Nach der natürlichen Ordnung ist auch eine jede Kunst oder Wissenschafft jünger, als dasjenige, was gelehret wird.  
  In so fern also das Recht betrachtet wird, als es in Form einer Kunst gebracht ist; so ist die Gerechtigkeit allerdings vor dem Rechte gewesen, wie eine Mutter vor ihrer Tochter, oder die Verbindlichkeit vor einer That und Handlung, auf welche sich dieselbe bezühet. In so fern aber das Recht betrachtet wird, als es von gewissen Lehren abgesondert ist, und in der blossen Einbildung beruhet; So ist solches freylich eher, als die Gerechtigkeit. So kan auch das Recht, welches schon in unsere Natur geleget ist, keine Kunst genennet werden, weil diese aus natürlichen Grund-Sätzen bestehet, und also bloß durch öfftere Wiederholung und Fleiß gelernet wird. Wesenbec in Paratitl. …
  Uberhaupt aber heisset eigentlich dasjenige Recht, was GOtt, die Natur, alle Völcker insgemein, eine jede Obrigkeit, Stadt oder Gemeine, wie auch eine langwierige Gewohnheit, ins besondere vor gut, heilsam, nützlich und billig erkannt haben. Daher auch die verschiedenen Arten und Gattungen derer Rechte entstehen. Denn so viele Völcker, Städte und Gemeinen sind, so viel und mancherley Rechte, Statuten und Gewohnheiten giebt es auch. Eben daher rühren auch die verschiedenen Namen und Beynamen derselben, als da sind:  
   
  von welchem allen an ihrem Orte ein mehrers nachgesehen werden kan.  
  Ausserdem wird das Recht unterschiedlich abgetheilet. Und zwar  
 
1) in Ansehung seines Gegenstandes, oder womit dasselbige beschäftiget ist,
 
 
2) in das öffentliche oder Staats-Recht, und das Privat- und eigene oder Bürgerliche Recht.
 
  Das erste betrifft die Verfassung und den Zustand der Republick selbst, und theilet sich wieder in das Geistliche und in das Weltliche Recht. Beydes ist aus dem göttlichen, natürlichen und positivischen oder bürgerlichen Rechte zusammen getragen.  
  Es ist auch keine Republick, die nicht ihr eigenes Staats-Recht vor sich habe. Wiewohl, so weit es aus dem natürlichen und Völcker-Rechte herflüsset, eine Gleichheit und Ubereinstimmung des Staats-Rechts unter allen Nationen ist.  
  Anlangend das Staats-Recht des heil. Röm. Reichs Deutscher Nation; so sind dessen Quellen hauptsächlich  
   
  so daß nicht allein meistens die Mittel zu klagen, sondern auch öffters die Rechte und Gesetze, nach welchen die entstandenen Streitigkeiten zu ent-  
  {Sp. 1330}  
  scheiden und abzuthun sind, daraus genommen werden. Schweder in Introd. …
  Das Privat- oder Bürgerliche Recht gehet einen jeden insonderheit an, verbindet die Unterthanen in ihrer Handlung, Thun und Lassen, und müssen sich solche nach demselben richten lassen. Und kan solches auch auf gewisse Maasse ein öffentliches Recht genennet werden, nicht zwar in Ansehung der Materie und des Hauptzwecks, sondern in Ansehung seiner Constitution und Autorität, daß es, absonderlich in willkührlichen Sachen, von der hohen Obrigkeit geordnet, und von denen Unterthanen durch besondere Verbindungen und Beredungen nicht geändert werden kan. l. 3 …
  Die andere Abtheilung des Rechts entstehet aus dem Grunde oder Ursprunge, woher es flüsset. Und solchem nach theilet es sich  
 
1) in das Recht der Vernunfft oder der Natur,
 
 
2) in das Völcker-Recht, und
 
 
3) in das Bürgerliche Recht.
 
  Es wird nemlich ein Gesetze oder die Richtschnur zu leben, angewiesen von der Vernunfft, welche entweder  
 
1) schlechterdings und ohne alle Bedingung gebeut oder verbeut, und dieses ist eigentlich das sonst so genannte Recht der Natur; oder welche
 
 
2) die Mittel an die Hand giebt, wie man der Bedürffniß und der Boßheit des menschlichen Geschlechtes nach dem Falle abhelffen könne, und also unter denen Menschen eine Nothwendigkeit, zum wenigsten nach Beschaffenheit ihrer dermahligen Umstände nach sich zühet, dergleichen Regeln zum Völcker-Rechte zu rechnen sind; oder
 
 
3) aus denen Satz-und Verordnungen der hohen Obrigkeit im Volcke, welches letztere das Bürgerliche Recht genennet wird.
 
  Sonst aber bedeutet das Wort Recht auch fürnehmlich entweder eine Sammlung der Gesetze, oder das einer Person nach denen Gesetzen zustehende Befugniß, dem des andern Pflicht und Verbindlichkeit entgegen gesetzet ist. Im ersten Verstande ist das Recht entweder göttliches oder menschliches. Jenes entweder natürlich oder willkührlich, und dieses entweder allgemein oder besonders, welches bey den Jüden in das Ceremonial-und gerichtliche Gesetze zu theilen war, und insgemein das Mosaische Gesetz genennet wird.  
  Das menschliche Recht ist  
   
  Insonderheit hat Deutschland  
   
  Im andern Verstande, da das Recht einer Person Gerechtsame oder Gerechtigkeit anzeiget, ist es entweder vollkommen oder unvollkommen, und ein  
  {Sp. 1331|S. 675}  
  deutliches Merckmahl des letztern, daß dabey die Rechts-Mittel wieder den Verweigernden ermangeln, als das Recht Geschencke zu fordern. l. 25. …
  Der Mangel des Rechtes heisset Unrecht, auch wird dem allerdings zustehenden Rechte zuweilen die Billigkeit entgegen gesetzt, indem sonst das höchste Recht zum grösten Unrechte werden würde, in Ansehung dessen jenes auch das enge Recht genannt wird. l. 8. …
  Das vollkommene Recht ist einem entweder nach seinem Stande ohne sein Zuthun beygelegt, so man das Recht der Personen nennet, oder er erlanget dasselbe durch eines andern Verpflichtung, so man gemeinglich das Recht der Sachen nennet.  
  Das durch des andern Verpflichtung erlangte Recht wird ferner in das persönliche und dingliche getheilet. Jenes ist, wenn jemand durch allerley Pacte und Contracte sich nur vor seine Person zu Leistung einer Sache oder gewisser Dienste verbindlich machet; dieses aber, wenn er durch würckliche Ubergabe der Sache dieselbe des andern eigen machet, dergestalt, daß er selbe nicht nur der verbundenen Person, sondern auch einem jeden künfftigen Besitzer der Sache wieder abfordern kan, und also aus einer Anfangs besondern Pflicht nunmehro eine allgemeine wird, wie sich solches bey Besitz und Eigenthum, gewisser massen auch bey überlassenen Gebrauche ereignet. Des Rechts ist jedermann, auch ein Kind oder Rasender, der Pflicht aber nicht ein jeder fähig. Siehe Pflicht, im XXVII Bande p. 1592. u.ff.  
  Die Billigkeit ist eine Beurtheilung der zweiffelhafften Rechte und Pflichten aus allen vorkommenden Umständen. Die gesunde Vernunfft, welche hierinnen allemahl zu Rathe zu zühen, muß verhindern, daß nicht eine selbst erdichtete Billigkeit heraus komme, und die vorhandenen Gesetze sind auch nicht ausser Augen zu setzen.  
  Es wird die Billigkeit dem strengen Rechte nicht allein vorgezogen, l. 8 C. d. jud.
  sondern dienet auch zu Erklärung der beschriebenen Rechte, l. 90. …
  ist aber deswegen nicht alle mahl eine Auslegung der Gesetze.  
  Die Eintheilung in die beschriebene und unbeschriebene Billigkeit will etwa so viel sagen, daß in einigen Fällen die Gesetze selbst dahin anweisen, in andern aber nicht; da nichts desto weniger gnugsame Gelegenheit zu deren Anwendung vorhanden ist.  
  So viel ist gewiß, daß in des Richters Macht nicht alle mal stehet, die Strengigkeit der Gesetze durch Ausübung der Billigkeit zu mäßigen. l. 8. …
  Hingegen kan er in Ermangelung des Rechtes die blosse Billigkeit zum Grunde seiner Entscheidung setzen. l. 2. …
  Wenn bey den Römern der Richter ein neues und unbilliges Recht einführte, wie er zwar wohl thun konnte, l. 7. …
  so war dieses seine Straffe, daß er und der Part, so solches erlanget, es auch wider sich gelten lassen musten, l. 1. ...
  heutiges Tages wird ihnen ein solches nicht gestattet.  
  Ein anders ist die Begegnung mit einerley Rech-  
  {Sp. 1332}  
  te, so wegen Verschiedenheit der Rechte eines Ortes von andern wider denselben in Erb- und Succeßion-Fällen von der Obrigkeit gebrauchet wird, C. 38. p. 3. Siehe Wiedervergeltungs-Recht.  
  Diejenigen, so sich an Gleich und Recht nicht begnügen lassen, sondern wider Recht und Billigkeit etwas durch Gewalt erzwingen wollen, sind vor Stöhrer des Landfriedens zu halten, und nach dessen Inhalt zu bestraffen. P.H.G.O. a. 128.
     

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Stand: 11. Februar 2024 © Hans-Walter Pries