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Zedler: Teutsche Ritter-Academien [1] HIS-Data
5028-43-131-2-01
Titel: Teutsche Ritter-Academien [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 43 Sp. 131
Jahr: 1745
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 43 S. 79
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Übersicht
1. Die Caßelische
2. Die Wolfenbüttelische
3. Die Wienerische

  Text  
  Teutsche Ritter-Academien. Hieher gehöret:  
 
1. Die Caßelische. Der Heßische Landgraf, Heinrich der II verordnete im Jahr 1618, daß das leere Kloster-Gebäude zum Brüdern in ein Ritterliches Collegium muste verwandelt, das ansehnliche Palatium äusserlich renovirt, und inwendig die Gemächer zu bequemen Lehr-Stuben angeleget werden.
 
 
Um selbige Zeit war das Collegium von Navarra zu Paris, und das zu Sora in Dännemarck in grossem Ansehen. Fast auf jener Art war das neue Collegium Adelphicum eingerichtet, welches deswegen also genennet ward, weil es der Brüder-Kirche anhieng.
 
 
In jenem unterwieß man Fürstliche, Gräfliche und andere Standes-Personen in freyen Künsten, Sprachen und Ritterlichen Exercitien; in diesem nicht weniger, und es sind in dem angeordneten Collegio nebst Ihro Durchl. jungen Herren viele vornehme Adliche und andere Männer dermaßen erzogen und angeführet worden, daß sie vielen Königen Fürsten und Herrn nützliche Dienste leisten können.
 
 
Den 15 Februar bemeldten Jahres geschahe dieses Ritterlichen Collegii Eröffnung. Gleich anfangs lehrten darinnen 4 Professores, einer die Theologie, der andere die Ethic und Politic, der dritte die Physick, und der vierte die Logick und Rhetorick, welcher zugleich die Astronomie und Historie profitirte. Nebst diesen lehreten auch 4 Sprachmeister fremde Sprachen, die Griechische, die Italiänische, die Spanische, und die Frantzösische samt der Lateinischen.
 
 
Es verschaffte auch der Herr Landgraf dem Adelichen Collegio in allen Exercitien, Leibes- und Gemüths-Übungen vortreffliche Meister, welche die Jugend treulich unterwiesen, als z.E.
 
 
  • 1 Bereuther,
  • 1 Roßspringer,
  • 1 Tantzmeister,
  • 1 Fechtmeister,
  • 1 Ballmeister,
  • 1 Kunstmahler,
  • 1 Vocal- und Instrumental-Musicus.
 
 
Sonst haben nach und nach bey diesem Ritter-Collegio folgende berühmte Leute gestanden:
 
 
  • Johannes Crocius, der Heil. Schrifft Doctor,
  • Georgius Cruciger, der Heil. Schrifft Doctor,
  • Johannes Matthäus, beyder Rechte Doctor,
  • Johannes Kleinschmiedt, beyder Rechten Doctor,
  • Crato Seiler, Doctor in der Artzeney-Kunst und Geschicht-Schreiber,
  • Gregorius Stannarius, der theoretischen Philosophie Professor,
  • und andere mehr.
 
 
Nach des Herrn Stiffters höchstseeligen Absterben erneuerte im Jahr 1633 unter denen Kriegs-Troubeln Herr Landgraf Wilhelm der fünffte das Collegium, er dotirte auch dasselbe mit zulänglichen Intraden, welche vorher aus dem Nieder-Fürstenthum Hessen bey der Universität Marpurg gefallen. Insonderheit verordnete er jährliche Stipendien vor 8 junge von Adel, und 14 qualificirte Ingenia, und vornehmer Leute Kinder.
 
 
Solange Herr Landgraf Moritz lebte, warf er be-
 
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sondere Gnaden-Blicke auf die Professores und auf die studirende Jugend, indem er auch in hoher Person offtermahls die Lectionen, Disputationen und Orationen besuchte, munterte es die Lehrenden mit den Lernenden gewaltig auf und brachte dem Collegio desto grösseres Ansehen.
 
 
Herr Landgraf Wilhelm der V. beobachtete nicht weniger den Nutzen des Collegii Adelphici, und erkannte dasselbe vor eine Wohnung der Gelehrten, vor einen Sitz der Musen, vor einen Pflantz-Garten der Gottseligkeit, und vor das Kleinod und Zierde des Hessen-Landes. Darum sorgeten sie mit recht Fürstlichem Eyfer vor dessen Conservation und Aufnehmen.
 
 
Aber im Jahr 1637 verlohr durch den zeitlichen Tod wie das gantze Land so das Collegium seinen tapfferen Fürsten und Wohlthäter, mitten unter seinen glücklichen Kriegs-Operationen in Frießland. Hierauf erfolgte im Jahr 1640 Ihro Durchlauchtigkeit prächtige Leich-Bestattung in Cassel. Bey solcher solennen Leich-Bestattung, hatten die Professores des Collegii auch ihren Rang, und betraureten ihren gnädigsten Herrn. Des andern Tages legte im Collegio D. Crocius die Leichen-Rede ab, wobey verschiedene Fürstl. Gräfl. und andere hohe Standes-Personen zugegen waren.
 
 
Es war aber dieser grosse Trauer-Actus gleichsam der Beschluß des Collegii Adelphici in Cassel. Denn kurtze Zeit hernach betraf dasselbe eine merckwürdige Veränderung. Denn die vornehmsten Professores wurden alsdenn nach Marpurg beruffen, und folglich das Collegium dorthin versetzt und mit dasiger Universität vereiniget. Das weitläufftige Collegien-Gebäude bekam hernach auch innerlich bald eine gantz andere Gestalt. Denn die Durchl. Herrschafft, ließ dasselbe zu Dero Expeditionen zubereiten, und es sind nachhero die Geheimde- und Land-Cantzeleyen, mit ihrem Archiv, ingleichen die Steuer-Forst-Presbyterial, Land- Gerichts- und Burg-Stuben darein verjaget worden, und ist also von diesem Collegium nichts mehr übrig, ausser daß es noch auf vieler Zungen den Nahmen des Collegii behalten hat. Die
 
 
2. Wolfenbüttelische Adeliche Academie und Ritter-Schule ist hier keinesweges mit Stillschweigen zu übergehen, welche die Hertzoge zu Braunschweig und Lüneburg Rudolph August und Anton Ulrich im Jahr 1687 anlegten, davon die publicirte Verordnung, Leges, Statuten und Privilegien in Lucä Europ. Helicon V Th. p. 726. u.ff. umständlich können nachgelesen werden.
 
 
Es werden darein nach ihrer Einrichtung nur Adeliche und Hohe Standes-Personen angenommen. Sie ist allezeit zwar nur mit vieren, aber vortrefflichen und gelehrten Professorn bestellet gewesen. Herr Niecamp
 
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lehrete zu Anfange dieses Jahrhunderts daselbst die Theologie und heil. Geschichte. Herr Bredelo die Eloquentz und Historie, und prästirte grosse Dinge bey der studirenden Jugend. Herr Behnä lehrte die Mathesin, und Herr di l'Ehren mit dit Candor die Spanische, Italiänische, Frantzösische und Englische Sprache.
 
 
Allerseits hatten ihre Methode so eingerichtet, daß jedweder ihrer Zuhörer seinen Cursum in Jahres Frist zu Ende bringen konnte. Insonderheit erstiegen sie den Gipffel der Vollkommenheit in der teutschen Redekunst. Ein Herr von Glaubitz, ein Schlesischer von Adel, that sich unter andern in einer zierlichen Oration dermassen hervor, daß er deswegen das Auge der gantzen Academie, und die Bewunderung des gesammten anwesenden Hofes auf sich zog.
 
 
Im Jahr 1703 ward diese Academie erneuert und besser eingerichtet. Das damahls deswegen im Monath May durch öffentlichen Druck bekannt gemachte Reglement war dieses Inhalts: Es hatten Ihr. Höchstgedachte Hochs. Durchl. Durchl. gnädigst erwogen, wie viel dem gemeinen Wesen daran gelegen, daß die Adliche Jugend durch geringere Kosten ihrem Stande gemäß erzogen und wohl angeführet werde, auch zu dem Ende bereits vor einigen Jahren bey Dero Hochfürstl. Hofe zu Wolffenbüttel eine Adliche Academie angelegt, auf welcher sich bey jetzigen Kriegs Läufften und nachbleibenden Reisen in Franckreich, aus Engelland und vielen Provintzen des Reichs verschiedene Printzen, Grafen, Freyherren und von Adel theils eingefunden hätten, theils auch noch erwartet würden; als hätten Ihr. Ihr. Durchl. Durchl. sie aufs neue mit einem Ober-Hofmeister, dem Herrn Staats-Rath von Walter, wie auch denen geschickten Exercitien-Meistern versehen, auch die denen auf der Academie lebenden Standes-Personen gegönnete Vorzüge und Vortheile um ein grosses vermehren, mithin zu Erlernung der Studien und Exercitien allen möglichen Vorschub thun lassen. Wobey zugleich diejenigen, so einer andern Religion zugethan, die Übung ihres Gottes Dienstes in der Nähe geniessen könnten.
 
 
Über dieses wären die benöthigsten Kosten zum Unterhalt, Logier und Unterweisung auf ein gar leidliches determiniret, also, daß eine Fürstl. Person zur Entree 150 Thl. eine Gräfliche 100 und die von Adel 50 zur Ordinar-Pension aber die Fürstl. 600 Thl. die Gräfliche 500 Thl. und die Adlichen 300 Thl. jährlich zu geben hätten.
 
 
3. Die Wienerische Fürsten und Ritter-Schule ist nicht weniger berühmt. Ausser dem jungen Hof-Adel, welcher am damahls Kayserl. Hofe in allen gewöhnlichen Ritter-Exercitien, fleißig geübet ward, war man auch ehedem in Österreich zu den Zeiten Leopolds des 1sten darauf bedacht, wie der hohe Land-Adel gleicher Gestalt möchte zu seinem Stande gemäßen Qualitäten geschickt gemacht werden, davon man die Vortheile an
 
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denen eben damahls bey Hofe vorgefallenen prächtigen Hochzeit-Festivitäten nur allzudeutlich eingesehen hatte. Man erkannte hierbey die Nothwendigkeit einer neu zu errichtenden Academie und zu dem Orte der sich dazu am besten schicken würde, ersahe man Wien.
 
 
Herr Otto Ehrenreich, Graf von Traun und Abensberg, Käyserl. Geh. Rath und Unter-Marschall der Nieder- Österreichischen Lande, war damahls einer der ersten, welche solchen Anschlag aufs Tapet brachten, ein Herr, der unter der Aufsicht seines ehemaligen und damahls verstorbenen Hofmeisters und des berühmten Herrn Wagenseils, gewesenen Professoris zu Altorf, seine jungen Jahre wohl angewendet, und durch unermüdeten Fleiß eine gar feine Gelehrsamkeit erlanget hatte.
 
 
Über diesem löblichen Vorhaben von Aufrichtung einer Academie rathschlageten die Stände, wie sie die Sache leichter machen könnten. Sie erwogen beydes das hohe Amt und seltenen Eigenschafften, des Herrn Grafen von Traun, und erklärten deswegen ihn einmüthig in diesem Vorhaben zum Principal und Director. Gedachter Herr Graf samt denen löblichen Ständen, die nichts ohne Vorbewust Ihro Kayserl. Majest. beschliessen wolten, entdeckten ihren Entschluß schrifftlich und mündlich, und baten allerunterthänig um allergnädigste Bewilligung, welche ihnen auch, weil es ein löbliches Werck betraf, zu erhalten gar nicht schwer ward. Solches verursachte bey ihnen eine grosse Freude. Sie legten deswegen alsobald Hand zum Wercke, und spareten weder Mühe noch Unkosten, nur daß sie je eher je besser die neue Academie zu Stande bringen möchten.
 
 
Sie erkaufften deswegen erstlich ein grosses Haus in Wien, und aptirten dasselbe zu aller Bequemlichkeit aufs prächtigste. Von aussen gaben sie dem Palais eine schöne Fronte, und von innen zierten sie es mit räumlichen Gemächern zur Wohnung der Academisten. Sie verschafften auch sonst der Academie allerhand Commoditäten und Vorzüge. Unter andern legten sie einen schönen Lust- Garten an von raren Gewächsen und Bäumen; zierten denselben mit prächtigen Lust-Häusern, angenehmen Spring-Brunnen und frischen Fisch-Weyhern. Vornehmlich aber, und welches der gröste Zierrath war, machten sie bey der Academie den Anfang zu einer statlichen Bibliotheck von curiösen Büchern.
 
 
Darnach gieng derer Herren Stände vornehmste Sorge dahin, wie sie nöthige Professores und Exercitien-Meister bestellen wolten. Zu diesen Ämtern, daran so vieles gelegen, liessen sie Ihnen qualificirte Leute recommendiren. Und damit solche auch ihren Unterhalt hätten, versahe sie der Herr Director Graf von Traun im Nahmen der sämtlichen Stände mit reichlichen Pensionen. Sie regulirten, was eigentlich von Lectionen und Exercitien und zu welcher Zeit sie am meisten solten getrieben werden, ja sie versahen endlich die Academie mit löblichen Gesetzen und Statuten.
 
 
Drit-
 
  {Sp. 135|S. 81}  
 
tens war noch übrig die Unterhaltung der Academisten. Vermöge des ratificirten Schlusses solten sich vornehmlich derselben die Österreichische Adliche Jugend, wie auch höhere Standes-Personen zu erfreuen haben. Ein jeder, der von diesen ein Glied der Academie seyn wolte, solte jährlich 300 Gulden Kostgeld zahlen, und davor ein gutes Tractement und Information zu geniessen haben.
 
 
Über den besagten löblichen Anfang und Fortgang dieser Wienerischen Ritter-Schule zogen die Herren Österreichischen Stände den berühmten Wagenseil zu Rathe. Durch seine so fruchtbarlich ausgeschlagene Auferziehung verschiedner junger Grafen und Herren hatte er bisanher seine Erfahrung von der Privat- und öffentlichen Schul-Information vortrefflich bestätiget. Um das Jahr 1691 hatte er in Wien die Ehre, daß er mit etlichen hohen Kayserlichen Ministern an der Tafel speisete. Unter andern vorfallenden Gesprächen klagte einer über einen Hochadlichen Jüngling, dessen Curator er wäre, daß derselbe dem Soldaten Leben gäntzlich nachhienge, denen Studien im Gegentheil absagete. Hier erblickte Herr Wagenseil den Jüngling, und sagte seinm Nachbar an der Taffel ins Ohr: Ey, das ist ein feines Subjectum! und ich weiß eine Kunst, dadurch er wohl gelehrt werden könnte. Hierüber lachte sein Nachbar, und wiederholte des Herrn Wagenseils Anerbieten der hohen Tisch- Gesellschafften. Etliche nahmen die Worte vor bekannt an, in Erwegung, daß Wagenseil wohl eher aus einem krummen Holtze einen Mercurium geschnitzet hätte.
 
 
Solches bewog den Herrn Wagenseil zur Explication seiner Worte; Erstlich daß er einen sechsjährigen Knaben binnen 8 Wochen wolte lesen lernen. Darnach daß ein Jüngling zum Kriege gleichsam gebohren, dennoch in freyen Künsten, in der Medicin, in der Theologie bessere Profectus thun solte als einer, der lebenslang studirte. Demselben aber recommendirte er beständigen Vorsatz, daß er nichts lernen, und die Gelehrsamkeit hassen wolte: massen so bald er dieselbe liebte, und mit Lust studirte, müste er aufhören, weil es sonst darum geschehen wäre.
 
 
Ferner fragten die anwesenden Herren, wie man mit einem Jünglinge verfahren müste, welcher der Jägerey und Desbauchen obläge? Herr Wagenseil meynte, man könnte ihnen wie denen andern die Gelehrsamkeit beybringen, wenn sie nur von Natur nicht Tummheit und Albernheit begleitete. Bestunde demnach seine Kunst in des Quintilianus Expression: Imbecilis ingeniis sic est obsequendum, ut tantum in id, quo vocat natura, ducantur.
 
 
Eine solche Informations-Methode würde aber vieles kosten, wendeten die Herren ein. Herr Wagenseil bekräfftigte solches, angesehen viele vortreffliche Präceptoren und wohlerfahrne Leute darzu erfordert würden. Wie nun diese Sorge Herr Wagenseil andern anheim stellte: also betraurete er desto mehr vieler Jungen von Adel Unachtsamkeit. Et-
 
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liche verstünden nicht die freyen Künste, und trügen Abscheu. Etliche hielten sich auf ihren Landgütern auf, und daran hätten die Eltern schuld, als welche ihre Söhne weder in die öffentlichen Schulen noch auf Universitäten schickten. Etliche Eltern bestellten über ihre Söhne grobe und ungelehrte Hofmeister, die nichts verstünden und prästiren könten. Anbey wünschte er, daß er solches wie in dieser hohen Versammlung, so dann in Gegenwart aller Edelleute erwehnen dürffte.
 
 
Sobald Herr Wagenseil seinen Discurs abkürtzte, sprach der Höchste in der Compagnie: Ihr Herren, warlich! wir haben heute den Mann gefunden, welcher den Lapidem philosophicum hat. Hierauf fragte er den Herren Wagenseil; ob ihm noch eine Methode bekannt wäre, da man ohne Mühe und Unkosten fein leichte und anmuthig der Jugend die nützlichen Dinge beybringen könnte? Der Herr Wagenseil war so gleich bereit, und prieß eine Methode an, damit man gleichsam, wie mit einem Trichter Jungen und Erwachsenen, Edlen und Unedlen, Hohen und Niedrigen einige Wissenschafft in Göttlichen und weltlichen Dingen eingiessen könnte. Nehmlich er stellte den Weg vor, welchen die Natur selbst zeiget, mit Gemählden und Sinnbildern. Man möchte auch alle Stände und alle Alter der Menschen durchsehen, so würde man befinden, daß die meisten die Bilder hochachten, und gerne besehen und ihre Bedeutung wissen wollen. Eben aus dem Fundament, solte es ein bequemes Mittel seyn zu desto leichterer Beybringung geist- und weltlicher Dinge. Damit niemand hieran zweiffeln möchte, beruffte er sich auf die würcklichen Proben.
 
 
Erstlich führte er zum Exempel an Bartholomäi Lenderin Nürnbergische kleine Kinder-Biebel, darinnen die Historien Altes und Neues Testaments in Bildern vorgestellet werden. Und so könnten Junge und Alte in der Biebel unerfahrne die Biblischen Historien ohne Mühe lernen, insonderheit wenn noch darzu die Figuren vor das Auge erfrischet und illuminiret würden.
 
 
Darnach könnten sie gleichen Unterricht aus Ludwig Gottfrieds Historischer Chronick schöpfen. In derselben werden ebenmäßig die vornehmsten Merckwürdigkeiten vom Anfang der Welt bis zu Anfang des XVI Jahrhunderts nicht allein mit Worten erzehlet, sondern auch mit den schönsten Kupferstichen ausgezieret. Dem Vorgeben nach verliebte sich die Königin Christina in Schweden dermassen in diese Kupffer-Bilder, daß sie derselbigen Original-Blatten an sich erhandelte, und vergulden ließ. Wenn nun die Jungen mit den Alten dieses Buch mit Sinnbildern durchblätterten, und fein öffters beschaueten, würden sie ohnfehlbar die curiösen Geschichte spielend lernen, und alsdenn bey Gastmahlen und andern solennen Assambleen erbaulich discuriren können.
 
 
Diese beyden Bücher legte der Wagenseil zum Fundament seines
 
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Trichters. Er konnte auch seinen Discurs desto besser rechtfertigen, weil er bereits den Effect dessen in verschiedenen Proben empfunden hatte, so wohl in der Information derer Vettern des Königs in Schweden, als an andern Untergebenen, und am meisten an seinen eigenen Kindern.
 
 
Einem und andern anwesenden hohen Gaste erweckte er solchen Appetit nach seiner vorgeschlagene Methode, daß er augenblicklich resolvirte, wie er seinen jungen Herrn nach derselben wolte informiren lassen. Nachgehends bey seiner Gesandtschafft im Haag prieß er das Vorhaben Herrn Wagenseils an dem Hochgelehrten Hn. Gisberto Cupero, und machte davon grosses Wunder. Und gewißlich, es wäre eine erwünschte Sache, nicht nur vor Teutschland und Österreich, sondern vor alle Nationen gewesen. Von Stund an der gezeigten Methode mangelte es nicht an der Anleitung zu der verlangten Bewerckstelligung. Wie weit aber Hr. Wagenseil in der Ausarbeitung des verheissenen Trichters gekommen, haben wir nicht zuverläßig erfahren. Inzwischen siehet man doch hieraus, daß sich damahls die Herren Stände von Österreich alle Mühe gegeben, ihre angelegte Ritter-Academie mit wohl qualificirten Lehrmeistern zu versorgen.
 
     

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Stand: 26. Februar 2013 © Hans-Walter Pries