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Allgemeine Encyclopädie HIS-Data
5139-1-09-164-1
Erste Section > Neunter Theil
Werk Bearb. ⇧ 9. Th.
Artikel: BERN, Stadt und Kanton B
Textvorlage: Göttinger Digitalisierungszentrum
Siehe auch: HIS-Data Ber
Hinweise: Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Bearbeitung
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⇧ S. 164 Sp. 1  
Forts. S. 164 Sp. 1 B., Statskunde.♦  
  Der Kanton Bern liegt im westl. Theile der Schweiz, gränzt nördlich an Frankreich, östl. an die Kantone Basel, Solothurn, Aargau, Luzern, Unterwalden, Uri, südlich an den K. Wallis, westl. an die Kantone Waadt, Freyburg, Neuenburg, und wieder an Frankreich, hat 173 geogr. Quadrat Meilen Flächenraum, und ist in 27 Oberämter eingetheilt; diese sind:♦  
 
  • 1) im Mittellande: Bern, Burgdorf, Fraubrunnen, Konolfingen, Laupen, Schwarzenburg, Sestigen; —
  • 2) im Oberlande: Frutigen, Interlachen, Nieder-Simmenthal, Ober-Simmenthal, Oberhasli, Sanen, Thun; —
  • 3) im Seelande: Aarberg, Büren, Erlach, Nidau; —
  • 4) im Emmenthal: Signau, Trachselwald; —
  • 5) im Ober-Aargau: Wangen, Aarwangen; —
  • 6) im Leberberg: Curtlari, Delsperg, Freibergen, Münster, Pruntrut. —♦
 
  Das Land steigt vom Bielersee im Norden gegen Süden durch fruchtbare Ebnen, angenehme Hügel, grasreiche Alpen und holzbewachsene Berge bis zu den gewaltigen Berggipfeln des Oldenhorns, Geltenhorns, des wilden Strubels, der Altale, des Tschingelhorns, der Jungfrau, des Mönchs und Eigers, der Wetterhörner, des Schreckhorns und Finster-Aarhorns empor; weniger allmälig, sondern meistens steil erhebt sich vom Bielersee gegen Norden das Juragebirg, das sich nach und nach gegen das französische Suntgau hin verflächt.♦  
  Ungemein verschieden ist dieser Boden und Klima, Volk und Erwerb; die Übersicht des Bodens läßt sich am besten an den Lauf der Aar anknüpfen; dieser Fluß entspringt aus Gletschern im Südosten des Kantons, am Fuße des steilen spitzigen Finsteraarhorns und des breitern Felsens Schreckhorn; die Aar bildet zuerst bis an den Brienzersee das Haslithal, in welches sich nördlich das Gentel- und Gadmenthal öffnen, südlich nimt sie die Wasser des Urbachthal und den Reichenbach, Ausfluß des Rosenlaugletschers, auf; nachdem sie den Brienzersee (s. d. Art. und Thunersee) gebildet, in welchem die beiden Lütchinen aus dem Grindelwald- und Lauterbrunnthal fallen, verläßt sie diesen See, um bald den Thunersee zu bilden, in welchen südlich die Kander folgende Gewässer führt: die des Suld-, Kien-, Kander-, Gastern-, Adelboden- und des Frutigthals, wo die Engstligen fließt; endlich die Wasser des Nieder- und Ober-Simmenthal, in welchem letztern die Simme läuft; die Aar nimt sodann nach ihrem Ausflusse aus dem Thunersee mehre große Bäche auf, umfließt die Stadt Bern und empfängt dann südlich die Saane, welche ihr die Wasser  
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  der Sense bringt; aus dem Bielersee erhält sie die Ziel oder Thielle, und verläßt nachher den Kanton.♦  
  Ähnliche Richtung hat der zweite Hauptfluß die Emme, (zu unterscheiden von der Luzerner oder kleinen Emme) sie nimt die Gewässer des östlichen Theiles auf und ergießt sich unterhalb Solothurn südlich noch in die Aar. Aus dem nördlichen Gebiete fällt vom Jura her noch die Schüß (Suze) in den Bielersee, die übrigen Wasser dieses Landtheiles gehen nördlich und werden theils von der Birs nach dem Rheine, theils durch die Alene nach dem Doubs geführt, der eine Biegung in das Land macht.♦  
  Von großen Gletschern fließen die Wasser des südlichen Theiles meistens ab, die größten dieser Eismassen sind die um die Jungfrau, den Mönch und das Finsteraarhorn, die sich zum Theil in die bewohnten Thäler hinuntererstrecken und durch ihre großen und prächtigen Formen eine der ersten Stellen unter den zahlreichen Naturschönheiten dieses Kantons einnehmen.♦  
  In den hohen Thälern ist das Klima rauh, der Sommer sehr kurz, im mittlern Theile des Landes angenehm und milde, indem der Jura die Nordwinde abhält.♦  
  Drei Hauptgebirge ziehen sich durch das Gebiet dieses Kantons, die Berneralpen im Süden, der Jura im Norden und ein Theil des Jorat im Westen; mannigfaltig theilen sich die beiden erstern ab, und einzele Gipfel erheben sich daraus, namentlich aus dem Hochgebirge im Süden bis zu seltener Höhe über das Meer; die Jungfrau hat 12,872 Fuß, das Wetterhorn 10,466, das Schreckhorn 12,560, das Finsteraarhorn 13,176, die Vinscherhörner 12,500, der Eiger 12,268, der Mönch 12,666, das Breithorn 11,691, die Blümlisalp 11,393, das Doldenhorn 11,287, die Altels 11,432, der wilde Strubel 9694, das Oldenhorn 9630.♦  
  Über diese Kette gehen vier Pässe nach dem Wallis hinüber: über die Grimsel, 6570 F., über die Gemmi 6985, über den Stavyl 7235 Fuß und über den Sanetsch.♦  
  Unter den nordwärts von dieser Kette stehenden Bergen erhebt sich das Faulhorn auf 8020 F., das Rothhorn auf 7257 F., der Hohgant auf 6834, der Niesen auf 7340, das Stockhorn auf 6767. Im Jura steigt der Chasseral bis zu 4968 F. über das M.♦  
  Treffliche Quellen ergießen sich allenthalben und auch an Mineralwässern ist kein Mangel, das Blumensteiner-, Gurnigel- und Weissenburgerbad zeichnen sich aus. —♦  
  Der K. Bern gehört zu den sehr bevölkerten Gegenden; im J. 1818 hatte er in den 22 ältern Ober-Ämtern 298,520 reformirte Einwohner, worunter auch ungefähr 900 Wiedertäufer gerechnet sind, und in den 5 neuerworbenen Ämtern im Jura 39,464 katholische, zusammen also 337,984 Einwohner, wovon etwa 50,000 französisch sprechen. Sie sind im Durchschnitte gutmüthig und verständig, meistens auch thätig und fleißig; nicht selten aber, besonders in den gebirgigen Gegenden zur Bequemlichkeit geneigt; Hang zur Sinnlichkeit ist häufig, eben so zu religiöser Schwärmerei, beides oft auf eine bedenkliche Weise mit einander verbunden. Die Mundart ist im teutschen Theile des Kantons ein nicht unangenehmer Zweig des Oberteutschen, im französischen Theile beim Volke ein rauheres Patois. Die Wohnungen zeichnen sich meistens durch gefällige Ländlichkeit, alterthümlichen guten Geschmack und Reinlichkeit aus, und verrathen öfters bedeutenden Wohlstand.  
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  Reich an mannigfaltigen Erzeugnissen bietet dieser Kanton dem Einwohner vielseitige Nahrungsquellen dar; die Viehzucht ist die hauptsächlichste derselben, im J. 1819 befanden sich im Kanton 11,774 Zugochsen, 2354 Bullen, 87,288 Kühe, 33,470 Rinder, 23,501 Kälber, 729 Hengste, 7837 Wallache, 10,562 ältere Stuten, 4493 jüngere Stuten, 3952 Füllen, 107,385 Schafe, 55,873 Ziegen und Böcke, 146 Esel und Eselinnen, 55,215 Schweine und Ferkel.  
  Herrliche Alpen begründen die Alpenwirthschaft, die viel Käse, Butter, Ziegen- und Milchzucker erzeugt; im mittlern Theile des Landes herrscht ergiebiger Ackerbau, Gartenbau, Weinbau, trefflicher Wiesenbau, Schaf-, Pferde- und Schweinezucht. Die Waldungen stehen mit dem Bedürfnisse des Kantons in einem zur Zeit noch günstigen Verhältnisse: Korn hingegen bringt das Land nicht genug hervor, Hanf und Flachs werden fleißig gebaut.♦  
  An den verschiedenen Produkten des Mineralreichs, vorzüglich Eisen-, Blei- und Kupfererzen, Gyps, Marmor, Kalk- und Sandsteinbrüchen, Steinkohlenflözen ist der Kanton reich; Eisenbergwerke werden betrieben. —♦  
  Der Gewerbfleis erstreckt sich hauptsächlich auf die Verfertigung von Leinwand, Wollentüchern und Baumwollenwaren, Gerbereien, hölzerne Waren verschiedner Art, Uhrmacherei, Spitzenklöppelei, Schießpulver u. a.♦  
  Durch den Handel werden ausgeführt, Hornvieh, Pferde, Käse, Kirschwasser, Leder, Leinwand, Kattun, Musselin, Seidenwaren, und eingeführt: Colonialwaren, Weine, Salz, Taback, Getreide, Eisen und andre Metalle, Wolle, Seide, Baumwolle, Flachs u. a. Schöne Straßen und verschiedne Wasserwege auf Seen und Flüssen befördern den Verkehr, auf die ersteren werden bedeutende Sorgfalt und Kosten verwendet, den Käseabsatz aus den teutschen Ämtern berechnet man auf 17000 Ctr. jährlich.♦  
  Man rechnet nach Franken (32 auf die Mark), Batzen (90 auf die Mark Scheidemünze) und Rappen; ideale Münzen sind der Thaler zu 30 Batzen, die Krone zu 25 Batzen, das Pfund zu 74 Batzen; in den leberbergischen Ämtern gelten für einmal noch die franz. Münzen, Maße und Gewichte. —♦  
  Unter dem Namen Schultheiß, kleine und große Räthe der Stadt und Republik wird von der repräsentativen Regirung die höchste Gewalt ausgeübt; diese Behörde bestehet aus 200 Bürgern der Stadt Bern und 99 von den kleinern Städten und der Landschaft gewählten Gliedern, dieser große Rath wählt aus seinem Mittel die 2 Schultheißen, die 25 Mitglieder des kleinen Rathes und das Appellationsgericht; der erstere ist die gewöhnliche Standesregirung, das letztere die höchste richterliche Instanz.♦  
  Ein geheimer Rath leitet das Diplomatische; der große Rath versamlet sich jährlich 2 Mal, die 200 Stadtbürger desselben monatlich einmal; 2 Mitglieder des kleinen Rathes, Heimlichen genant, wachen über die Erhaltung der Verfassung; die kleinen Räthe und sechzehn Großräthe bilden das Kollegium der Räthe und Sechszehner, das die Censur der Mitglieder des großen Rathes vornimt und Gesetzesvorschläge berathet. Daneben besteht ein Finanzrath, ein Kriegsrath, ein Justiz- und Polizeirath, ein Kirchen- und Schulrath, ein Ehegericht. Jedem Amtsbezirke stehet ein Oberamtmann vor, der ein Amtsgericht zur Seite hat, Polizei und Finanzen werden musterhaft besorgt. —♦  
  Die Geistlichkeit bildet 6 Kapitel
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  oder Klassen: Bern, Thun, Burgdorf, Langenthal, Büren, Nidau; 183 Pfarren und andre geistliche Stellen sind auf dem Lande, 5 Pfarrer, 5 Helfer und 2 französische Prediger, nebst 3 Filialisten und 1 Kapitelshelfer bilden die Stadtgeistlichkeit; jedes Kapitel hat seinen Decan, eine allgemeine Synode findet nicht Statt; die kathol. Geistlichkeit bestehet aus 70 Landgeistlichen und dem kathol. Pfarrer in Bern. Sehr gut ist das Besoldungswesen der reformirten Geistlichen geordnet. —♦  
  Das Schul- und Erziehungswesen verdienet alles Lob, besonders wird für die Landschulen viel gethan; eine Akademie, ungefähr wie eine Universität eingerichtet, befindet sich in Bern, daneben ein Gymnasium und gute Elementarschulen; in Biel ist ein Gymnasium. —♦  
  Verschiedne, theils öffentliche, theils privatim besorgte gemeinnützige und wohlthätige Anstalten sind im Bestande; eine Brand-Assekuranz, die aber freiwillig ist, und zur Zeit nur noch 30,880 Gebäude umfaßt, verschiedne Familien-, Armen-, Leichen- und Schulmeisterkassen. —♦  
  Das Kriegswesen zeichnet sich aus unter dem der meisten andern Cantone: das Bundescontingent beträgt 5824 Mann und 104,080 schweiz. Franken an Geld. —♦  
  Seit 1353 machte der Stand Bern den zweiten Kanton der Eidgenossenschaft aus; in der Revolution von 1798 ward sein, seit dem Eintritte in den Bund bedeutend vermehrtes Gebiet durch Abreißung der Waadt, des Aargaus und des Oberlandes sehr vermindert, und umfaßte folgende Distrikte: Bern, Schwarzenburg, Oberseftigen, Unterseftigen, Zollikofen, Seeland, Büren, Burgdorf, Wengen, Langenthal, Nieder-Emmenthal, Ober-Emmenthal, Stäffisberg, Höchstetten, Laupen; 1803 ward durch die französische Mediation das Oberland wieder damit vereinigt; 1813 und 1814 sprach der Stand sein ehemaliges Gebiet im Aargau und in der Waadt förmlich durch offene Proklamation wieder an, leistete aber später Verzicht darauf, und erhielt durch den Wiener-Congreß, zu einigem Ersatz, die ehemals schweizerisch gewesenen Landschaften des Bisthums Basel, nachdem sie Frankreich losgegeben hatte; dieser Zuwachs stehet aus hinreichenden Gründen noch immer unter einer besondern Verwaltung, bis Gesetze, Abgaben u. a. wie im übrigen Kanton eingerichtet werden können, enthält 25 — 30 Quadrat-Meilen und 62—66,000 Selen, meistens französischer Sprache; der Fünftel derselben ist reformirt. Seit seinem Beitritte zu dem Bunde von 1815 bildet er wieder den zweiten Stand, und das zweite der Eidgenössischen Vororte, er ist 1816 dem heiligen Bunde beigetreten. —♦  
  Außer den allgemeinen Werken über schweiz. Geschichte, Geographie und Statistik, behandeln diesen Kanton besonders: Justinger's Berner-Chronik (bis 1421) abgedruckt Bern 1818. 8. Stettler's Schweizer-Chronik. Bern 1627. II Thle. Fol. Tscharner's Historie der Stadt Bern. Bern 1765. II Thle. 8. Stierlin's Neujahrsgeschenke für die Berner Jugend. 1814 — 1822. 4. (Gruner's) Delicia urbis Bernae. Zürich 1732. 8. (Haller und Geizmann) Beschr. der Stadt und Rep. Bern. II Thle. Bern 1794 , 96. 8. (Wagner's) Werke der St. Bern. B. 1808. 8. franz. 1810. 8. Helvetischer Almanach für das Jahr 1802, 1819 und 1821. Zürich. 12. (das beste in Hinsicht auf die jetzige Statistik des Kantons). Die neueste Karte ist 1819 und 1821  
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  in II Blättern von Scheuermann in Zürich herausgekommen. Weitere reichhaltige Literar-Notizen über diesen Kanton geben Haller's Bibliothek der Schweizergeschichte und (Wyß) im helvet. Almanach auf 1819. S. 8 — 33.
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Stand: 27. Dezember 2017 © Hans-Walter Pries