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Zedler: Unglückseligkeit HIS-Data
5028-49-1542-9
Titel: Unglückseligkeit
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 49 Sp. 1542
Jahr: 1746
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 49 S. 786
Vorheriger Artikel: Unglückseliger Tag
Folgender Artikel: Unglücks-Fall
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Unglückseligkeit, ist derjenige Zustand eines Menschen, da er wegen Mangel gewisser Güter in Unlust lebet.  
  Ehe wir diese Beschreibung erklären, müssen wir vorher erinnern, daß wir die Unglückseligkeit nicht nach der Einbildung der Leute; sondern nach der Sache selbst zu erwegen haben. Denn die meisten haben keinen rechten Begriff von den wahren Gütern eines Menschen, und daher verfehlen sie in ihren Urtheilen, wenn sie einen vor glückselig, oder unglückselig halten, gar sehr. Man siehet Ehre, Reichthum und sinnliche Ergötzlichkeit blos vor Güter an, und hält daher den, der in dem Genuß solcher Dinge stehet, vor glücklich; einen andern aber, der derselben entbehren muß, vor unglücklich.  
  Nun leugnen wir nicht, daß der Genuß, oder der Mangel solcher Sachen etwas zu des Menschen Glückseligkeit und Unglückseligkeit beytragen können; sie machen aber das Hauptwerck dabey nicht aus, und deswegen müssen wir die Sache aus einem höhern Grunde, und zwar aus der göttlichen Absicht, nach welcher GOtt den Menschen zur Glückseligkeit er-  
  {Sp. 1543|S. 787}  
  schaffen, herleiten.  
  Der Mensch hat zweyerley Sachen, die er brauchen, und durch den Genuß glücklich werden kan. Einige sind Güter an sich selbst, welche nach dem Absehen des Schöpffers den Menschen sollen glücklich machen, davon zwey auf die Seele gehen, als die Wahrheit auf Seiten des Verstandes, und die Tugend auf Seiten des Willens; eins auf den Leib, welches die Gesundheit ist. Andere sind nur nützliche Sachen, die durch einen vernünfftigen Gebrauch erst zu Gütern werden, wohin man die Ehre, Geld und Gut und andere sinnliche Sachen rechnen kan.  
  Nun ist weiter zu mercken, daß ein Gut des Menschen und seine Glückseligkeit nicht einerley, indem diese aus jenem entspringet, so ferne man in dem Genuß eines Guts stehet, und eine angenehme Empfindung darüber hat. Setzen wir dieses voraus so kan man auch leichte verstehen, warum wir in der Beschreibung der Unglückseligkeit zwey Stücke angeben, daß nehmlich dazu ein Mangel gewisser Güter und eine darüber entstandene Unlust nöthig sey. Der Mangel eines Guts machte die Unglückseligkeit alleine nicht aus; sondern es muß der Mensch dabey eine unangenehme Empfindung oder Unlust haben, wenn er in dem Stande der Unglückseligkeit stehen soll. Man wolte denn Unglückseligkeit an sich betrachten, und sie in den blossen Mangel gewisser Güter setzen, in welchem Sinn dieses Wort auch pflegt gebraucht zu werden, daß man unter andern einen lasterhafften Menschen vor unglücklich hält, ob er sich schon aus seinen Lastern nichts machet.  
  Nach den unterschiedenen Arten der Güter, deren ein Mensch kan beraubet seyn, kan man die Unglückseligkeit eintheilen in die Haupt-Unglückseligkeit, welche einen Mangel der eigentlichen Güter des Menschen, es sey die Wahrheit; oder die Tugend; oder die Gesundheit, mit sich führet; und in die Neben Unglückseligkeit, wann der Mangel nur die nützlichen Sachen, als die Ehre, Reichthum u.s.w. betrifft, folglich den äusserlichen Zustand des Menschen angeht.  
  Jenes also grösser, als diese. So ist ein ungesunder Mensch weit unglücklicher, als ein armer, oder der ohne Ehre in der Welt leben muß. Und das muß man auch von denen sagen, bey denen eine grosse Schwachheit des Verstandes und Willens anzutreffen, doch hat eine jede Art dieser Unglückseligkeit ihre Grade. Denn es können nicht nur die Güter selbst unter sich einen Vorzug haben, wie z.E. die Tugend der Wahrheit, und die Wahrheit der Gesundheit vorgehet, mithin macht der Mangel eines höhern Gutes den Menschen unglücklicher, als der Mangel eines Geringern; sondern es können auch bey einem mehr, als bey dem andern Güter mangeln.  
  So ist auch kein Zweifel, daß die Unglückseligkeit grösser ist, wenn bey dem Mangel der wahren Güter zugleich die nützlichen Sachen fehlen, z.E. man ist nicht nur ungesunder, sondern auch arm; da hingegen ein ungesunder, der nicht arm dabey ist, nicht vor so unglücklich zu halten. Walchs Philosophisches Lexicon.
     

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Stand: 3. April 2013 © Hans-Walter Pries