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Zedler: Wohlfahrt des gemeinen Wesens u.a. HIS-Data
5028-58-110-1
Titel: Wohlfahrt des gemeinen Wesens
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 58 Sp. 110
Jahr: 1748
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 58 S. 67
Vorheriger Artikel: Wohlfahrt der Christen
Folgender Artikel: Wohlfarthshausen
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel

Übersicht

Stichworte Text Quellenangaben
gemeines Wesen Wohlfahrt des gemeinen Wesens, die Beförderung derselben beruhet auf der Beobachtung des Gesetzes der Natur.  
  Es muß daher derjenige, der den Willen haben soll, sie zu befördern, eine Fertigkeit haben, seine Handlungen dem Gesetze der Natur gemäß einzurichten, und also tugendhafft seyn. Solchergestalt sind Verstand und Tugend die beyden Gründe, darauf die Wohlfahrt und Sicherheit des gemeinen Wesens beruhet Wer demnach auf einige Art und Weise für das gemeine Wesen zu sorgen hat, es mag seine Einrichtung oder Verwaltung betreffen, der muß verständig und tugendhafft seyn. Wolffs Gedancken von dem gesellschaftlichen Leben der Menschen, §. 242.
   
Gesellschafft Wohlfahrt der Gesellschafft, ist der ungehinderte Fortgang in Beförderung des gemeinen Besten, das man durch vereinigte Kräffte zu erhalten gedencket.  
  Zu dieser Benennung hat man guten Grund. Denn die Wohlfahrt einer Gesellschafft können wir nicht anders ansehen, als das höchste Gut, was eine dergleichen Gesellschafft erreichen kan. Da nun dieses in einem ungehinderten Fortgange zu grösseren Vollkommenheiten bestehet; so können wir auch die Wohlfahrt der Gesellschafft in nichts anders suchen, als in einem ungehinderten Fortgange in Beförderung ihres gemeinen Besten.  
  Da nun aber die Wohlfahrt der Gesellschafft die einige Absicht ist, warum man sich darein begiebet; alle besondere Absichten aber dergestalt einzurichten sind, daß sie endlich ein Mittel zur Haupt-Absicht werden; so ist dieses die Regel, darnach diejenigen ihre Handlungen einzurichten haben, die in einer Gesellschafft miteinander leben, in so weit sie nehmlich in derselben leben: Thue, was die Wohlfahrt der Gesellschafft  
  {Sp. 111|S. 68}  
  befördert; unterlaß, was ihr hinderlich, oder sonst nachtheilig ist.  
  Da wir nun nach dieser Regel unsere Handlungen einzurichten verbunden sind; so ist sie das letzte Gesetze in einer Gesellschafft. Derowegen, wenn es geschehen solte, daß die besondere Wohlfahrt eines einigen, der in der Gesellschafft lebet, mit der gemeinen Wohlfahrt nicht bestehen könnte, und dannenhero nöthig wäre, eine Ausnahme zu machen; so müste die gemeine Wohlfahrt der besondern vorgezogen, die besondere aber der gemeinen nachgesetzet werden.  
  Jedoch muß man zugleich darauf wohl Acht, haben, daß man die gemeine Wohlfahrt nicht weiter erstrecket, als es die Absicht der Gesellschafft erfordert: Woran insonderheit in dem gemeinen Wesen gar viel gelegen ist. Wiederum weil verschiedene, die in einer Gesellschafft mit einander leben, in Ansehung ihrer gemeinen Wohlfahrt als eine Person anzusehen sind, wir aber nicht verbunden sind, anderen worinnen zu helffen, wenn wir dadurch uns selbst verabsäumen müssen, massen dasjenige, was mit Verabsäumung der uns schuldigen Pflicht geschiehet, als eine Sache anzusehen ist, die wir nicht in unserer Gewalt haben; so ist auch niemand verbunden, andern zu helffen, wenn dadurch die Wohlfahrt dessen, der mit uns in einer Gesellschafft lebet, solte nachgesetzet werden. Derowegen ist derselbe andern vorzuziehen, die nicht mit uns in einer Gesellschafft leben.  
  Gleicher Gestalt weil verschiedene, die in einer Gesellschaft mit einander leben, in Ansehung ihrer gemeinen Wohlfahrt, als eine Person anzusehen sind; so sind verschiedene Gesellschafften als verschiedene Personen anzusehen. Was demnach eine Person einer andern schuldig ist, das ist auch eine Gesellschafft der andern schuldig. Derowegen ist eine Gesellschafft nicht verbunden der andern darzu zu verhelffen, was sie durch ihre eigene Kräffte erlangen kan; aber wohl dazu, was sie nöthig, und doch nicht in ihrer Gewalt hat, wir aber in unserer haben.
  • Wolff vom gesellschafftlichem Leben der Menschen, §. 3. 11. 12. 13. 14. Meißners Philosophisches Lexicon, p. 236.
   
Haus Wohlfahrt des Hausses, bey derselben ist gleichwie bey der Wohlfahrt einer jeden Gesellschafft vornehmlich darauf zusehen, daß die gemeine Wohlfahrt des gantzen Hausses der besonderen eines Haußgenossen vorgezogen werde.  
  Derowegen wenn es die Wohlfahrt des Hausses erfordert, daß der Hauß Vater mit der Schärfe etwas ahndet, ob es gleich sonst bey der Person, die etwas verbrochen, leichter zu ändern stünde; so muß er die Schärffe wider sie gebrauchen Nehmlich die Ahndung geschiehet im Hausse nicht allein zur Besserung derjenigen Person, die etwas verbrochen; sondern auch zum Beyspiele der übrigen Haußgenossen, daß sie sich vor dergleichen und andern Verbrechen in Acht nehmen.  
  Gleicher Gestalt wenn man einen von den Haußgenossen nicht helffen kan, ohne daß darüber die gemeine Wohlfahrt des gantzen Hausses in Gefahr gesetzet wird, so muß man es unterlassen. Und so verhält sichs in vielen andern Fällen.  
  Wiederum weil diejenigen, die mit uns in einer Gesellschafft leben, Fremden vorzuziehen sind; so ist auch ein Hauß-  
  {Sp. 112}  
  Vater nicht verbunden Fremden zu helffen, wenn es mit Nachtheil seiner Haußgenossen geschehen soll. Hingegen wenn ihnen nichts abgehet an dem, was ihnen gebühret; so ist er verbunden mit dem übrigen denen zu helffen, die seiner Hülffe nöthig haben. Z. E. wenn es bey dem Hauß-Vater stehet, eine Bedienung zu vergeben, oder einem darzu behülfflich zu seyn, und er findet unter seinen Hauß- Genossen einen, der darzu geschickt ist; so ist er verbunden, vielmehr ihn als einen Fremden seiner Hülffe geniessen zu lassen.  
  Man siehet aus den angeführten Gründen, daß auch die Haußgenossen insgesammt; sie mögen sonst Nahmen haben wie sie wollen, sowohl als der Hauß-Vater die Wohlfahrt des gantzen Hausses der besondern eines jeden, auch ihrer eigenen, und absonderlich auch das Beste des Hauß Vaters und der Haußgenossen dem Besten Fremder vorzuziehen haben: Woraus viele Fragen sich entscheiden lassen, die in besondern Fällen vorkommen können. Wolffs vernünfftige Gedancken von dem gesellschafftlichen Leben der Menschen. §. 206.207.208.
   
Seelen Wohlfahrt der Seelen, siehe Wohlfahrt der Christen.  
   
Personen Wohlfart, Personen dieses Nahmens, siehe Wohlfahrt.  

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Stand: 5. November 2016 © Hans-Walter Pries