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Zedler: Ehescheidung HIS-Data
5028-8-351-1
Titel: Ehescheidung
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 8 Sp. 351
Jahr: 1734
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 8 S. 191
Vorheriger Artikel: Ehernes Hand-Faß
Folgender Artikel: Eheschuld
Siehe auch:
Hinweise:

  Text Quellenangaben
  Ehescheidung, ist, wenn unter zwey Eheleuten, welche mit einander in einer rechtmäßigen Ehe gelebet, annoch bey ihrem Leben die Verbündniß aufgehoben wird.  
  Es ist dieselbe also annoch von der Trennung unterschieden, welche wegen einer begangenen Nichtigkeit, bey einer mit Recht nicht bestehenden Ehe, Statt findet. Denn wo keine Ehe vorhanden ist, da kan auch keine Scheidung vorgehen. Es kan aber dergleichen Nichtigkeit, woraus die Trennung einer unrechtmäßigen Ehe entstehet, auf zweyerley Weise begangen werden.  
  Die erste ist, wenn die Ehe nach göttlichem Rechte nicht zuläßlich, oder doch auf eine unzuläßliche Art geschlossen worden. Dahin gehören die Fälle, welche Personen, die sich mit einander verheurathen, zum Kinder-zeugen auf eine unheilbare Art untüchtig befunden werden: oder, wenn eine von beyden schon vorhero mit einer andern Person auf Lebenslang sich verheurathet hat. Ingleichen wenn bey Schlüssung der Ehe Betrug, Irrthum oder Furcht gebraucht worden, und endlich wenn nach denen göttlichen positiuen Gesetzen eine Ehe in einem verbotenen Grade der Blut-Freundschafft oder Schwägerschafft geschlossen worden.  
  Die andere Art von dergleichen Nichtigkeit entstehet aus dem Mangel bey der Einwilligung; dahin gehören die Fälle, wenn die Personen bey Schlüssung der Ehe sich ihres Verstandes nicht recht gebrauchen können, oder wenn die Bedingung, unter welchen die Ehe geschlossen worden ist, nicht existirt. Z.E. wenn einer eine Person, die er als eine Jungfer geheurathet, schon von einem andern schwanger befindet.  
  Wenn wir hier von der Ehescheidung reden, so verstehen wir hierunter die Trennung einer mit Recht bestehenden Ehe. Unsre Betrachtung, die wir hierüber anstellen, gehet dahin, daß wir, in wie ferne eine dergleichen Ehescheidung dem Rechte der Natur entgegen oder gemäß sey, untersuchen, hernachmahls einige Erläuterung aus denen Sitten derer Völcker und denen Streitigkeiten derer Gelehrten hinzusetzen.  
  Diejenigen, welche in der Moral die Regulas justi, honesti und decori aus einander gesetzt, meynen, daß nach denen Regulis justi gar wohl der Ehestand nur auf eine Zeitlang könne geschlossen werden. Der Ehestand sey ein Vergleich, und die Bedingung desselben stünde in der Willkühr derer diesen Vergleich eingehenden Personen. Diese Bedingungen nun könnten entweder gewiß oder ungewiß seyn. Sind sie gewiß und ausgemacht, so müsse ein solcher Vergleich mit Einwilligung beyder Personen aufgehoben werden. Wären sie aber ungewißso könnte auch der eine Theil ohne Einwilligung des andern davon abtreten, wenn nur der Endzweck des Ehestandes, nemlich die Erzeugung der Kinder, einmahl wäre aufgehoben worden. Man fände keinen Grund, warum Personen, die zwar zum Kinder-zeugen verbunden sind, sollten gehalten seyn, ihre gantze Lebens-Zeit über solches mit einer Person zu unternehmen.  
  In so weit folgen sie denen Regulis justi; was aber die Regulas honesti anbetrifft, so wollen sie, daß um besserer Ordnung wegen ein so festes Verbündniß wie die Ehe ist, Lebenslang müsse fortgesetzt werden; oder daß sie doch wenigstens so lange werden müsse, biß das Vermögen Kinder zu zeugen aufgehöret, oder die daher erzeugten Kinder erwachsen wären. Thoma-
  {Sp. 352}  
  sius in Jurisp. Diuin. ... und in Fundam. Jur. Nat. et Gent. ...
  Pufendorff de Off. Hom. et Ciu. ... und de Jure Nat. et Gent. ... behauptet im Gegentheil, man könne aus der Natur des Ehestandes, nach der derselbe eine so gar genaue Verbindung wäre, leichte schlüssen, daß derselbe müsse unauflößlich seyn. Titius in Obseru. 489. ad Pufendorf. de Off. Hom. et Ciu. l. cit. und in Dissert. de Polygamia ... pflichtet demselben bey und führet zu Bestätigung seiner Meynung noch nachfolgende drey Gründe an:  
 
  • erstlich wäre es eine falsche Leichtsinnigkeit, sich ohne Ursache von seinem Ehegatten zu scheiden, welche mit der geselligen Natur derer Menschen stritte;
  • Ferner so gäbe dieses zum Ehebruch und zur Hurerey grossen Anlaß
  • und endlich so könne man kein redliches Absehen bey einer solchen Ehescheidung vorgeben.
 
  Treuer ad Pufend. de Off. Hom. et Ciu. l.c. hingegen erkläret sich dahin: Die Ehescheidung sey nach dem Rechte der Natur nicht verboten; man könnte dieses aus demjenigen, daß der Ehestand ein Vergleich sey, welcher durch die Einwilligung derer sich vergleichenden Theile könne aufgehoben werden, herleiten.  
  Was den Einwurff betreffe, welcher auch in der That der stärckste Gegensatz ist, daß die Erziehung derer Kinder dadurch schwerer gemacht würde: so wendet er ein, daß diese Folgerung nicht nothwendig, sondern nur zufällig aus dem Ehestande flüsse; man sähe ja, daß bey Absterben des einen Theils dennoch die Kinder wohl erzogen und wohl versorget würden.  
  Was die Leichtsinnigkeit bey dem Ehescheiden anlange, so würde derselben auf andere Weise abgeholffen. In dem Stande der Natur, worinnen sich die Fürsten befinden, wären andere Bewegungs-Gründe vorhanden, welche sie von leichtsinnigen Ehescheidungen zurücke hielten, dergleichen wären die Furcht vor denen Anverwandten, die Behutsamkeit, die durch die Heurath erlangten Güter nicht wieder fahren zulassen und die Vermeidung derer daraus entstehenden Ungelegenheiten. In dem bürgerlichen Stande könnte dieselbe durch die Gesetze eingeschräncket werden.  
  Wir fallen dieser Meynung bey, und halten dafür, daß wenn nur vor die Erziehung und Versorgung der Kinder genugsame Anstalt getroffen werde, man in dem Rechte der Natur keinen Grund finde, warum die Ehescheidungen verboten seyn sollten; ausser dieser Ausschränckung aber, da der Mißbrauch der Ehescheidung viele Unordnung verursachen kann, halten wir dasselbe keines Weges vor zuläßlich.  
  Selbst die Gegner, welche den Ehestand vor unauflößlich halten, geben dennoch einige Ursachen an, welche die Ehescheidung würcken können, und man nimmt in dem Beweise nichts anders an, als daß der Ehestand ein Vergleich sey; und also ieder Theil verbunden wäre, dieß sein Versprechen zu erfüllen, da man doch anderweitig die Natur des Vergleiches aus denen Augen setzen will.  
  Die Ursachen, welche angeführet werden, wornach eine Ehescheidung vor sich gehen könnte, sind folgende:  
  Erstlich der Ehebruch. Denn weil ein Ehe-Gatte dem andern verspricht, seine Liebe ihm nur alleine zuzueignen, so ist der andere nicht mehr gebunden, wenn er in diesem Falle seinem Versprechen nicht nachlebet.  
  Hernachmahls werden die boßhafftige Verlassung  
  {Sp. 353|S. 192}  
  und halsstarrigen Versagung der ehelichen Pflicht aus eben demjenigen vorhergehenden Grunde dahin gerechnet.  
  Wegen der Unfruchtbarkeit und des Unvermögens Kinder zu zeigen kan man nichts gewisses sagen: indem man nicht wissen kan, wie lange dieselbe dauren werde.  
  Bey denen Jüden wurde die Ehe offt wegen dieser Ursache getrennet. Bey denen Römern geschahe es gleichfalls. Nach der gemeinen Meynung derer Rechts-Gelehrten durffte zwar die Ehescheidung deßwegen nicht vor sich gehen; doch lehren andre, daß wenn der geschickte Ehegatte gerne Kinder haben wolle, od. sonst ohne einer tüchtigen Gehülffin nicht leben könne; so sey die Ehescheidung unter dem Bedinge, daß dem untüchtigen Ehegatten seine Versorgung ausgemacht würde zu, verstatten.  
  Milton hat in einer besondern Schrifft de Diuortiis zu erweisen gesucht, daß die unerträglichen Sitten des einen Ehegatten zur Scheidung hinlänglich wären. Pufendorf de Jure Nat. et Gen. ... hat seine Gründe zusammen gelesen, und untersuchet. Diese Meynung hat zwar keinen allgemeinen Beyfall erworben, doch ist sie in Johann Friedrich Kaysers Disputation, welche er de Jure Principis Euangelici circa Diuortia unter Böhmers Praesidio in Halle 1715. hielte, und die 1720. wieder aufgelegt wurde, ... gebilliget worden.  
  Thomasius in Jurispr. Diuin. ... meynet, es streite wieder das natürliche Recht, daß man Ehegatten wegen ihrer Unverträglichkeit von Tisch und Bette scheide, und zwar unter der Bedingung, daß sie sich nach einer andern Heurath nicht umthun dürfften; es wäre denn, daß solche Scheidung nur eine Zeitlang werde, und zur Züchtigung diente, damit ihre Boßeit vermindert und erforschet werde, ob noch einige Hoffnung zur Besserung übrig sey.  
  Ob nun zwar Hochstätter in Coll. Pufend. ... andere Gedancken hievon heget: so bleibt doch eine solche beständige Scheidung von Tisch und Bette ein ungereimtes Werck. Sie sollen Eheleute seyn, ohne daß sie bey einander wohnen, und sollen Kinder mit einander zeugen, ohne daß sie zusammen kommen.  
  Wenn die Widersacher der Ehescheidung mit dem durch die Vernunfft geoffenbarten Rechte der Natur nicht auszukommen gedencken, so beruffen sie sich endlich auf die, ihrer Meynung nach, in der heiligen Schrifft geoffenbarten Gesetze. Es kommen aber sonderlich drey Fragen hiebey zu erwägen vor: Einmahl ob die Unzertrennlichkeit der Ehe in der Einsetzung des Ehestandes geboten worden? Hernach wie weit Moses denen Jüden die Ehescheidung zugelassen? und dann wie der Streit CHRISTI mit denen Pharisäern zu verstehen sey?  
  Was das erste anbetrifft, ob die Unzertrennlichkeit der Ehe in der Einsetzung des Ehestandes geboten worden? so lesen wir Gen. 2, 24. Darum wird ein Mann seinen Vater und Mutter verlassen, und an seinem Weibe hangen, und sie werden seyn ein Fleisch. Weil nun unser Heyland in der Disputation mit denen Pharisäern Matth. 19, 3. aus diesen Worten den Schluß gemacht: So sind sie nun nicht zwey sondern ein Fleisch. Was nun GOTT zusammengefüget, das soll der Mensch nicht scheiden; so ist dieses vor ein Gesetz zu halten.  
  Diejenigen, welche die allgemeinen willkührlichen Göttlichen Gesetze zuge-  
  {Sp. 354}  
  ben, rechnen solches auch dahin, als Thomasius Jurisp. Diu. ... Wiewohl er sich nachgehends in denen Fundamentis Juris Naturae et Gentium geändert.
  Nachdem man aber wegen solcher allgemeiner willkührlicher Göttlicher Gesetze auf andere Meynungen gekommen ist, so hat man sich auf andre Art zu helffen gesucht; indem man entweder den Unterscheid zwischen dem gerechten, ehrlichen und wohlanständigen hervorgebracht: oder die Gesetze in absolute oder hypothetische eingetheilet, und die Einsetzung des Ehestandes zu der letztern Art gerechnet hat. Buddeus in Inst. Mor. ...
  Die andre Frage: wie weit Moses die Ehescheidung derer Jüden zugelassen, kömmt auf die Worte Mosis Deuter. 24, 1. an: Wenn iemand ein Weib nimmt, und ehlicht sie, und sie nicht Gnade findet vor seinen Augen um etwa einer Unlust willen, so soll er einen Scheide-Brief schreiben, und ihr in die Hand geben, und sie aus seinem Hause lassen.  
  Hierbey kommen zwey Umstände zu betrachten vor: Erstlich warum Moses denen Jüden diese Freyheit gegeben? und denn in welchem Falle selbige Statt gehabt?  
  In Ansehung des erstern erkläret solches der Heyland Matth. 19, 7.
  Als er aus der Einsetzung des Ehestandes den Schluß gemacht hatte: es sollte die Ehe Lebenslang dauern; die Pharisäer aber gleichfalls hierauf antworten: wie Moses gleichwohl geboten hätte einen Scheide-Brief zu geben; womit sie auf die obigen Worte zieleten, so sprach er: Moses hat euch erlaubt zu scheiden von euern Weibern um euers Hertzens Härtigkeit wegen, von Anbeginn aber ists nicht also gewesen. Damit anzeigend, wie man zwar vom Anfange der Welt hievon nichts gewust; nachdem aber der Zustand derer Juden so verderbt, und ihre Boßheit so groß worden wäre: so habe GOTT ihnen nachgesehen. und die Ehescheidung gedultet; in dem Gesetz aber an sich selbst keine Änderung getroffen.  
  In Ansehung des andern: in wie weit nemlich die gegebene Erlaubniß des Mosis Stat gehabt, ist man noch nicht einig, weil man nicht genau wissen kan, wie die Ebräischen Worte, die Lutherus um einer Unlust willen, übersetzet, eigentlich zu verstehen. Wie denn gleich Anfangs unter denen Jüden hierüber Zwiespalt entstanden.  
  Einige glaubten, der Mann wäre genöthiget, sich von einem Weibe, so die Ehe gebrochen, zu scheiden, andre hingegen meynten, es wäre dieses nur zugelassen, und werden wir unten zeigen, daß dißfalls zwischen der Schammäanischen und Hillelianischen Schule vor ein Streit gewesen, ob des Mosis Absicht entweder auf das Laster des Ehebruchs oder auf eine jede Ursache, Vermöge welcher das Weib dem Manne nicht gefalle, gezielet habe? doch da wir wissen, daß dieses wegen der Verstockung derer Jüden geschehen, und wie CHRISTUS das Göttliche Gesetz wiederhohlet und erkläret; so siehet man zugleich, daß dieses zur Haupt-Sache nicht viel thue.  
  Deuter. 22, 22. stehet ferner: Wenn jemand erfunden wird, der bey einem Weibe schläft, die einen Ehemann hat,  
  {Sp. 355|S. 193}  
  so sollen sie beyde sterben, der Mann und das Weib, bey dem er geschlaffen hat, und sollt das böse von Israel thun.  
  Aus welchen Worten wir abnehmen, daß Moses, indem er die Ehescheidung zugelassen, den so genannten Ehebruch nicht als eine Ursache angegeben, weil das angeführte Gesetz, daß man die Ehebrecher mit dem Tode bestraffen sollte, mit selbigen nicht übereinkomme.  
  Endlich ist noch die Disputation des Heylandes über diese Materie anzuführen. Es fragten ihn die Pharisäer: Ist es auch recht, daß sich ein Mann scheide von seinem Weibe, um irgend einer Ursache: Matth. 19, 3.
  Es ist wahrscheinlich, daßdie Streitigkeiten zwischen der Schammäanischen und Hillelianischen Schulen, von welchen bald ein mehreres folgen soll, zu dieser Frage Gelegenheit gegeben; und vermeynten sie, er würde sich zu einer Secte bekennen, welches aber nicht geschahe: denn CHRISTUS gab ihnen zur Antwort: Ich aber sage euch, wer sich von seinem Weibe scheidet, es sey denn um der Hurerey willen, und freyet eine andere, der bricht die Ehe, und wer die abgescheidete freyet, der bricht auch die Ehe. Matth. 19, 9
  Mit welchen Worten der Heyland sie auf die erste Einsetzung des Ehestandes führet, und daraus diesen Schluß macht, daß die Ehe Lebenslang dauern müsse. Es wollen zwar einige, CHRISTUS billige hierinnen die Schammäanische Lehre, und verwürffe die andre Meynung, wiewohl nicht mit klaren Worten, von dem Verstande des Mosaischen Gesetzes; welches wir aber keinesweges zugeben.  
  Denn wenn gleich die Schammäanische Schule die Ehescheidung, im Fall, daß die Ehe gebrochen worden, zugäbe: so verstunden sie doch nicht den eigentlichen und würcklichen Ehebruch, weil ihnen nicht unbekannt seyn konnte, daß die Lebens-Straffe vielmehr darauf stünde, sondern eine schändliche und unzuläßige Geilheit dabey ein Verdacht des Ehebruchs war, folglich konnte dieses nicht des Heylands Meynung bey seiner Entscheidung seyn.  
  Ja es ist offenbar, daß seine Worte als ein Gesetz anzusehen sind, Theils nach denen Umständen der Sache selbst, Theils auch die Redens-Arten keine andre Auslegung verstatten; wenn es heist:  
 
  • was GOTT zusammen fügt, das soll der Mensch nicht scheiden.
Matth. 19, 6.
 
  • ingleichen: Ich sage euch, wer sich von seinem Weibe scheidet, es sey denn um der Hurerey willen, der bricht die Ehe,
Matth. 19, 9
  das ist, die versprochene eheliche Treue, und handelt also ein solcher Mensch so wohl wieder die Regulas honesti als justi.  
  Zwar darff man nicht meynen, als habe CHRISTUS ein neues Gesetz gegeben, weil er kein Gesetzgeber gewesen; sondern er hat nur das alte Gesetz wiederhohlet, welches bißher in Vergessenheit gerathen war, und dasselbige deutlicher fürgestellet. Er giebt gar keine Ehescheidung zu, als um der Hurerey willen, welcher Fall auch Matth. 5, 32. ausgenommen wird.  
  In dem Griechischen heißt es porneia, wodurch CHRISTUS nach dererjenigen Meynung, die hierinnen weiter gehen wollen, jeden wichtigen  
  {Sp. 356}  
  und vernünfftigen Umstand der Ehescheidung begriffen habe; und schlüssen sie daraus, daß er der Lehre der Schammäanischen Schule beypflichte, als welche nicht allein die Ehescheidung bey dem eigentlichen Ehebruche, sondern auch bey einer ieden wichtigen und vernünfftigen Ursache zugelassen habe; so sey es bekannt, daß das Wort porneia oder Fornicatio in der heiligen Schrifft und bey denen Ebräern nicht nur das Laster des Ehebruchs sondern auch andere Verbrechen auf eine verdeckte Art anzeige.  
  Wieder das letzte haben wir nichts einzuwenden, als nur soviel, daß porneia gleichfalls den eigentlichen Ehebruch bedeute, wie Seldenus de Vxore Ebraica ... selbst zugiebet.
  Wir kommen nunmehro auf diejenige Gewohnheit, welche bey denen Völckern in diesem Stücke eingeführet gewesen; da wir denn sonderlich diese Frage zu erörtern haben, ob die Ehescheidung bey denen Völckern erlaubt gewesen? zu Beantwortung derselben kan uns die schon oben angezogene Dissertation de Jure Principis Euangelici circa Diuoetia grosses Licht geben, deren erstes Capitel de Fatis Doctrinae de Diuortiis sehr geschickt ausgeführet worden.  
  Daß die Ehescheidung bey denen Ebräern zugelassen worden, erhellet aus Deut. 24, 1. Wenn jemand ein Weib nimmt und ehlicht sie, und sie nicht Gnade findet vor seinen Augen, um etwa einer Unlust willen, so soll er einen Scheide-Brief schreiben, und ihr in die Hand geben, und aus seinem Hause lassen.  
  Nur war noch dieser Zweiffel bey denen Jüden, ob man das Weib aus einer Ursache, es sey nun was es vor eine wolle, warum das Weib einem nicht gefiele: oder wegen einer wichtigen Ursache, zum Exempel des Ehebruchs, von sich stossen könne, welcher Zweiffel Anlaßgab, daß sich die damahligen Jüdischen Lehrer in zwey Secten theilten. Die Schammäanische Schule behauptete, daß keine andere Ursache, als der Ehebruch zulänglich sey, die Ehescheidung zu verstatten; die Hillelianische hingegen hielte dafür, daß auch geringe Ursachen Stat fänden, nemlich, wenn das Weib von schlechten Sitten, oder dem Manne das Essen nicht nach seinem Sinne gekochet, dahero sie die Ebräischen Worte Mosis Deuter. 24, 1. [zwei Worte Hebräisch] in dieser Schule zertheilt auslegte: als wäre Mosis Meynung, wenn einem das Weib nicht anstehe, entweder wegen einer Schande, oder wegen einer unanständigen Sache, welches letztere sie insonderheit auf die Sitten deuteten, so solte man ihr einen Scheide-Brief geben.  
  Dieser Streit unter denen Jüden gab eben Anlaß daß die Pharisäer, wie wir bereits erwehnet haben, den Heyland fragten: Ists auch recht, daß sich ein Mann scheide von seinem Weibe um irgend einer Ursache: welche Frage auf die Hillelianische Meynung hinaus kam.
  • Matth. 19, 3.
  • Buxtorf de Sponsalibus et Diuortiis ...
  • Seldenus de Jure Nat. et Gent. ...
  Ob die Ehescheidung in der ersten Kirche erlaubet gewesen, scheinet kein Beweiß dieses zu behaupten, da zu seyn, so lang man nemlich in dem Glauben und in der wahren Gottesfurcht bestanden, welches aber nach der  
  {Sp. 357|S. 194}  
  Zeit auch geändert worden.  
  Unter denen Kaysern hat Constantinus M. zuerst ein Gesetz gegeben, durch welches die Freyheit der Ehescheidung eingeschräncket und nur in diesen Fällen beybehalten worden: nemlich, daß eine Frau sich von dem Manne nur wegen Todschlags, Gifftmischerey, und wegen Verwüstung derer Gräber; ein Mann aber von seinem Weibe nur wegen Ehebruchs, Hexerey und Kuplerey scheiden könne.  
  Nachgehends sind von denen folgenden Kaysern verschiedene Anordnungen ergangen, und ist die Meynung derer Kirchen-Lehrer, wegen derer Ursachen, die die Ehescheidung zu Wege bringen können, unterschiedlich; doch kommen die meisten von ihnen darinnen überein, daß dergleichen Trennung einen vorhergegangenen Ehebruch praesubponiret habe, wovon mehr berührte Dissertation, ingleichen Fabricius in Bibliograph. Antiquar. ...weitläufftig handeln.
  Es ist noch übrig, die unterschiedenen Streitigkeiten, welche über die Materie von der Ehescheidung seit einigen Jahren fürgegangen, zu berühren; als zu welchen sonderlich die offtbemerckte Dissertation de jure Principis Euangelici circa Diuortia Anlaß gegeben, der Inhalt derselben ist, daß ein Evangelischer Fürst auch in andern Fällen als bißhero gebräuchlich gewesen, die Ehescheidung zulassen könne.  
  Das erste Capitel zeiget die Historie von dieser Lehre, welche der Auctor mit grossem Fleiß und besondrer Geschicklichkeit abgehandelt. In dem andern wird der Grund zu dieser Sache selbst geleget, da der Auctor die Principia untersuchet, und denen Gegnern sattsam begegnet. In dem dritten Capitel wird das Recht eines Evangelischen Fürsten, in Sachen der Ehescheidung angeführet, welches alles aus obigen Principiis durch Schlüsse behauptet wird.  
  Er giebet in dem letzten Capitel folgende Ursachen an, nach welchen ein Fürst die Ehescheidung zugelassen könne:  
 
1.) Es wäre der Ehebruch so wohl der Natur als dem Endzweck des Ehestandes zuwieder, und brauchte es keines Beweises, ob er ein einfacher oder doppelter sey, ob der Mann mit einer allgemeinen Hure oder einer andern Weibs-Person fleischlich zugehalten: ob die Frau von dem Manne aus dem Hause gestossen, oder von ihm verlassen worden, ob sie es aus Hungers-Noth gethan. u.d.m. Ja es wären wichtige Vermuthungen schon zulänglich, die Sache mögte nun entweder klar erwiesen, oder nicht seyn, so gar, wenn auch die würckliche fleischliche Vermischung nicht geschehen;
 
 
2.) Die boßhafftige Verlassung, welche Ursache man aus denen Worten des Apostels Paulli 1. Cor. 7, 15. erweisen will; da doch der Apostel nur hiervon redet, daßman nicht verhindern könne, wenn ein ungläubiger Mann sich von einem gläubigen Weibe scheide; dahero man diese Ursache vor hinlänglicher hält, daß die boßhafftige Verlassung mit dem Ehebruche für einerley zu halten sey, und nach dieser Meynung habe von derselbigen auch Stat, was CHRISTUS von dem Ehebruch sagt, daßsie eine rechtmäßige Ursache der Ehescheidung wäre;
 
 
3.) Die Hartnäckigkeit, wenn die Ehegatten die eheliche Pflicht zu leisten sich weigerten, da denn, weil dieses dem Entzweck der Ehe zuwieder läufft,
 
  {Sp. 358}  
 
hinlänglich ist dieselbige aufzuheben;
 
 
4.) Die Nachstellung nach dem Leben, oder den Mann seiner Mannheit zu berauben;
 
 
5.) Eine beständige Abtreibung der Frucht;
 
 
6.) Wenn eines von beyden Eheleuten eines Verbrechens halber aus dem Lande verwiesen worden;
 
 
7.) Die Ungleichheit derer Gemüther, weil es einerley sey, ob ein paar Ehegatten dem Leibe oder dem Gemüthe nach sich von einander trenneten, wovon schon oben gesagt worden;
 
 
8.) Die Ruchlosigkeit eines von beyden Eheleuten, welche so wohl durch Entziehung der Ehrerbietung gegen GOTT, als durch einen ruchlosen Lebens-Wandel sich äusserte; weil dieses eine grosse Ungleichheit derer Gemüther anzeige;
 
 
9.) Zanck und unversöhnliche Feindschafft;
 
 
10.) Ansteckende Seuchen und Kranckheiten;
 
 
11.) Unfruchtbarkeit.
 
  Als diese Disputation zum Vorschein kam, gab Johann Michael Lange einen Tractat de Nuptiiis et Diuortiis heraus, und bemühte sich zu erweisen. daß die Diuortia wieder das Jus Naturae wären; gleichwie nun dieser Beweiß von oftberührter Dissertation gantz unterschieden war, so wiedersetzte sich Kayser als Respondens der Disputation in dem zu Kiel edirten abgenöthigten Gegen-Beweiß demselben und vertheidigte sich wieder ihn.  
  Hierauf ließ Lange anno 1717. ein Werck drucken unter dem Titel: Göttlich triumphirende Wahrheit des gründlichen Beweisses, daß die Diuortia oder Ehescheidungen verboten seyn, und nur erst nach dem Sündenfall in kläglichem Statu legali ihren Platz bekommen haben.  
  So kam auch in eben diesem Jahre von Germano Constante, welcher der Herr von Rohr seyn soll, ein neuer moralischer Tractat von der Liebe gegen die Personen anderes Geschlechts, heraus, worinnen ... einige Einwürffe wieder Kaysers Disputation gemacht worden, die aber dieser wenig achtete, sondern vielmehr sich gegen die Wittenbergische Disputation, so 1720 gehalten worden, unter dem Titel: Sana de Jure Principis Evangelici circa Diuortia Doctrina, in denen Fundamentis Doctrinae de Diuortiis obpositis Dissertationi Wittenbergensi 1721. verantwortete.  
  Zum Schlusse wollen wir noch sehen, wies bey andern Völckern wegen der Ehescheidung gebräuchlich gewesen.  
  Bey denen Römern waren sie zweyerley, nemlich Diuortium oder Repudium. Diuortium wird kat' antistoichon von Diuertium à diuertendo formiret, und soll nach der Deriuatione legali in l. 1. π€. de Divort. à diuersitate mentium also genennet worden seyn, quia hi, qui matrimonium distrahunt, in partes diuisas eunt. Wiewohl dieses mehr vor eine Allusion auf die Sache selbst, welche das Wort ausdrückt, als vor eine eigentliche Deriuation zu halten scheinet. Denn die eigentliche Deriuation des Worts Diuortium ist von dem Verbo Diuerto, vor welches man auch öffters Diuortio gebrauchet, herzunehmen. Nach dieser Deriuation nun wird das Wort Diuortium proprie von solchen viis siue itineribus, quae in diversum rendunt seu de Diuerticulis gebrauchet. Terentius Eunuchi ... vbi ad ipsum veni diuerticulum.
  Daher Seruiuo ad Virgilius Aeneid. ... Objiciunt equites sese ad diuortia nota, also commentiret: AD DIVOR-  
  {Sp. 359|S. 195}
  TIA h. e. vias in diuersa tendentes, seu ad diuerticula viae militaris. Also wird es von Tacito XII. Ann. 63. gebraucht, wenn es heist, Arctissimo inter Europam Asiamque diuortio Byzantium in extrema Europa posuerunt Graeci.  
  Daher heissen auch Diuortia aquarum bey denen Auctoribus solche Örter, da sich ein Strom theilet oder ausfleust, welche sonsten auch Diuergia oder auch Diuerticula genennet wurden. Also wird es z.E. von Curtio ... gebraucht, da es heist, Ipso amnes ex Armeniae montibus profluunt ac magno deinde aquarum diuortio iter, quod coepere, percurrunt.  
  In dem sensu figurato aber heist Diuortium nichts anders als eine Distractio inter virum et vxorum, die Scheidung zwischen Mann und Weib. In welchem Sensu es von Cicerone Philipp. ... gebraucht wird; verb. Cujus ex omni vita nihil est honestius, quam quod cum mima diuortium fecit, item: Mimam illam suam suas res sibi habere iussit, welches so viel heist, als facere diuortium cum vxore, sich von seinem Weibe scheiden.  
  Der Unterscheid zwischen dem Repudio und Diuortio bestehet hierinnen: daß bey dem Diuortio die beyden Eheleute gleichsam im Guten von einander giengen, so daß der Mann der Frau ihr eingebrachtes wieder zustellte.  
  Romulus hatte schon ein Gesetz gegeben, daß der Frau niemahls, dem Mann aber nur in drey Fällen sich von der Frau zu scheiden frey stehen sollte:  
 
1) propter venenum liberis datum;
2) propter clauis subiectionem, (welches Amiotus von der Subpositione partus falsi, Xylander und andre aber von Dietrichen und Nach-Schlüsseln verstehn.)
3.) propter adulterium.
Plutarchus in Romulo.
  In denen Legibus XII. Tabb. waren die Ehescheidungen auch erlaubet.
  • Cicero Phil. II.
  • Cuiacius Obs. ...
  • Hoffmann ad L. de Adult. coerc. ...
  Doch war zu Rom dergleichen nicht gehöret, biß a. v. e. 520. Sp. Caruilius es zuerst gethan, weil er vorgegeben, seine Frau wäre unfruchtbar, er aber hätte sie deßwegen genommen, weil er gerne Kinder haben wollte.
  Nach der Zeit pflegte man die Weiber um geringer Ursachen willen, auch wohl priuatim von sich zu stossen.
  • Caroli ad Gell. ...
  • Brouvver ...
  • Heineccius Ant. Rom.
  Julius Caesar gab ein Gesetz, Krafft dessen die Ehescheidung wegen Unfruchtbarkeit nicht gültig war, wenn nicht sieben Römische Bürger, die mündig waren, darbey gewesen.
  • Brouvver 34.
  • Huber Diss. de Ritu Diuort. ...
  • Schulting ad Vlpian. ...
  • Grupen l.c. ...
  Der Flamen Dialis durffte sich von seiner Frau aus keiner Ursache, sie mogte Namen haben, wie sie wollte, scheiden lassen.
  • Cujacius Obs. ...
  • Dempster ad Rosinum ...
  • Pitiscus ...
  Repudium aber war die Trennung zwischen Braut und Bräutigam, da der Bräutigam der Braut mit diesen Worten den Abschied gab: Conditione tua amplius non vtar.
  • Hotomannus de Sponsal. 4.
  • Sigonius de Antiqu. Jur. Ciu. Rom. ...
  • Laurentius de Sponsal. 2.
  Wer nun von beyden Theilen Ursach an dieser Trennung war, dem ward eine Geld-Strafe auferlegt. Wenn die Braut Anlaß darzu gegeben, muste sie den Braut-Schatz dem Bräutigam doppelt wieder geben. War aber der Bräutigam Schuld daran, so behielt die Braut die Morgengabe, die sie von ihm empfangen hatte.
  • Hotomannus de Vet. Rit. Nupt. 12.
  • Noodt
  {Sp. 360}
   
  Comment. in Pand. ...
  Die Haupt-Ursache der Ehescheidung blieb der Ehebruch bey denen Römern, doch konnte man nach fünff Jahren weder Mann noch Weib, wegen dieses Verbrechens belangen. Diese Zeit von fünf Jahren wurde von dem Tage des begangenen Ehebruchs an gerechnet. Die sechzig Tage aber, darinnen der Mann seine Frau verklagen konnte, zehlte man von dem Tage der Ehescheidung, nur ist zu mercken, daß es auch vor Ausgang derer fünff Jahre geschehen muste.
  • l. 29. ...
  • Augustinus de Legib. ...
  Es wurde auch derjenige als ein Ehebrecher gestrafft, welcher in seinem Hause wissentlich Ehebruch geschehen, oder seine Frau ums Geld mißbrauchen ließ l. 8. ...
  Die Straffe des Ehebruchs war unterschiedlich:  
 
1) Die Ausschneidung derer Testiculorum.
  • Horatius Sat. ...
  • Martialis ...
  • Ouidius Metam. ...
 
Die Römer haben dieses vielleicht von denen Egyptiern gelernet, bey welchen derjenige so im Ehebruch ertappet wurde, tausend Schläge bekam, und hernach verschnitten wurde.
  • Alexander ab Alexandro Genial. Dier. ...
  • Dempster Paralip. ad Rosin. Antiqu. ...
 
2) Die Abschneidung und Zerstümmelung derer Glieder, sonderlich derer Ohren und Nasen, dadurch man anzeigte, was vor ein schändlich Laster die Hurerey sey.
  • Virgilius Aen. ...
  • Martialis ...
  • Turnebus Adu. ...
 
3) Die Todes-Straffe. Denn der Vater hatte das Recht, wenn er seine Tochter mit einem in Ehebruch antraff, beyde ungestrafft zu erstechen. Es war aber also zu verstehen, daß er es auf der Stelle und im ersten Zorn thun muste, konnte auch nicht die Tochter etliche Tage hernach umbringen, wenn er den Ehebrecher auf frischer That ermordet hatte.
  • l. 23. ...
  • Cujacius Obseru. ...
  • Hoffmann ad L. Jul. de Adulter. ...
  Denen Atheniensern hatte Solon ein Gesetz gegeben, man sollte denen Weibern allen weiblichen Schmuck benehmen, und sie weder in denen Tempeln noch bey andern ehrlichen Zusammenkünfften leiden. Meursius in Solon. ...
  Den Ehebrecher durffte der Mann, der Frauen Vater und Bruder ohne Bedencken tod schlagen.
  • Danet ...
  • Petitus Leg. Attic.
  • Scaliger ad Eusebium
  • Potter. in Archaeologia.
     

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Stand: 3. Januar 2023 © Hans-Walter Pries