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Zedler: Wald [4] HIS-Data
5028-52-1145-6-04
Titel: Wald [4]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 52 Sp. 1168
Jahr: 1747
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 52 S. 597
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Übersicht
Mancherley Ursachen, wodurch eine Waldung ins Abnehmen und Verfall gerathen (Forts.)
  10 - 26
Verdorrung der Fichten- und Kiefer-Wälder

  Text  
 
Nicht weniger geschiehet mancher Schade, wenn
 
 
10) auf den Schlägen und Hieben das Grashauen nachläßiger Weise verstattet wird, weil der junge Wuchs und die Sommerlatten gar leichtlich mit abgehauen und verderbet werden kan.
 
 
Die Nachläßigkeit der Forstbedienten äussert sich auch dadurch, wenn
 
 
11) sie bey dem Schlagen der Höltzer nicht beobachten, daß die Hiebe zuletzt recht reine gemacht werden. Es ist gewiß, daß die Höltzer, sonderlich die schwartzen, nicht ohne Unterscheid wegzuschlagen, sondern man muß zuerst die besten Nutzhöltzer herausnehmen, und sie verkauffen.
 
 
In dem schwartzen Holtze ist dem jungen Anwuchse nichts schädlicher, als die Zimmerhiebe, wenn die Zulage des Gebäudes an Ort und Stelle, wo es gehauen worden, geschiehet. Denn durch das langwierige Hin-und Wiedergehen der Zimmerleute, sonderlich im nassen Wetter und weichen Erdboden, wird das junge Holtz, oder der in der Erde befindliche Saame nicht nur zertreten und zernichtet, sondern es verhindern auch die vielfältig auf dem Erdboden liegenden Spähne desselben Wuchs und Anflug, so, daß es unmöglich durchkommen kan.
 
 
Wolte man gleich einwenden, daß nach Verfertigung der Zulagen die Spähne von den Zimmerleuten weggeräumet würden, so sind doch noch viele kleine mit dem Beil gehauene dünne Späne, welche liegen bleiben, den Erdboden bedeckt halten, und den Saamen eher nicht in die Höhe lassen, biß sie verfaulet. Es ist demnach allezeit, wenn es der Ort und die Gelegenheit zuläst, dahin zu sehen, daß das Zimmerholtz, wenn es noch rund ist, mit den Pferden, bis zu einem unschadhafften Ort hinaus geschleifft, und die Zulage des Gebäudes daselbst verfertiget werde.
 
 
12) Das Ausbrechen der Stöcke ist zwar ein den Forstbedienten von langen Jahren her gewidmetes Accidens, und ihnen auch daher, wenn es in seiner Masse bleibet, noch ferner zu gönnen, weil die Tannen- Fichten- und Kiefernstöcke ohnedem nicht wieder ausschlagen, sondern nach und nach ausfaulen; jedoch muß solches gleich nach Verfertigung der Scheite geschehen, und nicht erstlich, wenn der junge Anflug um die Stöcke schon wieder zu sehen ist. Denn alsdenn brechen sich wohl die Stöcke mit leichter Mühe aus, es reisset aber die Wurtzel das junge umstehende Holtz mit heraus, u. der Stockbrecher macht durch sein vielfältiges Herumgehen gar viel zuschanden.
 
 
Es sind diejenigen Stöcke, von welchen nutzbar Holtz geschlagen, und die mit dem Eisen bezeichnet worden, bis zur Räumung des gantzen Ortes nicht auszubrechen, massen man sonst nicht sehen kan, was gestohlen oder verkaufft sey. Solchergestalt kan der Forstbediente, wenn er kein Gewissen hat, seinen Herrn gar leicht betrügen.
 
 
Bey dem harten Holtze sind durchaus keine Stöcke zu brechen, indem solche Stöcke wieder ausschlagen. Grosse Stockschmatzen zu lassen, ist allewege unverantwortlich, und der Herrschafft nachtheilig. Der Holtzhauer kan sich schon bücken, und den Baum tieff abhauen; je tieffer es geschicht, je besser ist es vor die Herrschafft.
 
 
Ist das nutzbare Holtz weg-
 
  {Sp. 1169|S. 598}  
 
geschlagen, so kömmt
 
 
13) die letzte Arbeit an die Köhler, die, weil sie alles gebrauchen können, die Berge recht rein machen müssen, es geschicht aber doch öffters nicht, da sie die Brüche liegen lassen. Und daher kommt es auch, daß die Berge nicht so bald wieder anflügen, weil die im Wege liegenden Bruch-Höltzer es verhindern. Der Saame greifft wohl auch auf den Stöcken und Steinen zur Erden, allein es gehet desto länger zu, wenn er gleich auf die Erde fiele, so könnte er auch bald in die Höhe schiessen, hingegen auf solche Art muß er, bevor er zur Erden kömmt, seine meiste Krafft in die Wurtzel gehen lassen, um bleibt dabey immer ein zartes und sehr kleines Reisgen.
 
 
Wie nun die Köhler alles zu ihrem Nutzen gebrauchen können, also handeln sie auch das Holtz gar zu gerne überhaupt an sich; weil sie aber einen allzugrossen Profit darinnen suchen, und die Herrschafft wenig Nutzen davon hat, so ist dieses eben nicht rathsam, und es ist besser, wo das Holtz nicht gar zu kröpfigt ist und sich halbwege spalten läßt, daß man es ihnen Malterweise überläßt.
 
 
Die Köhler thun auch damit grossen Schaden, wenn Sie Reiß holen, ihre Meuler damit zu decken, denn da pflegen sie, wo üble Aufsicht ist, in die grünen Berge zu lauffen, und die Bäume bis in die Gipffel hinein zu schnitteln, auch wohl von den jungen Bäumgen das Reiß abzuschneiden. Es ist dieses aber sehr unrecht, und solte ihnen billig nicht erlaubet werden, als nur von dem Holtze, das sie zu ihrer Arbeit umschlagen, und am Hiebe, woran sie ligen, das Gras zu nehmen, und zu gebrauchen.
 
 
Wenn
 
 
14) vor die Unterthanen Brennholtz, und vor die Bedienten Deputatholtz gemachet werden soll, so pflegen unachtsame Forst-Bedienten alsobald das grüne und stehende Holtz zu nehmen, und solches umzuschlagen. Sie bekümmern sich sodenn wenig darum, ob noch hier und da Bloch-Giebel, Brüche und eintzelne dürre Bäume zu finden, welche sie zuvor nehmen, zu Klaffter- und Malter-Holtz schlagen, und also bey dem Deputat-Holtze mit fortschaffen solten, wo aber solches nicht in Acht genommen wird, da muß viel Holtz verfaulen, und hätte manch grünes Holtz können gespahret werden.
 
 
Wenn sie
 
 
15) die Klaffter- und Malter-Höltzer legen lassen, führen sie offt aus Nachläßigkeit keine Maase bey sich, daß also in Ermangelung derselben die Klafftern hoch geleget werden müssen. Geschicht dieses in grosser Menge, so solte man nicht meynen, wie viel es in einer grossen Waldung austräget, und wie viel einer Herrschafft dadurch abgehen müsse. Wie denn kein Holtz, es habe Nahmen wie es wolle, überhaupt hingegeben werden muß, es sey denn ein Well- Krippen- oder anderer Baum, der nicht zerschnitten werden darf, weil man doch nach dem Augenmaas immer gar leichtlich fehlen kan, und ein Baum vielfältig verkauft worden, daraus nachgehends die Leute fünf bis sechs mahl mehr wieder gelöset.
 
 
Es ist bekannt,
 
 
16) daß den armen Unterthanen zu Nutze wöchentlich an zwey Tagen in der Wochen erlaubt ist, im Holtze dürre Reisser und Spähne zu suchen und aufzu-
 
  {Sp. 1170}  
 
lesen. Wo nun die Jäger allzu commode sind, und nicht fleißige Aufsicht über solche Leute haben, oder wohl gar heimliche Trinckgelder von ihnen nehmen, und hernach alles geschehen lassen, so entstehet durch dis Holtzlesen grosser Schaden, indem sie, an statt des dürren Holtzes, grüne Äste und Bäumgen abhauen, und öffters einspännige Höltzer mit sich schleppen. Es ist diesen Leuten nicht mehr als eine Hacke zu vergönnen, womit sie die alten Stöcke von einander schlagen können. Um diesem Übel abzuhelffen, muß man die Übertreter pfänden, die Pfänder in das Gerichte auslieffern, und sie nachgehends scharff bestraffen.
 
 
Öffters unterstehen sich auch die Leute, wenn sie
 
 
17) in die Mehl- Heidel- oder Erdbeeren gehen, an viel hundert Stämmgen die Schalen abzuschälen, und davon kleine Körbgen zu machen, ihre Beere hinein zu sammlen. Wie nun aber die Bäume gar leicht hievon verdorren, also muß durch gute Aussicht diesem Übel gesteuret werden.
 
 
Zur Abnahme der Waldungen träget auch gar viel bey, wenn
 
 
18) die Bau-Leute die Schwellen an den Häusern gar zu tief legen, daher es denn kömmt, daß solche viel eher faulen, als sonst, und haben die Forst-Bedienten öffters nichts anders zu thun, als nur Schwellen-Bäume anzuweisen. Es ist demnach viel besser, wenn die Unterthanen dahin angehalten werden, daß sie die Schwellen wenigstens zwey Schuh hoch legen müssen.
 
 
19) Den Vogelstellern ist nicht zu gestatten, daß sie zu ihren Fuß-Reisern und Fallen das grüne Holtz ohne Unterscheid abschneiden, sondern sie müssen sich nur des dürren und der Brüche bedienen. Sie sollen auch nicht auf jungen Schlägen die Sommerlatten und Spießruthen zu ihren Schweißbügeln abschneiden, und den jungen Schlag mercklich dadurch schmälern.
 
 
Wie
 
 
20) durch die Hirten-Feuer offtmahls auf den Wäldern ein solcher Brand entstehe, daß hernach fast alles drauf gehet, hat man schon offt mit Schaden erfahren, und ist daher auch, um dergleichen Übel, soviel als möglich, durch menschliche Vorsichtigkeit abzuwenden, alle Sorgfalt vorzukehren.
 
 
Nächst dem
 
 
21) werden auch die wilden Obst- und Quitschen-Beer-Bäume offt gar sehr beschädiget, wenn die Leute darnach steigen, und das Obst sammlen wollen. Wie aber dieses Obst dem Wildpräth eine gar gute Nahrung, die Bäume auch gemeiniglich von den Leuten dabey sehr zerbrochen werden; also ist dieses eine Sache, die ohne Schaden nicht gar wohl zugelassen werden kan.
 
 
Wenn
 
 
22) die Eichel- und Buchmast geräth, treiben die Beamten und Jäger offt viel Schweine ein, oder geben unterschiedlichen Leuten Lesezettel, die ihnen Eicheln und Bucheckern um die Helffte lesen, und halten hierinnen kein Maas, die Herrschafft mag deswegen verordnen, was sie will.
 
 
Desgleichen
 
 
23) weisen sie nach Belieben Holtz an, wenn gleich der Wald in Grund verderbet werden solte, nur, daß sie ihre Accidentien, Nachmeß- und Anweise-Gebühren bekommen.
 
 
24) Die Grentz-Wege werden durch das brüchige Holtz offt verbrochen, daß man in der Grentze nicht mehr fah-
 
  {Sp. 1171|S. 599}  
 
ren kan, sondern zuweilen Seiten-Wege in das Holtz gemacht werden. Es wird hierdurch nicht allein der Herrschafft viel Holtz zu schanden gefahren, sondern es gehen auch öffters die Grentz-Wege hierüber verlohren, und entstehen hieraus unter Herrschafften und Unterthanen mancherley Zwistigkeiten, wo nicht ein vorsichtiger Jäger solche verbrochene Grentz-Wege beyzeiten aufschneiden lässet.
 
 
25) Das harte Holtz kan gar sehr ruiniret werden, wenn man es unordentlich abhauet, und die rechte Zeit im Herbst, und Frühjahre nicht beobachtet, oder man auch hier und da Bäume aushauet, wo vieler Unterwuchs von ein bis zwey Ellen herumstehet, da die grossen umgeschlagenen Bäume zu hundert Latten mit umschlagen. Geschiehet nun dieses nicht an einem, sondern an vielen Orten, so kan man leicht erachten, daß ein gar grosser Schaden daraus entstehen müsse.
 
 
Bisweilen werden auch aus Nachläßigkeit der Holtzhauer die grösten Stücken Holtz, so da zum Malterholtz geschlagen werden könten, zum Afterschlag gebracht, und so und so viel lange Stöcke mit unter die Wellen gelegt. Gleichwie es aber sehr ungewiß und betrüglich ist, wenn man solch Holtz nach der Grösse einer Welle mit den Augen ausmessen will, also wächst auch der Herrschafft dieser Nachtheil zu, daß, wenn das Holtz im Malter geleget würde, solches mit grösserm Vortheile verkaufft werden könnte.
 
 
Ungetreue Diener befördern auch darinnen den Schaden der Herrschafft, wenn sie ohne Unterscheid und ohne Ansehen, ob das Holtz wüchsig, oder nicht, oder ob es noch ins Geld wachsen könne, solches wegschlagen und den Schlag so reine machen, daß man auch einen Wurm darauf könne kriechen sehen. Allein dis geschiehet des eigenen Interesse halber, in dem es viel Accidentien darbey setzt. So gedencken sie auch im geringsten nicht weder an den Eckerkamm, noch Fortpflantzung des harten Holtzes, sondern sind nur bemühet, fein viel Capitalia in ihren Beutel zu pflantzen.
 
 
Daß
 
 
26) durch das häufige Verdorren öffters gantze Waldungen aussterben, und verwüstet werden, ist aus der kläglichen Erfahrung bekannt.
 
 
Von der
 
  Verdorrung der Fichten- und Kiefer-Wälder  
  hat man vor einigen Jahren in dem Churfürstenthum Sachsen mit Betrübniß wahrgenommen, wie grosse Theile der Fichten- und Kiefer-Wälder gäntzlich verdorret und eingetrocknet, das erste Verdorren ereignete sich in dem beruffenen Tharandischen Walde vom Jahr 1706. an bis 1713. in grosser Menge, und wohl an zweymahl hundert tausend Stämmen, welches fast alles in den nassen und morastigen Gegenden auf den trockenen Boden aber am wenigsten geschehen, und hat man damahls dafür gehalten, daß dieses Übel daher rühre, weil in den Jahren 1702. 1704. 1707. und 1708. schlechte Winter mit wenigem Schnee auch trockene Sommer gewesen, daher an nassen Orten im Holtze die nöthige und sonst gewohnte Feuchtigkeit entgangen, zumahl zu selbiger Zeit keine andern Ursachen, wegen dieses Holtz- Verdorrens, wahrgenommen worden.  
  Nach diesem aber, seither dem in der Nacht den 11. und 12. Febr. im Jahr 1715. gewesenen bekannten Sturmwinde, durch  
  {Sp. 1172}  
  welchen allenthalben in Wäldern, sonderlich im Tharandischen unzähliche tausend Stämme Holtz mit den Wurtzeln ausgerissen und umgeworffen worden, ist das Absterben des Fichtenholtzes am ersten auf dem Tharandischen Walde, so allda bis 1719. in sehr grosser Anzahl nicht allein fortgefahren, sondern auch nach und nach in andere Wälder weit und breit eingerissen, und in den trockenen Sommern, im Jahr 1718. und 1719. ungemein überhand genommen.  
  Es haben sich auch in den abgewichenen Zeiten dergleichen abscheuliche Seuchen ereignet, wie es denn in dem Gebürge augenscheinlich und Landkündig ist, daß gantze Wälder also anflügen, und von Gipffel an bis auf den untersten Stamm Beinhart ausdorren. Man hat es vor Zeiten bey Joachims-Thal angemerckt, sonderlich im Jahr 1680. und folgende Jahre beklaget, daß viel Wälder von Eger her verdorret, auch solches auf dem Schlackwerdischen Gebiete geschehen, ehe der letzte Hertzog Friedrich Julius, und mit ihm der gantze Stamm der Hertzoge von Sachsen-Lauenburg abgestorben.  
  Man muß sich darüber desto mehr verwundern, denn eines Garten Baums Siechthum erweiset sich an der Rinde, wenn sie von unten hinauf, bis zum Gipffel schwartz wird und verdorret, welches man die Natter nennet, ingleichen den Krebs an Birnbäumen, und den Brand an Äpffelbäumen. Diese wilden Bäume sind viel dauerhafftiger, haben einen fetten, ölichtern und zähern Safft, damit sie den verzehrenden Dingen widerstehen; absonderlich sind Fichten und Tannen recht immer grünender balsamischer Natur, darum sie ihren Tangel im Frost und Schnee, Hitze und Ungestüm, ordentlicher Weise, nicht fallen lassen. Es wäre Schaden genug, wenn diese Darre und Seuche nur das Fichten-Holtz betroffen, allein der Augenschein zeiget, daß auch grosse ungeheure Tannen, solchem Siechthume unterworffen gewesen. Es geschieht zwar nicht so leicht an den auf hohen und trockenen Gebürge wachsenden Tannen, wohl aber an andern, die im Sumpfe und Schatten aufgewachsen.  
  Über das Absterben dieses Holtzes sind nun mancherley Meynungen ausgefallen. Einige haben es dem grossen Winde zugeschrieben, weil durch selbigen bey gewaltsamer Niederwerffung so gar vieler und starcker Bäume, die neben an und sonst stehen gebliebenen Bäume zum Theil aus ihrem Stande beweget, viel Wurtzeln daran mit loßgerissen, oder wenigstens locker gemacht worden seyn sollen. Welche Meynung aber, ob wohl die Umstände einigen Grund zu haben scheinen, dadurch widerlegt wird, indem nur Fichten und keine Tannen, Kiefern, Buchen und Eichen verdorret, ingleichen es fast durchgehends nur mittelmäßige betroffen, da doch die starcken nebst den Tannen, wegen ihrer Höhe, dichten und mehrern Reisigs, der Wind viel eher treffen, fassen und bewegen können; Ferner das Absterben der Fichten in denen Refieren erfolget, allwo der Wind wenig oder kein Holtz geworffen, oder selbige gäntzlich übergangen. Man findet auch nicht Exempel, das an allen Orten die Bäume nach starckem Winde verdorret.  
  Es wäre auch noch zu streiten, ob die Winde die  
  {Sp. 1173|S. 600}  
  Bäume nicht vielmehr fester als locker machten. Andere messen diesen sonderlichen Siechthum unterschiedenen Ursachen bey, als dem mineralischen Erdfeuer, das die auf Erdgängen stehenden Bäume ziemlich schwäche, zwieselt und strupigt mache; aber darum verdorren sie nicht gantz und gar; oder den gifftigen Thau, der auf die Wälder fällt, und eine grosse Fäulung verursacht, daß allerhand schädliches Ungeziefer und Gewürme zwischen der Rinde und dem Holtze wächset, so sich tief in Kern einfrißt und den balsamischen Safft vergiftet und verzehret.  
  Es ist auch diese Meynung allerdings am meisten gegründet; denn man hat bey solchem Holtzsterben beobachtet, wie zur Frühlings-Zeit, im May und Junio, an Fichten in der Schale oder Rinde sich kleine Löcher mit Würmern gefunden, so die Gestalt eines Käfers, sonderlich an Flügeln etwan in dieser Länge u. Stärcke [Grafik] auf gewisse Masse haben, welche in der Rinde zwischen dem Holtze sich fortfressen, zugleich einen Schmeiß als Eyergen dieses Puncts . groß, von sich lassen, daraus weisse Mädgen hervorkriechen, die sogleich in der Schaale, Zweifels ohne ihrer Nahrung nach, hin und wieder fahren, auch binnen etlichen Wochen mit einem braunen Köpfgen, so groß als eine gemeine Käsemade werden ; sodenn wachsen ihnen Flügel und Beine, und färben sich auch nach und nach braun, bis sie in Zeit von vier, fünf bis sechs Wochen zur Vollkommenheit gelangen; da denn der Baum gäntzlich dürre ist, darinnen sich dergleichen befunden.  
  Wenn dieses geschehen, ziehen sie aus, vermuthlich aus Mangel der Feuchtigkeit zu ihrer Nahrung, denn man, wenn die Bäume, wie itztgedacht, dürre, hernach fast keinen Safft darinnen mehr antrifft, fliehen hernach fort, und beissen sich in frischen Bäumen wieder durch, darinnen sie sich auf gleiche Weise fortpflantzen. Diejenigen, so im October anfallen, und sich einfressen, halten sich den Winter über stille, bis zum Frühjahre, da sie sich aufs neue bewegen, und ihr Verderben fortsetzen, wiewohl deren im Winter, sonderlich wenn es sehr nässet, viele todt bleiben. In einem eintzigen Stamme befinden sich deren viel tausend von unten bis oben aus, alle in einerley Gestalt, nur daß theils manchmahl etwas bräunlicher aussehen. Nebst diesem finden sich auch kleine Maden in solchen Bäumen, welche sich, wenn diese gäntzlich dürre, wie jene verlieren, und wie man bemercket, den Vögeln zur Nahrung dienen.  
  Es hat sich das Absterben zu Ausgang des Sommers im Jahr 1709. auch theils Orten an einigen zähen Tannen geäussert, darinnen man mehrerley Würmer, als in Fichten gemercket, worunter jedoch eine Art denjenigen, so vorher in Fichten beschrieben worden, der Gestalt und den Flügeln nach gantz gleich, aber nur etwan halb so groß seyn; Das andere sind Maden, wie nur erwehnet; die dritte Art aber ist der sogenannte weisse Holtzwurm, oder eine grosse Made, so ein scharffes Gebiß am Kopfe hat, und wohl die Länge eines Querfingers erreichet, auch, wenn dieser Wurm erst zwischen der Rinde und dem Holtze gewachsen, sich nachmahls im Holtze fast bis auf den Kern einfrißt; welche dreyerley Würmer; wie man zur Zeit beobachtet, zwischen Holtz und Rinde gezeuget werden, davon jedoch die ersten von Tannen wie an Fichten ausziehen  
  {Sp. 1174}  
  und fortfliegen können.  
  Es giebet von diesem Wurmgeschmeisse unterschiedliche Arten: Einige sind ein Raupen-Geschlecht, welches hernach zu einem Zwiefalter wird, und wieder junge Raupen ansetzet; andere sind nach Art der Holzmaden ohne Flügel.  
  Woher und durch was Ursachen dergleichen Gewürme und Geschmeisse gezeiget werde, ist nicht so leicht zu sagen; ob sie anderswo, etwan bey grossen Winden herbeygeführet werden, oder ob solche die bösen Nebel, Thaue, grosse Dürre oder Einfluß des Himmels erzeugen. Man solte fleißiger bey erfahrenen, Jagd- und Forstbedienten Erkundigung einziehen, was sie vor Anmerckungen hierinnen gemachet hätten.  
  Man kan auch nicht recht gewiß bestimmen, durch was für Mittel und menschliche Vorsichtigkeit dergleichen Unheil könnte abgewendet werden. Es stünde zu versuchen, ob es nicht gut thäte, wenn man an sumpfichten Orten besondere Sauergräben aufwerffen liesse, daß das Erdreich davon trocken gemacht, und also auch die entstehende Fäulniß, und folglich die Zeugung der Würmer gehindert würde.  
  Wir können noch einige Ursachen angeben, so die Verdorrung der Wälder befördern, und ist einer von denen vornehmsten, die dürren Sommer, denn wenn die Regen ausbleiben, wird man bey dergleichen Jahren, zumahl an Sommerwänden und Bergen gar bald mercken können, daß das fichtene Holtz vertrocknet. Doch dieser Schaden betrifft nur die hin und her stehenden eintzelnen Bäume, welche an Wurtzeln entblösset, oder sonst auf magern Erdreiche stehen, und dieser Wärme unterworffen sind. Solche verwelcken nun allezeit von oben hinein bis auf des Stammes Wurtzel zugleich.  
  So trägt auch zu der Ausdorrung des zumahl fichtenen Holtzes, nicht wenig bey, wenn ein Holtz sehr ausgezogen und gelichtet wird, und die stärcksten Stämme herausgehauen, nachmahls aber in Meynung, daß man die kröpfigten und überbliebenen unartigen zum bessern Wuchse bringen will, diese Örter nicht zugleich abgeräumet werden, daß man den Abraum zum Scheiten nachführen könne. Da geschicht es denn, daß die Winde die Bäume in der Wurtzel loßreissen, und die kleinen zaserigten Wurtzeln aus dem Erdboden herausziehen, zumahl bey den Fichten, als welche ohnedem mit ihrer Wurtzel aus der Erde gar seichte fortlauffen, und daher dieser Kranckheit am meisten unterworffen.  
  Man darf eben nicht glauben, als ob die Würmer und das Ungeziefer, die man in einigen verdorreten Bäumen antrifft, an deren Absterben allezeit Ursache sey. Es empfinden solche Würmer durch die Lufft, welcher Baum zum Welcken geneigt, oder angefangen hat. Denn, wenn ihm der Safft anfängt zu vertrocknen, hat er einen solchen starcken Geruch, daß ihn auch ein Mensch empfinden kan. Nach welchem angenehmen Geruche der Wurm nachgehends flieget, und sich häuffig anhängt.  
  So sind auch die im dürren Holtze zwischen der Schale so wohl als auswendig sitzenden weissen Würmer, in Gestalt der Engerlinge, nicht allezeit Ursache an dem Verdor-  
  {Sp. 1175|S. 601}  
  ren des Holtzes, sondern sie wachsen erstlich, wenn das Holtz anfänget zu welken, aus der Fäulung des Safftes.  
     

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Stand: 27. Februar 2013 © Hans-Walter Pries