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Quellenangaben
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Sachen (Geistliche) Res spirituales
oder auch Res ecclesiasticae, machen in dem
Canonischen oder Päbstlichen Rechte einen besondern und nicht geringen
Theil
desselben aus. |
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Es wird aber nicht undienlich seyn, etwas genauer zu
untersuchen, worinnen
denn eigentlich die
Natur
und das
Wesen derer geistlichen
Sachen bestehe. Absonderlich da das Pabstthum
hierinnen vieles eingeführet, welches nicht allein der übrigen
Rechtsgelehrsamkeit, sondern auch der
Heil. Schrifft entgegen zu seyn scheinet. |
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Was also die sogenannten geistlichen Sachen selbst anbelanget; so findet man
in dem
Verstande des päbstlichen Rechts bey keinem
Welt-Weisen und
Rechtsgelehrten davon etwas. Und wenn man gleich
sagen wolte, daß diese
Dinge
ihnen unbekannt gewesen wären, in dem dererselben bloß alleine in der
Heil. Schrifft Meldung geschähe; so ist doch solches gantz falsch, indem auch in
dieser davon nichts gedacht wird. Denn obschon das
Wort Ecclesia
öffters in der
Schrifft vorkommet, so ist doch theils aus der Kirchen-Historie,
theils auch aus andern
Schrifftstellern zur Gnüge bekannt, daß es niemahls die sogenannten
Geistlichen
alleine bedeutet. Da man aber in dem Pabstthum es von diesen allein
verstehen,
und die Läyen davon gantz und gar ausgeschlossen wissen wollen; so hat es nicht
anders seyn können, als daß man diejenigen Dinge geistliche Sachen (Res
spirituales oder res ecclesiasticas,) genennet hat, welche von der
Geistlichkeit dazu gemacht worden seyn, dergestalt, daß die Läyen daran gar kein
Recht
haben, sondern wenn sie sich dererselben anmassen wolten, zeitliche und ewige
Straffe
zu befürchten haben. |
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Es sind diese aber zweyerley, entweder Geistliche im besondern
Verstande, (Res
mere spirituales) nehmlich das Wort GOttes, die Sacramente u.d.g. oder auch
sonst an und vor sich selbst nur
weltliche Sachen, (Res temporales) als
Tempel, Kirchen-Güter, Häuser, Zehenden etc. Und auch darinnen brauchet das
Canonische Recht diese
Wörter in einem gantz andern Verstande, als sie in
der
Schrifft und bey andern
Scribenten
genommen werden, indem es unter dem
Worte geistlich nicht allein die
Personen
und
Sachen, sondern auch gerichtliche Streitigkeiten,
Straffen,
und dergleichen,
verstehet. |
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Denn in der
Schrifft
wird zwar das
Wort Spiritus oder
Geist auf
unterschiedene Art genommen. |
Hammondus in Notis ad Evang. Luc IX,
55. |
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Aber es ist nicht von Nöthen, daß wir uns dabey aufhalten, sondern wir
wollen die Entscheidung der Sache vielmehr nur denen Gottesgelehrten überlassen.
Absonderlich, da die Ausleger darinnen nicht einig seyn. |
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Inzwischen findet man an unterschiedenen Orten, daß das Geistliche dem
Fleischlichen entgegen gesetzet wird. Also
sagt Paulus, |
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- Röm. VII, 14. „Denn wir wissen, daß
das Gesetz geistlich ist: Ich aber bin Fleisch, unter die Sünde verkaufft;„
- und im XV Cap. 27. „Denn so die Heyden sind
ihrer geistlichen Güter theilhafftig worden, ists
billig, daß sie ihnen auch
in leiblichen Gütern Dienst beweisen.
- Und 1 Cor. IX, 11. „So wir euch das
Geistliche säen, ist ein groß Ding, ob wir euer Leibliches erndten.„
- Und
{Sp. 210}
Röm. VIII, 5. u.ff. „Denn die da
Fleisch sind, die sind fleischlich gesinnet; die aber geistlich sind, die
sind geistlich gesinnet;„
- und an andern Orten mehr.
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Aus diesen allen siehet man gantz deutlich, daß der fleischliche
Mensch
nichts anders, als denjenigen, andeutet, so nach seinen verderbten
Affecten
lebet, und der Wollust, Ehr- und Geld-Geitz den Zaum lässet; Der
Geistliche
aber, so vernünfftig und nach denen Lehren Christi lebet, und also auf alle
Weise seinen Affecten zu widerstehen sich bemühet. Da nun also die Clerisey,
alleine der geistliche Mensch zu seyn,
prätendiret, und hingegen die Läyen mit
dem
Namen der fleischlich-gesinnten beleget; so siehet man gar deutlich, wie
solches nicht nur dem
Verstande der
Heil. Schrifft gantz und gar zuwider ist,
sondern auch, wie übel von denenselben die Läyen gehalten werden. Und wolte man
gleich
sagen, daß in dem
päbstlichen Rechte
nirgends stünde, daß die Läyen von
dem geistlichen Menschen ausgeschlossen wären; so
beweiset es doch der
Augenschein und die
Erfahrung,
indem man die Clericos,
Geistliche,
den
geistlichen Stand, das geistliche
Regiment;
Hingegen die Läyen,
Weltliche,
den
weltlichen Stand, das weltliche Regiment nennet. |
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Weltlich aber heisset bey ihnen nichts anders, als fleischlich. Denn
weltlich seyn, kan nichts anders bedeuten, als entweder in der
Welt,
oder von der Welt seyn, und sich der Welt gleich stellen. Nehmen die Päbstler es
im ersten
Verstande; so können sie sich davon nicht ausschlüssen, indem sie
ebenfalls in der Welt seyn. Weil also dieses nicht seyn kan; so halten sie
ohnstreitig die Läyen vor diejenigen, so von der Welt, und also fleischlich
gesinnet seyn, wie
Johann XV, 15.
gesagt wird: „Wäret
ihr von der Welt, so hätte die Welt das ihre
lieb; dieweil ihr aber nicht von
der Welt seyd, sondern ich habe euch von der Welt erwehlt, darum hasset euch die
Welt.„ |
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Es ist aber kein Zweiffel, daß die päbstliche Clerisey diese Eintheilung zu
keinem andern Ende erfunden habe, als sich der
Jurisdiction der
Obrigkeit zu
entziehen. Deßwegen beruffet man sich auch auf den Spruch
Pauli
1 Cor. II, 15. „Der Geistliche aber richtet
alles, und wird von niemand gerichtet.„ Ebenfalls
findet man, daß in der
Schrifft das
Wort geistlich auch von den
Sachen
gebrauchet wird. Also
saget Paulus 1 Cor. X, 3. u. 4.
„Und haben alle einerley geistliche Speise gessen.
Und haben alle einerley geistlichen Tranck getruncken. Sie truncken aber von dem
geistlichen Felß, der mir folgte, welcher war Christus.„ |
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An andern Orten, als
1 Cor. II, 13. 14. wird der geistliche Leib
dem natürlichen entgegen gesetzet. Aber in dem
Verstande, wie es die Päbstler nehmen, stehet es nirgends in
der
Schrifft. Sie gebrauchen es aber, wie es ihnen beliebt; also daß alles, was
ihnen anständig ist, etwas geistliches seyn muß. Deßwegen siehet man auch, daß
sie selbsten bey der Definition nicht bleiben. Denn geistliche Sachen sollen
nach ihrer selbsteigenen
Meynung diejenigen seyn, welche zum Wohlseyn der
Seele
gereichen. Nun möchte man aber wohl fragen, was von denen Altären, vom
Rauch-Fasse, und andere in dergleichen
Dingen, der Seele zu gute kommen könne. |
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Weltliche Sachen nennen sie diejenigen, so nicht zum Wohlseyn der |
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{Sp. 211|S. 119} |
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Seelen, sondern des
Leibes,
z.E. vor die Erhaltung der Clerisey u.d.g. eingeführet worden seyn. Aber in der
Application sind selbsten die Canonisten nicht einig. Also zehlen etliche die
Zehenden zu denen geistlichen Dingen; Hingegen andere machen eine gantz
besondere
Art aus denselben. Ausser diesen ist es auch ungereimt, wenn man die
geistlichen Dinge denen weltlichen entgegensetzen will, indem diese nicht nur
einander nicht zuwider seyn, sondern es giebt auch weltliche oder vergängliche
Dinge (denn dieses ist in der
Schrifft eines) die doch geistlich seyn, z.E. der
Glaube, die Hoffnung, die Weissagung, |
1 Cor. XIII, 8. u.ff. |
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Unterdessen werden doch von denen Canonisten die geistl.
Sachen wiederum in
cörperliche und uncörperliche unterschieden. Jene sind, welche mit denen
äusserlichen
Sinnen können begriffen werden, z.E. die Sacramente, die res
sacrae, sanctae und religiosae; diese aber, so mit denen
äusserlichen
Sinnen nicht begriffen werden können, z.E. die Tugenden, die Gaben
Gottes, die
Rechte,
Freyheiten
u.d.g. Aber bey diesen allen findet man nichts als widersprechende
Worte. Denn |
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1) |
können geistliche Sachen nicht
cörperlich seyn, |
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2) |
was die
Rechte,
Freyheiten und andere solche
Dinge anbetrifft,
so sind dieselbe zwar uncörperlich, aber deswegen
nicht geistliche Dinge, sonsten müsten auch alle
Dienstbarkeiten zu
denenselben gehören. |
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3) |
Wenn geistliche Dinge mit denen
Sinnen begriffen
werden können; so ist es falsch, wenn Paulus
saget, daß
der natürliche
Mensch
nicht begreiffe, was des Geistes GOttes sey. |
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Besiehe hiervon einen mehrers in Thomasius Anmerckungen
über den Lanzellot Lib. 2. Tit. 1. |
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