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Zedler: Seele [11] HIS-Data
5028-36-1051-4-11
Titel: Seele [11]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 36 Sp. 1140
Jahr: 1743
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 36 S. 583
Vorheriger Artikel: Seele [10]
Folgender Artikel: Seele, Frantz. l'Ame
Hinweise:
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  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
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Übersicht
Zustand der Seele nach dem Tode
Wanderung der Seelen
Seele in der heiligen Schrift

Stichworte Text   Quellenangaben
  Der  
  Zustand der Seele nach dem Tode  
  bedeutet denjenigen Stand, darinnen die Seele nach dem Tode steht, dabey zwey Umstände zu erwegen sind, als der Grund und die Beschaffenheit dieses Zustandes.  
  Der Grund ist die Absonderung der Seele von dem Leibe, nebst ihrer Unsterblichkeit. Die Absonderung derselbigen von dem Leibe hat ihre Richtigkeit. Denn da die Seele eine von den Cörpern wesentlich unterschiedene Substanz ist, und ihre Unsterblichkeit hat; der Cörper aber todt ist, und der Erde verfaulet, so folgt daraus, daß die Seele von dem Leibe bey dem Tode abgesondert werde.  
  Diejenigen, welche sagen, daß die Seele nach dem Tode nicht von den Cörpern wichen; sondern mit ihnen im Grabe blieben, und dereinst mit den Leibern wieder würden auferwecket werden, können die Seelen vor nichts anders, als Accidentien der Cörper ansehen; oder müssen sie für materielle Substanzen halten, und ihre Unsterblichkeit leugnen. Dieses lehrten in dem dritten Jahrhundert die Ketzer Arabici, und zu den neuern Zeiten hat solche Meynung vertheidigen wollen in Engelland Coward, und in Deutschland der ungenannte Autor des vertrauten Brief-Wechsels vom Wesen der Seelen.  
  In den act. erud. 1722. mens. Aug. findet sich von dem Vitriarius eine Observation de statu animae separatae post mortem ad illustrandam histor. Lazari aliorumque a mortuis resuscitatorum, worinnen der Autor behauptet, daß die Seele nach dem Tode nicht gäntzlich von dem Leibe weiche; sondern bey demselbigen im Grabe bliebe, da sie verstehe, dencke, und von allem Elend frey sey. Es ist aber diese Anmerckung von dem Adam Zahn in disquisit. de loco animae, seu mentis a corpore penitus separatae, welche auch in den act. erud. zu finden, und zwar tom. 8. sect. 3. Supplem. p. 179 widerleget worden.  
  Er mercket an, es sey zumahl nach der Schrifft unleugbar, daß die Seele durch den Tod völlig vom Leibe abgesondert werde, und nicht mit demselbigen im Grabe bleibe; sondern vielmehr ausser unsere Sphäram gebracht werde, weil erstlich in den Stellen 2 Cor. V, 8. Pred. Sal. XII, 7. Joh. XIV, 2. 3. 2 Cor. V, 1. und Hebr. XII, 23 gesagt werde, daß die abgesonderten Seelen ausser dem Leibe wallen, und bey dem HErrn seyn, wie-  
  {Sp. 1141|S. 584}  
  der zu GOtt kommen, eine Wohnung bey GOtt, die nicht mit Händen gemacht; sondern ewig ist, im Himmel haben, und ihren Ort in der triumphirenden Kirche und dem himmlischen Jerusalem, der allen gemein sey, einnehmen. Vors andere, weil so viel Frommen in ihren Gebeten ihre Seelen in die Hände GOttes befohlen, und verlanget, daß sie von ihnen möge genommen werden. Drittens lese man von den Seelen der Frommen, daß sie in Abrahams Schoos, in das Paradies, oder vor GOttes Thron gebracht worden; da hingegen die Seelen der Gottlosen an einen andern Ort kommen; wie denn auch viertens viel wunderliches aus dieser Meinung fliessen würde.  
  Dieses sind zwar mehrentheils theologische Gründe, doch kan auch aus der Vernunft die Absonderung der Seele von dem Leibe erkannt werden. Die Beschaffenheit des Zustandes der Seelen nach dem Tode anlangend, so könnte er in einen innerlichen und äusserlichen eingetheilet werden. Jener gehet auf das Wesen der Seelen, da man denn sagen muß, wenn die Seele unsterblich, daß sie auch ihre Kräffte zu würcken behält, denn die Unsterblichkeit bringet mit sich, daß sie in ihrer Subsistenz und in ihrem Wesen beharret; hat sie aber nach dem Tode eben dasjenige Wesen, das sie im Leben gehabt, so muß sie auch eben die Kräffte zu würcken, wie sie in der Vereinigung mit dem Leibe gehabt, behalten.  
  Sind eben diese Kräffte da, so kan man weiter schlüssen, daß sie nach dem Tode gedencke, und Begierden habe; die besondern Umstände aber davon lassen sich nicht erkennen, weil sie von dem äusserlichen Zustande der Seelen nach dem Tode dependiren, von welchem man sich durch die Vernunfft nicht vorstellen kan. Denn man weiß nichts von dem Ort, dahin die Seele nach dem Tode werde gebracht werden; ob man gleich erkennet, es würde nach diesem ein anderes Leben seyn; nichts von den Objecten, welche sie werde vor sich haben, daraus man sonst sehen könnte, was die Seele werde gedencken, und worauf ihre Begierden dürfften gerichtet seyn; man weiß nicht, ob die Seele wieder mit dem Leibe werde vereiniget werden, welche Unwissenheit hindert, daß man in vielen Stücken von der Beschaffenheit der Gedancken und Begierden der Seele nach dem Tode zu urtheilen, nicht im Stande ist, denn indem die Seele mit dem Cörper vereiniget, so sind das Object ihrer Gedancken die Ideen, welche ursprünglich alle von der Empfindung herrühren; die äusserliche Empfindung aber veranlasset der Cörper mit seinen sinnlichen Werckzeugen, dergleichen Ursprung der Gedancken bey der Seele nach dem Tode nicht statt finden kan, da sie von dem Leibe abgesondert. Eben dieses muß man auch in Ansehung der sinnlichen Affecten sagen, bey denen die Seele allezeit in Gemeinschafft mit dem Leibe stehen muß. Nach der Schrifft läst sich von dieser Sache besser urtheilen.  
Literatur   Inzwischen lese man von dieser Materie sonderlich, was die der Seele nach dem Tode betrifft,
  • des Fabricius Inaugural-Disp. de recordatione animae hum. post fata superstitis, die er unter D. Mayern zu Kiel 1699 gehalten;
  • des Johann Wilhelms a Lith Dissert. de Statu mentis post mortem, Halle 1698, wiewohl er darinnen eigent-

    {Sp. 1142}

    lich von der Unsterblichkeit der Seele handelt;
  • den Gisbert Voetius, in problemate de statu animarum post mortem;
  • Joh. Günthers Dissert. de recordatione animae separatae naturalique ejus ad corpus propensione;
  • die Deutschen Acta Erud.
    • da part. 25. tom. 3. p. 84. des Philo Philanthropus Bedencken von dem Gedächtniß abgeschiedener Seelen,
    • und part. 30. tom. 3. p. 482. des Armandus Guido de Marca Schrifft-und Vernunfft-mäßige Erwegung der Frage, ob die abgeschiedenen Seelen nach dem Tode noch eine Erkenntniß von den Zustand der Welt haben, recensiret worden.
Noch andere führet gedachter Fabricius in delectu argumentor. et Syllabo Scriptor. qui veritat. religionis christ. asseruerunt, cap. 18. p. 448. u.ff. an, und gedencket insonderheit p. 433. des Johann Thomas Giliolius in propugnatione naturalis inclinationis, quam post hominis mortem anima rationalis separata habet ad corpus suum et ad reiterandam cum illo unionem, Pad. 1635. dahin man auch noch des Windetus Tract. de vita functorum statu rechnen kan.
Walchs
Philosophisches Lexicon.
  Von  
Wanderung der Wanderung der Seelen  
  folget unten ein besonderer Artickel: Seelen-Wanderung, der also nachzulesen.  
     
Seele in der heiligen Schrift Das Wort Seele wird in Heil. Schrifft per synecdochen gebraucht:  
 
1) für eine Person oder für den Menschen,
  • 1 B. Moses 46,27.
  • 3 B. Moses 4, 27.
  • 4 B. Moses 23, 10.
  • Psalm 57, 5.
  • Matth. 16, 26.
 
2) für den besten und fürnehmsten Theil des Menschen,
  • Matth. 10, 28.
  • Esaias 10, 18
 
3) für Sehnen und Verlangen,
  • Psalm 27, 12.
  • Psalm 41, 3.
  • Pred. Sal. 6, 7. 9.
  • Esa. 43, 4.
  • Jerem. 22, 27.
  • Ezech. 7, 19.
 
4) für denjenigen Ort, darinnen die Affecten und Bewegungen ihren Sitz haben,
Edr. 4, 12.
 
5) für das Blut, dadurch das Fleisch beym Leben erhalten wird,
  • 1 B. Moses 9, 4.
  • 5. B. Moses 12, 23.
 
6) für das Leben selbst,
  • 2  B. Moses 21,  23.  30.  Cap. 30,  12. 
  • 5  B. Moses 22, 26.
 
7) für ein Thier,
Offenb. St. Joh. 16, 3.
  Sonst finden wir auch unterschiedene Redens-Arten von der Seelen, als  
 
1) die Seele in seine Hand stellen,
  • B. der Richter 12, 3.
  • 1 Sam. 9, 5. Cap. 18, 21.
  • Hiob 13, 14.
  • Psalm 119, 109.
 
  heist soviel als das Leben wagen, und sich in Todes Gefahr setzen. Im Hebräischen heist es: Ich satzte meine Seele in die Höle meiner Hand. Ist ein Gleichniß genommen von denen, die ein köstliches, doch zerbrechliches Glas oder dergleichen in der Hand tragen, da sie stetig in Furcht seyn müssen, daß sie damit anstossen, fallen und es zerbrechen,
B. der Richter 9, 17.
 
2) Seele um Seele etc. Beule um Beule,
1 B. Moses 21, 23- 25.
 
  heist soviel, daß GOtt gleiches mit gleichem vergelte, und also einem ieden gebe, wie ers verdienet; womit einer sündiget, damit soll er auch geplagt werden,
  • B. der Weish. 11, 17.
  • 1 B. Moses 9, 6.
  • 1 Sam. 15, 26.
  • Esa. 33, 1.
  • Hos. 4, 6.
 
  hat aber nicht die Meinung, als wenn GOtt einem ieden die Privat- und Selbst-Rache verstatten wolte; nein, denn diese hat er ernstlich verboten,
  • Spr. Sal. 24, 29.
  • Röm. 12, 17. 19.
  • 1 Thess. 5, 15.
  • 1 Petr. 3, 9.
 
  sondern GOtt hat
 
  {Sp. 1143|S. 585}  
 
  uns damit lehren wollen, was er als ein gerechter Richter, in Belohnung des Guten, und Bestrafung des Bösen für Ordnung halten wolle.
 
 
3) Meine Seele, denn wenn einer sich selbst nennen will, so gedencket er dafür seiner Seelen, als wenn David klagt: Viele sagen von meiner Seele etc.
Psalm 3, 3. ingleichen Psalm 143, 3. Psalm 142, 8. Psalm 116, 7.
 
  anderer Örter zu geschweigen; da er mit sich selbst redet, und unter dem Nahmen seiner Seelen sich zur Freude aufmuntert.
 
  In der Heil. Schrifft wird hin und wieder GOtt eine Seele zugeschrieben, die er doch eigentlich nicht hat, und wird dadurch er selbst verstanden, der in ihm selbst lebet, und selbst das wesentliche Leben ist, da sonst ein Mensch durch die Seele lebet und würcket. Es geschiehet aber solches zum öfftern,  
  Esa. 42, 1.
 
  • oder seinen Haß und Mißfallen anzuzeigen,
  • Psalm 11, 6.
  • Esa. 1, 14.
  • Jerem. 14, 19.
  Denn die Seele ist der Sitz des Appetits bey einem Menschen, also, daß seine Seele etwas  
 
  • entweder liebet und begehret,
Psalm 84, 3.
 
  • oder hasset, und ihm feind ist.
  • 2 Sam. 5, 8.
  • Siehe Carpzovs Buß-Pred. vom Jahr 1688. in Jerem. 14, 19. p. 90.
  Gottes liebe Seele wird auch genannt das Jüdische Volck, Jer. 12, 7. weil er es hefftig liebete; wie er denn zum Beweis dessen sie mit starcker Hand aus Egypten führete, mit Himmel-Brod speisete, sie treulich für Schaden warnete, Amos 3. und seinen Sohn aus ihrem Mittel menschliche Natur an sich nehmen ließ.
  • 2. Sam. 7.
  • Röm. 9.
  • Muscul. Comment. in Ps. p. 529.
     

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Stand: 28. März 2013 © Hans-Walter Pries