Stichworte |
Text |
Quellenangaben
|
moralisch |
Es folget noch die
moralische Betrachtung der Sinnen, welche vorstellig
machet, wie sich dieselbigen gegen das
Thun und
Lassen der Menschen
verhalten, und was man dabey zu beobachten. Diese
Vorstellung kan auf eine
dreyfache Art eingerichtet werden, nach der
Ethic,
natürlichen
Rechts-Gelehrsamkeit und
Politic. |
|
Ethik |
Nach der Ethic zeiget man, wie weit die äusserlichen Sinnen zu der
innerlichen Einrichtung des
Gemüths und dessen Verderbniß etwas beytragen, und was daher
müsse beobachtet werden. Das Gemüth oder der
Wille des
Menschen dependiret
ordentlich von den Vorstellungen des
Verstandes, durch welche derselbige, wenn
sie nicht gründlich und judiciös sind, bey seinen
Bewegungen und
Begierden
in Unordnung gebracht wird. Dieses geschiehet durch die sinnliche Betrachtung
einer guten und
bösen
Sache. Denn die Sinnen sind an sich nicht fähig, zu
erkennen,
was gut oder
böse, und wenn man dieses aus der
angenehmen und unangenehmen
Empfindung schlüssen wolte, so würde man sich sehr betrügen. |
|
|
Manche
Sachen
scheinen den Sinnen angenehm, die doch
böse und
schädlich sind; gleichwie
etliche unangenehm deuchten, die doch gut sind. Dieses ist der
Grund
der Schein-Güter, auf welche die
Menschen
fallen, und die wahren fahren lassen, weil jene in die Sinne fallen, und eine
angenehme sinnliche Empfindung verursachen. Und auf solche Art wird dieses die
Quelle vieler
bösen Neigungen und Laster. Eine sinnliche Vorstellung hat eine
grosse Krafft
in das
Gemüth. Was äusserlich in die Sinne, und zwar in die Augen
fällt, bewegt das Gemüth weit hefftiger, als dasjenige, was man nicht vor Augen
hat, worinnen man der
Affecten wegen Vorsichtigkeit zu brauchen; daß man über
seine Sinnen die
Herrschafft
erlange, und dadurch die Affecten zurückhalte. |
|
|
Wie nun dieses
Dinge
sind, welche zum Verderben und Unruhe des
Gemüths viel beytragen; also hat man hingegen zu sehen, daß
man dasjenige, was an einer
Sache würcklich gut, oder
böse ist, innerlich
empfinde, damit dadurch der
Mensch angereitzet werde, das Gute zu erlangen oder
zu erhalten, das
Böse hingegen wegzuschaffen, und der Glückseligkeit, welche auf
die angenehme Empfindung des Guten ankommt, theilhafftig zu werden; |
|
natürliches Recht |
In dem
natürlichen Rechte werden wir bey den
Pflichten gegen uns selbst auch
angewiesen, wie wir uns gegen unsere Sinnen zu verhalten. Wir müssen dieselbigen
brauchen, wie es der Göttlichen Absicht gemäß, damit wir dadurch unsere
Glückseligkeit befördern. Sie sollen dienen sowol zur Erhaltung und Gesundheit
des
Leibes;
als auch zur Erhaltung der
Wahrheit, und durch diese zur vernünfftigen
Einrichtung unsers
Gemüthes. |
|
gesunde Gliedmaßen |
Keines von beyden Stücken kan erhalten werden, wenn nicht die Gliedmassen
der Sinnen sich in einem gesunden
Zustande befinden, und |
|
|
{Sp. 1697|S. 862} |
|
|
deswegen hat man sie zu verwahren, damit sie nicht auf eine Weise verletzet
und verschlimmert, oder wir gar derselben
verlustig werden. |
|
|
Am meisten ist an dem Gesichte und Gehöre gelegen. Wer von
Natur
gute Augen bekommen hat, daß er sowol in die Ferne, als Nähe wohl sehen kan, der
muß solche in diesem
Stande erhalten, und also alles meiden, wodurch sie können
verschlimmert werden. Dieses geschiehet unter andern, wenn man viel in die Nähe,
und wenig in die Ferne siehet, und sonderlich auf kleine
Sachen,
und auf grössere bey schwachem Licht die Augen zu nahe leget, wodurch man leicht
ein blödes Gesicht bekommt; oder wenn man viel in die Ferne, und wenig in die
Nähe siehet, so einem Schaden thut, wenn man nachgehends viel in der Nähe
ansehen soll, weswegen man hier die Masse halten muß. Dieses ist auch wegen des
Lichtes nöthig, daß man seine Augen weder bey allzustarckem, noch bey
allzuschwachem Lichte brauche, weil sie leicht ein an eines können gewöhnet, und
zu dem andern untüchtig werden. Durch einen allzustarcken Schall, oder durch
allzustarckes
Reden und Schreyen kan man das Gehör verderben, daher man sich vor
beydes zu hüten hat. |
|
|
Ob wir wol die andern Gliedmassen der Sinnen im menschlichen
Leben nicht so
nothwendig brauchen, als das Gesicht und das Gehör, so haben sie doch auch ihre
Absichten, und man hat Sorge zu tragen, daß man sie in dem natürlichen Stande
erhalte, und sie nicht verschlimmern lasse. Wenn nun die äusserlichen Sinnen zur
Gesundheit des
Menschen
abzielen, wie wir oben erwiesen, so ist unsere Schuldigkeit, selbige auch zu
diesem Ende zu brauchen, und alles, was der Gesundheit
schädlich, von der
Empfindung abzuhalten. Dienen sie zur
Erkänntniß
der
Wahrheit, daß daher unsere Erkänntniß den Anfang nehmen, und sich zuletzt
darauf gründen muß, welches auch vorher ausgeführet worden, so fliesset daraus,
daß wir uns nach der von
GOtt gesetzten
Ordnung
richten müssen, und in
moralischen Sachen die sinnliche Erkänntniß durch das
Judicium
regieren, wodurch das
Gemüth von mancher Unruhe kan abgehalten werden. |
|
Politik |
In der Politic ist von den Sinnen sonderlich die
Regel zu mercken, daß man
nicht seinen eigenen Empfindungen folge, wenn man sich andern gefällig machen
will. Denn es folget nicht, was mir
angenehm, oder unangenehm ist, daß solches
auch andern auf diese Art müsse angenehm, oder unangenehm seyn. |
|
Historisches |
Nun wollen wir noch einige historische Umstände zur Erläuterung beyfügen. |
|
Wem die Sinne zukommen? |
Bey der Frage: Wem die Sinnen zukommen? ist man auf zwey Abwege gerathen,
daß einige der
Sache
zu viel, andere hingegen zu wenig gethan. Denn Thomas Campanella
hat vier
Bücher de sensu rerum et magia geschrieben, worinnen
er behaupten wollen, daß alle
Dinge
in der
Welt
eine Empfindung hätten. Mersennus in dem Comment. in
Genesin hat von diesem
Werck
geurtheilet, daß es des Feuers
würdig sey, |
wovon man Cypriani |
|
{Sp. 1698} |
|
|
|
vitam Campanellae pag. 58. lesen kan. |
|
Insonderheit haben solches einige von den Pflantzen gelehret, und sie unter
die Thiere gezehlet, als Pythagoras, Anaxagoras, Plato, Democritus,
|
wovon Menagius über den Diogenem Laertium Lib.
8. Segm. 28. pag. 365. zu lesen. Mehrers von dieser
Materie
hat
Wolf in notis ad Casauboniana pag. 267. zusammen
getragen. |
|
Andere haben der
Sache
zu wenig gethan, wenn sie die Bestien zu blossen
Maschinen gemachet, und ihnen
alle Empfindung absprechen wollen. Dieses ist die Cartesianische Lehre. Denn
nachdem Cartesius Principior. Part. I. §. 9. dafür
gehalten, daß Gedencken und Empfinden einerley sey, so hat man daraus
geschlossen, daß, weil die Bestien keine
Gedancken
hätten, so käme ihnen auch die Empfindung nicht zu, |
davon Antonii le
Grand Dissert. de carentia sensus et cogitationis in brutis,
kan gelesen werden. |
|
Plutarchus de placitis Philosophor. Lib. 5.
Cap. 20. berichtet, daß schon Diogenes geglaubt, die
Bestien hätten weder
Verstand, noch Empfindung; welches auch ein Spanischer
Medicus Pereira in einem
Werck,
dem er den
Titel gegeben: Antoniana margerita,
vertheidigen wollen, |
S.
Paschium de inventis nov-antiquis, Cap. 3. §. 2.
pag. 155. |
Gewißheit der Sinne? |
Wegen der Gewißheit der Sinnen haben die
Philosophen
auch unter sich
disputiret, ob dieselbe ihre Richtigkeit habe? Einige haben
dieselbige geleugnet. Unter den Alten hielten Aristippus, Plato mit seinen
Anhängern, Xenophanes und andere dafür, daß die Sinnen betrüglich wären, davon
Stanlejus in Histor. Philos. pag. 243. 328. 873. edit. latin. die Zeugnisse
angeführet, denen zu den neuern Zeiten Cartesius gefolget, welcher
Principior.
Part. I. §. 4. ausdrücklich
schreibet, daß die Sinnen irren, und deswegen wäre
rathsam, daß man ihnen nicht zu sehr trauete, worüber er sich Part. 2. §. 3.
noch weiter erkläret. Seine Anhänger sind gleicher
Meynung, als Antonius le
Grand Institut. Philos. Part. I. Cap. 2. reg. 2. §. 4. und 7.
Malebranche de la
recherche de la verité Part. I. Lib. I. Cap. 5. seqq. |
|
|
Wohin auch Huetius in traité philosophique de la
foiblesse de l‘ esprit humain, Lib. I. Cap. 3. pag. 32. gehet, und
meynet, was man durch die Sinne
erkenne, sey sehr zweifelhafftig. |
Man lese aber dabey des Gerardi de Vries Dissert. de sensuum usu in
Philosophia, welche den Exercitation. rationalib. pag. 394.
Utrecht 1695. beygefüget. |
|
Andere haben
billig das Gegentheil gelehret, und zwar von den ältern
Aristoteles, Zeno, Epicurus, |
von denen auch Stanlejus
in Histor. Philos. p. 448. 558. 952. zu lesen, |
|
mit denen es die meisten der neuern halten. |
Hierher gehöret auch Morhofs Dissertat.
de paradoxis sensuum, welche in seinen Dissertat. academ. pag.
303. stehet. |
|
Zu
Leipzig sind 1717 von Benedict. Gottlob Clauswitz zwey
Dissertationes de officiis hominis circa sensus externos gehalten
worden. Martinus Schoockius hat in seinem Tr. de Ecstasi
pag. 30. seqq. verschiedenes vom moralischen Gebrauch der Sinnen
angeführet; wie |
|
|
{Sp. 1699|S. 863} |
|
|
denn auch Zentgrav in einer Disputation de jure
sensuum, Straßburg 1692, gehandelt hat. In Sturms
Philosoph. eclectic. Tom. 2. p. 218. stehet eine Exercitat. de
sensu unius geminato. |
Walchs philosophisches Lexicon. Siehe auch
- Christoph Martin Burchardi Meditationes de anima humana,
Rostock 1726 in 8.
- Johann Melchior Verdriesens Commentationem de aequilibrio mentis et corporis, Giessen und Franckfurt
1726 in 4.
|
Bibel |
In der
Heil. Schrifft
bedeuten die Sinne |
|
|
1) |
Verstand, da Weisheit zugehöret, |
|
Apost. Gesch. XVII, 9. |
|
2) |
Den vom
Heiligen
Geist erleuchteten
Verstand, |
|
1. Joh. V, 20. |
|
3) |
Des
Menschen
Gemüthe, das von mancherley Sorgen
zerstreuet und verwirret ist, |
|
Buch der Weisheit IX, 15. |
|
4) |
Den rechten
Verstand der Göttlichen Wahrheit, |
|
2 Thess. II, 2. |
Krankheiten |
Wir fügen zum Beschluß dieses
Artickels annoch ein Verzeichniß von den
Kranckheiten der äusserlichen Sinne (Morbis sensus externos depravantibus)
bey. Diese sind |
|
|
I.) |
das verletzte Rüchen,
Laesio Olfactus, welches
Schaden leidet: |
|
|
|
|
1) |
vom flüssenden und trocknen Schnupffen; |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
II.) |
Das verletzte Schmecken,
Vitia Gustum laedentia, darzu man
rechnet |
|
|
|
|
|
|
|
2) |
die Blattern des Mundes, Ritzen der Zungen, und
Abschälung der Zungen-Haut. |
|
|
|
|
III.) |
Das verletzte Gehör,
Morbi Auditum impedientes, welches
verursachen: |
|
|
|
|
|
|
|
2) |
das Sausen und Klingen der Ohren; |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
IV.) |
Die Verletzung des Sehens, oder
die Augen-Kranckheiten, Morbi Oculorum,
deren die vornehmsten sind: |
|
|
|
|
1) |
das Zusammenwachsen und die Lähmung der
Augenlieder; |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
8) |
die Flecken vor den Augen; |
|
|
|
|
|
9) |
die Augen-Flecke und Augen-Felle; |
|
|
|
|
|
10) |
die Augen-Blättergen; |
|
|
|
|
|
11) |
das mit Blut unterlauffene Auge; |
|
|
|
|
|
12) |
die Augen-Entzündung; |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
V.) |
Das verletzte Fühlen,
Vitia Tactus, zu diesem gehören |
|
|
|
|
|
erstlich die Unempfindlichkeit; |
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
|
8) |
die Verstopffung, Entzündung und Verhärtung der
Leber; |
|
|
|
|
|
9) |
die Verstopffung, Entzündung und Verhärtung der
Miltz; |
|
|
|
|
|
10) |
die Gicht mit ihren Gattungen. |
|
|
|
|
|
|