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Zedler: Veränderung des Orts [Gesundheit] HIS-Data
5028-47-63-6
Titel: Veränderung des Orts [Gesundheit]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 47 Sp. 63
Jahr: 1746
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 47 S. 45
Vorheriger Artikel: Veränderung des Orts [Motus]
Folgender Artikel: Veränderung der Posseß
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Veränderung des Orts, trägt viel zur Gesundheit bey.  
  Es ist zwar das Sprüchwort sehr gemein, alle Veränderung ist schädlich; solches ist in so weit wahr, daß nehmlich alle starcke, jählinge und geschwinde Änderung böse und nicht zu rathen; hingegen aber eine mäßige, gesunde Änderung, welche nach und nach vorgenommen wird, und wodurch ein übler Zustand in einen bessern kan verwandelt werden, allerdings zu loben, wie denn die tägliche Erfahrung bezeuget, wie viel und grossen Nutzen die Gesundheit zuerhalten, und wieder herzustellen, die Veränderung des Lebens, der Örter und Lufft bringe.  
  Man kan aber durch die Veränderung des Orts eine jede Reise verstehen, welche von einem Orte zu dem andern, weit oder nahe gelegenen, zu gehöriger Zeit und auf gebührende Art vorgenommen wird: Da aber nicht eine jede Veränderung des Orts gesund und nützlich seyn kan, sondern nur diejenige, so von einem ungesunden an gesunde Örter geschiehet, so ist nöthig, ehe der Nutzen derselben Veränderung beschrieben wird, die Erfordernisse der gesunden Örter anzuzeigen.  
  Hierzu trägt, wie bekannt, vieles bey, die gute Lage, gesunde Lufft, heiterer Himmel, gütige Sterne, und dergleichen denn ob gleich nur ein Himmel unsere Welt umgiebet, so ist doch solcher nicht an einem Ort wie an dem andern beschaffen, sondern es wird nach Gelegenheit des Orts, Lauffs, Bewegung, Höhe und Conjunction der Sterne, insonderheit aber der Sonne und des Mondes, solcher verschiedentlich wahrgenommen.  
  Vieles trägt bey, wenn eine Landschafft hoch lieget, und mit Bergen versehen ist, denn da findet man, daß solche fruchtbar an Blumen und Früchten, welche mit ihrer Annehmlichkeit die Lufft erfüllen und die gesundesten Wohnungen abgeben, anderer Nutzen zugeschweigen, welche sie vor niedrigen Landschaften haben, nehmlich reine Wässer und Brunnen, Überfluß allerhand guter Früchte, gute Weine, verschiedene Thiere, Wälder, gute Weyde, dergleichen Dinge alle viel zur Erhaltung der Gesundheit beytragen.  
  Wie wir denn auch sehen, daß die Leute, so auf den Bergen wohnen und der freyen Lufft ausgesetzt sind, vor andern starck, gesund, munter, und lebhaffter seyn. Insonderheit tragen die Berge, so mit Wäldern und Lustwäldern besetzt sind, sonderlich wo Buch- und Bircken-Bäume, auch hartzige und balsamische Früchte im Überfluß wachsen, vieles bey, theils weil sie die Lufft mit ihren starcken Ausdufftungen merklich temperiren, theils auch weil sie der Gewalt des Windes wiederstehen.  
  Welches hingegen  
  {Sp. 64}  
  kaum jemahls von niedrigen, morastig und kothigen Örtern zu hoffen, als welche, wenn auch Wälder vorhanden, solche meistens sehr dick, und mit hohen Bäumen, sonderlich mit Eichen besetzt sind, welche die Strahlen der Sonne und des Mondes nicht durchlassen, und aus dem feuchten, dunstigen, und morastigem Erdreiche eine dicke, stinckende und faule, nebelichte und trübe Lufft den Orten, welche in der Eben liegen, beybringen.  
  Hernach machen die Flüsse und Bäche, sonderlich diejenigen, so aus steinichten und sandigten Bergen entspringen, und hernach durch eben dergleichen Orte fliessen, die Lufft wegen ihrer heilsamen Dünste sehr gesund, welchen Nutzen meistentheils diejenigen Ströme, die geschwind, fliessen, haben, wenn sie aber durch andere sumpfichte und kothigte Örter langsam durchfliessen, verursachen sie sodenn wegen der schädlichen Ausdunstung vielmehr Schaden.  
  Dergleichen gesunde Örter, wenn sie gleich nicht alle jetzt erzehlete, doch die meisten Eigenschafften an sich haben, haben sowohl die alten als auch die neuern Ärtzte ihren Patienten anbefohlen. Also ist vor langen Zeiten nicht allein ganz Spanien überhaupt, sondern insbesondere die Stadt Granata und Madrit vor sehr gesund gehalten worden. Dergleichen wird auch der Böhmischen Lufft zugeschrieben, als von welcher Bouslaus Balbimus Miscellan. Reg. Bohem. ... erzehlet, daß die Böhmischen Könige, wenn sie gleich schwach und kranck dahin gekommen, in kurtzer Zeit wieder gesund worden.  
  So rühmet auch Gviliam Piso in Histor. nat. et med. die Lufft in Braßilien. Gleiches Lob hat auch Alexandrien, daher auch die alten Ärtzte, wie Celsus bezeuget, die Schwindsüchtigen dahin geschicket, weil, nach Curtii Bericht, die Sonne keinen Tag daselbst verfinstert oder mit Wolcken überzogen würde.  
  Ferner ist der größte Theil von Italien allezeit vor andern Landschafften wegen der gesunden Lufft hochgehalten worden. Bartholinus de peregr. med. ... lobet die Neapolitanische Lufft gar sehr. Sonderlich war in dieser Gegend der also genannte mons lactarius, welcher jetzo il Monte della Torre heist, und zwischen Neapolis und Surrent neben dem Berg Vesuvius lieget, wegen der guten und fetten Weyde sehr berühmt ist, weiln allerhand gute Kräuter daselbst wachsen, weswegen auch grosse Heerden dahin getrieben worden, und vermeynt Galenus, daß die Milch-Curen nicht bessere und gewünschtere Würckung thäten, als auf diesem Berge, weshalber auch sonderlich zur Frühlings-Zeit so viel Krancke da selbst gesehen worden, als heut zu Tage in den Bädern und Brunnen, weilen, wie Baccius bezeuget, die Ärtzte gewohnt gewesen, die Schwindsüchtigen, und diejenigen, so Blut ausspeyen, dahin zuschicken.  
  Von der gesunden Lufft in Schwaben siehe die Dissertation Herrn D. Lithenii, so er 1735 zu Altdorff gehalten hat, und sciagraphia salubritatis Sueviae betitelt ist, siehe auch Rauchii Orationem de Austriae salubritate.  
  Indem aber, wie aus nur erzehlten Umständen erhellet, diejenigen Örter, welche hoch liegen und bergicht sind, eine reine lautere und trockene  
  {Sp. 65|S. 46}  
  Lufft haben, und von keiner grossen Hitze oder Frost belästiget werden, und so wohl den Strahlen der Sonnen als sanften Winden exponiret sind, vor gesund gehalten werden, so wird ein jeder gar leicht sehen, daß auch in unserm Deutschland dergleichen gesunde Orte sich befinden, wie den in Hessen nach Herr D. Bravii Zeugniß in prooem. Dissert. de salubritate Hassiae wenig Leute wegen ungesunder Lufft kranck würden, und stürben.  
  Nunmehro ist zu sehen, warum und wie die Veränderung der Lufft und des Orts zu Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit nützlich sey. Daß die Lufft zu dem Leben nothwendig erfordert werde, wird niemanden unbekannt seyn, als welche nicht nur unsern Cörper umgiebet, und mit den Nahrungs-Mitteln eingezogen, sondern auch beständig vermittelst der Lunge eingeathmet wird. In diesen Elementen nun bestehen die Mittel der Kranckheiten und Gesundheit. Diese Lufft aber würckt verschiedentlich in unsern Cörper, denn eine warme würckt anders in den Cörper, als eine feuchte und dicke, anders, wenn sie mit schädlichen, unreinen, anders wenn sie mit gesunden, reinen, und temperirten Theilen erfüllet, siehe den Artickel: Veränderung der Lufft. Deßhalben haben auch vor Zeiten kluge Ärtzte, wenn sie die Veränderung eines Orts gerathen, dahin gesehen, daß sie die Patienten aus einer ungesunden in eine gesunde Lufft verschaffet.  
  Hernach werden vieles bey Veränderung des Orts beytragen, gesunde Wasser, und sind dieses die besten, welche ohne Geschmack, und gleichsam süsse und leichte sind, auch keinen Geruch haben, und wenn man Saltz darein wirfft, nicht trübe werden, auch niemahls, wenn auch die Kälte noch so hefftig, um die Gegend ihres Ursprungs gefrieren, dergleichen können so wohl die Speisen darinnen zu kochen, als auch zum Trincken gebraucht werden.  
  So hat auch ferner die Veränderung des Orts grossen Nutzen, wegen der unvermeidlichen Bewegung des Cörpers, als wodurch der Cörper und Eingeweyde sanffte beweget werden, daß dadurch das Geblüte und übrigen Feuchtigkeiten desto besser in ihren Umlauffe erhalten werden, und die zähen und dicken Theile aus demselben abgesondert, und gesäubert werden.  
  So trägt auch die Ergötzlichkeit des Gemüthes vieles bey; denn durch Veränderungen des Orts wird das Gemüthe, welches von den langen Sorgen und Geschäfften geschwächt worden, lieblich erquicket, und von alle demjenigen, was ihm Sorge und Bekümmerniß gemacht, abgezogen; im Gegentheil aber von den neuen und vorher unbekannten Dingen, welche es begierig besiehet, vergnüget, welches viel zur Erhaltung der Gesundheit beyträgt. Denn wie das Gemüthe, so sind auch die Bewegungen der Geister; wie die Geister, so die Bewegung des Hertzens, der Puls-Adern und der Umlauff des Geblüts; wie der Umlauf des Geblüts, so ist auch die Gesundheit beschaffen. Zu der Beruhigung des Gemüths trägt auch vieles bey die Besuchung guter Freunde, der Umgang und die Gespräche mit selbigen bey Gastereyen, als bey welchen das Gemüthe mehr erfreuet, aufgemuntert, und gestärcket werde.  
  Da demnach die Veränderung des Orts  
  {Sp. 66}  
  so grossen Nutzen in Erhaltung der Gesundheit hat, so ist leicht zuschliessen, daß sie dergleichen Nutzen haben werde, auch die Gesundheit wieder herzustellen, welches auch mit wenigen soll gesagt werden. Überhaupt wird dergleichen Veränderung grossen Nutzen schaffen in allen langwierigen Kranckheiten, welche nichts auf die Medicamente passen, aber noch nicht auf den höchsten Grad gekommen, daß die Krafft nicht alle verlohren, die Eingeweyde verhärtet und ihres Toni beraubet oder gar corrumpirt sind, deshalben bekommt sie sonderlich denen, so an dem Malo hypochondriaco und Scharbock laboriren, als deren Zufälle recht verwunderlich durch eine fremde reine Lufft und Bewegung gemindert werden.  
  Dergleichen Nutzen haben sie auch in den langwierigen Fiebern, so wohl nachlassenden, als schleichenden und Hectischen Fiebern, welche öffters ehe hierdurch als durch die besten Artzeney-Mittel vertrieben werden, wie solches Seneca in seinen Episteln, Bongarsius Epist. VII. ad Camerarium und Philipp Melanchton Lib. V. Epist. ... bezeugen.
  So hat solche auch offt in der anfangenden Wassersucht gute Hülffe geleistet, wie solches Epiphanius Ferdinandus in Consult. suis ... bezeuget. Daher werden sie auch in denjenigen Kranckheiten so von einen Mangel der Lebens-Geister und übeln Beschaffenheit des Geblütes herkommen, gut thun. Ingleichen dienen dergleichen Veränderungen in Convulsionen, Schwindel, Melancolie, Raserey, in hefftigen Kopff-Schmertzen, wie solches Loßius ... erzehlet.
  Wie viele solche Veränderung in Vertreibung der Brust-Kranckheiten, insbesondere des Blutspeyens, der daher öffters abstammenden Schwindsucht beytrage, haben die alten Ärtzte längstens erkannt, und haben deßwegen die Römer dergleichen Patienten die Schifffahrth nach Egyptien und Alexandrien gerathen, die Neapolitaner schickten solche nach Tabias, siehe Celsum ..., welcher auch bezeuget, daß das große Reisen im Husten nützlich sey, siehe dessen
  • Lib. IV. ...
  • Plinium Lib. V. ...
  • Ciceronem L. de Clar. Orator. c. 16.
  Diesen haben die meisten nachgeahmet, sonderlich Morton, welcher in seinem Tractat de phthisi ... und sonderlich in derjenigen Art, welche aus dem Mangel des Blutes oder der Lebens-Geister entstehet, die Reise an einen gesunden Ort rathet, als wodurch die Nerven- und Lebens-Geister am besten gestärcket, der Appetit wieder erlanget würde. So mag um eben dieser Ursache willen der berühmte Sydenham nicht allein in der Schwindsucht, sondern auch im Podagra, Colic, Malo Hypochondriaco, und andern rebellischen Affecten Patienten gerathen haben, daß sie weit weg in freyer Lufft reiten sollten, siehe dessen Opusc. Vnivers. ...
  Endlich werden solche Veränderungen auch in äusserlichen Affecten, als in Geschwüren, hartnäckigten Krätze, Aussatz und andern Saltz-Flüssen, wenn solche durch andere Mittel nicht heilen wollen, gut thun; denn ja dergleichen Übel sonderlich von einem scharff gesaltzen Fließ-Wasser entstehen, wozu eine feuchte, neblichte und garstige Lufft Ge-  
  {Sp. 67|S. 47}  
  legenheit gegeben, so kan man leicht sehen, daß wenn der Ort und die Lufft verändert, da man nehmlich aus dieser in eine reine sich begiebet, sehr viel beytrage.  
  Daher kommt es auch, daß dergleichen Veränderungen so grosse Würckung in Heilung langwieriger Geschwüre und Fisteln haben, wie solches die Exempel beweisen, welche Riedlinus Lin. Med. ... Bortichius in Act. Hafniens. ... und Turquetus de Meyerer Cons. de phthisi erzehlen.  
  Eben dieserwegen muß öffters bey Wunden dergleichen Veränderung vorgenommen werden, wenn solche sollen geheylet werden, wie solches der berühmte Paräus ... bezeuget.
  Ob gleich aus dem, was bisher gesagt, derjenige grosse Nutzen, welcher aus der Veränderung der Lufft und des Orts um so wohl die Gesundheit zuerhalten, als wieder herzustellen, erhellet; so kan man doch solches nicht allen ohne Unterscheid rathen, denn da die tägliche Erfahrung lehret, daß wegen der Gewohnheit öffters, wenn Leute aus ihrem Vaterlande reisen, solche beständig kranck seyn und auch nicht eher besser werden, als biß sie wieder nach Hause kommen.  
  Daher dergleichen Veränderung allezeit gütlich zurathen und anzustellen, und allezeit auf die Beschaffenheit und Temperamente der Personen zusehen, da nehmlich denen schwachen und trockenen Naturen, als die Melancholici und Cholerici, und diejenigen, so zur Schwindsucht geneigt sind, eine temperirte feuchte Lufft bekommet, die Fetten aber und safftreichen Naturen, als die Sanguinei und Phlegmatici, die Alten, die gelähmet, oder sehr schwach sind, oder Brustbeschwerungen unterworffen, sollen die kalte, bergigte, und mitternachtige Lufft meiden. Die Vollblütigen sollen, ehe sie solche vornehmen, zur Ader lassen, purgiren etc. grosse Hitze und Kälte vermeiden, damit der Endzweck und Vorhaben desto besser verrichtet werde. D. Ivonis Joh. Stahlii Diss. de sanitatis conservatione ... Erfut 1736.
     

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Stand: 12. Juli 2013 © Hans-Walter Pries