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Quellenangaben |
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Veränderung des
Orts, trägt viel zur Gesundheit bey. |
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Es ist zwar das Sprüchwort sehr gemein, alle Veränderung ist
schädlich;
solches ist in so weit
wahr, daß nehmlich alle starcke, jählinge und geschwinde
Änderung böse
und nicht zu rathen; hingegen aber eine mäßige, gesunde Änderung, welche nach
und nach vorgenommen wird, und wodurch ein
übler
Zustand
in einen bessern kan verwandelt werden, allerdings zu loben, wie denn die
tägliche
Erfahrung
bezeuget, wie viel und grossen
Nutzen die Gesundheit zuerhalten, und wieder
herzustellen, die Veränderung des
Lebens, der Örter und Lufft bringe. |
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Man kan aber durch die Veränderung des Orts eine jede
Reise
verstehen,
welche von einem Orte zu dem andern, weit oder nahe gelegenen, zu gehöriger Zeit
und auf gebührende Art vorgenommen wird: Da aber nicht eine jede Veränderung des
Orts gesund und nützlich seyn kan, sondern nur diejenige, so von einem
ungesunden an gesunde Örter geschiehet, so ist nöthig, ehe der
Nutzen derselben
Veränderung beschrieben wird, die Erfordernisse der gesunden Örter anzuzeigen. |
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Hierzu trägt, wie bekannt, vieles bey, die gute Lage, gesunde Lufft,
heiterer Himmel, gütige Sterne, und dergleichen denn ob gleich nur ein Himmel
unsere
Welt umgiebet, so ist doch solcher nicht an einem Ort wie an dem andern
beschaffen, sondern es wird nach Gelegenheit des Orts, Lauffs,
Bewegung, Höhe
und Conjunction der Sterne, insonderheit aber der Sonne und des Mondes, solcher
verschiedentlich wahrgenommen. |
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Vieles trägt bey, wenn eine
Landschafft
hoch lieget, und mit Bergen versehen ist, denn da findet man, daß solche
fruchtbar an Blumen und Früchten, welche mit ihrer
Annehmlichkeit die Lufft
erfüllen und die gesundesten Wohnungen abgeben, anderer
Nutzen zugeschweigen,
welche sie vor niedrigen Landschaften haben, nehmlich reine Wässer und Brunnen,
Überfluß allerhand guter Früchte, gute Weine, verschiedene Thiere,
Wälder, gute
Weyde, dergleichen
Dinge alle viel zur Erhaltung der Gesundheit beytragen. |
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Wie wir denn auch sehen, daß die Leute, so auf den Bergen wohnen und der
freyen Lufft ausgesetzt sind, vor andern starck, gesund, munter, und lebhaffter
seyn. Insonderheit tragen die Berge, so mit
Wäldern und Lustwäldern besetzt
sind, sonderlich wo Buch- und Bircken-Bäume, auch hartzige und balsamische
Früchte im Überfluß wachsen, vieles bey, theils weil sie die Lufft mit ihren
starcken Ausdufftungen merklich temperiren, theils auch weil sie der
Gewalt
des Windes wiederstehen. |
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Welches hingegen |
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{Sp. 64} |
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kaum jemahls von niedrigen, morastig und kothigen Örtern zu
hoffen, als
welche, wenn auch
Wälder vorhanden, solche meistens sehr dick, und mit hohen
Bäumen, sonderlich mit Eichen besetzt sind, welche die Strahlen der Sonne und
des Mondes nicht durchlassen, und aus dem feuchten, dunstigen, und morastigem
Erdreiche eine dicke, stinckende und faule, nebelichte und trübe Lufft den
Orten, welche in der Eben liegen, beybringen. |
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Hernach machen die Flüsse und Bäche, sonderlich diejenigen, so aus
steinichten und sandigten Bergen entspringen, und hernach durch eben dergleichen
Orte fliessen, die Lufft wegen ihrer heilsamen Dünste sehr gesund, welchen
Nutzen meistentheils diejenigen Ströme, die geschwind, fliessen, haben, wenn sie
aber durch andere sumpfichte und kothigte Örter langsam durchfliessen,
verursachen sie sodenn wegen der
schädlichen Ausdunstung vielmehr
Schaden. |
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Dergleichen gesunde Örter, wenn sie gleich nicht alle jetzt erzehlete, doch
die meisten
Eigenschafften an sich haben, haben sowohl die alten als auch die
neuern
Ärtzte ihren Patienten anbefohlen. Also ist vor langen Zeiten nicht
allein ganz Spanien überhaupt, sondern insbesondere die Stadt Granata und Madrit
vor sehr gesund gehalten worden. Dergleichen wird auch der Böhmischen Lufft
zugeschrieben, als von welcher Bouslaus Balbimus Miscellan.
Reg. Bohem. ... erzehlet, daß die Böhmischen Könige, wenn sie gleich
schwach und kranck dahin gekommen, in kurtzer Zeit wieder gesund worden. |
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So rühmet auch Gviliam Piso in Histor. nat. et med.
die Lufft in Braßilien. Gleiches Lob hat auch Alexandrien, daher auch die alten
Ärtzte, wie Celsus bezeuget, die Schwindsüchtigen dahin
geschicket, weil, nach Curtii Bericht, die Sonne keinen Tag
daselbst verfinstert oder mit Wolcken überzogen würde. |
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Ferner ist der größte Theil von Italien allezeit vor andern Landschafften
wegen der gesunden Lufft hochgehalten worden. Bartholinus
de peregr. med. ... lobet die Neapolitanische Lufft gar sehr. Sonderlich
war in dieser Gegend der also genannte mons lactarius, welcher jetzo il
Monte della Torre heist, und zwischen Neapolis und Surrent neben dem Berg
Vesuvius lieget, wegen der guten und fetten Weyde sehr berühmt ist, weiln
allerhand gute Kräuter daselbst wachsen, weswegen auch grosse Heerden dahin
getrieben worden, und vermeynt Galenus, daß die Milch-Curen
nicht bessere und gewünschtere
Würckung thäten, als auf diesem Berge, weshalber
auch sonderlich zur Frühlings-Zeit so viel Krancke da selbst gesehen worden, als
heut zu Tage in den Bädern und Brunnen, weilen, wie Baccius
bezeuget, die Ärtzte gewohnt gewesen, die Schwindsüchtigen, und diejenigen, so
Blut ausspeyen, dahin zuschicken. |
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Von der gesunden Lufft in
Schwaben siehe die Dissertation Herrn D.
Lithenii, so er 1735 zu Altdorff gehalten hat, und sciagraphia
salubritatis Sueviae betitelt ist, siehe auch Rauchii
Orationem de Austriae salubritate. |
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Indem aber, wie aus nur erzehlten Umständen erhellet, diejenigen Örter,
welche hoch liegen und bergicht sind, eine reine lautere und trockene |
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{Sp. 65|S. 46} |
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Lufft haben, und von keiner grossen Hitze oder Frost belästiget werden, und
so wohl den Strahlen der Sonnen als sanften Winden exponiret sind, vor gesund
gehalten werden, so wird ein jeder gar leicht sehen, daß auch in unserm
Deutschland
dergleichen gesunde Orte sich befinden, wie den in Hessen nach Herr D.
Bravii Zeugniß in prooem. Dissert. de salubritate Hassiae
wenig Leute wegen ungesunder Lufft kranck würden, und stürben. |
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Nunmehro ist zu sehen, warum und wie die Veränderung der Lufft und des Orts
zu Erhaltung und Wiederherstellung der Gesundheit nützlich sey. Daß die Lufft zu
dem
Leben nothwendig erfordert werde, wird niemanden unbekannt seyn, als welche
nicht nur unsern
Cörper umgiebet, und mit den Nahrungs-Mitteln eingezogen,
sondern auch beständig vermittelst der Lunge eingeathmet wird. In diesen
Elementen nun bestehen die Mittel der Kranckheiten und Gesundheit. Diese Lufft
aber würckt verschiedentlich in unsern Cörper, denn eine warme würckt anders in
den Cörper, als eine feuchte und dicke, anders, wenn sie mit
schädlichen,
unreinen, anders wenn sie mit gesunden, reinen, und temperirten Theilen
erfüllet, siehe den
Artickel: Veränderung der Lufft. Deßhalben
haben auch vor Zeiten kluge Ärtzte, wenn sie die Veränderung eines Orts
gerathen, dahin gesehen, daß sie die Patienten aus einer ungesunden in eine
gesunde Lufft verschaffet. |
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Hernach werden vieles bey Veränderung des Orts beytragen, gesunde Wasser,
und sind dieses die besten, welche ohne Geschmack, und gleichsam süsse und
leichte sind, auch keinen Geruch haben, und wenn man Saltz darein wirfft, nicht
trübe werden, auch niemahls, wenn auch die Kälte noch so hefftig, um die Gegend
ihres
Ursprungs gefrieren, dergleichen können so wohl die Speisen darinnen zu
kochen, als auch zum Trincken gebraucht werden. |
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So hat auch ferner die Veränderung des Orts grossen
Nutzen, wegen der
unvermeidlichen
Bewegung des Cörpers, als wodurch der Cörper und Eingeweyde
sanffte beweget werden, daß dadurch das Geblüte und übrigen Feuchtigkeiten desto
besser in ihren Umlauffe erhalten werden, und die zähen und dicken Theile aus
demselben abgesondert, und gesäubert werden. |
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So trägt auch die Ergötzlichkeit des
Gemüthes vieles bey; denn durch
Veränderungen des Orts wird das Gemüthe, welches von den langen Sorgen und
Geschäfften geschwächt worden, lieblich erquicket, und von alle demjenigen, was
ihm Sorge und Bekümmerniß gemacht, abgezogen; im Gegentheil aber von den neuen
und vorher unbekannten
Dingen, welche es begierig besiehet, vergnüget, welches
viel zur Erhaltung der Gesundheit beyträgt. Denn wie das Gemüthe, so sind auch
die
Bewegungen der
Geister; wie die Geister, so die
Bewegung des Hertzens, der
Puls-Adern und der Umlauff des Geblüts; wie der Umlauf des Geblüts, so ist auch
die Gesundheit beschaffen. Zu der Beruhigung des Gemüths trägt auch vieles bey
die Besuchung guter Freunde, der
Umgang und die Gespräche mit selbigen bey
Gastereyen, als bey welchen das Gemüthe mehr erfreuet, aufgemuntert, und
gestärcket werde. |
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Da demnach die Veränderung des Orts |
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{Sp. 66} |
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so grossen
Nutzen in Erhaltung der Gesundheit hat, so ist leicht
zuschliessen, daß sie dergleichen Nutzen haben werde, auch die Gesundheit wieder
herzustellen, welches auch mit wenigen soll
gesagt werden. Überhaupt wird
dergleichen Veränderung grossen Nutzen schaffen in allen langwierigen
Kranckheiten, welche nichts auf die Medicamente passen, aber noch nicht auf den
höchsten Grad gekommen, daß die
Krafft
nicht alle verlohren, die Eingeweyde verhärtet und ihres Toni beraubet
oder gar corrumpirt sind, deshalben bekommt sie sonderlich denen, so an dem
Malo hypochondriaco und Scharbock laboriren, als deren Zufälle recht
verwunderlich durch eine fremde reine Lufft und
Bewegung gemindert werden. |
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Dergleichen
Nutzen
haben sie auch in den langwierigen Fiebern, so wohl nachlassenden, als
schleichenden und Hectischen Fiebern, welche öffters ehe hierdurch als durch die
besten Artzeney-Mittel vertrieben werden, |
wie solches
Seneca in seinen Episteln, Bongarsius
Epist. VII. ad Camerarium und Philipp Melanchton Lib.
V. Epist. ... bezeugen. |
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So hat solche auch offt in der anfangenden Wassersucht gute Hülffe
geleistet, wie solches Epiphanius Ferdinandus in Consult.
suis ... bezeuget. Daher werden sie auch in denjenigen Kranckheiten so von
einen Mangel der Lebens-Geister und übeln Beschaffenheit des Geblütes herkommen,
gut thun. Ingleichen dienen dergleichen Veränderungen in Convulsionen,
Schwindel, Melancolie, Raserey, in hefftigen Kopff-Schmertzen, |
wie solches
Loßius ... erzehlet. |
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Wie viele solche Veränderung in Vertreibung der Brust-Kranckheiten,
insbesondere des Blutspeyens, der daher öffters abstammenden Schwindsucht
beytrage, haben die alten Ärtzte längstens
erkannt, und haben deßwegen die Römer
dergleichen Patienten die Schifffahrth nach Egyptien und Alexandrien gerathen,
die Neapolitaner schickten solche nach Tabias, siehe Celsum
..., welcher auch bezeuget, daß das große Reisen im Husten nützlich sey, |
siehe dessen
- Lib. IV. ...
- Plinium Lib. V. ...
- Ciceronem L. de Clar. Orator. c. 16.
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Diesen haben die meisten nachgeahmet, sonderlich Morton,
welcher in seinem Tractat de phthisi ... und sonderlich in derjenigen
Art, welche aus dem Mangel des Blutes oder der Lebens-Geister entstehet, die
Reise an einen gesunden Ort rathet, als wodurch die Nerven- und Lebens-Geister
am besten gestärcket, der Appetit wieder erlanget würde. So mag um eben dieser
Ursache willen der berühmte Sydenham nicht allein in der
Schwindsucht, sondern auch im Podagra, Colic, Malo Hypochondriaco, und andern
rebellischen
Affecten Patienten gerathen haben, daß sie weit weg in freyer Lufft
reiten sollten, |
siehe dessen Opusc. Vnivers. ... |
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Endlich werden solche Veränderungen auch in äusserlichen Affecten, als in
Geschwüren, hartnäckigten Krätze, Aussatz und andern Saltz-Flüssen, wenn solche
durch andere Mittel nicht heilen wollen, gut thun; denn ja dergleichen Übel
sonderlich von einem scharff gesaltzen Fließ-Wasser entstehen, wozu eine
feuchte, neblichte und garstige Lufft Ge- |
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{Sp. 67|S. 47} |
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legenheit gegeben, so kan man leicht sehen, daß wenn der Ort und die Lufft
verändert, da man nehmlich aus dieser in eine reine sich begiebet, sehr viel
beytrage. |
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Daher kommt es auch, daß dergleichen Veränderungen so grosse
Würckung in
Heilung langwieriger Geschwüre und Fisteln haben, wie solches die Exempel
beweisen, welche Riedlinus Lin. Med. ...
Bortichius in Act. Hafniens. ... und Turquetus de
Meyerer Cons. de phthisi erzehlen. |
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Eben dieserwegen muß öffters bey Wunden dergleichen Veränderung vorgenommen
werden, wenn solche sollen geheylet werden, |
wie solches der berühmte
Paräus ... bezeuget. |
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Ob gleich aus dem, was bisher gesagt, derjenige grosse
Nutzen, welcher aus
der Veränderung der Lufft und des Orts um so wohl die Gesundheit zuerhalten, als
wieder herzustellen, erhellet; so kan man doch solches nicht allen ohne
Unterscheid rathen, denn da die tägliche Erfahrung lehret, daß wegen der
Gewohnheit öffters, wenn Leute aus ihrem
Vaterlande reisen, solche beständig
kranck seyn und auch nicht eher besser werden, als biß sie wieder nach Hause
kommen. |
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Daher dergleichen Veränderung allezeit gütlich zurathen und anzustellen, und
allezeit auf die Beschaffenheit und Temperamente der
Personen
zusehen, da nehmlich denen schwachen und trockenen Naturen, als die Melancholici
und Cholerici, und diejenigen, so zur Schwindsucht geneigt sind, eine temperirte
feuchte Lufft bekommet, die Fetten aber und safftreichen Naturen, als die
Sanguinei und Phlegmatici, die Alten, die gelähmet, oder sehr schwach sind, oder
Brustbeschwerungen unterworffen, sollen die kalte, bergigte, und mitternachtige
Lufft meiden. Die Vollblütigen sollen, ehe sie solche vornehmen, zur Ader
lassen, purgiren etc. grosse Hitze und Kälte vermeiden, damit der
Endzweck und
Vorhaben desto besser verrichtet werde. |
D. Ivonis Joh. Stahlii Diss. de sanitatis conservatione
... Erfut 1736. |
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