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Materie in den äußerlichen Sinnen |
Betrachtet man die Materie, wie sie sich durch die äusserlichen
Sinnen
zu
erkennen
giebet; so wird deren
wesentliche
Eigenschafft
auch auf
unterschiedene Art bestimmet. |
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Cartesius in
princip. phil. …
meynet, ihre wesentliche Eigenschafften bestünden
darinnen, daß sie ein in die Länge, Breite und Dicke ausgedehntes Wesen sey,
daher man auch insgemein das
Wesen
eines
Cörpers in der Ausdehnung setzet. Weil man aber noch untersuchen könte, ob
nicht der
Raum, die
Bewegung, der Schatten, auch ausgedehnet wären, die man
gleichwohl nicht vor cörperlich halten kan; so haben andere dafür gehalten, daß
das Wesen der Materie oder des
Cörpers in der Impenetrabilitate oder Undurchdringlichkeit
bestünde, als Stair in physiol. nov. experim. Dafür andere die
soliditatem
impenetrabilem, die undurchdringliche Festigkeit, angenommen. |
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Insgemein lehret man, die Materie sey eine pur leidende
Substantz,
und meynet, daß dieses derjenige
Begriff
sey, welcher den
Grund
aller ihrer
Eigenschafften
in sich fasse, deren man fünff zu zehlen pfleget, |
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{Sp. 2033|S. 1065} |
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daß sie ausgedehnt, sich
zertheilen lasse, fest sey, eine gewisse Figur
habe, und bewegt werden könne. |
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Alles, was uns mittelbar vor die
Sinnen
kommt, sind
Cörper, die ihre besondere Materien und
Formen
haben, daß man also insoweit die Materie überhaupt betrachten, und deren
wesentliche
Eigenschafften,
die bey einer jeden besondern Materien angetroffen werden, untersuchen kan.
Denn, daß manche Materie groß, eine gewisse Farbe hat, weich oder hart, flüßig
u.s.w. ist, solches gehöret ihr nur zufälliger Weise zu, weil sich dergleichen
Eigenschafften nicht beständig bey einer jeglichen Materie befinden. Ist ietzo
eine Materie groß, so ist hingegen eine andere klein; und wenn ich ietzo was
Schwartzes vor mir sehe, so findet sich wieder auch was Weisses u.s.w. |
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Dergleichen
Veränderungen bey den Beschaffenheiten der Ausdehnung, der
Theilbarkeit, der Festigkeit, der Figur und des
Vermögens
eine
Bewegung anzunehmen nicht wahrzunehmen, die man deswegen
vor wesentliche Stücke der Materie hält, und sie gar wohl aus dem leidenden
Vermögen, etwas anzunehmen, herführen kan, daß also dieses der erste wesentliche
Begriff der Materie wäre. Ob aber gleich eine Materie an sich selbst und ihrem
Wesen nach sich selbst nicht bewegen kan, so ist doch nichts ungereimtes und
gefährliches in der
Meynung, daß
GOtt ihr in der
Schöpffung eine
Bewegungs-Krafft mitgetheilet. Man siehet dieses alsdenn vor was zufälliges an,
und indem solche GOtt in die Materie geleget, so gewinnt ein
Atheist nichts
dabey. |
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Das erste also, was wir von der Materie begreiffen, ist die Ausdehnung,
worinne aber keine Activität gegründet ist. Dennoch aber finden wir, daß die
gantze Materie der
Welt
in beständiger Handlung oder
Bewegung sey, immassen sie unaufhörlich verändert
und verwandelt wird. Diese
bewegende Krafft muß entweder von einer äusserlichen
würckenden Ursache hergeleitet werden, oder sie muß als eine zufällige
Forme
an der Materie hängen. Welche die erste
Meynung erwehlen, sagen,
GOtt selbst
bringe alle Bewegungen und
Veränderungen in den materialischen Dingen durch
unmittelbare
Würckung hervor; oder sie geben vor, GOtt habe eine mittlere
bewegende
Substantz geschaffen. |
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Die meisten Nachfolger des Cartesius haben sich heute zu
Tage unterstanden, zu behaupten, daß bloß der allmächtige
Wille des Schöpffers alles in der
Welt
thue, bewege, und durch die
Bewegung
regiere, und zwar
unmittelbar in Ansehung der
Krafft,
mittelbar aber in Betrachtung der
Substantzen, Mitteln oder Werckzeuge. Also
erkläret sich auch Sturm in Physica Elect. … hiervon. Sie bilden sich ein,
GOtt
bewege noch, wie bey der
Schöpffung, durch seine unmittelbare Krafft alles
selber, wie etwan ein Holtzhacker die Axt, die keine
Macht vor sich hat,
gebrauche, oder wie ein Müller Wasser oder Wind anbringe, die Mühle zu bewegen
und herum zu treiben. Die
Gründe
hierwieder kan man unter dem
Artickel
Bewegung im III. Bande p. 1603. u.ff. nachlesen. |
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Es scheinet aber diese
Meynung nicht allein der gesunden
Vernunfft, sondern auch der
H. Schrifft
selbst zuwider zu seyn. Denn Moses
schreibt im 1 B.
II, 2.
GOtt
habe geruhet, oder aufgehöret zu würcken. |
Bes. auch
1 B. Mose VIII, 2. Josua V, 12.
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Da aber GOtt geruhet, hat sich doch die Materie beweget. |
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Andere erdichteten eine mittlere
Substantz,
welche GOtt gemacht haben soll, der
Welt
vorzustehen und sie zu
regieren, auch alle Handlungen der Erzeugung, der Ersetzung
und Verfertigung zu beför- |
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{Sp. 2034} |
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dern. Dieses erste
Principium der
Bewegung ist insonderheit von den Alten
Welt-Weisen bald Natura naturans, bald auch die
Seele oder der
Geist der
Welt, bald wiederum
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- Calidum omniscium,
- Cholcodea,
- Animarum datrix,
- Archeus,
- Principium hylarchicum oder
plasticum
- u.s.w.
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genennet worden, wovon an seinem Orte. |
Besiehe auch hierbey Schelhammers Naturam
sibi et Medicis vindicatam. |
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Vielmehr scheinen es diejenigen am besten getroffen zu haben, welche davor
halten, das gleich beym Anfange der
Welt
die Materie, die aus nichts gemacht, und durch das unmittelbare Anblasen
GOttes beweget wurde, mancherley
Bewegungs-Kräffte
mitgetheilet worden, daß sie ohne weitere besondere Hülffe GOttes unzehlige
Würckungen
verrichten, und auf vielerley Weise verändert werden könne; wovon unter dem
Artickel
Krafft
im XV. Bande p. 1662. u.ff. ein mehrers. |
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Die Materie ist also nach dieser Erklärung dasjenige, was einem
Cörper die Ausdehnung giebet, mit seiner widerstehenden
Krafft; folglich kein so wüster Klumpe, das ist, kein Hauffe zusammen
geworffener ähnlicher Theile, darinnen nichts, als die Grösse, unterschieden
werden könte; sondern vielmehr ist alles darinnen auf gantz besondere Art von
einander unterschieden. Und rühret der gemeine
Begriff
von der Materie, da man sich dieselbe als einen kraftlosen Klumpen vorstellet,
dessen Theile insgesamt, sie mögen so groß oder so klein genommen werden, als
man immer will, bloß von der
Einbildung her, welche die
Sachen
undeutlich vorstellet, und daher vieles übersiehet, was in ihnen ist. |
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Also nimmt
Wolff mit Cartesio an, daß die
Materie eine Ausdehnung habe, oder in die Länge, Breite und Dicke ausgespannet
sey. Allein er hält davor, daß noch was mehrers dazu gehöre, nemlich die so
genannte Vis inertiae, oder die widerstehende
Krafft,
die Kepler zuerst in ihr entdecket, und Newton
seines Ortes gleichfalls in derselben
erkannt, als wodurch sie eben
geschickt
wird zu leiden, und darinnen man auch den eigentlichen
Grund
zu suchen hat, warum die
Leidenschafften
der Materie sich auf eine verständliche Art erklären lassen. |
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Kann Materie denken? |
Hierbey haben einige die Frage aufgeworffen, ob denn nicht also zum
Wesen
der Materie erfordert werde, daß sie auch müsse dencken können? Allein, nachdem
gar viele unter dem
Worte
Materie und
Cörper zwey unterschiedene
Dinge,
die doch gar sorgfältig von einander zu unterscheiden gewesen, auf eine höchst
ungeschickte Art mit einander vermenget, obgleich das letztere schon etwas
mehrers, als das erstere unter sich begreifft, oder besser zu
reden,
jenes bloß wie der Stoff und Zeug derer entweder noch hervorzubringenden oder
würcklich schon hervorgebrachten Cörper oder zusammen gesetzten Dinge, diese
aber als eine blosse
Würckung
der Materie anzusehen sind: so hat es nothwendig auch nicht anders geschehen
können, als daß man sich mit unter kein Bedencken gemacht, dieses von der
Materie überhaupt genommen, platterdings zu bejahen. Zumal da man so lange Zeit
in den
Gedancken
gestanden,
GOtt könte einem Cörper, oder wie man noch ungeschickter zu
reden gewohnt gewesen, der Materie eine
Krafft zu
dencken mittheilen. |
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Es ist aber aus denen Lehr-Sätzen der neuern
Welt-Weisen zur Gnüge bekannt, daß kein
Gedancke
aus dem
Wesen und der
Natur eines
Cörpers kommen kan, und indem einige haben
wollen,
GOtt solle ihnen dieselbige beylegen; so
erkennen sie sol- |
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{Sp. 2035|S. 1066} |
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ches von selbst. Solchergestalt müste GOtt machen, daß aus dem Wesen eines
Cörpers etwas erfolgete, was aus ihm nicht erfolgen könte, und demnach das Wesen
desselben verändern, oder ihnen zugleich das Wesen eines andern
Dinges,
daraus
Gedancken
kommen können, mittheilen. Nun ist aber bekannt, daß sowol das Wesen eines
Dinges unveränderlich ist, als daß auch das Wesen eines Dinges einem andern
nicht mitgetheilet werden kan; und demnach ist es eben so viel, wenn man saget,
GOtt solte der Materie eine
Krafft zu
dencken mittheilen, als wenn man verlangte, GOtt solle das Eisen zugleich zu
Golde machen, so, daß es Eisen und Gold zugleich wäre. Welches ja eine so
unmögliche Möglichkeit, als einen offenbaren Widerspruch in sich hält. |
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Allen Ansehen nach aber mag man sich wohl durch den schon von dem
Aristoteles sowol, als viel andern derer ältern und neuern
Welt-Weisen gemachten Unterscheid der Materie, da sie solche unter andern in
Materiam sensibilem und
intelligibilem, oder in die empfindliche
und verständliche abgetheilet, auf so ungereimte
Gedancken
haben verleiten lassen, ohne den daran zu bemerckenden Unterscheid bey sich
selbst etwas genauer erwogen, oder auch wohl deren Lehr-Sätze hiervon gantz und
gar nicht eingesehen zu haben; massen ja die empfindliche Materie bey dem
Aristoteles selbst schon nichts anders als den eigentlichen
Stoff oder Zeug, woraus die natürlichen Cörper zusammen gesetzet sind, die
verständliche aber bloß in uneigentlichem
Verstande so genennet wird, eigentlich aber nichts anders
als dasjenige vorstellet, was in der
empfindlichen Materie gleichsam
eingeschlossen ist, und die
Krafft zu
verstehen besitzet, ohne deswegen die empfindliche Materie selber zu seyn. Und
also ist nur nöthig, alle diese
Dinge,
welche eigentlich nicht zum
Wesen
der Materie gehören, aufs genaueste davon abzusondern; so ist kein Zweifel, daß
sich nicht die hierbey vielen anscheinende Schwierigkeit gar bald von selbst
solte heben lassen. |
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Wie denn unter andern auch Rohault in diesem Stücke sehr
deutlich und ausführlich ist, wenn er sagt, daß alle solche Beschaffenheiten,
ohne welche, wenn sie von der Materie in
Gedancken
abgesondert werden, dieselbe dennoch in ihrem
Wesen
bestehen kan, ihr nur zufälliger Weise angehören, als da sind, die Grösse, die
Farbe, der Geschmack, die Härte oder Weiche, Flüßigkeit, u.s.w. weil dieselben
alle nur den Unterscheid derer aus der Materie gestalteten
Cörper machen; Diejenigen aber, ohne welche die Materie
nicht begriffen werden kan, zu ihrem eigentlichen Wesen gehören, und zu ihrer
Beschreibung mitgenommen werden müssen. Diese sind nun, nach seiner
Meynung, die schon oben gedachte Ausdehnung, (Extensio)
die Theilbarkeit, (Divisibilitas) die Gestaltung (Figura) und
die Dichte oder Gediegenheit und Undurchdringlichkeit, (Impenetrabilitas.) |
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Aus diesem Satze schlüssen auch die neuen wider die alten, daß die Materie
ihr gemessenes
Wesen
durch die
Form
erlange; diese im Gegentheil behaupten, daß die Materie der Forme das Wesen
gebe, weil die Forme nichts anders sey, als eine gewisse Weise oder Maaß,
wodurch die Materie beschräncket wird. |
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Ursprung |
Diese also beschriebene Materie ist im Anfange der
Dinge
von dem allmächtigen Schöpffer herfür gebracht worden. Und wie sie der Zeug ist,
woraus alle übrige besondere
Cörper gestaltet worden, und durch die ihr eingedruckte
Bewegung nach den Gesetzen derselben (secundum leges motus) noch
täglich gezeuget werden; so werden auch sie durch |
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{Sp. 2036} |
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ihre Zerstörung in dieselbe hinwieder aufgelöset; die Materie aber bleibet
unzerstörlich und unveränderlich in ihr selbst. |
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Schwere |
Übrigens sind die Materien nicht alle von einerley
Art der Schwere. Da wir
täglich
Sachen
zu heben haben; so finden wir, daß einige groß und dabey leichte sind, andere
hingegen ihnen an der Grösse viel nachgeben, und doch an der Schwere dieselben
weit übertreffen. Jedermann fühlet es, daß ein Glas, mit Quecksilber gefüllet,
gar viel schwerer ist, als wenn man Wasser darinnen hat. Man fühlet nicht
weniger, daß ein Schwamm viel leichter ist, als ein Stein, ungeachtet er viel
grösser ist, als dieser. |
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Diejenigen, welche mit Abwägung vielerley Waaren umgehen, sehen zur Gnüge,
daß die Waare gemeiniglich mehr
Raum einnimmt, als das Gewichte. Z.E. ein Hut
Zucker von 4 Pfunden nimmt gantz augenscheinlich einen gar weit grössern Raum
ein, als das Gewichte von Bley oder Meßing, damit man ihnen abwäget. Und findet
man selbst unter dem Gewichte, deren eines aus Steinen, das andere aus Bley
gemachet worden, einen mercklichen Unterscheid in der Grösse, sonderlich wenn
die Gewichte groß sind. Jedermann siehet, daß das steinerne Gewichte weit
grösser ist, als das bleyerne, ob sie gleich auf der Wage inne stehen, auch
gleich schwer befunden werden, wenn man sie auf oder an den Händen gegeneinander
abwäget. |
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Gleicher Gestalt weiset es der Augenschein, daß immer eine Waare mehr
Raum
einnimmt, als die andere, ob man gleich einerley Gewichte hat. Z.E. Baumwolle
nimmt einen weit grössern Raum ein, als der Zucker, wenn man von beyden ein
Pfund nimmt. Da nun diejenige Waare, welche auf der Wage mit dem Gewichte inne
stehet, mit ihm einerley Schwere hat; so erhellet hieraus, daß diejenige, welche
einen grössern Raum einnimmt, als das Gewichte, unter einerley Grösse mehr
Schwere haben muß, als das Gewichte. Und eben solchergestalt ist klar, daß, wenn
zwey
Sachen
von verschiedener Grösse mit einerley Gewichte, und also auch mit einander
selbst, auf der Wage inne stehen, die grössere unter einerley Grösse weniger
Schwere hat, als die kleinere. Und auf solche Weise hat man gefunden, daß nicht
alle
Cörper, und also auch nicht alle Materien, gleich schwer
sind, ob sie gleich einerley Grösse haben. |
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Zu Erläuterung dieses Satzes kan auch dienen, was Ougthred
in Archimede promoto von Ghetaldo erzehlet, daß er mit
Gold, Quecksilber, Bley, Silber, Kupffer, Eisen, Zinn und Wasser eine Probe
gemacht, und, als er von einem jeden derer gemeldeten Stücke, der Grösse oder
der Menge nach, gleich viel genommen, befunden, daß ein Stücke Gold von 100
Gran, ein anderes Stücke Quecksilber, ob es ihm gleich der Grösse nach gleich
gewesen von 71 3/7, Bley 60 10/19, Silber 54 55/57, Kupffer 47 7/19, Eisen 42
2/19, Zinn 38 18/19, und Wasser 5 5/19 betragen. |
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Durchsichtigkeit |
Endlich werden die Materien auch durchsichtiger, indem die zwischen ihnen
befindlichen Räumlein mit einer Materie erfüllet werden, die ihnen an
Dichtigkeit näher kommt, als die vorigen. |
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