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Allgemeines |
Schwaben, Schwabenland,
Lat.
Suevia,
Frantz.
Souabe, Sueve,
eine grosse
Provintz in Deutschland,
welche gegen Osten an Bayern, gegen Süden an Tyrol und an die
Schweitz, gegen
Westen an das Elsaß, und gegen Norden an die Unter-Pfaltz und an Francken
grentzet. |
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Es ist ein fruchtbares
Land an Getreyde
und Gras, wie auch gegen Norden von Stuttgard an, diß- und jenseits des Neckars,
bis an die Pfältzische
Grentzen,
an Weine. |
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Die vornehmsten Flüsse darinne sind die
Donau, der
Neckar, der Lech und der Iler, von denen der erste schon in ziemlicher Breite
bey Ulm vorbeyfliesset; der andere bey Stutt- |
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{Sp. 1732} |
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gard, Tübingen und Eißlingen; der dritte bey Augspurg; und der vierte bey
Kempten hinweggehet. |
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Überhaupt wird dieses
Land eingetheilet
in das Österreichische und in das
Kayserliche Schwaben. Jenes begreifft diejenigen
Länder,
welche das Haus Österreich, in Schwaben besitzet, das andere aber begreifft die
übrigen
immediaten Reichs-Güter, welche von
Fürsten,
Grafen
und
Reichs-Städten
darinne besessen werden, und von welchen zu Ende dieses
Artickels weitläufftiger
soll gehandelt werden. |
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Die
Religion dieses
Landes ist theils
Evangelisch, theils Römisch-Catholisch, welche beyde Religionen überall sehr
untermenget sind. Doch sind die Evangelischen in weit grösserer Anzahl, als die
Römisch-Catholischen. |
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Ausserdem wird es auch in Ober- und Nieder-Schwaben eingetheilet, da denn
das erstere diejenigen
Landschafften
anzeiget, welche zur rechten Seiten der
Donau gegen Bayern, Tyrol und der
Schweitz liegen, durch das letztere hingegen die übrigen
Provintzen nach der
Elsas, der Unter-Pfaltz und Francken. |
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Sveven |
Seinen
Nahmen
hat Schwaben von dem ehemaligen
Volcke,
den Sveven,
Lat.
Suevis, erhalten. Diese haben, nach der meisten
Geschichtschreiber
Meynung, vor Zeiten ihren Sitz viel weiter gegen Mitternacht
und oben in Schonen, Schweden, und um das Balthische Meer herum gehabt, dahero
auch dasselbe noch jetzo das mare suevicum genennt wird, und mag auch
vermuthlich der Nahme Schweden, oder Suecia, davon noch übrig geblieben seyn. |
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Die
Ursache,
warum diese
Völcker
dergleichen
Nahmen
erhalten haben, leiten einige
Schrifftsteller daher, weil Suevus,
einer von den ersten deutschen
Königen,
deren Berosus Meldung thut, ihr Urheber und Stamm-Vater gewesen sey soll. Es hat
auch gedachter Berosus selbst in dieser
Meynung gestanden, wenn anders dem Annio
Viterbiensi zu trauen ist, welcher ihn übersetzt, zugleich aber viel von dem
seinigen mit eingeschaltet. Doch wächset dieser Meynung dadurch viel
Wahrscheinlichkeit zu, weil Tacitus berichtet, daß die
Deutschen den Svevum auch
für einen
Gott ausgegeben, von dem sie zum Theil ihren
Ursprung gehabt hätten. |
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Andere hingegen, und vornehmlich Philippus Cluverius,
halten dafür, daß die Schwaben den
Nahmen
von dem Flusse Suevo, welcher heutiges Tages entweder die Spree, oder
die Oder genennt wird, und an dem sie vor Zeiten gewohnt, erhalten haben,
welcher
Meynung auch Leibnitz beystimmet. |
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Noch andere stehen in den
Gedancken,
als ob die Schwaben oder Sveven von dem deutschen
Worte
schweben benennt worden wären, weil sie unter allen
Phönicischen Nationen am längsten auf der See hätten herum schweben müssen, ehe
sie an den Ausfluß der Oder und das mare suevicum, oder die Ost-See
gekommen wären; oder auch deßwegen, weil ihr Ruhm und
Macht
weit vor andern
Völckern
empor geschwebt hätte. |
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Ob nun gleich die letzt gedachte Muthmassung, welcher vornehmlich
Loccenius zugethan ist, die schwächste zu seyn scheinet, so ist
indessen doch gewiß, daß sie das mächtigste, gröste und tapfferste
Volck
unter allen
Deutschen
gewesen. Tacitus |
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{Sp. 1733|S. 881} |
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sagt von denselben: Nunc de Suevis dicendum, quorum non una, ut Cattorum
Tenetorumque gens; maiorem enim Germaniae partem obtinent, propriis adhuc
nationibus nominibusque distincti, tamquam in communi Suevi dicuntur.
Julius Cäsar nennet dieselben gentem maximam et
praestantissimam Germanorum. Und beym Orosio, im 9 Cap.
des 1 Buchs heissen sie gens ferocissima validissimaque. |
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Daß aber die Schwaben auch in den neuern Zeiten den Ruhm ihrer Tapfferkeit
behauptet haben, solches erhellet unter andern aus demjenigen, was
Kayser
Rudolph I zu
sagen pflegte: daß er sich nehmlich mit 4000 Helm und
40000 Fußgängern aus Schwaben die gantze
Welt
zu überwinden zutraue. |
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Ihren ältesten
Zustand anlangend, so soll der vorhin gedachte
Svevus, welcher 3 oder 4 Jahrhunderte nach der Sündfluth gelebet hat,
dieselben wegen allzu grossen Anwachses der
Einwohner
aus Phönicien geführt haben. Und weil er dieselben glücklich an die Ost-See in
ein gutes und zuvor unbekanntes
Land gebracht,
allwo sie sich niederlassen, und wohl ernehren können, so sollen sie selbigen
nachhero als einen Halbgott verehret, auch dasjenige Schiff, auf welchem sie
entweder alle, oder doch ihr Führer mit den vornehmsten unter ihnen, angekommen,
ihren
Göttern geweyhet, und als ein besonderes Heiligthum
aufbehalten haben. Dahero auch Tacitus erzehlt, daß sie
liburnam navim in ihren Haynen oder Tempeln den Göttern geheiliget hätten. |
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Nach dieser Zeit sind sie beständig durch eigene
Könige
regieret worden, bis sie endlich von dem Fränckischen Könige Chlodoväus,
wie hernach soll
gesagt werden, überwunden worden. Prätorius
hat zwar eine grosse Menge dieser Könige angeführt, die seinem Vorgeben nach an
dem Flusse Svevus sollen geherrscht haben. Allein, zu geschweigen, daß überhaupt
nichts gewisses von ihnen zu
sagen ist; so hat auch er besonders sehr grosse
Fehler hierinnen begangen, da er z.E. aus Hartemundo, Haldegasto,
Hildemundo, Cariovisto, (derer Vopiscus als Römischer
Generale, oder doch als Bundesgenossen wider die Gothen gedencket,) lauter
Könige der Sveven machet. |
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Nachdem sie also in dieser Gegend festen Fuß gesetzt hatten, so zogen sie,
wie die übrigen deutschen
Völcker
dem Kriege nach, und ernähreten sich von Rauben und Plündern, oder in dessen
Ermangelung von der Jagd, von ihrem Viehe und von Erdgewächsen. Über dieses
veränderten sie ihre Wohnungen fast alle Jahre, sobald sie nehmlich für sich
oder ihr Vieh an dem vorigen
Orte
einigen Mangel verspühreten. Wie aus den meisten und sichersten Nachrichten der
ältesten Geschichtschreiber abzunehmen ist, so geschahe diese öfftere
Veränderung ihrer Wohnungen und
Grentzen
immer weiter von Mitternacht gegen Mittag zu. |
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Wiewohl Rodericus Toletanus die
Meynung umkehrt, und will, daß die Sveven aus dem heutigen
Schwaben weiter gegen Mitternacht gerückt, welches Vorgeben aber keinen Glauben
findet. Denn man findet nicht nur, daß ein sehr grosser Theil der Schwaben von
der Ost-See bis an den Ober-Rhein,
von Basel an bis auf Mayntz und an den obern Theil des jetzigen Schwaben-Landes
gekommen, als nehmlich die Marcomannen, Ha- |
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{Sp. 1734} |
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ruden und andere, ja die Schwaben selbst, welche unter dem Ariovisto
gedient, ihre Colonien weit ausgebreitet hatten; sondern es gedenckt auch
Svetonius, daß der
Kayser
August abermahls einen Theil der Sveven nach dem
Rhein gezogen,
welche vielleicht der heutigen Schwaben Pflantzer gewesen. |
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Uber dieses wird auch bey keinem alten
Scribenten
die geringste Spur angetroffen, daß der Schwaben ihr ursprünglicher Sitz in dem
heutigen Schwabenlande gewesen. Vielmehr findet sich, daß erstlich die Alemannen
daselbst gesessen, deren Nachbaren gegen Mitternacht die Hermundurer gewesen.
Diese haben ihren Sitz in dem heutigen Francken gehabt, und sich bis an den
Ausfluß der Saale in die Elbe erstreckt. Doch sind sie bald weiter zugerückt,
und haben die Gegend um die Saale den Thüringern überlassen. Diese Hermundurer
sind nun entweder selber Sveven gewesen, oder haben sich mit denen sich ihnen
von Mitternacht zu nahenden Schwaben vermischet. Denn da verschwindet in dem 4
Jahrhundert der
Nahme
der Hermundurer gantz um diese Gegend, und die Scribenten gedencken der Sveven
daselbst allein. Ammianus Marcellinus, so zu Ende des 4
Jahrhunderts gelebet, ist der letzte, so die Hermundurer nennet. |
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Vermischung mit Alemannen |
Nach diesem wird von den Geschichtschreibern das heutige Francken allemahl
den Sveven bis an die Thüringische
Grentzen
eingeräumet. Ja es sind die Sveven noch weiter zugerückt, und haben sich unter
die Alemannier gemengt, so daß die
Scribenten
in den nachfolgenden Zeiten diese beyden
Nahmen
Wechselsweise gebrauchen. |
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Wie weit sich die Schwaben im 6 Jahrhunderte ohngefehr ausgebreitet,
selbiges erhellet aus dem Jornandes de rebus Geticis, c.
55, allwo
gesaget wird, daß Schwaben von Morgen die Bajobaros; von Abend die
Francken; von Mittag die Burgundier; und von Mitternacht die Thüringer gehabt
habe. So sind nun die Sveven oben von Mitternacht heruntergekommen, und haben
von der Weichsel an bis an die
Donau sich
dergestalt ausgebreitet, daß sie sich endlich gar mit den Alemannen vermischet.
Ob nun gleich der meiste Theil der Schwaben gedachter massen immer weiter
fortgerücket, so blieben doch auch derselben sehr viele an der Elbe und der
Oder. Diesen räumet Cluverius die Ländereyen an beyden Seiten
der Oder in Groß-Pohlen, Unter-Schlesien, Lausitz, Meissen und der Marck ein.
Leibnitz setzet hierzu noch die gantze Marck jenseits der Elbe,
und ein grosses Stück von Pommern, welches hingegen Gundling
leugnet, als welcher dieses
Land dem
Hermunduren und Qwaden zuschreibet. |
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Diejenigen nun, welche, wie gedacht, weiter als die übrigen in
Deutschland
zurückblieben wurden die Nord-Sveven, oder
Nord-Schwaben,
Lat.
Nordosuevi, Nordavi,
oder auch Nordosquevi, (welche
Benennung man sonderlich in verschiedenen Urkunden findet) benennt. |
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So ist auch nicht zu vergessen, daß sich eine grosse Anzahl Schwaben nach
Spanien begeben, und allda festen Fuß gefaßt haben. |
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Doch wieder auf die ersten zu kommen, welche am weitesten in
Deutschland
fortgerückt, so findet man, daß, nachdem die Francken die Alemannen und
Schwaben, so damahls schon einerley hiesse, unter dem
Könige Chlodoväus
in dem Tol- |
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{Sp. 1735|S. 882} |
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biachischen Treffen überwunden, und sich
befurchten, die Sveven möchten mit
den ihnen nahe gelegenen Thüringern,
Sachsen, und den Svevischen
Völckern
eines Verständnisses werden, und das Fränckische Joch vom Halse schütteln;
selbige, nehmlich die Francken, ohngefehr um das Jahr 630 einen Theil ihrer
Francken von dem nahe gelegenen Austrasien in die Gegend des heutigen
Franckenlandes geführet haben, welche den Sveven und Thüringern gleichsam eine
Scheidewand seyn, und ihnen auf die Finger Achtung geben solten. Daher kam es
nun, daß die Schwaben ihre
Gräntzen
gegen Mitternacht an dem heutigen Franckenlande bekommen; die andern Völcker
aber, so jenseits der Francken nach der Weichsel zu gelegen, und ehedessen auch
Sveven geheissen, solchem
Nahmen
verlohren, und sich jedes insbesondere genennet haben. |
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Nachdem aber unter dem
Kayser
Honorius das
Römische Reich kräncklich und hinfällig wurde;
haben sich die Alemannen und Schwaben in die Rhätischen Alpen eingesetzt, und
nach der Zeit bey der Hunnen Einfällen fast gantz Vindelicien an sich gerissen,
wiewohl die Bayern auf der andern Seite zugriffen, und ihr
Land, dessen
Grentzen
der Inn war, eine gute Strecke in Vindelicien hinein bis an den Lech
ausgedehnet, welcher auch noch jetzo auf dieser Seite das Bayer- und
Schwabenland von einander scheidet; die
Beweise davon sind unter den
Artickeln
Rhätien und Vindelicien zu lesen. |
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Gebiet |
Gegen Abend haben die Schwaben bis an den
Rhein
gestossen, dahin sie schon
Kayser
Augustus nach dem Suetonius gezogen hat. Nach
der Reise-Beschreibung des Antoninus haben sie daselbst bis
gegen Mayntz hinauf gelanget, welche
Grentze
aber hätte eingeschränckt werden müssen, als die Francken von dieser Seite einen
Theil ihrer Francken in das heutige Franckenland einsetzten, und dadurch der
Schwaben Grentzen bis gen Heidelberg herunter verrückten. Das übrige unter
Heidelberg am Rhein gelegene Land, als die Ortenau und der Breißgau, sind
unverändert bey Schwaben geblieben. |
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In diesen
Grentzen
wohnten nun die berühmten Alemannen und heutigen Schwaben, welche den Francken
und Römern so viel zu thun gemacht, daß noch heutiges Tages die Frantzosen alle
deutschen
Völcker
in ihrer Sprache unter dem
Nahmen
der Alemannier begreiffen. |
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