Titel: |
Unterscheidenden, (Satz des nicht zu) |
Quelle: |
Zedler Universal-Lexicon |
Band: |
49 Sp. 2189 |
Jahr: |
1746 |
Originaltext: |
Digitalisat BSB
Bd. 49 S. 1110 |
Vorheriger Artikel: |
Unterscheiden |
Folgender Artikel: |
Unterscheid der Mittags-Circul |
Siehe auch: |
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Hinweise: |
- Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe
Hauptartikel
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Text |
Quellenangaben |
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Unterscheidenden, (Satz des nicht zu)
Lat.
Principium indiscernibilium, ist, welcher haben
will, daß in
der
gantzen
Natur nicht
einmahl zwey, noch weniger mehrere vor sich bestehende
Dinge (es
mögen einfache oder
zusammen gesetzte seyn) anzutreffen wären, die einander
vollkommen
ähnlich oder in allen
einerley wären. |
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Denn,
sagt Herr
Leibnitz, wäre das Gegentheil war, so wäre kein
Grund vorhanden,
warum das eine unter den vollkommen ähnlichen Dingen sich an diesem
Orte
befände, und nicht die Stelle des andern ihm in allen ähnlichen Dingen einnehme,
folglich wäre etwas in der Natur, davon kein Grund vorhanden wäre, und also fiele der
Satz des zureichenden Grundes über den Hauffen, der doch eine ewige
Wahrheit
ist. |
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Es wird der
Satz des nicht zu
unterscheidenden auch durch die
Erfahrung
bekräfftiget: weil man nehmlich nicht 2 Dinge von einer
Art zusammen
bringen kan, deren eines dem andern vollkommen ähnlich wäre, und darinnen man nicht
einen
Unterscheid zu
zeigen wüste, wenn man beyde genau betrachtet, wenigstens durch gute Vergrösserungs-
Gläser. |
Diese wichtige Wahrheit hat der Herr von Leibnitz zuerst
erkannt und
in seinen Streitbriefen mit dem Engelländer Clarke epist. 5 §.4 p. 94 bekannt
gemacht. |
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Der Herr von Leibnitz hat l.c. hiervon eine Probe angeführet. Als einer,
da hiervon in einem Garten, wo viel Bäume waren, die
Rede
vorfiel, solches nicht
glauben
wolte, ward ihm
aufgegeben, unter so viel 1000 Blättern, die auf den Bäumen zugegen waren, 2
auszusuchen, die einander ähnlich wären. Wie angelegen er sich auch dieses seyn ließ;
so konnte er doch nicht dergleichen Blätter bringen, da man ihm nicht den
Unterscheid bald
hätte zeigen können. |
Walchs
Philosophisches Lexicon. |
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Nehmen wir die
Schrifften
älterer
Gelehrten, als
Leibnitz ist, zur Hand; so veroffenbaret sich, daß schon vor alten
Zeiten her einige
die Wahrheit dieses Satzes eingesehen, und man darüber schon gestritten habe. Eine
klare Stelle, die solches bestätiget, lieset man beym Cicero, in dem andern
Buche seiner
Academischen Fragen: Die
Worte lauten so:
Dicis, nihil esse idem, quod sit aliud. Stoicum est quidem, nec admodum credibile,
nullum esse pilum omnibus rebus talem, qualis sit pilus alius, nullum granum, u s.
w. |
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Eben dieser Satz ist auch dem Herrn
Jacob Thomasius, dem Lehrmeister des Herrn
Leibnitzens bereits bekannt gewesen, welches aus der von ihm in den 4 Capitel seiner
Vernunfft-Lehre gegebenen Erklärung des eintzelnen Dinges, (individui) erhellet. Er
schreibt, es
sey id, quod constat ex proprietatibus, quarum collectio nunquam in alio aliquo eadem
esse potest. Es würde dahero dem Herrn Leibnitz dieser Satz, nicht, wie oben erwehnet
zugeeignet werden können, wenn das ein hinlänglicher Grund wäre, einem die
Ehre der
Erfindung einer
Wahrheit abzunehmen, wenn man in ältern Schrifften schon einige Spuhren
antrifft. |
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{Sp. 2190} |
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Allein, da Herr Leibnitz der erste gewesen, der den Satz des nicht zu
unterscheidenden deutlich
vorgetragen hat, der ihn durch
Beweiß feste
gesetzet hat, der ihn zu einer Grund-Regel gemachet hat, der ihn auf andere
Wahrheiten angewendet und selbige daraus hergeleitet hat; so siehet man nicht, warum
dieser Satz unter den Leibnitzischen Erfindungen nicht mit
Recht eine Stelle
behaupten solte? |
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Die Schrifften, in welchen Herr Leibnitz den Satz des nicht zu unterscheidenden
vorgetragen hat, sind nicht nur obgedachtes in dem
Streite mit Clarcken an
die Allerdurchlauchtigste Wilhelmine Charlotte, Gemahlin des damahligen Cron-
Printzens von Wallis und des jetzt
regierenden
Königs von
Engelland George Augusts, überschicktes Sendschreiben, sondern auch seine im 1714
Jahre zu Wien aufgesetzten
Gründe der Weltweißheit. |
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Von den Gegnern dieses Satzes ist nicht nur mehrgedachter Herr Clarck, sondern es
hat auch Herr Daniel Strähler in seiner den 21
December 1724 zu
Halle gehaltenen
anderen
Dissertation de
existentia Dei atque creatione ex nihilo ex contingentia in mundo etc. in deren 446
u.ff. §.§. in Ansehung dieses Satzes
verschiedenes,
doch nicht so wohl wieder Herrn Leibnitzen, als vielmehr wieder Herr
Wolffen vorgebracht. Hingegen hat Herr Georg Erhard
Hamberger in dem 209 §. seiner elementorum physices etc. sich
bemühet, dieses Satzes
Richtigkeit durch die Erfahrung a posteriori zu bestätigen. |
Ludovici in der Historie
der Leibnitzischen Philosophie II Th. p. 356 u.ff. |