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Zedler: Wahl-Capitulation, (beständige oder perpetuirliche) [1] HIS-Data
5028-52-743-8-01
Titel: Wahl-Capitulation, (beständige oder perpetuirliche) [1]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 52 Sp. 743
Jahr: 1747
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 52 S. 385
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Stichworte Text  
  Wahl-Capitulation, (beständige oder perpetuirliche) Lat. Capitulatio perpetua.  
Allgemeines In dem Westphälischen Friedens-Schlusse so wohl, als in denen der nachfolgenden Kayserlichen Wahl-Capitulationen ist zwar bedungen worden, daß mit Zuziehung der gesammten Reichs-Fürsten und Stände eine Capitulatio perpetua, oder eine beständige und immerwährende Wahl-Capitulation verfasset werden solte. Es hat aber dieselbe mit mehr, als 80. Jahren, daß daran gearbeitet wor-  
  {Sp. 744}  
  den, noch nicht zu Stande gebracht werden können. Und verdienen die dieserhalben in unserm Deutschen Reiche entstandene Streitigkeiten, zumahl da sie nicht allein so bekannt, als alt, sondern auch noch fortdauernd sind, gar wohl eine kürtzliche Betrachtung.  
  Fragt man nun, was denn eigentlich unter der beständigen oder perpetuirlichen Wahl-Capitulation zu verstehen sey? So verstehen hierunter die Publicisten ordentlicher Weise eine von den Churfürsten des Reichs entworffene Richtschnur, wornach künfftighin und beständig jeder Kayser seine Regierung einrichten und führen soll. Allein man möchte wohl lieber sagen, sie sey ein Entwurff einer solchen Richtschnur, worüber beständig gestritten werden wird.  
  Der erste Grund dieser Streitigkeiten ist schon in der Wahl-Materie selber zu suchen. Und ob man wohl bey dem Westphälischen Frieden dieselbe auszumachen bemühet war, wurde sie doch als eine den innerlichen Zustand des Reichs angehende Sache auf den Reichs-Tag verlegt, wo selbst sie auch seit der Zeit mit verschiedenen Abwechselungen fortgesetzet worden ist. Denn die Fürsten und Stände verlangeten, bey der Verfertigung der Wahl-Capitulation zugelassen zu werden, weil sie ein allgemeines Reichs-Grund-Gesetze wäre, bey deren Verfertigung ja alle Stände billig ihr Antheil haben solten.  
  Das Churfürstl. Collegium hingegen gründete sich wohlbedächtig auf die Posseß und das Herkommen, und daß, da ihnen das Wahl-Geschäffte privative zukäme, ihnen auch das Accessorium, die Capitulation zu entwerffen, privative, so wie es dieselbe alleine, von Carls V. Zeiten an, weißlich erfunden und fortgesetzet hätte, zukommen müste. Es besorgte auch überdiß das Churfürstl. Collegium nicht unbillig, daß, wenn die Fürsten erst die Concurrentz bey der Capitulation hätten, sie hernach auch weiter gehen, und wohl gar an der Wahl selbst Theil zu nehmen suchen möchten. Gleichwohl kamen schon bey der Wahl des Kaysers Leopolds im Jahr 1658. ohngeachtet die demselben vorgelegte Capitulation ziemlich scharff eingerichtet war, daß auch die Kayserlichen Ministers nicht wenig dabey zu erinnern hatten, die übrigen Stände mit ihrem Gutachten ein, und wolten solches als ein würckliches Votum dem Churfürstlichen Collegio übergeben, welches sich aber daran nicht allerdings zu binden begehrete, sondern alles auf den nachfolgenden Reichs-Tag verschob.  
  Als nun dieser Reichs-Tag 1662. seinen Anfang nahm; so wurde zwar an diesem Wercke eyfrigst gearbeitet, man übergab auch ein Project zur perpetuirlichen Capitulation, und meynte um so viel desto eher bey dem Fürsten-Rathe damit fortzukommen, weil zwey ihrer neuen Mitglieder, nehmlich die Fürsten von Auersberg und Dietrichstein zur selben Zeit am Kayserlichen Hofe das meiste zu sprechen hatten, auch der damahlige Kayserl. Principal-Commissarius, Ertz-Bischoff von Saltzburg, selbst auf ihrer Seiten war. Nichts destoweniger, da man die Sache gar zu hoch treiben, und dem Churfürstl. Collegium bey nahe alle Gewalt benehmen wolte; so fiel das Werck bey nahe gantz und gar wiederum über den Hauffen.  
  Als es in den neuern Zeiten wiederum vorgenommen, und so weit gebracht wurde, daß die beyden höhern Collegia derer vornehmsten  
  {Sp. 745|S. 386}  
  Artickel wegen sich vereinigten; so entstunden nachgehends wegen des Prologi und Epilogi, oder wegen des Anfanges und Schlusses die hefftigsten Streitigkeiten, indem die Fürsten denen Churfürsten das Jus adcapitulandi oder das Recht nach Erforderung der Zeit und Umstände neue Zusätze zu machen, nicht verstatten wolten. Da nun diese solchen Falls auch an die übrigen schon abgethanen Puncte nicht gebunden seyn, der Fürsten Rath hingegen bey denen von Churfürstl. Seiten entworfenen Formalien des Prologi und Epilogi es nicht bewenden lassen wolte; so lieffen die dißhalb gehabten Handlungen nicht weniger, als die vorhergehenden, fruchtlos ab.  
  Als nun hierauf im Jahr 1690. die Wahl des Kaysers Josephi vorgenommen wurde; so bestunde zwar das Fürstliche Collegium wiederum darauf, daß der neuerwählte Römische König wenigstens auf die schon verglichenen Artickel der beständigen Wahl-Capitulation müsse verbunden werden, die Churfürsten aber setzten diesem Begehren ihre auf dem Reichs-Tage bereits geschehene Erklärung entgegen, und nahmen die Leopoldinische Wahl-Capitulation zum Grunde der Josephinischen. Über welches Verfahren aber die Fürsten zu protestiren nicht unterlassen haben.  
  Endlich wurde die Sache im Jahre 1707. da man bey der Chur-Cöllnischen Achts-Erklärung das Fürstl. Collegium vorbey gegangen war, wiederum rege gemacht, indem die sogenannten Correspondirenden Fürsten vornehmlich anhielten, daß man dieses Geschäffte einer gewissen und beständigen Wahl-Capitulation wiederum vornehmen und zu Ende bringen möchte; wie es denn auch würcklich vorgenommen, und in Proposition gebracht wurde.  
  Es kamen aber zwey mächtige Verhindernisse dazwischen, und verursachten, daß man auch damahls dem Wercke die abhelffliche Masse nicht geben konnte. Denn  
 
1) wurde gar zu viel von dem Post-Wesen disputiret, und wolten etliche diesen Artickel geändert, etliche aber gantz und gar auf eine andere Zeit ausgesetzet haben.
 
 
2) Fiel die dem Hertzoge von Guastalla entzogene Succeßion in dem Hertzogthum Mantua und der bey dieser Gelegenheit gar zu offt angezogene Lex II. Feud 24. ihrer vielen, als ein denen sämtlichen Reichs-Ständen höchst nachtheiliges Werck, gar zu sehr in die Augen, daß sie der Nothdurfft erachtet, sich in der perpetuirlichen Wahl-Capitulation dessentwegen, soviel möglich, zu verwahren, und derselben Vollziehung zu dem Ende noch ein wenig zu suspendiren, zumahl da im Jahre 1711. der unverhoffte Tod Ihro Kayserl. Majestät dazu kam.
 
  Als nun hierauf die Churfürsten in Franckfurt zu der Wahl eines neuen Kaysers zusammen kamen, wurde gleich bey denen ersten Seßionen die Frage auf das Tapet gebracht: Welche Capitulation zum Grunde der neuen solte genommen werden? Da denn etliche davor hielten, es müste bey der Josephinischen bleiben, weil die perpetuirliche unter denen Churfürsten, Fürsten und Ständen noch nicht zur völligen Würcklichkeit gelanget, auch die Kayserliche Approbation dabey ermangelte, und endlich viel Gutes, so in der Josephinischen zu befinden, bey der perpetuirlichen aussen gelassen worden.  
  An-  
  {Sp. 746}  
  dere aber meyneten, ob man gleich die perpetuirliche noch nicht als ein ordentliches Reichs-Gesetz ansehen könne, so sey sie doch zwischen Chur- und Fürsten meistentheils concertiret, Conclusa darüber gemacht, und von dem Reichs-Directorio bereits dergestalt collationiret worden, daß man sie gar wohl ein zwischen denen höhern Reichs-Collegien verglichenes Capitulations-Project nennen könnte. Weil es sich nun bey fernerer der Sachen Überlegung befand, daß in der perpetuirlichen Wahl-Capitulation die sonst zum öfftern nicht wenig getrennten Materien näher beysammen zu finden, theils Sachen auch kürtzer und deutlicher gefasset sind, so wurde endlich diese zur Richtschnur der Carolinischen, doch dergestalt beliebet, daß man aus der Josephinischen eines und das andere dazu setzen wolle.  
  Wie endlich Ihro Kayserl. Majestät Carl VI. in dem XXX. Artickel ihrer Capitulation, von der man eine ausführliche Historie in dem Curieusen Bücher- und Staats-Cabinete, Eingang XXVI … antrifft, versprochen hatten, gleich nach angetretener Regierung das Geschäffte der perpetuirlichen Wahl-Capitulation (wobey die Churfürsten das Jus adcapitulandi sich vorbehalten haben) bey dem Reichs-Tage vornehmen, und selbiges, sobald möglich, zum Stande bringen zu lassen; so ist auch an den Kayserlichen damahls in Regenspurg befindlichen Principal-Commissarium allbereit den 26. Mertz 1712. das hierzu gehörige Commißions-Decret ergangen.  
  Es legten zwar auch die Fürsten zu Anfang des 1716. Jahres eine Protestation ein, worinnen sie sich beschwerten, daß in dieser neuen Capitulation einige Puncte theils eingerücket, theils aussen gelassen wären, die in dem Project der perpetuirlichen nicht, oder anders, befindlich wären. Allein die Sache ist nachgehends ebenfalls wiederum ins Stecken gerathen. Hierauf ist zwar auch die Ihro letzt verstorbenen Kayserl. Majestät Herrn Carls VII. glorwürdigsten Andenckens vorgelegte Wahl-Capitulation wiederum nach der vorhergehenden abgefaßt, verschiedenes aber nach Erforderung der damahligen Zeitläuffte in derselben zugesetzet, oder aussen gelassen worden.  
  Hierüber haben sich vornehmlich die Alt-Fürstlichen Häuser beschweret befunden, und dahero an Ihro Kayserl. Majestät ein so betitultes Respective Vorstellungs- und Beschwerungs-Schreiben gelangen lassen, worinne besonders angeführet wird, daß das Project der perpetuirlichen Capitulation niemahls beybehalten, sondern gantz neue Zusätze gemacht, auch viele andere Legum lationes, Interpretationes und Extensiones, welche doch für das gesammte Reich gehörten, errichtet, der Fürstl. Stand aber gantz und gar ausgeschlossen würde, der sich zu beschweren um so eher Ursache hätte, als im gegenwärtigen neuern Fall auch die billigste Alt-Fürstliche Desideria, zum Exempel wegen allzustarcker Extension der ritterschafftlichen Privilegien, ingleichen der Abusuum des Chur-Märckisch. Directorii auch der Eingriffe der Reichs-Gerichte in Ansehung der Recurs- und anderer Comitial-Geschäffte gar nicht attendiret worden; Wannenhero die Alt-Fürstl. Häuser hiermit erklärten, diese Capitulation nicht weiter, als sie der perpetuirlichen gemäß sey, so lan-  
  {Sp. 747|S. 387}  
  ge zu erkennen, bis einstens das Geschäffte der perpetuirlichen Capitulation und das Jus adcapitulandi geendigt, und in gehörige Grentze gesetzet sey.  
  Sie bitten dahero, daß diese Capitulations-Materie ohne Verzug an den Reichs-Tag gebracht, daselbst die verglichene perpetuirliche Capitulation mit der neuesten, wie auch der Alt-Fürstl. Häuser und andern Ständen Desideriis verglichen, und das gantze Geschäffte in solchem Stand gesetzet werden möchte, damit einmahl so wohl dem Instrumento Pacis durch völlige Zustandbringung einer perpetuirlichen Wahl-Capitulation ein völliges Genügen geleistet, als auch das Jus adcapitulandi so reguliret würde, daß dadurch fernerhin weder sothaner Capitulation, noch den Reichs-Gesetzen, oder den Reichs-Ständischen Rechten, Abbruch geschehen könne.  
     

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Stand: 24. Januar 2013 © Hans-Walter Pries