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Wahl-Capitulation, (beständige oder
perpetuirliche)
Lat.
Capitulatio perpetua. |
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Allgemeines |
In dem Westphälischen Friedens-Schlusse so
wohl, als in denen der nachfolgenden Kayserlichen
Wahl-Capitulationen ist zwar bedungen worden,
daß mit Zuziehung der gesammten
Reichs-Fürsten
und Stände eine
Capitulatio perpetua, oder eine
beständige und immerwährende
Wahl-Capitulation
verfasset werden solte. Es hat aber dieselbe mit
mehr, als 80.
Jahren, daß daran gearbeitet
wor- |
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{Sp. 744} |
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den, noch nicht zu
Stande gebracht werden
können. Und verdienen die dieserhalben in unserm
Deutschen
Reiche entstandene Streitigkeiten,
zumahl da sie nicht allein so bekannt, als
alt,
sondern auch noch fortdauernd sind, gar wohl eine
kürtzliche Betrachtung. |
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Fragt man nun, was denn eigentlich unter der
beständigen oder perpetuirlichen
Wahl-Capitulation zu
verstehen sey? So verstehen
hierunter die Publicisten ordentlicher Weise eine
von den Churfürsten des
Reichs entworffene
Richtschnur, wornach künfftighin und beständig
jeder Kayser seine
Regierung einrichten und
führen soll. Allein man möchte wohl lieber sagen,
sie sey ein Entwurff einer solchen Richtschnur,
worüber beständig gestritten werden wird. |
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Der erste
Grund dieser Streitigkeiten ist schon
in der Wahl-Materie selber zu suchen. Und ob man
wohl bey dem Westphälischen Frieden dieselbe
auszumachen bemühet war, wurde sie doch als
eine den innerlichen Zustand des
Reichs
angehende
Sache auf den
Reichs-Tag verlegt, wo
selbst sie auch seit der
Zeit mit verschiedenen
Abwechselungen fortgesetzet worden ist. Denn die
Fürsten und
Stände verlangeten, bey der
Verfertigung der Wahl-Capitulation zugelassen zu
werden, weil sie ein allgemeines
Reichs-Grund-Gesetze wäre, bey deren
Verfertigung ja alle Stände
billig ihr Antheil haben
solten. |
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Das Churfürstl.
Collegium hingegen gründete
sich wohlbedächtig auf die Posseß und das
Herkommen, und daß, da ihnen das
Wahl-Geschäffte privative zukäme, ihnen auch das
Accessorium, die
Capitulation zu entwerffen,
privative, so wie es dieselbe alleine, von Carls V.
Zeiten an, weißlich erfunden und fortgesetzet
hätte, zukommen müste. Es besorgte auch überdiß
das Churfürstl. Collegium nicht unbillig, daß, wenn
die
Fürsten erst die Concurrentz bey der
Capitulation hätten, sie hernach auch weiter
gehen, und wohl gar an der
Wahl selbst Theil zu
nehmen suchen möchten. Gleichwohl kamen
schon bey der Wahl des
Kaysers Leopolds im Jahr
1658. ohngeachtet die demselben vorgelegte
Capitulation ziemlich scharff eingerichtet war, daß
auch die Kayserlichen Ministers nicht wenig dabey
zu erinnern hatten, die übrigen
Stände mit ihrem
Gutachten ein, und wolten solches als ein
würckliches Votum dem Churfürstlichen Collegio
übergeben, welches sich aber daran nicht
allerdings zu binden begehrete, sondern alles auf
den nachfolgenden
Reichs-Tag verschob. |
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Als nun dieser Reichs-Tag 1662. seinen
Anfang nahm; so wurde zwar an diesem
Wercke
eyfrigst gearbeitet, man übergab auch ein Project
zur perpetuirlichen Capitulation, und meynte um so
viel desto eher bey dem
Fürsten-Rathe damit
fortzukommen, weil zwey ihrer neuen Mitglieder,
nehmlich die
Fürsten von
Auersberg und
Dietrichstein zur selben
Zeit am Kayserlichen Hofe
das meiste zu sprechen hatten, auch der
damahlige Kayserl. Principal-Commissarius,
Ertz-Bischoff von Saltzburg, selbst auf ihrer Seiten
war. Nichts destoweniger, da man die
Sache gar zu
hoch treiben, und dem
Churfürstl. Collegium bey
nahe alle
Gewalt benehmen wolte; so fiel das
Werck bey nahe gantz und gar wiederum über den
Hauffen. |
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Als es in den neuern
Zeiten wiederum
vorgenommen, und so weit gebracht wurde, daß
die beyden höhern
Collegia derer
vornehmsten |
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{Sp. 745|S. 386} |
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Artickel wegen sich vereinigten; so entstunden
nachgehends wegen des Prologi und Epilogi, oder
wegen des Anfanges und Schlusses die hefftigsten
Streitigkeiten, indem die
Fürsten denen
Churfürsten das
Jus adcapitulandi oder das
Recht
nach Erforderung der
Zeit und Umstände neue
Zusätze zu machen, nicht verstatten wolten. Da
nun diese solchen Falls auch an die übrigen schon
abgethanen Puncte nicht gebunden seyn, der
Fürsten Rath hingegen bey denen von Churfürstl.
Seiten entworfenen Formalien des Prologi und
Epilogi es nicht bewenden lassen wolte; so lieffen
die dißhalb gehabten Handlungen nicht weniger,
als die vorhergehenden, fruchtlos ab. |
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Als nun hierauf im Jahr 1690. die
Wahl des
Kaysers
Josephi vorgenommen wurde; so
bestunde zwar das Fürstliche Collegium wiederum
darauf, daß der neuerwählte
Römische König
wenigstens auf die schon verglichenen
Artickel
der beständigen Wahl-Capitulation müsse
verbunden werden, die
Churfürsten aber setzten
diesem Begehren ihre auf dem
Reichs-Tage
bereits geschehene Erklärung entgegen, und
nahmen die Leopoldinische Wahl-Capitulation zum
Grunde der Josephinischen. Über welches
Verfahren aber die Fürsten zu protestiren nicht
unterlassen haben. |
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Endlich wurde die
Sache im Jahre 1707. da
man bey der Chur-Cöllnischen
Achts-Erklärung
das Fürstl. Collegium vorbey gegangen war,
wiederum rege gemacht, indem die sogenannten
Correspondirenden Fürsten vornehmlich anhielten,
daß man dieses Geschäffte einer gewissen und
beständigen Wahl-Capitulation wiederum
vornehmen und zu Ende bringen möchte; wie es
denn auch würcklich vorgenommen, und in
Proposition gebracht wurde. |
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Es kamen aber zwey mächtige Verhindernisse
dazwischen, und verursachten, daß man auch
damahls dem
Wercke die abhelffliche Masse nicht
geben konnte. Denn |
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1) |
wurde gar zu viel von dem
Post-Wesen
disputiret, und wolten etliche diesen
Artickel geändert, etliche aber gantz und gar auf
eine andere
Zeit ausgesetzet haben. |
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2) |
Fiel die dem
Hertzoge von
Guastalla entzogene Succeßion in dem
Hertzogthum Mantua und der bey dieser
Gelegenheit gar zu offt angezogene Lex II. Feud 24. ihrer vielen, als ein denen sämtlichen
Reichs-Ständen höchst
nachtheiliges
Werck, gar
zu sehr in die Augen, daß sie der Nothdurfft
erachtet, sich in der perpetuirlichen
Wahl-Capitulation dessentwegen, soviel möglich,
zu verwahren, und derselben Vollziehung zu dem
Ende noch ein wenig zu suspendiren, zumahl da im
Jahre 1711. der unverhoffte
Tod Ihro
Kayserl. Majestät dazu kam. |
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Als nun hierauf die
Churfürsten in Franckfurt
zu der Wahl eines neuen Kaysers zusammen
kamen, wurde gleich bey denen ersten Seßionen
die Frage auf das Tapet gebracht: Welche
Capitulation zum Grunde der neuen solte
genommen werden? Da denn etliche davor hielten,
es müste bey der Josephinischen bleiben, weil die
perpetuirliche unter denen Churfürsten,
Fürsten
und Ständen noch nicht zur völligen
Würcklichkeit
gelanget, auch die Kayserliche Approbation dabey
ermangelte, und endlich viel Gutes, so in der
Josephinischen zu befinden, bey der
perpetuirlichen aussen gelassen worden. |
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An- |
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{Sp. 746} |
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dere aber meyneten, ob man gleich die
perpetuirliche noch nicht als ein ordentliches
Reichs-Gesetz ansehen könne, so sey sie doch
zwischen Chur- und
Fürsten meistentheils
concertiret, Conclusa darüber gemacht, und von
dem Reichs-Directorio bereits dergestalt
collationiret worden, daß man sie gar wohl ein
zwischen denen höhern Reichs-Collegien
verglichenes Capitulations-Project nennen könnte.
Weil es sich nun bey fernerer der
Sachen
Überlegung befand, daß in der perpetuirlichen
Wahl-Capitulation die sonst zum öfftern nicht wenig
getrennten Materien näher beysammen zu finden,
theils Sachen auch kürtzer und deutlicher gefasset
sind, so wurde endlich diese zur Richtschnur der
Carolinischen, doch dergestalt beliebet, daß man
aus der Josephinischen eines und das andere
dazu setzen wolle. |
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Wie endlich Ihro
Kayserl. Majestät Carl VI. in
dem XXX.
Artickel ihrer
Capitulation, von der man
eine ausführliche Historie in dem Curieusen
Bücher- und Staats-Cabinete, Eingang XXVI …
antrifft, versprochen hatten, gleich nach
angetretener
Regierung das Geschäffte der
perpetuirlichen Wahl-Capitulation (wobey die
Churfürsten das
Jus adcapitulandi sich vorbehalten
haben) bey dem
Reichs-Tage vornehmen, und
selbiges, sobald möglich, zum
Stande bringen zu
lassen; so ist auch an den Kayserlichen damahls in
Regenspurg befindlichen Principal-Commissarium
allbereit den 26. Mertz 1712. das hierzu gehörige
Commißions-Decret ergangen. |
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Es legten zwar auch die
Fürsten zu Anfang
des 1716. Jahres eine Protestation ein, worinnen
sie sich beschwerten, daß in dieser neuen
Capitulation einige Puncte theils eingerücket, theils
aussen gelassen wären, die in dem Project der
perpetuirlichen nicht, oder anders, befindlich
wären. Allein die
Sache ist nachgehends ebenfalls
wiederum ins Stecken gerathen. Hierauf ist zwar
auch die Ihro letzt verstorbenen
Kayserl. Majestät
Herrn Carls VII. glorwürdigsten Andenckens
vorgelegte Wahl-Capitulation wiederum nach der
vorhergehenden abgefaßt, verschiedenes aber
nach Erforderung der damahligen Zeitläuffte in
derselben zugesetzet, oder aussen gelassen
worden. |
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Hierüber haben sich vornehmlich die
Alt-Fürstlichen Häuser beschweret befunden, und
dahero an Ihro Kayserl. Majestät ein so betitultes
Respective Vorstellungs- und
Beschwerungs-Schreiben gelangen lassen, worinne besonders angeführet
wird, daß das Project der perpetuirlichen Capitulation niemahls
beybehalten, sondern gantz neue Zusätze
gemacht, auch viele andere Legum lationes,
Interpretationes und Extensiones, welche doch für
das gesammte
Reich gehörten, errichtet, der
Fürstl.
Stand aber gantz und gar ausgeschlossen
würde, der sich zu beschweren um so eher
Ursache hätte, als im gegenwärtigen neuern Fall
auch die billigste Alt-Fürstliche
Desideria, zum
Exempel wegen allzustarcker Extension der
ritterschafftlichen
Privilegien, ingleichen der
Abusuum des Chur-Märckisch. Directorii auch der
Eingriffe der
Reichs-Gerichte in Ansehung der
Recurs- und anderer Comitial-Geschäffte gar nicht
attendiret worden; Wannenhero die Alt-Fürstl.
Häuser hiermit erklärten, diese Capitulation nicht
weiter, als sie der perpetuirlichen gemäß sey, so
lan- |
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{Sp. 747|S. 387} |
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ge zu erkennen, bis einstens das Geschäffte
der perpetuirlichen Capitulation und das Jus
adcapitulandi geendigt, und in gehörige Grentze
gesetzet sey. |
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Sie bitten dahero, daß diese
Capitulations-Materie ohne Verzug an den
Reichs-Tag
gebracht, daselbst die verglichene perpetuirliche Capitulation mit der neuesten,
wie auch der Alt-Fürstl. Häuser und andern
Ständen Desideriis verglichen, und das gantze Geschäffte
in solchem
Stand gesetzet werden möchte, damit
einmahl so wohl dem Instrumento Pacis durch
völlige Zustandbringung einer perpetuirlichen
Wahl-Capitulation ein völliges Genügen geleistet,
als auch das Jus adcapitulandi so reguliret würde,
daß dadurch fernerhin weder sothaner
Capitulation, noch den Reichs-Gesetzen, oder den
Reichs-Ständischen
Rechten, Abbruch geschehen
könne. |
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