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Zedler: Zeit [8] HIS-Data
5028-61-725-2-08
Titel: Zeit [8]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 61 Sp. 769
Jahr: 1749
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 61 S. 398
Vorheriger Artikel: Zeit [7]
Folgender Artikel: Zeit [9]
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage
  • : Absatz in der Vorlage vorhanden

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Übersicht
17. Erklärung einiger Sprüche Heiliger Schrifft, worinnen der Zeit gedacht wird. (Forts.)
  [16]

  Text   Quellenangaben
 
16) Röm. VIII, 18. Denn ich halte es dafür, daß dieser Zeit Leiden der Herrlichkeit nicht werth sey, die an uns soll offenbaret werden.
 
 
  Wenn man die gegenwärtige Lebens-Zeit recht beurtheilen will, so muß man auf die künfftige Ewigkeit sehen. Denn die Betrachtung der Ewigkeit lehrt uns einen rechten Ausspruch von der Lebens-Zeit thun. Entweder es ist keine Ewigkeit, und so hat Epicur mit seiner Heerde gewonnen und die Menschen mögen die Epicurische Regel sicher annehmen: Lasset uns essen und trincken, denn morgen sind wir todt,
1 Cor. XV, 32;
 
  oder es ist eine Ewigkeit, und sodann behält das Christenthum den Sieg.
 
 
  Der Apostel Paulus hat in seinen geistreichen Schrifften, diese beyden streitenden Sätze offt gegen einander abgewogen, und diese trostlose Epicurische Lehre zu leicht gefunden. In unsern Texte wiegt er das Gegenwärtige und Zukünftige, das gegenwärtige Leyden und die zukünfftige Herrlichkeit ab, woraus der unumstößliche Schluß folgt: Daß die zukünfftige Herrlichkeit das gegenwärtige so viel überwiege, als die Wahrheit des Christlichen Glaubens allen Epicurischen Unglauben; und daß des Menschen kräfftigster Trost bey dem Leiden dieser Zeit sey die Betrachtung der zu offenbarenden künfftigen Herrlichkeit.
 
 
  Der Apostel will die gläubigen Römer in einem vollständigen Christenthume unterweisen, und sie darinne befestigen. Zuerst gründet er dieselben in dem rechten Glauben an den, der in unsern Sünden-Elend uns zum Gnaden-Stuhl in seinem Blut ist gesetzet worden. In den ersten VII Capiteln, darauf in dem VIII dringet er auf die Heiligung, daß die Gläubigen nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist leben müssen. Und weil solchen gläubigen und geheiligten Christen mancherley Trübsal bevorstehet: So bewaffnet er sie endlich auch mit einem kräfftigen Troste, in unsern Texte, und den folgenden Versen. Paulus nennet
 
 
 
(a) die gegenwärtige Trübsal Leiden.
 
 
 
  Wenn der Apostel von den Trübsalen der Gläubigen redet; so bedient er sich zweyer Worte, deren jedes seinen besondern Nachdruck hat.
 
 
 
  Das eine thlipsis bedeutet eigentlich eine Preßung, Drückung, wie die Weintrauben in der Kelter gepresset werden. Denn die Verfolger und Feinde der Frommen sind GOttes Kelter, die Übung der Christlichen Tugenden bey ihnen hervorzubringen.
 
 
 
  Das zweyte Wort pa-
 
  {Sp. 770}  
 
 
  thēma bedeutet ein Leiden insgemein, und begreifft alle die Trübsalen, welche uns an Leib oder Gemüthe angethan werden, vornehmlich um des Glaubens und der Frömmigkeit willen. Vornehmlich aber muß die Trübsal wegen der Wahrheit herkommen, weil man eigentlich hierinne Christo in seinem Leiden ähnlich wird, welcher übel zugerichtet ward, da er nichts ungebührliches begangen hatte.
Lucä XXIII, 41.
 
 
  Jünger Christi müssen nicht leiden als Übelthäter,
1 Petri IV, 15.
 
 
  Darum hat GOtt zu den ersten Märtyrern, die um Christi Willen sterben solten, unschuldige Kindlein erwählet.
 
 
 
(b) Paulus zählet auch diese Leiden, und selbst in der mehrern Zahl die Leiden, pathēmata, weil das Leiden eines Christen mancherley ist. Er wird bald innerlich, bald äusserlich versucht: äusserlich durch Kranckheit, Armuth, Mangel, Verleumdung, Verfolgung, Frevel, Gewaltthätigkeit, Leibes-Schmertzen, u.s.w. Innerlich durch Angst und Unruhe, Zweifel, Bangigkeit, Furcht, Schrecken, Zittern und Zagen. Mit was für Recht der Apostel von diesen Leiden in der mehrern Zahl reden können: erhellet am besten aus desselben Verzeichniße seiner eigenen Leiden, welche er unter andern 2 Corinth. XI, XII uns aufgezeichnet hat: Wobey ungewiß ist, ob die Schwere oder Menge mehr zu bewundern sey.
 
 
 
  Es hat aber derselbe auch allen Gläubigen geprediget, daß wir durch viel Trübsal müssen ins Reich GOttes eingehen
Apostel-Gesch. XIV, 22.
 
 
(c) Paulus schräncket auch diese Trübsal ein, indem er sie nennet Leiden dieser Zeit.
 
 
 
  Es ist gleichviel, ob wir durch diese Zeit die Lebens-Zeit eines jeden Menschen bis an seinen Tod, oder die Zeit der Welt bis an den jüngsten Tag verstehen, da keine Zeit mehr, sondern die Ewigkeit angehen wird. Diese Redens-Art giebt zweyerley zu erkennen:
 
 
 
 
α) Daß diese Lebens Zeit eine Leidens-Zeit sey.
 
 
 
 
β) Daß solches Leiden nur diese Zeit über währe. Weiter hin wird bey den Gläubigen kein Leiden mehr seyn. Denn die in dem HErrn sterben, sind seelig von nun an, und ruhen von ihrer Arbeit.
 
 
 
 
  In die zweyte Waagschale leget der Apostel die zukünfftige Freude, welche er beschreibt:
 
 
 
 
α) Ihrer Vortrefflichkeit nach, ist es eine Herrlichkeit.
 
 
 
 
  Nicht bloß eine Ruhe, wie sonst die Stimme vom Himmel spricht: Sie ruhen von ihrer Arbeit: Sondern über dieß eine Herrlichkeit, welche zwar die Ruhe mit einschliesset, aber noch ausser dem größere Glückseligkeit begreifft. Von der Sache selbst kan ein Sterblicher wenig sagen, weil dieses kein Auge gesehen hat: Doch giebt die Schrifft zu erkennen, daß die Herrlichkeit in vier Stücken bestehen werde. Herrlich wird seyn:
 
 
 
 
 
(a) Der Ort.
 
 
 
 
 
  Christus nennet ihn das Paradies; wie denn auf Erden kein bequemer Ort zu finden, den Himmel abzubilden, als der Garten Eden, die Wohnung der Unschuld und des Vergnügens. Er nennet ihn das Hauß seines Vaters, darinne viele Wohnungen sind,
Joh. XIV, 2.
 
 
 
 
  wodurch er zu verstehen geben will, daß, wenn sich die elenden Sterblichen öffters noch so herrliche und wunderwürdige Palläste zu ihrer Wohnung erbauet haben, wir uns weit höhere und herrlichere Gedancken von der herrlichen Wohnung und
 
  {Sp. 771|S. 399}  
 
 
 
 
  dem Thron GOttes zu machen haben.
 
 
 
 
  Herrlich wird seyn
 
 
 
 
 
(b) die Gesellschafft, in welche wir eintreten werden.
 
 
 
 
 
  Da werden seyn gläubige und auserwählte Menschen, die Gemeine der Erstgebohrnen, die durch die Wiedergeburt gewordenen Söhne GOttes, und Brüder JEsu Christi. Da werden seyn die Heiligen Engel, die uns hier auf den Händen tragen, und dort zur Seiten stehen werden. Über alles wird seyn unser HErr und Heyland JEsus Christus, unsere Freude und Wonne, unser Haupt und Bräutigam. Daselbst wird seyn der herrliche GOtt in seiner glorwürdigsten Dreyeinigkeit, welchen wir sehen werden, wie er ist.
1 Joh. III, 2.
 
 
 
  Herrlich wird seyn
 
 
 
 
 
(c) die Beschaffenheit unserer Leiber und Seelen, welche alsdenn mit herrlichen Gaben werden ausgerüstet werden. Der Leib wird seine Unvollkommenheit und Gebrechen ablegen und aus dem Grabe gantz verklärt aufstehen,
1 Corinth. XV, 42.
 
 
 
 
  So wird der Leib erhoben zu der Herrlichkeit der Geister, der Geist aber mit einem noch grössern Maaße der Vollkommenheit überschüttet, mit Erkenntniß im Verstande, und Heiligung im Willen, daß wir GOtt erkennen, und völlig lieben. Augustin fraget: Wenn der Leib scheinen soll, wie die Sonne, wie groß wird nicht der Glantz der Seele seyn?
 
 
 
 
  Herrlich wird seyn
 
 
 
 
 
(d) unsere Beschäfftigung, da wir werden mit Christo auf Stühlen sitzen, folgen dem Lamme, wohin es gehet, dessen die Frucht von dem Baume des Lebens, und trincken von den Strömen der Wollüste, daß wir GOtt loben und preisen immerdar.
 
 
 
 
β) Von dieser Herrlichkeit spricht Paulus sie solle offenbaret werden:
 
 
 
 
 
(a) Diese Herrlichkeit ist also noch verborgen; welches Paulus voraus setzet,
  • Coloss. III, 3.
  • 1 Joh. III, 2.
 
 
 
 
  Diese Herrlichkeit ist zwar schon bereitet aber noch nicht offenbaret. Sie ist Frommen und Gottlosen verborgen; wiewohl jene schon einen Vorschmack davon haben, solange sie hier Pilgrimme sind.
 
 
 
 
 
(b) Paulus deutet auch an, daß diese jetzo verborgene Herrlichkeit noch solle offenbaret werden,
1 Petri V, 1.
 
 
 
 
(c) Die Krafft und der Nachdruck dieser Herrlichkeit wird von dem Apostel angegeben, daß sie solle an uns offenbaret werden. Sie soll nicht nur uns offenbaret werden, so, daß wir sehen; welches auch jetzt Heuchlern und Abtrünnigen, Ebr. VI, 4. und künfftig allen Verdammten widerfahren wird, die weiter keinen Antheil an derselben haben; sondern an uns, so, daß wir derselben würcklich mit geniessen, und zwar nicht nur äusserlich, sondern in uns, so daß sie sich in uns innerlich ergiesse.
 
 
 
 
 
  Die Herrlichkeit dieser Welt kan in uns nicht eindringen, wir mögen sie suchen in hohen Ehren, in prächtige Kleidung in Menge der Bedienten, in Reichthum und Gütern, und was die Welt sonst herrliches vermag. Dieses sind lauter äusserliche Dinge, die an dem Leib und leiblichen Sinnen hafften, und die Seele nicht erreichen, viel weniger erfüllen und sättigen können.
 
 
 
 
γ) Nachdem nun Paulus das gegenwärtige Leiden und die zukünfftige Herrlichkeit gegen einander gehalten, und in die Waagschale gelegt: So giebt er endlich den Ausschlag, und spricht: Ich halte es dafür, daß dieser Zeit Leiden nicht werth sey der Herrlichkeit.
 
 
 
 
 
(a) Der Ausschlag, welchen der Apostel giebt, lautet
 
  {Sp. 772}  
 
 
 
 
  also: Das Leiden dieser Zeit ist nicht werth der Herrlichkeit.
 
 
 
 
 
  Der Apostel braucht das Wort azia, welches zwar insgemein Werth übersetzet wird; hier aber eigentlich dasjenige Gewicht bedeutet, welches, wenn es in die Waagschale gelegt worden, durch seine überwiegende Schwere macht, daß die Schale sinckt, und das Zünglein auf diese Seite den Ausschlag giebt.
 
 
 
 
 
  Dieses Leiden wird von der künfftigen Herrlichkeit überwogen
 
 
 
 
 
 
(A) im Gewicht, denn nach Pauli Ausspruch ist diese Trübsal leicht, die künfftige Herrlichkeit aber über alle Maaßen wichtig,
2 Corinth. IV, 17.
 
 
 
 
 
  Zuweilen scheinen zwar die gegenwärtigen Leiden schwer, und unerträglich zu seyn: Aber vielmahls bestehet dieses bloß in der Einbildung. Ein Christ hatte ja den Beystand des Heil. Geistes, der die Bitterkeit der Leiden versüsset. Er hat dabey die Freudigkeit eines guten Gewissens, welches ein stetes Wohlleben ist, und ihn in allen Anfechtungen unterstützet. Mit der ewigen Freude hingegen wird nichts verbunden seyn, was selbige unterbrechen, oder mindern könnte, sondern nur, was selbige vergrößern kan.
 
 
 
 
 
 
(B) In der Zahl.
 
 
 
 
 
 
  Es wird zwar von dem Leiden auch gesagt, daß es viel sey,
Ps. XXXIV, 20;
 
 
 
 
 
  aber nur in Vergleichung der zeitlichen Güter gilt dieses, welche den Gerechten immer sparsam zugeworffen werden. Wenn aber mit der künfftigen Herrlichkeit eine Vergleichung angestellet wird: So ist dieses Leiden nur wenig. Den Trübsalen der Gläubigen setzet GOtt Grentzen; die künfftige Herrlichkeit aber hat kein Maaß, noch Ziel.
 
 
 
 
 
  Dieses Leiden wird auch
 
 
 
 
 
 
(C) in der Währung von der künfftigen Herrlichkeit weit übertroffen.
 
 
 
 
 
 
  Denn das Leiden währet nur diese Zeit, solange dieses Leben währet, und das ist ein Augenblick: Aber die künfftige Herrlichkeit währet ewig. Sie wird seyn solange GOtt seyn wird. Wenn sie einmahl angefangen, wird sie nie aufhören,
  • 1 Petri I, 4. V, 4.
  • Ebr. XI, 10.
  • Matth. XXV, 46,
  • 1 Thess. IV, 17.
 
 
 
 
(b) Die Gewißheit dieses Apostolischen Ausspruches zeigen desselben ersten Worte im Texte: Ich halte es dafür. Paulus bedient sich eines Gleichnißes im Grund-Texte, welches aus der Rechen-Kunst hergenommen ist, und folgender maßen übersetzt werden könnte: Ich rechne so, oder nach meiner Rechnung, ist das Leiden etc.
 
 
 
 
 
  Paulus ist seines Ausspruches so gewiß, als ein Rechenmeister, der seine Rechnung aufs sorgfältigste gemacht, und aufs genaueste übersehen hat. Und diese Gewißheit konnte Paulus allerdings haben
 
 
 
 
 
 
a) weil er Wissenschafft in dieser geistl. Rechen-Kunst hatte. Der Geist GOttes machte ihn hierinne geschickt. Er war Theodidaktos, von GOtt selbst gelehret, und in seiner Erkenntniß fest gewurtzelt.
 
 
 
 
 
 
b) Er hatte auch Erfahrung vom Leiden und von der Herrlichkeit, und konnte also beydes aus eigener Erfahrung berechnen. Er redetee von dem, was er gesehen, gehöret, und empfunden: Ich halte es dafür etc.
 
 
 
 
 
 
c) Paulus hatte auch Übung, und war in seiner Rechen-Kunst häuffig.
 
 
 
 
 
 
  Wer im Rechnen fertig seyn soll, muß sich darinne fleißig üben: Und wer seiner Rechnung gewiß seyn will, der gehet dieselbe wohl das zweyte und dritte mahl durch. Wenn sie nun allezeit gleich heraus kommt; so versichert er sich, daß das Facit recht sey. Unser Apostel war lange Zeit her gewohnt, so zu rechnen,
 
  {Sp. 773|S.400}  
 
 
 
 
 
  wie er hier im Texte thut: Seine Schrifften sind so voll davon, daß es unnöthig wäre, Exempel hier anzuführen. Sehet nur und betrachtet den eintzigen schon angezogenen Ort, 2 Corinth. IV, 17 u.f. Unsere Trübsal, die zeitlich und leicht ist etc. etc.
Jablonski Christl. Predig. ...
     

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Stand: 4. April 2013 © Hans-Walter Pries