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Quellenangaben
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Kraft |
Elater, Elaterium, Elasticitas, vis seu virtus
Elastica, vis Expansiua, eine Elastische oder
ausdehnende Krafft, ist eine
Krafft, Vermöge
welcher die
Cörper, wenn sie aus dem
Zustande
ihres
Raums oder Spannung durch eine andere
Krafft sind gesetzet worden, sich selbst in den
vorigen
Stand wieder herzustellen
vermögend
sind. |
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Z.E. Wenn man einen Schwamm mit der
Hand zusammen drucket, und alsdenn mit dem
Druck wieder nachläst, so breitet er von sich
selbst wieder aus, und stellet seine vorige Figur
wieder her, die er durch den Druck der Hand
verlohren hatte. Dasjenige nun, womit er dieses
verrichtet, wird seine elastische Krafft
genennet. |
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Daß dieses eine würckliche Krafft sey,
erhellet daraus, weil sie andern Kräfften entgegen
gesetzet ist.
Z.E. ein Elastischer Cörper, als ein
Klumpen Wolle, lässet sich von einer
gewissen
Krafft, z.E. einem Pfund Bley, nur biß auf einen
gewissen
Raum zusammen drucken; setzet man
mehr Gewichte darauf, wird der Raum des
Cörpers oder dessen Volumen noch geringer als
zuvor. Es
muß dahero die Elastische Krafft pro
Ratione der druckenden Krafft wiederstehen, und
ist folglich dieser entgegen gesetzet; welches aber
nicht geschehen kan, wo sie nicht selbst eine
Krafft ist. So bald die druckende Krafft nachläst,
äussert sich die Wiederherstellung des Cörpers in
dem vorigen
Zustan durch die Elastische Krafft;
daß also diese so wohl andern Kräfften
wiederstehet, als auch, wenn jene, in sie zu
würcken nachlassen, dem Cörper, da ihr nun kein
Einhalt mehr geschiehet, seine vorige Figur und
Grösse wieder herstellet. |
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Von dieser Krafft derer Cörper haben
Aristoteles und die alten
Philosophen sehr wenig
oder gar nichts
gewust. Denn obwohl Aristoteles
Meteor. … derer Cörper elaton gedencket; so
erhellet doch aus denen dabey gesetzten
Exempeln, vom Wachse, Leim etc. daß solches
vielmehr von der Ductilitate Corporum, als der
Elastischen Krafft dererselben zu
verstehen
sey. |
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In denen neuern
Zeiten
ist man erst zu der
wahren Notion dieser Krafft gelanget, da man
durch die von Otto Guerione erfundene Lufft-Pumpe die
Eigenschafften der Lufft untersuchte,
und an derselbigen eine ausdehnende Krafft
wahrnahm, deren Stärcke sich nach der Grösse
des Drucks richtete, welchen man anwenden
muste, die Lufft in einen engern Raum zu bringen,
welchen sie alsobald erweiterte, so bald der Druck
nachließ. |
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{Sp. 667|S. 353} |
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Da man nun dieses auch an andern Cörpern
wahrnahm, daß sie sich zusammen drucken
liessen, und sich wieder in den vorigen Stand und
Figur setzten, wenn dieselben nicht mehr gedruckt
worden; so hat man oben angeführten
Begriff von
der Elastischen Krafft sich zuwege gebracht. Und
es ist diese Krafft dergestallt in der
Natur
impliciret, daß man unzählige mahl seine Zuflucht
in
Erklärung derer Begebenheiten der
Natur zu ihr
nehmen muß; wie denn auch alle Cörper etwas
vom Elatere haben, ob solcher gleich bey einigen
in einem grossen Grade, bey andern weniger, und
bey einigen kaum mercklich sich befindet. |
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elastische Körper |
Diejenigen
Cörper, so eine starcke Elastische
Krafft zeigen, sind: |
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- die Lufft,
- die Dünste,
- das Kupffer,
- Meßing,
- Eisen,
- Stahl,
- Glaß,
- Elfenbein,
- Marmor,
- und alle
uns bekannte Steine.
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Von der Elastischen Krafft der Lufft sind wir
durch die Experimenta mit der Lufft-Pumpe
überzeuget worden. Man hat unter die Campanam
eine schlaffe, aber fest zugebundene Blase, in
deren Falten innewendig noch einige Lufft
vorhanden gewesen, aufgehangen, und die Lufft
aus der Campana gepumpet. Bey dem ersten
Zuge des Emboli hat die Blase schon angefangen
aufzuschwellen; und ist damit fortgefahren, so
lange man das auspumpen continuiret hat. Durch
das auspumpen geschiehet weiter nichts, als daß
Raum unter der Campana gemacht wird, folglich
muß die Lufft eine stete Bemühung haben, sich
durch einen grössern Raum auszubreiten. Eine
dergleichen Bemühung wird eine ausdehnende
Krafft genennet; derowegen ist klar, daß die Lufft
mit einer solchen Krafft begabet sey. |
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Es ist diese Krafft der Lufft durch vielfältige
Experimente dergestallt erwiesen worden, daß
weiter kein
Zweiffel mehr übrig davon ist,
ungeachtet man sich Anfangs starck darwieder
gesetzet, und deren
Existentz
leugnen
wollen, |
wie aus dem Colleg. curios. Jo. Christoph.
Sturms …
zur Gnüge erhellet. |
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Diese Elastische Krafft wird durch die Wärme gewaltig vermehret;
denn wenn man eine schlaffe fest zugebundene Blase über einem Kohl-Feuer herum
drehet, daß sie nicht verbrenne, so dehnet die in der Blase noch vorhandene
Lufft dieselbe gewaltig aus. |
Mehrere Experimente, so die
Elastische Krafft der Lufft erweisen, findet man hin
und wieder in denenjenigen
Schrifften, so von der
Beschaffenheit der Lufft handeln; darunter wir nur
ausser gedachten Sturm, des Roberti Boyle
Experimenta Physico-Mechanica,
Wolffs Elementa
Aërometriae …
nennen wollen. |
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Ausser der Lufft finden wir eine sehr starcke
Elastische Krafft an denen Dünsten, wovon bereits
verschiedenes unter dem
Titel:
Dunst,
Tom. VII. p.
1606. seqq. ist angeführet worden. Besonders
nehmen wir dergleichen an denen Dünsten des
Salpeters wahr, als von welchen eben die
erstaunende
Gewalt des Schüß-Pulvers herrühret.
Man hat im Vacuo unter der Campana, worein ein
Barometrum gesetzet war, vermittelst eines
Brennspiegels Pulver angezündet, zu einer
Zeit,
da die Sonne nur durch die Wolcken geschienen;
so hat man zwar einen Dampff darinnen in die
Höhe gehen gesehen, der aber bald wieder zu
Boden gefallen, und
gantz gelb ausgesehen, das
Qvecksilber aber ist im Barometro nicht gestiegen;
zu einer andern Zeit, da die Sonne sehr warm
geschienen, hat man das Experiment wiederholet
u. bey der Resolution des Pulvers in einen Dampf
befunden, daß das Qvecksilber alsobald im
Barometro gestiegen. |
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{Sp. 668} |
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Die
Umstände des Versuches zeigen, daß in
dem ersten Falle die Hitze derer Sonnen-Strahlen
nur vermögend gewesen, den Schwefel im Pulver
aufzulösen; in dem andern Falle hingegen so
kräfftig, den Salpeter auch in Dünste zu
verwandeln. Da nun dort das Barometrum nicht,
wohl aber hier gestiegen; so ist klar, daß die
Dünste des Salpeters so eine erstaunende
Elastische Krafft haben, davon wir die
Würckungen an dem Schüß-Pulver verspüren,
welches solche aus keiner andern
Ursache
verrichtet, als daß es durch das Feuer in einem
jählingen Elastischen Dampf aufgelöset wird,
welcher die Kugel aus dem Geschütz
heraustreibet. |
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allgemeine Phänomene: Reflexion |
Die Elastische Krafft des Kupfers, Eisens,
Stahls und derer übrigen oben specificirten Cörper
erkennet man daraus, weil sie die
Bewegung
anderer Cörper, wenn diese gegen sie
angestossen werden, reflectiren. Doch weil
Cartesius und seine Nachfolger, die von der
Elastischen Krafft noch nichts gewust haben, die
Ursache dieser Reflexion anders woher
erklären,
wie wir unten sehen werden; so hat man auf
andere Experimente bedacht seyn
müssen, die
Elastische Krafft bemeldeter Cörper zu
erweisen. |
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Wir
wissen nehmlich, daß ein Klang erreget
werde, indem ein
Cörper, der den Klang
verursachet, eine vibratorische
Bewegung in
seinen
Theilen hat. Da nun bemeldete Cörper
klingen, wenn man sie anschläget, so müssen
auch diese eine dergleichen tremulante
Bewegung haben. Dieses ist aber ein
Kennzeichen einer Elastischen Krafft, wie aus
dem unten folgenden mit mehrern erhellen
wird. |
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Weit augenscheinlicher läst sich die
Elastische Krafft besagter Cörper
darthun; wenn
man einen Versuch mit zwey Elfenbeinern, oder
gläsernen Kugeln anstellet. Wenn nehmlich diese
vollkommen rund wären, würden sie sich nur in
einem Puncte berühren; da nun aber dieses durch
die Kunst nach der geometrischen Schärffe nicht
zu praestiren ist, so wird sich zwar der Contactus
nicht in einem Puncto Mathematico, wenigstens
aber doch physico ereignen. So man nun die
Fläche der einen Kugel mit einer schwartzen oder
andern Farbe, die sich leicht wieder abwischen
läst, überstreichet, solche in Ruhe stellet, und
gegen dieselbe die andere, so nicht mit Farbe
gestrichen ist, anstösset, so wird man nach dem
Stoß an der Fläche der angelauffenen Kugel
wahrnehmen, daß nicht ein Punctum Physicum darvon, sondern ein grosser
Theil derselben von
der Farbe der andern Kugel sey gefärbet worden.
Hieraus ist klar, daß die Partes derer Kugeln
währenden Stoß ad contactum müssen seyn
comprimiret, nach demselben aber wieder
hergestellet worden, weil sie ihre vorige
sphaerische Figur wieder erhalten; folglich, daß
gedachte Kugeln eine Elastische Krafft haben.
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Restitution |
Noch deutlicher kann man durch die
Restitution die Elastische Krafft an denen weichen Cörpern,
als dem Schwamm, Wolle, mit Federn ausgestopften Küssen, der Grume vom Brode und
so ferner erkennen, als welche gar mercklich, sobald man mit dem Druck
nachlässet, wieder aufschwellen u. in den vorigen Stand sich setzen. |
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Es ist aber die Restitution eines Cörpers nach
geschehener Compression, nicht das eintzige
Kennzeichen einer Elastischen Krafft; sondern
man schreibet auch denenjenigen eine solche zu,
welche, wenn sie mit Gewalt krumm gebogen,
oder zusammen gewunden werden, wieder
gerade springen, u. sich in ihre vorige Figur
stellen, wenn man sie frey lässet. Wenn man eine
gute Klinge eines Degens krum bieget, springet
dieselbe wieder zurücke, wenn man zu biegen
aufhöret. Dergleichen Cörper, welche auf eine
solche Art einen |
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{Sp. 669|S. 354} |
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grossen Grad der Elasticität besitzen, werden
Elastra genennet, und sind die
vornehmsten
davon folgende: |
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- Spira cylindrica oder in
Forme eines
Cylinders
gleichsam nach Schrauben-Gängen
umgewundener Drat;
- die stählernen Federn in
Sack-Uhren oder Bratenwendern;
- die Laminae
oder zarten Platten von Eisen, Kupffer, Meßing,
sie mögen nun eben oder krum seyn, und
z.E.
eine sphaerische oder Glockenförmige Figur
haben;
- eiserne, stählerne, oder meßingene Ringe;
- die hohlen Röhren, z.E. derer Haare, Fäden, der
Wolle etc.,
- die stählernen u. andern Bögen;
- die
Fibrae; Saiten; Membranae;
- Fisch-Bein
- und
andere mehr.
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Rückkehr in den vorigen Zustand |
Endlich hat man auch noch ein Kennzeichen,
die Elastische Krafft an einen Cörper zu erkennen,
wenn nehmlich solcher sich nach einer starcken
Spannung wieder in den vorigen Zustand setzet.
Wir sehen solches an denen Fäden von Hanff,
Wolle, Haaren, Seiden etc., welche, wenn man sie
mit einem Ende aufknüpffet, an das andere Ende
aber ein Gewichte bindet, sehr lang gespannet u.
ausgedehnet werden, aber auch wieder in ihre
vorige Länge sich zusammen ziehen, wenn man
das Gewichte weg thut. |
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Francisc. Tert. de Lana hat in seinem
Magisterio naturae et Artis … hiervon
verschiedene Experimente gemacht, u. befunden,
daß eine Pferde-Haare sich mercklich ausdehnen
lasse, nach geschehener Tension aber seine
Länge genau wieder erhalte. Gleicher
Gestalt hat
er die Versuche mit starcken Seiden-Fäden,
Saiten von Metall u. Nerven angestellet, und
dergleichen elastische Krafft an ihnen
wahrgenommen; welche auch einen jeden gar
leicht in die
Sinne fallen muß, der mit
Musicalischen Instrumenten, die mit Saiten
bezogen sind, umgehet. |
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Wenn man nun alle diese angeführte
Kennzeichen einer Elastischen Krafft zusammen
nimmt, so wird man befinden, daß die meisten, ja
alle Cörper, wenigstens in denen kleinsten
Theilen
eine elastische Krafft haben; Denn ob wir zwar
dergleichen an dem weichen Thon, Seiffe und
Wachse etc. nicht mercklich dergleichen
wahrnehmen; so wird man solche doch gar bald
an ihnen mercken, wenn man ihre Feuchtigkeit
remouiret und solche etwas hart werden läst. |
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Die flüßigen
Materien, als Wasser, Öle,
Qvecksilber etc., wenn sie auf einen Cörper
fallen, springen von selbst zurücke (wenn man
von demjenigen abstrahiret, was Vermöge der
Cohaesions-Krafft daran hangen bleibet) u. geben
dadurch ihre Elastische Krafft zu erkennen. |
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Es zeigen aber auch gedachte Kenn-Zeichen
ferner, daß der Grad der Elastischen Krafft in
verschiedenen Cörpern sehr
verschieden sey. Ja
in einerley Cörper ist derselbe nicht von
beständiger Grösse: denn wenn man die Elastra
zu starck und offte spannent, pflegen sie etwas
von ihrem Elatere zu
verlieren. Wenn man an eine
Spiram Cylindricam, ingleichen an eine Saite, ein
Gewichte hanget, u. bemercket, wie weit solches
dieselbe ausspannet, alsdenn solche einige
Zeit in
diesem
Zustand der Spannung verharren läst, so
wird man nach einiger Zeit befinden, daß eben
dasselbe Gewichte die Spiram oder Saite weiter
ausgespannet habe; woraus erhellet, daß per
partium rupturas elastri dem Elateri desselben
aller Dings etwas abgegangen seyn muß. |
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konstante Elastizität |
Dieses treffen wir an denen allermeisten
Cörpern an, welche folglich keinen beständigen
Grad der Elasticität, Elaterem constantem, haben.
Es wird nemlich Elater constans genennet, den
ein Cörper hat, welcher, wenn er von einer
gewissen Krafft zusammen gedrucket oder
gespannet wird, allezeit in einerley Zustand seiner
Grösse oder Figur gelanget; und in diesem
Zustande allezeit einerley Nisum gegen dieselbe
Krafft |
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{Sp. 670} |
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ausübet, keines Weges aber von ihr in
einen andern Stand als diesen bringen läst. |
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Dergleichen Elater constans muß sich in allen
kleinsten Theilen des Cörpers ereignen, damit
derselbe durch dieser ihre Zertrennung nicht
vermindert werde; einen solchen aber finden wir,
soviel bekannt, an keinen andern Cörper, als an
der Lufft. Diese hat einen Elaterem constantem, den man durch vielfältige
Experimente erkannt
hat. de Lana versichert … daß wenn man die Lufft
auch viele
Jahre durch zusammen gedruckt und
eingeschlossen hielte, sie nicht das wenigste von
ihrem Elatere verlöhre, sondern allezeit wiederum
einerley
Würckung thun. Ein
Exempel geben die
Wind-Büchsen, welche man ein
gantzes Jahr
geladen stehen lassen kan, welche doch eben
noch soweit die Kugel, als sonsten treiben
werden, wenn sie erst kurtz geladen sind. Es
führte derselbe ein Experiment von dem Boyle an,
welcher eine im Vacuo aufgeblasene Blase, drey
gantzer Jahr nacheinander darinnen aufbehalten,
und keine
Veränderung an der Blase verspüret
hat, so etwan eine Schwächung ihrer Elastischen
Krafft hätte zu erkennen gegeben. |
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Einen solchen Elaterem constantem treffen
wir nun zwar an der Lufft, an andern Cörpern aber
nicht an. Ja einige von diesen sind dergestallt
beschaffen, daß sie ihren Elaterem verändern,
vermehren und vermindern lassen. Die Elastische
Krafft des Englischen Zinnes, Messings, Eisens,
rothen Kupffers läst sich sehr vermehren, wenn
man solches starck mit dem Hammer treibet; daß
folglich der Elater derer Metalle mit ihrer
Dichtigkeit zunimmt. Der Stahl und Eisen
bekommt durch die Härtung einen sehr starcken
Elaterem. Wenn man ein glüendes Eisen jähling in
kaltes Wasser stösset, so bekommt es dadurch
eine weit stärckere Elastische Krafft, als zuvor,
welche es aber wiederum verlieret, wenn man
solches von neuen abglüet. Wenn man den Gorck
in Wasser abkocht, so wird derselbe weicher und
elastischer; so bald aber die Feuchtigkeit, so
währenden Kochen in seine Poros eingedrungen,
wieder euaporiret, spüret man, daß dessen
elastische Krafft schwächer worden sey. |
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Diese sind die fürnehmsten Phaenomena, so
wir an denen Cörpern überhaupt in Ansehung
ihrer Elastischen Krafft und deren Veränderung wahrnehmen. |
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