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Teutsche,
Lat. Alemanni,
Teutones, ein grosses, und so wohl seines
Alterthums,
als seiner besondern Tapfferkeit wegen ein
berühmtes
Volck, welches
viel andere Völcker unter sich begreifft. |
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Ehe wir von ihren
Gewohnheiten und Lebens-Art
reden können, so wird es
nöthig seyn, von ihrem
Ursprunge, ihren verschiedenen
Namen, und den
Ursachen
dieser Benennung, desgleichen auch von den verschiedenen Gattungen derselben,
etwas im Voraus zu erinnern. Anlangend erstlich den |
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Ursprung der Teutschen |
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so lehret uns, daß der allerältesten Völcker ihr
Ursprung uns gantz
unbekannt, in so weit die Beschaffenheit der
Sache selbst, indem man in den
damahligen Zeiten wenig aufzeichnete, daher auch alles, was man von diesen
Dingen weiß, zweiffelhafft und ungewiß ist. |
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Zu den ältesten Zeiten glaubte man, daß die
Menschen nicht anders, als wie
die Schwämme aus der
Erden gewachsen. Nachdem aber die
Völcker sich äusserst
angelegen seyn lassen, ihren
Vorzug eines vor dem andern zu behaupten, so sind
einige gewesen, welche, um sich ein desto grösseres
Ansehen zu machen, nicht
selten einen
Gott zum Stamm-Vater eines Volcks gemacht, welches aber eben so
viel hieß, als daß man nicht eigentlich wüste, wo des Volcks sein rechter
Ursprung herzuleiten sey. |
Diodor. Sicul. lib. 1. p.
7. conf. Strauch Diss. in Taciti de Moribus Germ.
Cap. prior. IV. diss. 1. §. 1. 2. |
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Also gaben die Römer vor, ob hätten sie ihre Ankunfft der Venus, die
Egyptier der Isis, die Thüringer dem Thor, oder dem Jupiter, die Gothen dem
Godan, oder den Mercurius, zu dancken. Dergleichen falsche Ableitungen aber
Bodinus Meth. Hist. Cap. 9. pag. 345.
billig
verlachet. |
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Eben dergleichen erzehlet auch Tacitus de Mor. Germ.
Cap. 2. von denen Teutschen, daß sie nemlich in ihren alten Reim-Gesängen
des Tuisto erwehnten, der ein von der
Erde gezeugter
Gott, und ein
Sohn des
Mannus wäre, von welchem das
Volck seinen
Ursprung empfangen, dem
Mannus aber
legten sie drey Söhne zu. Allhier hält man insgemein dafür, der Tuisto sey der
Mercurius, den die Celten Theut nannten, worunter Kriegsmann
de Germ. Gent. orig. c. 8. und Bochart Chanaa I.
cap. 23. p. 505. niemanden anders als den Chanaan, einen Sohn des
Chams verstanden haben wollen. |
Cluver. Germ. Antiqu. l. 1. cap.
9. pag. 81. |
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Weil aber nirgends gemeldet wird, daß der Mercurius von der
Erden gezeuget
worden wäre, oder er einen
Sohn gehabt, der Mannus |
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{Sp. 1681|S. 854} |
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geheissen, so kan man ihm auch nicht beypflichten. Es fehlet auch nicht an
denen, die durch den Berosus verleitet, vorgeben, es sey der
Tuisto ein Riese und erster
König der Teutschen gewesen, der gleich nach der
Sündfluth, und als die
Menschen von dem Thurm-Bau zu Babel zerstreuet worden,
aus Armenien nach
Europa zu, und über die Don gegangen seyn, allwo er sowohl der
Sarmaten, als auch der Teutschen Stamm-Vater geworden. Nachdem er nun diese
Erd-Gegenden durchzogen, habe er selbige in gewisse
Reiche,
Herrschafften und
Fürstenthümer eingetheilet, allenthalben
Einwohner eingesetzet, mithin diese
Länder mit Menschen versehen. Jedoch, daß dieses eitele, der
Schrifft und
gesunden Vernunfft zuwider lauffende Träume sind, kan ein ieder leicht finden,
vornehmlich da sattsam bekannt ist, daß des Berosus Vorgeben
auf lauterm Ungrunde beruhe. |
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Gundling hält nach dem Ausspruch des
Callimachus davor, daß bey den alten
Völckern alle Riesen Titanes
genennet worden,
Söhne der
Erden, oder, welches einerley ist, Tuistones.
Die Celten aber hätten vor terra ditem und vor terra editum,
Tuistonem gebraucht. |
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Es dürffte demnach der
Wahrheit nicht entgegen lauffen, wenn diese
Dinge
verworffen, und hingegen dafür gehalten wird, daß durch den Tuiston der Adam zu
verstehen, der allerdings aus der Erden seinen
Ursprung her hatte, unter dem
Mannus aber der Noah verborgen liege, dessen drey
Söhne bekannt, sintemahl es an
dem ist, daß der allererste Anfang der
Welt denen Heyden zwar bekannt gewesen,
nur daß sie dessen unter veränderten
Nahmen erwehnet. |
- Gundlingiana §. 8. p.
202.
- Vergestanus de primis Germ. Colon.
- Aventinus Ann. Boiic. l. 1 cap. 5.
- Bucelinus Geneal. Germ. Not. pag. 6.
- Sheringam de Anglor. Gent.
Orig. c. 5.
- Cluver p. 83.
- Joh. Fabricius de Cacozelia Gentilium.
- Dickinson Delph.
Phoenicizantibus.
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Da also dieses seine Richtigkeit hat, so wollen wir uns vielmehr zu dem
eigentlichen
Ursprunge der Teutschen wenden. Es wird durchgehends dafür
gehalten, daß zwar die Teutschen ihre Ankunfft von dem Japhet her haben. |
- Josephus Antiqu. Judaic. l. 1. cap. 7.
- Arias Montanus in Phaleg.
- Bochart in Phaleg. l. 3.
- Had. Junius in Batavia Cap.
21.
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Doch bleibet noch ein ziemlicher Zweifel zurück, welchem von dessen Sühne in
man zum eigentlichen Stamm-Vater machen müsse. Cluver
G.A.I.A. Cap. 4. führet die Teutschen von den Askenas, einem Enckel des
Japhets, her. |
Siehe auch Bucelin. Geneal. Germ. Not. p.
6. |
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Deswegen sie auch von den Jüden Askenakim, das ist, Nachkömmlinge
des Askenas, genennet werden, wie also Cluver die Stelle des
Josephus Antiqu. Jud. 1. cap. 7. erkläret;
dem gleichwohl Jeremias 51. v. 27. entgegen zu stehen
scheinet, welcher des Askenas
Reich nicht weit von Babel setzet. |
Siehe auch Sheringam l.c. cap. 16.
p. 406. dem entgegen ist
- Voßius de Orig. Idol.
1. cap. 3.5.
- M. Preherus Not. ad Pet. de Andlo in
praef.
- Rupertus ad Synops. Besold. Cap. 1. p
12.
- Werlhof Not. Imp. enecl. l. 1. cap. 2. §.
9.
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Andere leiten die Teutschen von dem Thogarma, dem andern
Enckel des Japhets ab |
1. Buch Mos. X, 3. |
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zu dessen
Beweiß sie nicht nur
die Gleichheit des
Nahmens |
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{Sp. 1682} |
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beybringen, sondern auch, weil der Chaldäische Paraphrastes über den
Ezechiel XXXVIII. 6. Thogarma von Teutschland erkläre. |
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Jedoch beyder
Beweise ruhen auf einem sehr schwachen
Grunde, vornehmlich
weil der
Nahme Germanien ein zu des Tacitus Zeiten gantz neuer
Nahme war. |
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Die alten Jüdischen
Lehrer geben vor, es wären die Teutschen von denen
geflüchteten Chananitern entsprossen. |
Abneza beym Bochart in Chanaam 1.
cap. 23. p. 505. |
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Welchen auch Lazius Chron Vienn. 1. cap.
1. beypflichtet, der solches aus einigen alten, ohnfern Wien ausgegrabenen
Hebräischen Urkunden zu
beweisen, sich bemühet, womit zugleich Sheringam
Cap. 4. übereinstimmet, ohngeachtet es dieser nur von einigen Colonien
verstanden haben will, deren zugleich auch einige seiner Muthmassung nach, aus
Africa und Egypten könnten seyn geführet worden. Doch Bochartus
siehet dieses
billig vor Rabbinische Träume an, der aber dafür halten will, ob
habe der Egyptier ihr Hercules von dar einige Colonien nach
Teutschland
gebracht, womit Nicolaus Gürtler übereinstimmet, Hist.
Univ. 1. cap. 3. §. 8. und zum
Beweiß dieses anführet, |
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- daß der Teutschen ihr Tuisto kein anderer, als der
Egyptier ihr Theut sey:
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- Hiernechst, daß die Deutschen selber des Hercules gedächten, den sie als
einen insonderheit tapffern Held denen ins Treffen gehenden vorgestellet:
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Tacitus de M.G. Cap. 2 |
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- dann, daß die
Schwaben dem Isis Opffer gebracht,
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Tacitus c. 9. |
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- und endlich, daß die Deutschen von denen Egyptiern das Bierbrauen aus
Gerste und anderm Getrayde gelernt gehabt.
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Andere wollen behaupten, es wären die ersten
Einwohner
Deutschlandes durch
Sarmatien in Schweden gekommen, welches sie aus Übereinstimmung der
Sprachen zu
beweisen suchen. |
- Grotius Proleg. in Hist. Goth. p.
22.
- Scheffer Upsalia Antiq. Cap. 6. p. 62.
- Sheringam §. 15.
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Ob man aber wohl nicht in Abrede seyn will, daß die Gothen, nebst denen
alten Inwohnern Schwedens einerley Gottheiten und Gebräuche mit denen Teutschen
gehabt; so
beweiset doch
Conring de Antiquissimo Statu
Helmstad. p. 54. ff. vielmehr das Gegentheil, daß nehmlich die Gothen
entweder aus Noth, oder mit
Gewalt aus
Teutschland nach Mitternacht zu weichen
wären gezwungen worden. Ja wir wollen auch gestehen, daß weder die Teutschen von
denen Gothen, noch diese von denen Teutschen entsprungen, wohl aber, daß beyde,
obschon durch verschiedene Wanderungen, eines gemeinschafftlichen
Ursprungs
seyn. |
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Es haben sich auch unter denen älteren Geschichtschreibern einige gefunden,
die dem Hunibaldus gefolget, mithin die Teutschen von denen
Francken abgeleitet, diesen aber ihren
Ursprung
aus dem Trojanischen Pferde gegeben, welche erstliche die Alaner an dem
Mäotischen Sumpffe vertrieben, sich daselbst niedergelassen, nachdem sie aber
von dem Kayser Valentinian
wären überwunden und verjagt worden, hätten sie sich in
Teutschland
niedergelassen. |
Pontanus Orig. Francic. 2. cap.
5. und aus demselben, Kirchmayer in Tacit. Cap. 2.
p. 27. |
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Unter den alten hegen diese
Meynung Conrad Urspergensis,
und Ado Viennensis; |
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{Sp. 1683|S. 855} |
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unter dem neuern Franc de Rosieres Stemmat. Lothar.
Praef. |
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Allein wie wenig Glauben dem Hunibaldus beyzumessen hat
Burcard Gotth.
Struv in Diss. de Doct. Impost. §. 6.
gewiesen, dahero allen denjenigen, die selbigem folgen, gar wenig zu trauen ist.
Dem Hunibaldus widerspricht zwar Johann Bodinus
Meth. Hist. cap. 9. p. 363. 369. als welcher denen
Teutschen sonst nicht gar zu günstig; er fällt aber auf einen andern Irrthum,
wenn die Celten, wodurch er seine Gallier
verstehet, wegen
Volck-Menge, gantz
Europa mit
Einwohnern
erfüllet haben sollen. Jedoch daß dieser
Mann mehr seinen
Einfällen, als der
Wahrheit der
Sachen nachgegangen sey, weiset Cluver
Germ. Antiq. 1. cap. 3. welches auch Hertius
Not. Vet. Germ. Pop. cap. 1. §. 1. da denn Cluver
zugleich dessen vermeynte
Gründe zur Genüge widerleget, absonderlich aber, da er
behauptet, daß unter dem alten
Wort Celten alles dasjenige begriffen gewesen,
was man Illyricum, Hispanien, Gallien, Teutschland, Engelland, Schottland und
Irrland zu nennen pflege. |
- Cluver l. 1. c. 2.
- Picardus de Prise Celtopaedia l. 3. p. 92 ff.
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Tacitus nennet die Teutschen Indigenas, das ist, im
Lande gebohren,
die also durch andre
Völcker nicht wären vermischt worden, und giebet desfalls
diese
Ursache an, weil diejenigen, welche ehemahls ihre Sitze hätten ändern
wollen, nicht zu Lande, sondern zu Wasser nach
Teutschland gekommen wären, wie
denn das jenseit dem Ocean gelegene Land, selten von unsern Welt-Gegenden zu
Schiffe besuchet würde. Allein wie der Bodinus de M.G. Cap. 2. bereits
angemercket hat, so war dieses bey den alten Völckern vormahls also der Brauch,
wenn sie ihren
Ursprung nicht wusten, oder aber andern Völckern aus Haß nicht
eröffneten, daß sie sich aus der
Erde entsprossen nannten, das ist
autochthonas
et gēgeneis, welcher
Gewohnheit
die Teutschen auch nachgefolget. Man hält aber nicht dafür, daß des
Tacitus sein Vorgeben viel
Grund habe. |
Hertius Not. Vet. Germ. Pop. c. 1.
§. 2.
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Denn in der alten
Welt wuste man nicht viel von Schif-Flotten, und die
verschiedenen zu Lande angestellten Wanderungen, besonders derer Jüden, besagen
ganz und gar das Widerspiel. |
- Versteganus de Prim. Germ. Colon.
- Rhenanus Rer. Germ. 1. et 2.
- Werlhof
1. c. 2. §. 15.
- Vorburg T. 1. p. 41.
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Ob nun wohl die meisten, vornehmlich Johann Strauch in
Tacit. Cap. 4. priora Diss. 1. dem Tacitus
Beyfall geben, so zeigen doch ältere
Beweise, daß auch zu denen Teutschen andere
Völcker gekommen. Ja, der Tacitus widerspricht sich selbst
cap. 43. wenn er die Marsigner, Burier, Gothiner, Osier wegen Ungleichheit
der
Sprachen, anderer Ankunfft zu sein, vorgiebet. Denn von denen Aestiern
saget
er, cap. 45. ihre Kleidung und
Sitten kommen mit der
Schwaben ihrer
überein, die
Sprache aber mit der Britannischen. Cäsar VI.
cap. 24. stehet in den
Gedancken, die Volscer und Tectosager hätten aus
Gallien ihre Colonien über den
Rhein gesendet. |
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Am sichersten fällt man denenjenigen bei, welche die Teutschen aus Asien
durch Scythien in diese
Länder führen, daß sie also von de- |
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{Sp. 1684} |
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nen Scythen ihre Ankunfft haben. |
- Schedius de Diis Germ. Cap. 1. p.
4.
- Kirchmayer in Tacit. Germ. p. 13.
- Carions
Chronicke l. 4. p. 625.
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Die
Gründe dieser
Meynung sind, daß auch die Griechen
Teutschland Scythien
genennet. |
- Strabo l. 7. ...
- Plutarch in Vita Marii p. 411.
- Aventinus l. 1. cap.
5.
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Wewegen denn, wie Grotius Proleg. ad Script. Goth. p.
81. angemercket hat, noch viele Scythische
Wörter in unserer Sprache, ja, das
Wort Scyth selber, welches einen Schützen bedeutet, mit dem Teutschen überein
kommet. Hiernechst treffen die rauhen und ungeschlachten
Sitten der alten
Teutschen mit der Scythen ihren überein. Und endlich fand sich vormals unter
denen Persianern ein
Volck, welches Germani genennet ward. |
Herodotus l. 1. p. 60.
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