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Weiter pfleget man auch die Sprachen in rauhe,
männliche, zärtliche
und weibische Sprachen
einzutheilen. Da überhaupt eine Sprache
ein Inbegriff von vielen Wörtern ist; ein
Wort aber aus solchen
Buchstaben
bestehen kan, die einem Zuhörer bey der Aussprache entweder hart oder gelinde
fürkommen: So ist eine Sprache
möglich, darinnen fast alle Wörter aus solchen
Buchstaben bestehen, die entweder einem
Menschen
für sich, oder doch in Verbindung mit andern hart und also unangenehm fürkommen.
Diese Sprache wird eine rauhe
genennet. |
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Es können aber auch die
Wörter einer Sprache aus solchen Buchstaben zusammen
gesetzt seyn, von welchem zwar eine sehr grosse Menge in Ansehung eines gewissen
Menschen
hart ist, aber es sind doch auch viele Wörter aus gelinden Tönen zusammen
gesetzt, welche diese Härte ziemlich vermindern und unmercklich machen. Dieser
Sprache ist der
Nahme
einer männlichen beygeleget. |
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Es ist ferner möglich, daß hingegen diejenigen
Wörter einen sehr grossen
Theil von einer Sprache ausmachen, die nach dem
Urtheile eines Zuhörers gelinde
Buchstaben haben; die aus harten Buchstaben bestehende Wörter sind also in
dieser Sprache nicht in so grosser Anzahl als in der vorigen. Hierinnen bestehet
das
Wesen von einer zärtlichen Sprache. |
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Endlich kan man eine Sprache gedencken, darinnen fast alle
Wörter aus
gelinden Tönen bestehen, so, daß die harten in derselben wenig oder gar nicht
können gemerckt werden. Diese Sprache heisset die weibische. |
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Aus diesen angeführten Erklärungen kan man
erkennen, daß dieselben sich auf
einander beziehende
Begriffe sind. Wir werden nicht bestimmen können, ob eine
gewisse Sprache eine männliche sey, wo wir uns nicht zugleich in
Gedancken
eine andere vorstellen, die nach unserem
Urtheile rauhe ist. Und diese wird eben
so wohl nach jener beurtheilet. Wenn beyde Sprachen zwar nach unsrer
Meynung viele harte
Wörter in sich begreiffen, aber in der
einen die Anzahl davon grösser ist, als in der andern, ob gleich der Unterscheid
so gar groß nicht ist; so wird die erste Sprache rauhe, die andere aber männlich
genennet: Eben so ist es auch mit der zärtlichen und weibischen Sprache
beschaffen. Die eine muß nach der andern abgemessen werden. Wenn wir die eine
für zärtlich halten, und wir vergleichen damit eine andere, |
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{Sp. 412} |
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die eine ziemlich grössere Anzahl von gelinden Wörtern in sich begreiffet,
so wird diese von uns eine weibische genennet. Und auf einerley Weise bestimmen
wir eine zärtliche Sprache nach der vorher von uns
erkannten weibischen. |
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Eine männliche und zärtliche Sprache können auch von einander einen Maaßstab
abgeben. Wenn wir die eine für männlich schätzen, und halten mit derselben eine
andere zusammen, darinnen zwar mehrere gelindere
Wörter anzutreffen sind, aber
der Unterschied darf doch nicht mit einer sehr grossen Zahl ausgedruckt werden,
so ist diese zärtlich. Auf gleiche Weise verfähret man, wenn die zärtliche
zuerst ist gedacht worden. |
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Hieraus ist auch klar, daß nachdem wir diejenige Sprache für rauhe,
männlich, weibisch, oder zärtlich halten, welche bey uns der Maaßstab von einer
andern ist, so ist auch das
Urtheil von der zu bestimmenden beschaffen. Dieses
ist unter andern eine
Ursache,
daß die Urtheile von den Sprachen so sehr unterschieden sind. Wenn auch zwey
Menschen
nach einerley Sprache eine andere beurtheilen, und sie sind sich nicht in
Ansehung der ersten einig, ob sie männlich, rauhe u.s.w. sey; so müssen sie auch
sehr unterschiedene Urtheile von der andern fällen. |
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Das
Wort rauhe hat mehr als eine Bedeutung, wenn es von
einer Sprache gebraucht wird. Es wird zuweilen in dem
Verstande genommen, daß es eine Sprache anzeiget, die in
Ansehung ihrer innern Beschaffenheiten mangelhafft ist, daß nehmlich die Wörter
in derselben die
Begriffe und deren Verbindung nicht deutlich andeuten, die
Regeln einer vernünfftigen Rechtschreibung bey derselben nicht genau beobachtet
werden, u.d.g.m. In dem Verstande aber wird dieses Wort hier nicht genommen. |
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Ich verstehe unter einer rauhen Sprache eine solche, welche einem Zuhörer
unangenehm ist, wegen der vielen harten
Wörter. Es ist aber sehr wohl möglich,
daß eine Sprache nach beyden Bedeutungen rauhe zu nennen ist. Sie kan ja nach
ihren wesentlichen Beschaffenheiten unvollkommen seyn, und auch sehr viel harte
Wörter in sich begreiffen. Man thut aber besser, daß man dieselbige wegen des
ersten Mangels wesentlich unvollkommen nennet. Dadurch werden diese beyden
vermeynten Fehler zur Gnüge unterschieden; denn die Rauhigkeit ist nur eine
zufällige Unvollkommenheit. Ob gleich in einer rauhen Sprache die harten
Worte
den grösten Theil ausmachen; so können doch dem ungeachtet in derselben einige
gelind-klingende Wörter anzutreffen seyn. |
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Es folget auch nicht aus dem
Begriffe einer solchen Sprache, daß in
derselben keine Buchstaben seyn dürffen, welche in und ausser der Verbindung mit
andern gelinde sind. Eine solche Sprache ist nicht zu begreiffen, daraus |
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{Sp. 413|S. 220} |
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alle gelinde
Wörter und Buchstaben gestossen wären. Sie würde nicht
zureichen alle nöthige Begriffe mit Wörtern auszudrucken. Es ist zu einer rauhen
Sprache schon genung, wenn die gelinden Wörter in derselben nur einen sehr
geringen Theil ausmachen, so, daß sie für die grosse Menge von harten Tönen
nicht klar können gemercket werden. |
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Eben so ist es mit der weibischen Sprache beschaffen in Ansehung der harten
Wörter. Obgleich fast alle Wörter in derselben gelinde seyn müssen, so würde sie
doch sehr unvollkommen seyn, wenn alle harte Wörter und Buchstaben von ihr
ausgeschlossen wären. Sie
verdienet doch den
Nahmen
einer weibischen Sprache, wenn die weniger harten Wörter unter denen ungemein
vielen gelinden versteckt sind. |
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Daß in der männlichen und zärtlichen Sprache harte und auch gelinde
Wörter
seyn müssen, ob wohl in dieser mehrere gelinde als in jener, ist aus ihren
Erklärungen leicht zu ersehen. |
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Es ist leicht zu erweisen, daß die Härte der Töne nicht ihren
Grund
in der allgemeinen menschlichen Natur habe, sondern vielmehr von der
Beschaffenheit der Gliedmassen des Gehöres eintzelner
Menschen
abhange, welche demselben entweder angebohren ist, oder die sie sich durch eine
lange
Gewohnheit eigen gemacht haben. Hieraus kan man schliessen, daß von den
harten
Wörtern eben so wohl darinnen der Grund zu suchen sey. |
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Folglich muß man ein gleiches von der rauhen und männlichen Sprache
behaupten, weil sie aus vielen harten
Wörtern bestehen. Wer also das rauhe und
männliche als eine allgemeine oder absolute
Eigenschafft
von einer Sprache ansiehet, der betrüget sich. Es sind diese nur Zufälligkeiten,
welche ihren zureichenden
Grund
ausser der Sprache in den Zuhörern haben. Einerley Sprache kan also dem einen
Menschen
rauhe, dem andern aber männlich oder gar zärtlich vorkommen. Beyde können auch
zugleich
Recht
haben, wenn sie anders ihrer
Empfindung gemäß urtheilen, und nicht vorgefassten
Meynungen folgen. Es sind nicht bey einer Sprache
wiedersprechende Beschaffenheiten, das rauhe und das männliche zugleich, wenn
nur nicht ein Mensch zu gleicher Zeit derselben diese beyleget. |
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Auf gleiche Art ist es mit einer zärtlichen und weibischen Sprache
beschaffen. Denn die gelinden Töne haben ebenfalls ihren
Grund
in der verschiedenen Einrichtung des Gehöres eintzelner
Menschen.
Eine zärtliche und weibische Sprache aber begreiffen dem größten Theile nach
solche
Wörter in sich, die aus gelinden Buchstaben zusammen gesetzt sind. Eine
unbedingte zärtliche und weibische Beschaffenheit in Ansehung einer Sprache ist
ein Unding. |
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Aus diesem allen ist dennoch zu schliessen, daß kein
Mensch
sich zu einen allgemeinen
Richter
auf werffen, und einer Sprache eine von diesen schon offt angeführten
Beschaffenheiten überhaupt beylegen dürffe. Es ist thöricht, wenn er aller
Menschen
Urtheil nach dem seinigen beurtheilen will. Es würde einen grossen
Hochmuth anzeigen, wenn er alle diejenigen eines verderbten Gehöres
beschuldigte, die seinen
Meynungen nicht beypflichten. Keinem
Volcke
stehet dieses
Recht zu, einer Sprache überhaupt eine von diesen Beschaffenheiten
zuzueignen. Wenn ein Mensch |
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{Sp. 414} |
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und auch ein gantzes Volck vernünfftig verfahren will, so müssen sie nur
soviel behaupten: Ihre Gliedmassen des Gehöres wären so beschaffen, daß eine
Sprache diese und keine andere
Würckung
in ihnen verursache; sie gestünden aber dabey, daß andere
Menschen
ihre Einrichtung des Gehöres bewegen könne, ein entgegen gesetztes
Urtheil von
dieser Sprache zu fällen; sie begehrten nicht sich deswegen mit ihnen zu
zancken, sie wären vielmehr überzeuget, daß sie alle zu gleicher Zeit die
Wahrheit auf ihren Seiten haben könnten, und daß also jeder Streit vergeblich
und unvernünfftig seyn würde. Wenn die Menschen auf diese Art ihre Urtheile von
dieser
Sache
abfasseten; so würden die unnützen Zänckereyen unter den
Völckern
wegen des
Vorzugs
der Sprachen in diesem Stücke bald aufhören. |
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Aber ob es gleich wahr ist, daß sehr verschiedene und dem Scheine nach
entgegen gesetzte
Urtheile von dem rauhen, männlichen, zärtlichen und weibischen
bey einer Sprache zugleich wahr seyn können, wenn sie sich auf die verschiedenen
Würckungen
gründen, die sie in den Ohren verschiedener
Menschen
verursachen; so kan man doch deswegen nicht allen Urtheilen das
Wort
reden,
welche von den Sprachen in diesem Stücke gefället werden. Es ist bekannt, daß
vorhergefaßte
Meynungen, eine starcke Neigung und Haß gegen eine
Sache,
uns leicht betrügen können, daß wir meynen, etwas innerlich zu
empfinden,
welches doch nur Würckungen unserer
Leidenschafften sind. |
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Diese haben aber auch einen grossen Einfluß in das
Urtheil der Sprachen.
Wenn jemand fremde und auswärtige Sachen sehr
liebet, so wird er sich sehr
leicht überreden, daß eine fremde Sprache an
angenehm und gelinde klingenden
Wörtern seine Landes-Sprache weit übertreffe. Der
Grund
dieses Urtheils ist alsdenn nicht in der Beschaffenheit seines Gehöres, sondern
in der Neigung zu einer auswärtigen Sache zu suchen. Im Gegentheil aber, wenn
wir wieder von einem
Volck
u. dessen Sprache vorher eingenommen sind; so wird uns dieselbe rauh und
unangenehm klingen; obgleich die
Wörter in derselben diese
Würckung
nicht hervorbringen, sondern vielmehr unser Vorurtheil. |
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Aus dem, was
gesagt worden ist, kan man die
Ursache
erkennen, warum es so schwer zu bestimmen sey, ob würcklich einige Sprachen den
Nahmen
der rauhen, männlichen, zärtlichen und weibischen verdienen? Allgemeine
Urtheile
können in diesem Stücke nicht gefället werden. Sie gelten nur von einigen
Menschen,
und gründen sich auf die besondere Einrichtung des Gehöres. Eine Übereinstimmung
und Einigkeit kan also hierinnen bey allen Menschen nicht vermuthet werden. Wenn
diese Nahmen einigen Sprachen mit
Recht von
jemand zugeeignet werden solten, so müsten sie solche
Wörter in sich begreiffen,
welche in Ansehung des Gehöres harte oder gelinde sind, es müßten aber dabey
alle Vorurtheile und
Leidenschafften verbannet seyn. |
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Aber wie kan man dieses
erforschen? Wie leicht verleiten uns nicht die
Leidenschafften zu falschen Urtheilen? Wenn wir eine Sache durch die
Erfahrung
erkennen wollen, so bringen wir sehr offt einen geheimen Wunsch mit uns, daß die
Sache
so und nicht anders be- |
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{Sp. 415|S. 221} |
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schaffen seyn möchte. Wir können uns demnach bey unsern
Empfindungen sehr
leicht betrügen. Wenn man diese
Sache
weiter untersuchet; so wird man finden, daß diese offt erwehnten
Arten der
Sprache in einer gewissen Absicht gleich vollkommen sind. Man führet zwar viele
Gründe
darwieder an, welche ungefehr folgende sind: |
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Eine von den vornehmsten Absichten bey der Sprache ist, daß sie von den
Menschen
gehöret werde. Nun stimmet aber mit dieser Absicht besser überein, was
angenehm
zu hören, als was den Ohren zuwieder ist. Derowegen kömmt diejenige
Beschaffenheit mit dem
Endzwecke der Sprache besser überein, wenn die
Wörter in
derselben gut klingen, als wenn sie den Zuhörern unangenehm sind. Alles aber was
mit der Absicht der Sprache übereinstimmet, machet eine Vollkommenheit von
derselben aus; welches hingegen ihrem Endzwecke zuwieder ist, das ist eine
Unvollkommenheit. |
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Hieraus folget, daß eine Sprache, die gut anzuhören ist, vollkommener sey,
als diejenige, deren angehörte
Wörter in unsrer
Seele
unangenehme
Empfindungen machen. Die rauhen und weibischen Sprachen aber sind
unsern Ohren zuwieder wegen der gar zu grossen Menge harter und gelinder Wörter;
die männlichen hingegen und zärtlichen Sprachen haben eine grössere Vermischung
harter und gelinder Wörter, und sie erwecken deswegen in unserer Seele
angenehmere Empfindungen als die vorigen. |
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Aber auch diese sind dem Grade nach hierinnen unterschieden, die zärtliche
Sprache hat vor der männlichen einen
Vorzug.
Hieraus meynen sie, könne man sich erschliessen, daß die zärtliche Sprache die
vollkommenste sey, die männliche ihr in der Vollkommenheit nahe komme, die rauhe
und weibische aber unvollkommen seyn. Man kan es zugeben, daß die männliche und
zärtliche Sprache vollkommener als die rauhe und weibische sind, wenn nur dieser
Satz gehörig eingeschräncket wird. |
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Er muß also ausgesprochen werden: ja wie ferne eine Sprache in Ansehung der
Gliedmassen des Gehöres von einem Zuhörer für männlich oder zärtlich, rauhe oder
weibisch gehalten wird; in so ferne ist sie auch von demselben für vollkommen
und unvollkommen zu schätzen. Aber dieses ist nur eine veränderliche
Vollkommenheit und Unvollkommenheit. Denn eine Sprache wird nach den
verschiedenen Gliedmassen des Gehöres bey den
Menschen
bald für rauhe, bald für männlich, zärtlich und weibisch gehalten. Und hiernach
muß auch das
Urtheil von der Vollkommenheit einer Sprache geändert werden. Eine
Sprache, welche jemand, der sehr subtile Gliedmassen des Gehöres hat, rauhe
nennet, und für unvollkommen hält, wird von einem andern als männlich und
vollkommen gelobet, dessen Werckzeuge zum hören stärcker sind. |
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Eben so ist es mit einer von einem
Menschen
für zärtlich ausgegebenen Sprache beschaffen. Diese wird von einem andern als
weibisch und unvollkommen verworffen werden, weil sein Gehöre stärckere Töne
verlangt. Ingleichen eine Sprache, welcher iemand den Vorwurff der Weibischen
macht, wird ein anderer als zärtlich und sehr vollkommenen preisen. |
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Die
Ursache
ist, weil bey den ersten die Werckzeuge zum hören stärcker |
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{Sp. 416} |
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sind als bey den andern. Es ist also keine
Art von diesen Sprachen, welche
nicht in Ansehung gewisser
Menschen
einen andern an Vollkommenheit ziemlich gleich wäre. Es ist zwar nicht zu
läugnen, daß eine Sprache, in wie ferne sie rauhe oder weibisch ist, in so ferne
auch für unvollkommen zu halten sey; aber sie ist nicht beständig und in
Ansehung aller Menschen so beschaffen. Folglich beziehet sich ihre
Unvollkommenheit nur auf gewisse Menschen und ist veränderlich. |
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Es ist nicht möglich, daß eine Sprache beständig in diesem Stücke
unvollkommen sey. Wenn dieses geschehen könnte, so müste das rauhe und weibische
eine unbedingte Beschaffenheit von einer Sprache seyn, welches doch falsch ist.
Eine wesentliche Vollkommenheit entstehet aus der Übereinstimmung der
wesentlichen Beschaffenheiten und
Eigenschafften
eines
Dinges.
Diese muß bey einem Dinge beständig gefunden werden. Eine zufällige
Vollkommenheit ist vorhanden, wenn die Zufälligkeiten mit dem
Wesen und der
Absicht von einer
Sache übereinstimmen. Diese ist veränderlich, und das Ding kan
dasselbe verbleiben, wenn es gleich in diesem Stücke unvollkommen ist. |
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Aus diesen Erklärungen ist klar, daß die Vollkommenheit, die aus dem
männlichen und zärtlichen bey einer Sprache entstehet, nur zufällig sey. Die
wesentliche Vollkommenheit von einer Sprache bestehet darinnen, daß die
Wörter
bequeme
Zeichen von den
Begriffen sind, daß bey jenen eine
vernünfftige
Rechtschreibung beobachtet werde, und sie nach den bey den Zeit und Nenn-Wörtern
fest gesetzten
Regeln verändert werden, u.s.w. |
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Es ist aber bekannt, daß die wesentlichen und zufälligen Vollkommenheiten
sehr leicht miteinander streiten können, und daß alsdenn die Ausnahme von den
letztern zu machen sey. Hieraus folget, wenn eine Sprache ihre wesentlichen
Vollkommenheiten nicht erlangen könnte, wo nicht dieselbe in Ansehung einiger
Menschen rauhe oder weibisch würde; so muß man ehe diese Unvollkommenheiten
zulassen, als dieselbe ihrer wesentlichen Vollkommenheiten berauben. |
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Die
Wörter in einer Sprache können die
Begriffe
bequem anzeigen, und die
abstammenden Wörter können nach den festgesetzten
Regeln von den Stamm-Wörtern
hergeleitet seyn, ob sie gleich einigen
Menschen
gar zu harte oder gelinde fürkommen. Wer eine solche Sprache so gleich deswegen
verwirfft, ohne zu überlegen, ob nicht dieses rauhe oder weibische eine
nothwendige Ausnahme zum
Grunde
habe, derselbe giebt seine Unvernunfft sehr deutlich zu erkennen. Aber ob gleich
das männliche und zärtliche nur zufällige Vollkommenheiten von einer Sprache
sind, so ist doch ein
Volck
verbunden, seine Mutter-Sprache entweder zärtlich oder doch zum wenigsten
männlich zu machen, wenn es ohne
Verlust der wesentlichen Vollkommenheiten
geschehen kan. |
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Ein
Volck
kan sich leicht über diese erwehnte Beschaffenheiten einer Sprache vereinigen.
Denn die
Erfahrung
lehret uns, daß die
Menschen,
die zugleich in einem Lande
wohnen, und als ein Volck angesehen werden, fast einerley Temperamente oder
Beschaffenheit des Geblütes haben, und daß der Unterschied unter den übrigen
Theilen ihrer Cörper auch so groß |
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{Sp. 417|S. 222} |
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nicht sey. Derowegen werden ihre Gliedmassen zum Hören sich eben so wohl
ziemlich ähnlich seyn. Bey ihnen kan man also noch am ersten eine
Übereinstimmung der
Urtheile von den oft angeführten Beschaffenheiten einer
Sprache vermuthen, wenn sie den
Empfindungen ihres Gehöres folgen. |
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Das männliche und zärtliche aber ist eine Vollkommenheit einer Sprache, und
diese ist allezeit dem Unvollkommenen vorzuziehen; derowegen muß ein
Volck
sich bemühen, daß seine Muttersprache in so ferne zärtlich, oder doch zum
wenigsten männlich klinge, als es ohne den
Verlust der wesentlichen
Vollkommenheit geschehen kan. Und hierauf gründet sich die
Freyheit
eines Volckes, die Sprache seiner Vor-Eltern zu verbessern, wenn
sie ihm rauhe vorkömmt. Aber hierbey muß das Gehöre unparteyisch um Rath gefragt
werden. Eine unvernünfftige
Liebe zum Neuigkeiten muß von diesen
Veränderungen
nicht der
Bewegungsgrund seyn. |
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Es ist nicht zu läugnen, daß uns die Mundart unserer Vor-Eltern rauhe zu
seyn scheinet. Sie waren mehr bemühet, durch die
Wörter ihre
Gedancken
anzuzeigen, als daß sie für das Gehöre angenehme Ausdrücke aussuchten. Es kan
auch vielleicht seyn, daß ihre Gliedmassen zum Hören stärcker gewesen sind, als
die unsrigen. Wir sind in vielen Stücken zärtlicher geworden als unsere
Vorfahren. Uns stehet also
frey, solche Wörter zu erwehlen, die mit unserm
zarten Gehöre übereinstimmen; aber wir müssen darinnen behutsam verfahren, und
es nicht auf das Gutdüncken einiger Neulinge ankommen lassen. |
Critische Versuche der Gesellschafft zu Greifsw. T. I.
p. 461 u.ff. p. 542 u.ff. |
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Wer sich von der Ähnlichkeit, die in den meisten Sprachen herrschet, einen
Begriff machen will, der lese nach: Ponati
Anleit. zur Harmonie der Sprachen, Braunschw. 1713. |
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Rechte |
Was von der Sprache etwann noch in Ansehung der
Gerichtlichen
Handlungen beygebracht werden könnte, wäre, daß die in fremden und ausländischen
Sprachen abgefasste Documente in Proceß-Sachen der Producent, durch einen
geschworenen Dollmetscher in die Deutsche Sprache übersetzt, den
Beweiß-Artickeln bey Verlust beyfügen solle; |
Erläuterte Proceß-Ordnung ad 25. §.
3. |
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Der Product aber dieselben nicht weniger, als andere, recognosciren, |
Eb. das. |
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dem jedoch seine Erinnerungen wieder die Übersetzung unbenommen bleiben. |
Eb. das. |
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Die Advocaten im Ober-Hof-Gerichte zu Leipzig sollen in ihrem Fürbringen
nicht viel
Lateinische
Worte oder Allegata aufzuschreiben vortragen. |
Ober-Hof-Gerichts-Ordnung. tit.
wie viel Procuratores etc. |
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