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Einteilung |
Wir kommen nunmehro auf die
verschiedenen
Eintheilungen der Sprachen. |
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Tote und lebendige |
Man
theilet sie erstlich in todte und lebendige
Sprachen ein. Die todten und lebendigen Sprachen sind in so fern von einander
unterschieden, daß man eine lebendige Sprache diejenige
nennet, welche in einem
Reiche
und unter einem
gewissen
Volcke
annoch im Schwange ist und
ordentlich im
Reden und
Schreiben
gebraucht wird. |
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Im Gegentheil ist diejenige eine todte Sprache, welche an keinem
Orte
mehr als ein ordentliches und allgemeines Mittel, andern seine
Gedancken
zu
erkennen zu geben, in Gebrauch ist. In Ansehung dieser letztern hindert es
gar nicht, daß man viele darinnen geschriebene
Bücher antreffe, und daß auch
bisweilen einige unter vielen
Völckern
sich annoch selbiger in
Reden und
Schreiben bedienen. Das allgemeine und das
ordentliche, welches sich bey dem Gebrauche einer gewissen Sprache findet,
bringet selbiger nur eigentlich den
Nahmen
einer lebendigen zu wege. Die
Hebräische,
Griechische und
Lateinische
werden demnach, ihres besondern Gebrauchs ungeachtet, mit
Recht von
allen unter die todten Sprachen gezählet. |
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Der
Grund,
daß man die Sprachen als todte und lebendige angesehen, liegt in der
Veränderung, der alles unterworffen ist. Es müssen zum öftern gantze
Völcker
und Königreiche die größten
Veränderungen ausstehen, und über sich |
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{Sp. 406} |
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ergehen lassen. Die Sprache eines solchen Volckes leidet auch dabey, und ist
gleichfalls dem größten Wechsel unterworffen. Wie offt wird nicht ein Volck
gäntzlich zerstöret, und unter andere zerstreuet? Selbiges wird so dann
gezwungen, seine eigne Sprache fahren zu lassen, und sich derjenigen ordentlich
zu bedienen, welche den
Ländern eigen ist,
worinnen sie leben. Wie offt geschiehet es nicht, daß die starcke Vermischung
fremder Völcker und andere
Ursachen die Sprache eines Landes, deren man sich bis
hieher bedienet hat, gäntzlich in Vergessenheit bringen, und eine andere zum
ordentlichen Gebrauch einführen? |
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Die ersten Sprachen hören also auf, im Schwange zu seyn, und andere nehmen
wieder ihre Stelle ein, und werden als ordentliche Mittel gebraucht, mit andern
zu
reden, und auch ihnen schrifftliche
Gedancken
zu
erkennen zu geben. Die ersten Sprachen
sterben gleichsam, indem sie aufhören,
ordentlich gebraucht zu werden, und die andern fangen wiederum an, in diesen
Ländern zu leben,
und lebendig zu werden. Ein jedes
Volck
ist
verbunden,
seine Sprache zu ändern und zu verbessern, sobald es nur mercket, daß selbige
unzureichend und unbequem seyn solte, alle in der
Gesellschafft nöthige und
nützliche Gedancken andern
geschickt zu erkennen zu geben. |
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Hieraus äussert sich schon der allgemeine Unterschied zwischen einer
lebendigen und todten Sprache. Das angeführte findet nur einzig und allein bey
einer lebendigen Sprache statt, welche annoch bey einem gewissen
Volcke
im Schwange und als eine würckliche Sprache bey allen in Gebrauch ist. In dieser
redet und
schreibet man nur in der Absicht, damit alle übrigen Glieder des
gemeinen Wesens, sie mögen auch seyn, welche sie wollen, uns
verstehen und unsre
Gedancken begreiffen mögen. Bey einer solchen Absicht hat man also auch in einer
solchen lebendigen Sprache darauf zu sehen, wie man diese Absicht bey andern am
besten erreichen, und die als eine allgemeine angenommene Sprache am
gründlichsten und ordentlichsten einrichten möge. |
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Eine todte Sprache ist im Gegentheil unter keinem
Volck
ordentlich mehr in Gebrauch. Sie ist kein allgemeines Mittel durch
Reden und
Schreiben seine
Gedancken
zu verstehen zugeben; ja sie ist eigentlich keine Sprache mehr; eben wie ein
todter Mensch
kein wahrer Mensch mehr ist. Gebrauchet man gleich zuweilen eine todte Sprache,
so ist jedoch der Gebrauch derselben nicht allgemein. Man findet ihn nur bey
einigen, und eine besondere Absicht ist die
Ursache,
daß man sich selbige bekannt machet. Man lernet eine todte Sprache nur deswegen,
damit man die Gedancken desjenigen Volckes wissen möge, welches sich derselben
vormahlen im Reden und Schreiben bedienet hat. |
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Man wird aus diesen allen leichte den
Schluß machen: Daß man in einer todten
Sprache gar kein
Recht habe,
das geringste zu ändern, oder etwas zu verbessern. Man hat nur allein dahin zu
sehen, daß man selbige nach gewissen
Regeln, welche entweder noch übrig sind,
oder welche man von besondern Fällen in den zurückgelassenen
Schrifften
abgesondert hat, voll- |
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{Sp. 407|S. 217} |
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kommen erlerne und fasse; damit man gedachte
Bücher recht
verstehen, und
ihrer Urheber
Meynungen und
Gedancken
erkennen möge. Ein mehrers wird nicht erfordert. Und diese gegründete einzige
Absicht verbietet auch alle und jede Veränderung und eingebildete Verbesserung.
Wollte man sich unterstehen eine wahre Verbesserung in einer todten Sprache
vorzunehmen; so würde man keinesweges im
Stande seyn, seine Absicht bey selbiger
zu erreichen. |
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Man lernet die todte Sprache nur deswegen, damit man der Alten ihre
Gedancken,
und die von ihren vorgetragenen Wahrheiten
erkennen und verstehen möge. Man
ändre also die bey ihnen üblich gewesene Schreibart: wird man wohl vermögend
seyn ihre
Schrifften
recht zu lesen? Will man sogar die
Wörter ändern, und ihnen andere Nenn- und
Zeit-Endigungen beylegen, als die
Gewohnheit der Alten eingeführet hat; will man
den Wörtern andere Bedeutungen geben; so werden wir gewiß keinesweges die
Begriffe mit den Wörtern der Alten verbinden können, welche sie dadurch haben
anzeigen wollen. Wie will man alsdenn ihre
Bücher verstehen? Und wie will man
ihre Gedancken zu errathen im
Stande seyn? Eben dieses wird auch statt finden,
wenn man eine von der vormahlen gebrauchten unterschiedene Wortfügung einführen
und annehmen wolte. |
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Die Natur
also und das
Wesen einer todten Sprache erfordert nothwendig, daß man selbige
gantz unverändert lassen, und völlig nach den Sprach-Gebrauch ihrer Urheber ohne
den geringsten Zusatz und ohne alle Verringerung erlernen, und in den besondern
Fällen gebrauchen müsse. Daß Vornehmste also worinnen eine lebendige von einer
todten Sprache unterschieden ist, kommt hierauf an. Diese muß ohne alle
Veränderungen, so wie selbige vormahlen im Gebrauch gewesen ist, von uns
gefasset und erlernet werden. Sie muß, wenn wir in besondern Fällen selbige
reden, und darinnen etwas
schreiben wollen, in der Vollkommenheit bey uns
beybehalten werden, worinnen sie von den ordentlichsten und geschicktesten
Schrifftstellern desjenigen
Landes gebrauchet worden ist,
wo sie vormahls gelebt haben. |
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Eine lebendige Sprache muß zwar auch auf die Art von uns erlernet werden,
wie selbige von den besten Rednern und Schrifftstellern eines annoch blühenden
Volckes
gebraucht wird, es mag auch selbige eine fremde oder unsre Muttersprache seyn;
allein es behält dabey ein jeder das
Recht,
seine
Gedancken
zu
erkennen zu geben, wie er meynet, daß eine solche Sprache nach
vernünfftigen
Gründen geändert, und in einen vollkommeneren
Zustand gesetzt werden könne. Ja,
was besonders unsre Muttersprache betrifft, so ist man zu dieses letztere sogar
auf das stärckste
verbunden. |
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Hat aber dieses, wie es die
Natur
der
Dinge
selbst erfordert, seine Richtigkeit; so wird man die Richtschnur gar leicht
angeben und fest setzen können, nach welcher man sich so wohl bey der todten als
lebendigen Sprache richten müsse. Das in einer todten Sprache einmahl
angenommene und bestimmte oder der Sprach-Gebrauch, welchen die wahren Urheber |
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{Sp. 408} |
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derselben vormahlen eingeführet haben, ist das einzige, welchen andere
nothwendig folgen müssen. Nach diesen müssen sie sich einzig und allein richten,
wenn sie eine todte Sprache erlernen, und auch zuweilen darinn
reden und
schreiben wollen. In so fern man eine noch lebendige Sprache zuerst erlernen,
und auch andern durch Reden und Schreiben seine
Gedancken
kund machen will; in so weit ist man ebenfalls
verbunden,
den Sprach-Gebrauche zu folgen, damit uns andere und wir wiederum selbige
verstehen können. |
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Sieht man aber auf die Verbesserung derselben, so muß der Sprach-Gebrauch
allerdings weichen, und man ist verpflichtet, der
Vernunfft völlig Gehör zu geben, und daraus gegründete
Regeln zu bestimmen, nach welchen man diese noch lebende Sprache besser
einzurichten hat; damit man selbige in das geschickteste Mittel verwandeln möge,
andern seine
Gedancken
zu
erkennen zu geben. |
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Ein jedes
Ding
hat seine innerliche Vollkommenheit und Schönheit, welchen man zu
erkennen
verbunden ist, wo man die
Regeln bestimmen, und mit
Grunde
fest setzen will, nach welchen man sich richten muß, wenn man selbiges zu einer
grössern Vollkommenheit zu bringen gedencket. Es wird auch dieses keiner von
einer Sprache zu läugnen sich unterstehen können. Und man würde zum wenigsten
davon einen Grund fordern, wenn es geschehen solte; welchen man aber unmöglich
wird angeben können. |
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Die Übereinstimmung des Mannigfaltigen in Einem ist dasjenige, welches das
Wesen einer zusammengesetzten Vollkommenheit ausmacht. Man hat im geringsten
keine
Ursache,
und die Bemühung würde nur vergeblich seyn, welche man anwendete, einen andern
Begriff zu suchen, wenn man von der Vollkommenheit einer Sprache
redet. Die
bequeme Mittheilung unsrer
Gedancken
ist das Eine, welches zu erhalten die Sprache als das Mittel erwehlet ist. Und
hiermit muß alles in einer Sprache übereinstimmen, wenn man selbige gantz
vollkommen heissen will. |
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Dieser Endzweck ist also auch die allgemeine
Regel, und die einzige
Richtschnur, worauf man jederzeit bey der Verbesserung einer lebendigen Sprache
zu sehen hat. Soweit demnach der Sprach-Gebrauch mit dieser Regel
übereinstimmet, so weit behält man auch nur selbigen in einer lebendigen
Sprache. Findet man aber, daß der Gebrauch mit gedachter Regel streitet; so hat
man einen zureichenden
Grund,
selbigen als unvernünfftig und ungegründet zu verwerffen. Kan der
Sprach-Gebrauch
vernünftig,
kan selbiger auch unvernünftig seyn, wie niemand wird läugnen können; warum will
man den den ersten verwerffen? Und wo finden wir Grund, den letztern anzunehmen,
wenn wir uns die Verbesserung einer lebendigen Sprache angelegen seyn lassen?
Jedennoch muß man auch zugeben, daß man auch den vernünftigen Gebrauch nicht
deswegen beybehalte, weil er ein Gebrauch ist, sondern nur weil er vernünftig
ist, und das vollkommene einer lebendigen Sprache zum Grunde hat. |
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Man muß bey einer todten Sprache in allem dem Sprach-Gebrauch folgen, und
man darf an selbiger nichts verändern |
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{Sp. 409|S. 218} |
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und verbessern. Daß aber der Gebrauch eines
Dinges
überhaupt und folglich auch einer Sprache sowohl gut als
böse, sowohl vollkommen
als unvollkommen, so wohl regelmäßig als unregelmäßig seyn könne, solches wird
mit
Grunde keiner in Zweifel ziehen können. Beyde
Arten sind vermöge des
Wesens
eines Gebrauchs möglich, und keine von beyden ist unbedingt nothwendig. Wir sind
also gezwungen, zuzugeben, daß man in einer todten Sprache sowohl das Gute als
das Böse, sowohl das Vollkommene als Unvollkommene, sowohl das Ordentliche als
das Unordentliche beybehalten müsse, und keines von beyden verwerffen könne. Die
Erkänntnis des
Bösen, Unvollkommnen und Unordentlichen machet also in der That
einen Theil der Vollkommenheit aus, welche in Ansehung einer todten Sprache
statt findet. |
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Man setze hierbey jedoch voraus, daß man jederzeit die besten
Schrifftverfasser bey der Erlernung einer todten Sprache als Vorgänger erwehlen
müsse; so wird man im
Stande seyn, allen Misverstand bey dieser erwiesenen
Wahrheit zu vermeiden. Man
verstehet nur dasjenige
Böse, Unvollkommene und
Unregelmäßige, welches man bey den angeführten besten Urhebern antrifft, und
verwerffen alles Übrige, welches schlechtere Verfasser uns aufbehalten haben.
Wollen wir eine noch lebendige Sprache erlernen, und zuerst in selbiger mit
andern
reden; so sind wir in dieser Absicht ebenfalls
verbunden,
dem Sprach Gebrauch zu folgen. Folglich müssen wir uns soweit ebenfalls das
Unvollkommene und Unordentliche bekannt machen. |
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Wir dürffen aber hiebey keines weges stehen bleiben, indem wir auch zu einer
Verbesserung derselben
verbunden
sind. Sobald wir also das Unvollkommene einer lebendigen Sprache wissen, und ein
besseres Vollkommeners und Regelmäßigers
erkennen; so bald müssen wir uns auch
verbunden halten, selbiges zu entdecken, und durch einen neuen Gebrauch an statt
des schlechtern einzuführen, das Unvollkommene aber der Vergessenheit zu
überliefern. Jenes muß man also in einer lebendigen Sprache sich so bekannt
machen, daß man es zu behalten und beständig zu gebrauchen trachte, dieses aber
gar nicht. |
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Man behauptet nichts wiedersprechendes, wenn man
saget, daß man bey
Erlernung einer lebendigen Sprache dem Gebrauch in allem folgen, und sowohl das
Regelmäßige als Unregelmäßige sich bekannt machen, und zuerst im
Reden
gebrauchen müsse; zugleich aber auch fordern: Daß man in Ansehung der
Verbesserung dieser Sprache den Gebrauch an sich gar nicht beobachten, und alles
Unordentliche und Unvollkommene fahren lassen müsse. Jenes geschiehet nur aus
Noth, und wird nur im Anfange zugegeben, so lange wir nichts bessers wissen, und
noch nichts ordentlichers bestimmet finden. |
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Der letztere Satz aber siehet auf die Sprache an sich und auf unsre
Verbindlichkeit, selbige in einen so vollkommenen
Zustand zu setzen, als es
nur möglich ist. Wir können ja nicht eher bessern, als bis wir etwas
unvollkommenes |
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{Sp. 410} |
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erkannt haben, welches einer Verbesserung fähig ist. Und wir können und
dürffen nicht ehe ein schlechtes und unvollkommnes Mittel wegwerffen, und gar
nicht gebrauchen, bis wir ein bessers haben; wenn wir zu den
Endzweck nothwendig
verbunden
sind. |
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Was ist wohl vernünftiger, eine Absicht mit einer Unbequemlichkeit und durch
ein etwas beschwerliches Mittel erhalten, oder derselben gar nicht theilhafftig
werden? Man fordert zu einer gelehrten
Erkänntnis,
daß man von demjenigen was man erkennet, müsse
Grund anzugeben wissen. Eine
blosse Erkänntnis der
Dinge, welche ohne eine Gründlichkeit nur durch das
Gedächtnis erhalten wird, ist eine gemeine und ungelehrte. |
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Wenn man eine todte Sprache erlernet, so folget man in allen denenjenigen,
welche uns in ihren
Schrifften
selbige aufbehalten haben; man machet sich alles bekannt, so, wie es der Sprach
Gebrauch haben will, es mag auch die Art zu
schreiben und zu
reden ordentlich
oder unordentlich, vollkommen oder unvollkommen seyn. Und auf eben diese Art muß
man auch selbige in denen besondern Fällen wiederum gebrauchen, wo man anders in
selbiger will verstanden seyn. |
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Untersuchet man dieses, so wird man nichts antreffen, welches von einer
gelehrten
Erkänntniß
oder einer
Gelehrsamkeit
solte zeugen können. Man lernet die angenommenen
Regeln und die
Wörter wie auch
ihre Ausnahmen bloß durch das Gedächtnis, und eben dieses erinnert uns derselben
wieder, wenn wir würcklich darinnen
reden und
schreiben wollen. Man findet hier
nichts gründliches. |
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Dieses eintzige dürffen wir hier nur ausnehmen, wenn man die
Regeln und
Bedeutung der
Wörter und
Redens-Arten erst
erfinden will. Sehen wir aber eine
noch lebendigen Sprache an, stellen wir uns die Besserung und die Vollkommenheit
derselben als eine Absicht für; so müssen wir allerdings zugestehen, daß
derjenige, welcher das Unrichtige nicht allein
erkennen will, sondern auch zur
Vollkommenheit zu bringen trachtet, eine starcke Einsicht in den
Zusammenhang
der Dinge
besitzen und anwenden müsse. |
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Die Natur
und das
Wesen einer lebendigen Sprache muß jederzeit den
Grund
in sich enthalten warum man so oder auf eine andere Art
schreiben und
reden
soll. Alle
Regeln müssen aus dem
Endzweck der Sprache begriffen und erwiesen
werden. Man muß also nicht einen solchem eine gründliche
Erkänntniß
in Ansehung der lebendigen Sprache zu schreiben? Muß man nicht zugestehen, daß
derjenige, welcher eine lebendigen Sprache zu verbessern über sich nehmen will,
ein wahrer Gelehrter und
Philosophe
seyn müsse? Man wird leicht zugeben, daß an einer lebendigen Sprache beständig
etwas zu verbessern sey, und daß selbige schwerlich ihre höchste Vollkommenheit
erreichen werde. Erneuert aber nicht dieses beständig unsre
Verbindlichkeit,
selbige vollkommen zu machen? Und folget nicht hieraus von selbsten, daß die
Erkänntniß der lebendigen Sprache in einem
Lande beständig einen Theil der
Philosophie und
Gelehrsamkeit ausmache; worauf einige der Gelehrten sich be- |
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{Sp. 411|S. 219} |
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sonders zu legen verpflichtet sind. |
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Man könnte hieraus noch verschiedene
Schlüsse ziehen; zum Exempel, man muß
die Verbesserung in Ansehung einer lebendigen Sprache hauptsächlich auf
diejenigen
Bücher richten, welche denen Leuten eines
Landes am meisten
in die Hände kommen. wie wolte man wohl eine lebendigen Sprache recht zur
Vollkommenheit bringen können, wenn man die
Einwohner noch beständig mit dem
Unvollkommenen unterhalten wolte? Würde man nicht ein neues Gebäude auf dem
Platz aufzurichten suchen, wo das Alte noch stehet, welches man noch immer
unterstützet, niemahls aber niederzureissen gedencket? |
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