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Quellenangaben und Anmerkungen |
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Sprache,
Rede, Loquela.
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HIS-Data: Lateinisch auch
Lingua,
siehe die nachfolgenden Artikel, z.B.
Sprache (Frantzösische) |
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Bedeutung |
Das
Wort Sprache hat zweyerley
Bedeutung: Einmahl wird dadurch
verstanden
das
Vermögen,
welches der Mensch
hat, seine
Gedancken
durch eine vernehmliche Stimme zu
erkennen zu geben. Solch Vermögen ist ein
Vorzug,
dessen sich das |
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{Sp. 400} |
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vernünfftige
Geschöpffe allein zu
rühmen hat, und wird betrachtet, als innerlich, wie sie in
dem
Verstande empfangen, oder als
äusserlich, wie sie durch den Mund
verrichtet
wird. |
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Äußerliches Sprachvermögen |
Und in diesem letzten
Verstande bedeutet es die vernehmliche Stimme selbst, durch
welche ein
Mensch dem andern seine
Gedancken
mittheilet. Hierbey betrachtet man |
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1) |
die Werckzeuge, welche sehr unterschiedlich sind,
als die Brust mit dem Zwergfelle, die Lunge und die Lufftröhre, welche
alle die Lufft aus- und einblassen; die Stimme aber moduliren die
Lippen, die Zähne, die Zunge, das Zäpffgen, der Gaumen und die Nase,
welche gleichsam den Resonanzboden machet. |
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2) |
Die Art und Weise; solche bestehet in der
Modulation der aus der Lungen gestossenen Lufft, denn wie z.E. einer in
eine Trompete bläset, so klinget sie auch. |
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3) |
Die
Materie; solche ist zwiefach, eine giebt die
Seele,
die andere die Lebensgeister, diese sind also von einander geschieden,
daß die
Geister
öffters, ohne Mitarbeitung und
Regierung der Seele etwas hervorbringen,
wie solches gantz offenbar wird, wenn einer in tieffen
Gedancken stehet,
und doch mit dem andern
redet und mit betet, daß er hernach nicht weiß,
was er gethan hat. |
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4) |
Der
Nutzen der Sprache, welcher ebenfals zwiefach
ist: Denn |
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1) |
soll die Sprache und
Rede hauptsächlich auf
GOtt den Herrn gerichtet seyn, denselben, als unsern
Schöpffer und
gnädigen
Vater, anzubeten, und ihn mit Danck und Lob zu
ehren; |
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2) |
auf unsern Nächsten, als denselben mit
Unterredungen, Tröstungen, Auf- und Unterrichten u.d.g. zu dienen. |
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Was aber die Theile des
Leibes
anbelanget, welche zu Formirung der Sprache und der Stimme gehören: So sind
verschiedene
Bewegungen im Leibe nöthig, welche dem
Willen der
Seele unterworffen sind, und die mit ihren
Verrichtungen übereinstimmen. Die
Materie der Stimme und der Sprache ist die
Lufft, welche aus der Lunge heraus gestossen wird, und also dienen darzu die
Lunge und die Lufft Röhre. |
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Insonderheit aber ist der
Kopff (larynx) hauptsächlich um der Stimme willen
vorhanden. Von den bey den Gießkannen förmigen Knorpeln wird der Ritz (glottis,
rima) formiret, damit durch den engen Ausgang die Lufft geschwinde heraus
fähret, weil sonst keine Stimme und Sprache statt finden könnte. Und weil sich
die Stimme ändert, nachdem der Ritz weit oder enge ist: So sind auch besondere
Mäuslein vorhanden, welche ihn weiter und enger machen, nachdem es die
Nothdurfft erfordert. |
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Zur Eröffnung dienen die Ringschildförmigen, die Ringgießkannförmigen und
die Seiten-Ringgießkannförmigen. Nehmlich ausser den beyden
Ring-Gießkannförmigen Knorpeln befindet sich noch der Ringförmige, der um den
Kopff herum gehet, und daran die Gießkannförmigen liegen, und der Schildförmige
oder der Adams-Apffel, den man bey Mannspersonen durch die Haut oben am Halse
gar wohl sehen und fühlen kan. |
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Die Seiten-Ringgießkannförmigen Mäuslein sind an der Seite des Ringförmigen
Knorpels und an den Gießkannförmigen feste, und ziehen diese zu beyden Seiten
nach der Seite herüber, wenn der Ritz erweitert werden |
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{Sp. 401|S. 214} |
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soll. Die Ringschildförmmigen sind an dem Ringförmmigen Knorpel und dem
Gießkannförmmigen feste, und ziehen die beyden Gießkannförmmigen Knorpel nach
der Seite herüber, wenn der Ritz erweitert werden soll. Endlich die
Ringgießkannförmigen sind von hinten an dem Ringförmigen Knorpel feste, und
endigen sich an den Gießkannförmmigen, und demnach ziehen sie diesen hinten vor,
wenn sich der Ritz erweitern soll. Hingegen wird der Ritz durch die
Gießkann-Mäuslein enger gemacht, welche von der Seite des Ringförmmigen Knorpels
schief herüber zu den Gießkannförmmigen gehen, daß demnach der zur Rechten
herüber gegen die Lincke, und der zu Lincken herüber gegen die Rechte gezogen
wird, wenn der Ritz enger werden soll. |
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So vielerley Werckzeuge hat
GOtt dem Kopffe der Lufft-Röhre gegeben, damit der Ritz so
wohl weiter als enger gemacht werden kan, als er ordentlicher Weise bey dem
Athemhohlen offen stehet, nachdem die Stimme hoch oder niedrig, fein oder grob
werden soll. |
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Allein ausser diesen Mäuslein finden sich noch andere zu anderm Gebrauche an
dem Kopffe der Lufft-Röhre. Von dem Brustbeine gehen herauf an dem
Schildförmigen Knorpel die Brustbein-Schildförmigen Mäuslein; wenn diese
verkürtzt werden: so werden die Schildförmigen Knorpel nieder gezogen. Hingegen
von dem Zungenbeine gehen in den Schildförmmigen Knorpel die
Zungen-Bein-Schildförmigen Mäuslein: Wenn diese verkürtzet werden; so werden die
schildförmigen Knorpel in die Höhe gezogen. Indem nun der Schildförmige Knorpel
nach einander in die Höhe gehoben und wieder heruntergezogen wird; so wird die
Lufft, welche durch die Lufft-Röhre aus den Lungen herausfähret, eine solche
Bewegung mitgetheilet, als zu Erregung eines Schalles vonnöthen ist, und
solchergestalt lautbar gemacht. |
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Und in der That können wir auch diese
Bewegung, wenn wir
reden oder
schreyen, mit dem Finger fühlen, wenn wir ihn an den Adams-Apffel legen. Und
demnach sind auch besondere Werckzeuge vorhanden, wodurch der Athem lautbar und
zu einer Stimme gemacht wird. Der Ritz in dem Kopffe der Lufft-Röhre muß wegen
des Athemhohlens, so in einem fortgehet, offen seyn. Gleichwohl ist Gefahr, wenn
wir etwas hinunter schlucken, daß etwas davon in die Lufft-Röhre kommet: welches
viele Schwierigkeiten macht, wie wir es
erfahren, wenn wir
sagen, es sey in die
unrechte Kehle gekommen, massen die unrechte Kehle nichts anders als die
Lufft-Röhre ist. Zu dem Ende ist das Kehldecklein vorhanden, welches der oberste
Knorpel ist, so den Ritz in der Lufft-Röhre bedecket, wenn wir etwas hinunter
schlucken. Daher kömmt es, daß etwas von Speise und Tranck in die Lufft-Röhre
kömmt, wenn wir reden oder schreyen wollen, indem wir im Hinunterschlucken
begriffen sind. Dann wenn wir etwas sicher hinunter schlucken wollen; so muß das
Kehldecklein niedergedruckt liegen, damit der Ritz in dem Kopffe der Lufft-Röhre
bedeckt sey: wenn wir aber reden oder schreyen, oder auch lachen, mit einem
Worte eine Stimme von uns geben wollen; so muß das Kehldecklein erhaben seyn,
damit der Ritz frey wird. |
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Sonst dienen zur Verschliessung des Kopffes von |
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{Sp. 402} |
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der Lufft-Röhre auch die Schildgießkannförmigen Mäuslein, als welche von dem
Schildförmmigen Knorpel heraufgehen, und sich in den Gießkannförmigen endigen. |
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Der Kopff der Lufft-Röhre mit seinem vielfältigen Werckzeugen ist eigentlich
um der Stimme willen gemacht. Damit nun aber ferner eine Sprache daraus wird; so
muß die Stimme auf verschiedene Art verändert werden, damit die Buchstaben
heraus kommen, daraus die Sylben und die
Wörter bestehen, welches insonderheit
Amman in seiner Dissertation: de Loquela umständlich
ausgeführet hat. |
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Zu den lautbaren Buchstaben brauchen wir den Mund, als durch dessen
verschiedene Eröffnungen die Stimme zu lautbaren Buchstaben wird. Es findet sich
aber ein Unterschied so wohl in der Weite, als in der Figur der Eröffnung, und
ist daher kein Wunder, daß man einem an dem Munde es ansehen kan, was er für
einen lautbaren Buchstaben ausspricht, wenn man sich darinnen geübet. Jedoch ist
nicht zu läugnen, daß auch die Zunge dabey gebraucht wird: denn wenn man die
Zunge bey der Spitze hält, indem man die lautbaren Buchstaben ausspricht, wird
man finden, daß man eine
Bewegung in der Zunge verspüret. Ja wenn man die Zunge
gewöhnlicher Weise mit der Spitze unten an den Zähnen liegen lässet, indem man
die lautbaren Buchstaben hinter einander ausspricht; so wird man eine
Veränderung in der Figur der Zunge nach dem Unterscheide der Buchstaben
verspüren, wenn man eigentlich darauf Acht hat. |
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Unterdessen wird insgemein blos auf die Änderung des Mundes gesehen, weil
die Zunge in ihrer Lage stille verbleibet, indem der Buchstabe ausgesprochen
wird, und daher die
Veränderung in ihrer Figur und Lage gleichsam vorher
geschiehet, ehe wir den Buchstaben aussprechen. Und dieses ist die
Ursache,
warum man insgemein den Unterschied der lautbaren Buchstaben blos von der
Eröffnung des Mundes herholet. Die stummen Buchstaben kommen von der Veränderung
der Stimme durch die Lippen, die Zähne, die Zunge und den Gaumen her, wovon
Amman in der angeführten Dissertation zu allen Buchstaben ins
besondere Exempel gegeben hat. |
Wolfens vernünfftige Gedancken von dem
Gebrauche der Theile in dem Menschen etc. p. 495 u.f. |
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Der Mangel der Sprache ist an und für sich kein Kennzeichen der verwundeten
Lufft-Röhre; sondern wenn sich dieselbe verlohren, dergestalt, daß der Patiente
auch bey niedergedrücktem
Kopffe keinen lauten Thon hervorbringen kan; so ist es ein
Merckmahl, daß die zurücklauffenden Nerven verletzet sind. Dieses
beweiset unter
andern de la Motte im zweyten Theil seiner Chirurgie, p. 276 mit folgendem
Exempel: Da ein Verwundeter, dem die Lufft-Röhre gantz durchgeschnitten gewesen,
im Anfange recht gut hat
sprechen können, dem aber nachher, da erwehnte Nerven
auch verletzet worden, die Sprache erst vergangen. Da nun nicht bey allen Wunden
der Luftröhre diese Nerven mit verwundet werden, so erfolget auch nicht bey
allen der Verlust der Sprache, wie solches auch die
Erfahrung bekräfftiget. |
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Obgleich die Zunge eines der vornehmsten Instrumente der Sprache und der
Vernehmlichkeit der Stimme ist; so
schreibet doch Riolan in
seiner Anthropographia, daß er ein
Kind von fünff Jahren gesehen habe,
welches, nachdem es die |
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{Sp. 403|S. 215} |
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Zunge durch bösartige Blattern verlohren gehabt, das Zäpflein aber
unverletzt behalten, gar nicht oder doch sehr wenig den Gebrauch der Sprache
verlohren gehabt. Es ist wahrscheinlich, daß der
Grund
oder das Fundament der Zunge dabey zurück geblieben ist. |
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De Jußieu hat in den Memoires de l’academie des
Sciences eine Anmerckung von einem kleinen
Mägdgen beygebracht, welches
geredet hat, ob es schon ohne Zunge gebohren gewesen, an deren statt es nur eine
kleine Erhebung gehabt hat. |
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Ein Exempel, daß ein
Frauenzimmer aus
Liebe die Sprache verlohren, führet
Friedel an, in seinem XVI medicinischen Bedencken,
p. 330. u.f. ingleichen in seinem expedit. und bewährt. Medic. im I.
Theile, p. 95 u.f. |
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Sprache und Beredsamkeit |
Die Sprache ist der
Grund
zur Beredsamkeit; doch ist sie an sich selbst die Beredsamkeit noch nicht. Es
verhält sich damit fast wie mit dem Gehen und Tantzen, oder Lauffen. Ein jeder
Täntzer oder Läufer muß zuvor gehen können: Aber nicht alle die da gehen können,
können auch
geschickt tantzen, oder mit sonderbarer Behändigkeit lauffen. Es
wäre in dieser Absicht gut, daß man auch die
Wörter,
sprechen
und
reden, in gemeinen Gebrauche so unterscheiden möchte. Jenes
könnte man allen
Menschen
einräumen, die den Gebrauch ihrer Zunge hätten, ihre
Gedancken
andern mitzutheilen; dieses aber müste man nur denen zugestehen, die mit
besonderer Weitläufftigkeit,
Geschicklichkeit und Lebhafftigkeit von einer jeden
Sache
ihre Gedancken zu erklären wüsten. |
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Ursprung |
Hieraus ist nun überaus leicht zu sehen, daß die Sprache weit älter seyn
muß, als die Beredsamkeit. Es sey nun, daß dem ersten
Menschen
die Sprache anerschaffen, oder daß selbige allmählich von ihm erfunden worden;
indem er nach Veranlassung seiner
Empfindungen und
Gedancken
allerley Töne von sich gegeben, und selbige als
Zeichen gewisser
Dinge
beständig damit verknüpfft hat: So ist es doch gewiß, daß das erste Sprechen
nicht so gleich eine wohlgesetzte
Rede gewesen seyn kan. |
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Die älteste Sprache muß in den ersten Jahren der
Welt
eine sehr unvollkommene Sprache gewesen seyn. Die Anzahl der
Dinge,
deren man dazumahl nöthig hatte, war sehr geringe; der
Umgang unter so wenigen
Menschen
und bey so wenigen
Begriffen war sehr seltsam; und ihre Unterredungen musten
also nothwendig sehr mager bleiben: Folglich waren auch ihre
Worte nicht viel,
folglich dachten sie mehr als sie
sprachen; wofern das noch dencken heist, wenn
man ein blosses anschauendes und kein symbolisches
Erkänntniß
von Dingen hat. Denn so viel ist wenigstens ausgemacht, daß unsre
Gedancken
durch den Gebrauch der
Wörter zu weit grösserer Deutlichkeit gelangen. |
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Entwicklung |
Es ist leicht zu schliessen, daß nach und nach bey anwachsender Menge der
Menschen
und bey zunehmender Anzahl der zum
bequemen
Leben gehörigen
Dinge,
auch die Sprache der ersten Menschen wortreicher geworden. Z.E. wenn Seth die
Sternseher-Kunst, Jubal Music, und Tubalkain das Schmiede-Handwerck erfundenen:
so ist kein Zweiffel, daß sie nicht ihre Sprache mit verschiedenen neuen
Wörtern
bereichert haben sollten, die ihr
Vater Adam noch nicht gewust hatte. |
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So gieng es nun allmählich fort, und es muß ohne Zweifel lange gedauert
haben, ehe die erste Sprache zu einigem
Reichthume gekommen ist. Vielleicht hat sie auch denselben
niemahls |
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{Sp. 404} |
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erlanget, wenn man sie mit den heutigen Sprachen vergleichen will. Die
Hebräische ist schon von vielen Sprachkundigen einer
Armuth in
Worten, und
grossen Unvollkommenheit in ihren Ausdrückungen überwiesen worden. Man kan davon
den Herrn le Clerc bey seinem Wercke über die Bücher Mosis und
in der Arte critica nachschlagen. |
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Was uns Moses von den
Reden der Patriarchen vor und nach der Sündfluth
erzehlet, stimmet vollkommen hiermit überein. Die Gespräche, so er uns von
denselben aufgezeichnet hat, werden immer desto ausführlicher,
angenehmer und
beweglicher: je neuer die Zeiten sind, darinnen sie vorgefallen sind. Und man
könnte
sagen, daß sich in den Unterredungen der
Söhne Jacobs mit dem Joseph in
Egypten, die ersten Funcken der Hebräischen Beredsamkeit gewiesen hätten. |
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Doch nach dieser Zeit scheinet die Wohlredenheit unter Leuten, die mit der
Viehzucht umgiengen, ein schlechtes Wachsthum gehabt zu haben. Die Egyptier
hergegen müssen zum wenigsten bey Hofe und unter ihren Priestern schon mehr
Fertigkeiten im
Reden erlanget haben: Denn wir sehen, daß Moses, der in aller
ihrer
Weisheit
unterrichtet gewesen, nachmahls bey Ausführung seines
Volckes
und in der Wüsten bis an seyn Ende, solche Proben einer erhabenen,
durchdringenden und feurigen Beredsamkeit abgelegt, die man ohne allen
Unterricht und ohne alle vorhergehende Übung nicht wohl von jemanden vermuthen
kan. |
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Also ist die Sprache immer bereichert worden, bis sie endlich zu den Zeiten
des Propheten Jesaias und Jeremias auf den grösten Gipfel ihrer Vollkommenheit
gebracht worden ist. |
Gottscheds Redek. p. 50 u.f. |
Älteste Sprache |
Was die Frage anbelanget: Welches die älteste unter allen Sprachen sey? So
kan man nichts gewisses entscheiden. Einige sind auf die
Gedancken
gerathen, als ob die erste Sprache der
Welt
bey dem Thurm-Bau zu Babel gäntzlich verlohren worden sey, und als ob nur einige
Reste davon in andern Sprachen übrig geblieben wären. Andere haben der
Äthiopischen, andere der
Griechischen, andere der Syrisch-Chaldäischen, die meisten der
Hebräischen
dieses
Recht der
Erstgeburt unter den Sprachen, wenn wir so
sagen dürffen, zu behaupten gesucht.
Niemand aber ist wohl hier auf eine seltsamere
Meynung gefallen, als der im 16 Jahrhunderte bekannt
gewesene Medicus zu Leyden, Johann Goropius, mit dem Zunamen
Becanus. Wie er die Welt zu bereden gesuchet, daß das Paradies
in Holland gewesen sey, so hat er auch die Niederländische Sprache vor die
älteste ausgegeben. |
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Hebräische Sprache |
Diejenigen, welche die
Hebräische Sprache für die älteste halten, haben
folgende Ursachen: |
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1. |
Weil eben allein aus derselben alle
Nahmen
der
Örter
und
Menschen
vor der Sündfluth und Sprachenvermischung können erkläret werden. Z.E. |
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- Adam 1 B. Mos. II, 7.
- Eva. III, 20.
- Cain, IV, 1.
- Seth, IV, 25.
- Noah, V, 25.
- Peleg, X, 25.
- Eden, II, 10.
- Nod, IV, 16.
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2. |
Weil die Benennung einer Ehefrauen von dem
Manne,
als Männin, sonst in keiner Sprache zu finden ist, |
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1 B. Mos. II, 23. |
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3. |
Weil denen Thieren in dieser Sprache zuerst ihre
Nahmen,
und zwar solche, wie deren
Natur
eigentlich erfordert, sind gegeben worden; |
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1 B. Mos. II, 19. 20. |
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4. |
Weil derer ältesten
Völcker
und Nationen Nahmen daraus |
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{Sp. 405|S. 216} |
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1 B. Mos. X, 2-29. |
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5) |
Weil sie noch jetzo die
Mutter aller andern
Sprachen ist, als welche so leicht zu keiner andern können gebracht,
noch in eine andere resolviret werden, als eben die
Hebräische Sprache. |
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Allein es ist nicht zu begreiffen, wie in so viel tausend Jahren und bey so
unendlich vielen
Veränderungen der menschlichen Begebenheiten eine Sprache in
ihrer ersten Reinigkeit habe bleiben können. Da alles der
Veränderung
unterworffen ist, warum solten die Sprachen davon ausgenommen seyn? Will man
einwenden, weil die
Schrifft
in der
Hebräischen Sprache aufgezeichnet ist; so hätte
GOtt auch dieselbige vor andern erhalten: So gewinnt man
wenig damit. Wenn die Juden Mexicanisch
geredet hätten; so hätte die Schrifft
auch darinnen abgefaßt werden müssen, weil sich GOtt derjenigen Sprache bedienen
muste, die die Leute verstunden. Solte ihr aber deswegen wohl eine besondere
Heiligkeit zukommen? |
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GOtt
redet in allen und jeden Sprachen, daher auch wegen der
angegebenen Heiligkeit desfalls eine so viel
Vorzug
als die andere verdienet, und es ist gewiß kein kleiner von den hochmüthigen
Juden uns aufgebundener Aberglaube, daß wir uns eine sonderbare Heiligkeit ihrer
Sprache und daher, rührenden Vorzug weiß machen lassen. Es ist fast lächerlich,
wie die Freunde von dieser Sprache und ihrem Alterthume schwatzen, daß sie ihre
Stammwörter zur Erklärung der Stammwörter anderer Sprachen machen möchten.
Allein so lange ihre Erklärungen allzugezwungen bleiben, solange keine tüchtigen
Gründe vorhanden sind, aus welchen sie es
beweisen können: So lange wird auch
ihre Mühe vergebens seyn. |
Pufendorf. von den Zust. des H.R.R. Deutscher Nation p.
87. |
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