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Zedler: Leibes-Frucht HIS-Data
5028-16-1511-2
Titel: Leibes-Frucht
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 16 Sp. 1511
Jahr: 1737
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 16 S. 767
Vorheriger Artikel: Leibes-Erben
Folgender Artikel: Leibes-Gestallt
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen

  Text Quellenangaben
  Leibes-Frucht, Frucht, Lat. Foetus, Frantz.. Fruit, Fetus, ist ein im Mutter-Leibe empfangenes Kind.  
  Die Ärtzte streiten, wie alt die Frucht seyn müsse, wenn sie vor lebendig kann geachtet werden.  
  In Rechten ist die Frucht abtreiben ein Verbrechen, welches nach denen Umständen wohl am Leben gestraffet wird.  
  Die Iapanische und einige andere Weiber in Indien haben die Gewohnheit, daß sie entweder aus Scham, weil es bey ihnen vor eine Schande geachtet wird, vor dem 28. Jahre ein lebendiges Kind zu haben, oder aus Armuth, die Leibes-Frucht durch Artzeneyen oder andere gewaltsame Mittel abtreiben, und werden von ihren Pfaffen darinne gestärcket, weil sie es nicht vor Unrecht halten. Siehe auch Abortus Tom. I. p. 154. seq.  
  Bey einer vollkommenen Frucht finden die Anatomici zu betrachten:  
 
I) Die Häutlein, so die Frucht gleichsam wie in einem Eye einschlüssen, als das äusserliche Häutlein, welches Chorion, oder das
 
  {Sp. 1512}  
 
  Ader-Häutlein oder Geburts-Häutlein genennet wird, davon Tom. X. p. 539. nach zu sehen:
 
 
  Ferner das innere, oder das andere, so Amnios, Teutsch Schaaff-Häutlein heisset, und Tom. I. p. 1760. beschrieben worden:
 
 
  Dann das Harn-Häutlein, davon der Articel Alantois Tom. I. p. 908. nach zu sehen.
 
 
II) Der Mutter-Kuchen, davon an seinem Orte.
 
 
III) Die Nabel-Gefässe, welche die Puls-Adern Bluts-Adern, und die Blasen-Schnur unter sich begreiffen.
 
 
IV) Die Nabel-Schnur, davon unter diesem Namen ein mehreres.
 
 
V) Die Ernährung der Frucht im Mutter-Leibe, welche geschiehet in denen ersten Monathen, wenn die Werckzeuge der Verdauung noch nicht vollkommen, bloß durch die Nabel-Schnur; in denen letztern Monathen aber, wegen vieler Ursachen, auch durch den Mund, von der gelatinoesen Feuchtigkeit, so die Frucht umgiebet, welche aus dem Schaaff-Häutlein scheinet abgesondert zu werden. Denn es wird gefunden
 
 
 
1) eine dergleichen Feuchtigkeit in dem Munde, Magen-Schlunde und Magen, so wohl der menschlichen Frucht als derer Thiere;
2) scheinet dieses in denen dünnen Gedärmen verändert;
3) in denen dicken Gedärmen wird viel Unflath gefunden, so Lateinisch Mecomium genennet wird;
4) in denen ersten Monathen umgiebet sehr viel von derselben Feuchtigkeit die Frucht; in denen letztern aber wird sehr wenig gefunden, welches auf keine andere Weise, als von der Frucht scheinet verzehret zu werden;
5) weil dieselbe gelatinoese Feuchtigkeit zur Nahrung der Frucht so geschickt ist, daß sie nicht geschickter kann verlanget werden;
6) dieselbe scheinet von der steten Zurückhaltung der Gebär-Mutter, Drückung des unter-Bauch-Lappens und umgebenden Lufft in den Mund, Magen-Schlund und Magen gedrückt zu werden;
7) daß der Magen-Schlund, Gedärme, Milch-Gefässe und der Milch-Brust-Ader-Gang offen erhalten werden, und der gewiedmeten Verrichtung nach und nach gewohnen.
 
 
VI) Das Lager der Frucht in der Gebär-Mutter.
 
 
  In denen letztern Monathen wird sie ordinair fast sietzend gesehen, mit gebeugtem Haupte, und Halse, mit zurück gebogenen Knien gegen die Backen, und die Fersen gegen die Arsch-Backen. Die Hände derselben hängen meisten Theils also, daß das Haupt abwärts zu dem Mund-Loche der Gebär-Mütter fället. Die Arsch-Backen und Füsse kehren sich aufwärts.
 
 
  Offte aber verwechselt sie das Lager die gantze Zeit der Schwangerschafft, und man vermercket das Haupt der Frucht bis zu der Geburts-Zeit aufwärts oder auch auf einer Seite der Gebähr-Mutter.
 
  Die mercklichen Unterscheide, so sich zwischen der Frucht und einem erwachsenen vor, oder kurtz nach der Geburt, begeben, sind im Unter-Leibe (ausser einer gewissen Feuchtigkeit, die sich dann findet,) die Nabel-Puls- und Blut-Adern, und der Blut-Aderige Gang in der, Leber sind hier offen und weit; in erwachsenen zu, und eingeschrumpfft, und verwachsen. Die Leber ist sehr groß. Im Magen ist eine schleimigte Feuchtigkeit, in dem dicken Gedärme findet sich  
  {Sp. 1513|S. 768}  
  (Mecomium) Unflath. Der Wurm-formige Fortsatz oder Darm-Schwantz des Blind-Darmes ist meisten Theils weiter als bey erwachsenen, und hat Unflath darinnen. Die Neben-Nieren sind auch grösser. Die Nieren selbst haben eine ungleiche Ober-Fläche, als wie derer Kälber ihre. Die Harn-Blase hat eine länglichte Gestallt, und strecket sich nach dem Nabel. Hymen oder das Zeichen der Jungfrauschafft lässet sich bey weiblichen Geburten am besten sehen.  
  In der Brust, (ausser eben dergleichen Feuchtigkeiten) ist die Brust-Drüse grösser als bey erwachsenen. Die Lungen, welche nicht Athem gehohlet, werden zusammen gefallen schwärtzlich befunden, und wenn sie ins Wasser geworffen werden, fallen sie zu Boden. In dem Hertzen das oval runde Loch, zwischen dem rechten und lincken Ohr-Läpplein, und der Puls-Aderige Gang zwischen der Lungen und der grossen Puls-Ader sind offen, vor den besondern Umlauff des Geblüts in noch nicht gebornen; weil sie in der Gebär-Mutter nicht Athem hohlen können; nahe bey dem Hertzen in dem untern Aste der Hohl-Ader ist ein ansehnlich Lied.  
  In dem Haupte (ausser der ungemeinen Grösse) stehen die Beine des Hirnschädes von ein ander, vornehmlich wo man es die Fontanelle nennet, und haben noch keine Fugen oder Näthe. Das Gehirne ist ungemein weich; die Zähne liegen auch noch in denen Kien-Backen als unvollkommene unter dem Zahn-Fleische verborgen. Der Gehör-Gang ist noch nicht vollkommen, und wird mit einer besondern Haut, so mit dem Ohr-Häutlein zusammen hänget, und nach der Geburt wiederum vergehet, geschlossen. Kerkring Osteogenia ...
  Die Beine des gantzen Cörpers, wenige ausgenommen, sind weicher und noch unvollkommener, und einige noch gantz knorplicht; die Einlenckungen sind auch noch unvollkommen.  
  Der Umlauff des Geblüts der Frucht, so in der Gebär-Mutter enthalten ist, geschiehet wegen Ermangelung des Athemhohlens und Ruhe derer Lungen, auf eine andere Art, als bey denen, so Athem hohlen; denn das Geblüte wird nicht durch die Lungen (ausgenommen sehr wenig) getrieben, sondern es gehet Theils durch das ovalrunde Loch, Theils durch den Puls-Adrigen Gang in die lincke Hertz-Cammer und grosse Puls-Ader.  
  Die Frage: Ob ein Ehe-Mann zu Erhaltung seiner Frauen die lebendige und starcke Frucht vom Medico könne tödten und abtreiben lassen? wird in denen Breßlauer Sammlungen an. 1719. ... ausführlich erörtert.  
     

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Stand: 12. Februar 2013 © Hans-Walter Pries