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Zedler: Straffe, Strafe [2] HIS-Data
5028-40-499-3-02
Titel: Straffe, Strafe [2]
Quelle: Zedler Universal-Lexicon
Band: 40 Sp. 506
Jahr: 1744
Originaltext: Digitalisat BSB Bd. 40 S. 266
Vorheriger Artikel: Straffe, Strafe [1]
Folgender Artikel: Straffe, Strafe [3]
Siehe auch:
Hinweise:
  • Allgemeine Bemerkungen zur Textgestaltung siehe Hauptartikel
  • Für die Auflösung der Quellenangaben siehe: Personen, Bibel
  • Transkribierter griechischer Text der Vorlage

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Übersicht
Philosophie (Forts.)
  Theorie (Forts.)
 
  Arten
 
  göttliche
 
  ewige
  zeitliche
 
  ausdrücklich bestimmte
  nicht benannte
 
  natürliche oder willkürliche
  innerliche oder äußerliche
  menschliche
 
  Capital-Strafen und Strafen, die nicht capital sind
  Strafen der Hebräer
  Todesstrafe

Stichworte Text Quellenangaben
Arten Dieses nun zum vorausgesetzet, so haben wir vorietzo die verschiedenen Arten der Straffen zu erwegen. Man theilet sie in Ansehung derer, welche die Macht zu straffen haben, in Göttliche und Menschliche. Die Göttlichen sind ihrer Dauer nach entweder zeitliche oder ewige, da GOtt mit jenen die Sünder in diesem Leben heimsuchet, und sie ihre Endschafft erreichen lässet. Diese aber folgen nach diesem Leben und sollen ewig währen.  
  Die zeitlichen sind wiederum unterschiedlich. Denn etliche sind ausdrücklich benennet und ausgedrückt, einige aber sind nicht benennet. Jene, die ausdrücklich bestimmten, gehen entweder alle Menschen an, als die Lebens-Straffe, so Leben auf den Todschlag gesetzet, Genes. IX, 5.6.
  oder sie betreffen das Israelitische Volck.  
  Die zeitlichen Straffen, die GOTT nicht bestimmet, sind entweder natürliche oder willkürliche, ingleichen entweder innerliche oder äusserliche.  
natürliche Die natürlichen Straffen sind diejenigen Übel, welche durch eine natürliche Folge auf diejenigen Sünden kommen, da der Mensch wieder seine Natur lebet, und also die natürlichen Gesetze überschreitet. Sie sind entweder physicalische, welche entstehen, wenn man wieder seine physicalische Natur lebet, dergleichen alle Kranckheiten und Leibes-Schmertzen sind: oder moralische, so die moralische Natur des Menschen angehen, als ein böses Gewissen, Unruhe des Gemüths, Incommedität, Armuth, Verachtung.  
  Solche Übel sind mehr als zu gewiß vor Straffen anzusehen, obschon einige daher Anlaß  
  {Sp. 507|S. 267}  
  genommen, zu behaupten, daß die natürlichen Gesetze keine eigentlichen Gesetze, sondern vielmehr väterliche Rathschläge wären, weil es an den Straffen fehle. Denn da wir auf das gründlichste darthun können, daß GOtt im Ernste der Menschen Glückseligkeit verlange, und zu dem Ende wolle, daß sie ihrer physicalischen und moralischen Natur gemäß leben; so hat man in diejenigen Handlungen, welche diesem Willen GOttes zuwieder sind, nicht anders als Sünden, und die Übel, die darauf erfolgen, als Straffen anzusehen, welches auch aus der Gerechtigkeit GOttes unfehlbar zu schliessen.  
  Bey diesem Streite kan man nicht anders verfahren, als daß man darthut, die Gesetze der Natur wären eigentliche Gesetze, und daher müste man auch die natürlichen Übel vor eigentliche Straffen annehmen. Denn sonst kan man die Meynung derer, die sie vor keine Straffen halten, nicht wiederlegen, und noch vielweniger schliessen, weil man natürliche Straffen habe, so müsse man auch natürliche Gesetze haben.  
  Eben deswegen ist es was wunderliches, daß man den Schluß machen will, weil die natürlichen Übel keine Straffen, so habe man auch keine eigentlich so genannten Gesetze der Natur. Denn, wenn erkannt werden soll, ob ein Übel eine Straffe sey, so muß vorher ausgemacht seyn, ob ein Gesetz vorhanden, oder nicht.  
  Es thut auch zur Sache nichts, daß man einwenden wolte, es lebten die Menschen vielmahls wieder die Gesetze der Natur, ohne daß auf ihre Handlungen gewisse Übel erfolgten. Denn die natürlichen Straffen sind vielerley, und wenn sie gleich nicht allezeit äusserlich sind, so giebts doch innerliche. Treten sie gleich der Sünde nicht alsbald auf dem Fusse nach, so stellen Sie sich doch noch ein, und bleiben nicht gäntzlich aus. Man lese Kemmerichs und Metzlers Dissertationes de poenis naturalibus nebst Müllers Anmerckungen über Gracians Oracul, Max. 90. p. 716.
willkürliche die willkührlichen Straffen sind solche Übel, die man der Sünden wegen dulten muß, davon man keine natürliche Ursache angeben kan, und sich blos auf den Willen GOttes und dessen Straff-Gerechtigkeit beruffen muß.  
  Innerliche Straffen nennet man, welche die Seele leiden muß; Äusserliche aber, so dem Leibe angethan werden, oder wenn man einem die Dinge nimmt, die ausser uns sind, und doch zur Erhaltung des zeitlichen Lebens gehören.  
menschliche Die menschlichen Straffen theilen einige ein in Capital-Straffen (POENAS CAPITALES) und in Straffen, die nicht Capital sind, (NON CAPITALES) in solche, die entweder das Leben betreffen, oder nicht. Andere sagen, sie sey entweder poena civilis, bürgerliche, oder criminalis, die peinliche. Diese sey wieder entweder capitalis, oder non capitalis.  
Strafen der Hebräer Es hat aber ein iedes Volck seine besondern Arten von Straffen, welche alle hier nach der Reihe zu erzehlen zu weitläufftig, auch unmöglich fallen dürffte. Wir wollen nur hier in etwas von denen Straffen der Hebräer beybringen. Solche waren zweyerley Arten: Eine, die sie von sich selbst hatten, und eine die sie von den Heyden angenommen hatten.  
  Jene war entweder eine Kirchen Straffe, oder Civil Straffe. Die Kirchen-Straffe hieß anathema, und solche war der Bann, dessen drey Grade waren,  
 
1) Niddui, der geringste,
2) Cherem, der grössere, und
3) Scham-
 
  {Sp. 508}  
 
  matha, der allergrößte,
 
  wie wohl einige die erste und letzte vor einerley, die mittelste Art aber vor die größte halten, womit die Sünder in öffentlicher Gemeine mit Blasung der Trompeten, Anzündung und Auslöschung der Wachs-Kertzen und den greulichsten Verwünschungen beleget wurden: Siehe Bann im III Bande, p. 348.  
  Die Civil-Straffe geschahe entweder an Leib und Leben, oder nicht. Zur Lebens-Straffe gehöret die  
 
1) Decollation
2) Steinigung
3) Verbrennung und
4) Strangulation oder Erwürgung.
 
  Die Leibes-Straffen waren wiederum viererley  
 
1) das Gefängniß,
2) die Wiederersetzung oder Verkauffung des Diebs
3) die Wiedervergeltung oder darvor gegebene hinlängliche Satisfaction
4) die Geisselung die mit drey Riemen verrichtet ward, und wovon bereits im X Bande p. 651 gehandelt worden.
 
  Einige setzen zu dieser Art der Straffen noch die Fustigation, die mit Peitschen geschahe, und das Exilium bey den Asylis, wovon im gehörigen Orte nachzusehen.  
  Bey dem Capital-Straffen ist zu mercken, daß sie keine ordentliche und zur Execution bestimmte Leute gebrauchet.  
  Die Vollziehung der Straffen verrichteten zuweilen die Richter selbsten, zuweilen auch die Zeugen, 3 B. Mos. XXIV, 14.
 
  • Von der Erdroßlung bekräfftigen solches die Juden;
 
 
  • von der Enthauptung sehe man Rivetum in Genes. XXVI nach. Ja, daß solche nicht der Hencker, sondern andere Leute verrichtet, erhellet aus 3 B. Mos. XX, 12. 4 B. Mos. IX, 6.
 
 
  • Von der Verbrennung,
Jos. VII, 25.
  Da Saul die Priester Gottes umbringen wolte, so befahl er seinen Trabanten solches zuverrichten, und hernach dem Doeg 1 Sam. XXII, 18.
  In der Geisselung aber haben sie ihre [ein Wort hebräisch] oder [ein Wort hebräisch]. Einige meynen auch, es hätten diese bey denen Capital-Straffen die Verbrecher entblöset, gebunden, und zugleich die [zwei Wörter hebräisch] oder instrumenta judicum getragen, und andere Sachen gethan, welche zur Straffe bestimmt gewesen. So viel ist gewiß daß die Richter ihre Diener gehabt, die als Helffershelffer ihnen zu Gebote gestanden. Sonsten sind diejenigen, die bey der Geisselung ihre Dienste geleistet [zwei Wörter hebräisch] ministri publici, oder lictores genennet worden.  
  Es hatten auch die Jüden diesen Gebrauch, daß wenn sie etliche tödten solten, sie solche Execution bis auf ein Fest verspahret, damit alle Israeliten solche Execution ansehen möchten. Daher sie auch den Heyland sammt den andern beyden Übelthätern nicht eher ans Creutz schlugen, als bis zu Anfange des Oster-Festes.  
  Wenn ein Übelthäter zum Tode verdammet wurde, so wurde zugleich dessen gantze Familie mit zur Straffe gezogen, wie wohl solches mit einer Ausnahme zu verstehen ist. Als Hamann zum Tode verurtheilet wurde musten alle seine Sünde sterben. Esth. IX, 5.6.
  Achan wurde mit seiner gantzen Familie gesteiniget. Jos. VII, 15.
  Und Curtius erzehlet an vielen Orten, daß in gantz Persien mit den Übelthätern ihre gantze Familie sterben müssen.  
  Was die Ceremonien, welche bey Vollziehung der Straffen beobachtet worden, anlanget; so musten  
 
1) die Richter nach dem Göttlichen Gesetze das Verbrechen genau untersuchen.
2) Die Zeugen musten das Verbrechen bekräfftigen.
3) Die Hand auf des Ubelthäters Haupt legen mit diesen Worten: Sanguis tuus
 
  {Sp. 509|S. 268}  
 
  sit super tuum caput, das ist, dein Blut komme über deinen Kopff. Drum schrien die Jüden auch Matth. XXVII, 25: Sein Blut komme über uns etc.
 
  Wenn der Übelthäter zu dem Orte der Straffe geführet wurde, so gieng allezeit ein Diener vorher und ruffte das Verbrechen aus. Auf der Gerichts-Stelle muste der arme Sünder nochmahls seine Missethat bekennen, wie Josua den Achan darzu brachte, Jos. VII, 19: Mein Sohn, gieb GOTT die Ehren. Denn ohne Bekänntniß durfte kein Mensch umgebracht werden.  
  Alle Instrumenta, z.E. das Schwerdt, mit welchem einer enthauptet war, der Baum, an welchem er gehänget, die Binde, mit welcher er erwürget, wurden verbrannt.  
  Der Ort der Straffe oder Gerichts-Stelle war gemeiniglich ausserhalb der Stadt. Als Stephanus solte gesteiniget werden, so wurde er hinaus geführet aus der Stadt. Apost. Gesch. VII, 58.
  Die Schädelstätte war auch ausser Jerusalem. Die Ursache war, weil unter diesem Gange ein Übelthäter noch anderer Leute Hülffe suchen konnte, die sich seiner annahmen, wie ungefehr Susanna auf dem Wege durch den Daniel errettet worden.  
  Von den Straffen, welche die Jüden von den Heyden angenommen, ist zu mercken,  
 
1) die Creutzigung, wovon siehe Creutz im VI Bande, p. 1615.
2) Die Zerschneidung mit der Säge, da sie einen Menschen von unten bis oben von einander geschnitten. Man ist der Meynung, als habe Manasses den Propheten Hiram also hinrichten lassen, und habe Passius Hebr. IX, 37. hierauf sein Absehen. Diese Art der Straffe war bey den Römern sehr gebräuchlich, wie aus dem Suetonio in Calig. c. XXVII zu ersehen.
  Doch war von dieser Straff-Art unterschieden, da David 2 B. Chron. XXXIII, 31. das Volck in Raba ausführete, es in eiserne Sägen setzete und es also zerfleischete. So that er auch allen Städten der Ammoniter. Mayerus nennet diese Arten der Straffen [ein Wort hebräisch] Serra, und [zwei Worte hebräisch] magna instrumenta, quibus triturant frumentum.
  Über Esai. c. XX, 17 saget er, daß das [ein Wort hebräisch] tribula sey ein höltzernes Instrument, so sehr durchlöchert, durch welche eiserne Zapffen gezogen worden, und also über die Früchte geführet. Ferner [zwei Wörter hebräisch] sind Steine, welche die Sachen schwer machen.
  Und mit diesen Straffen plagete David diese Nationes, damit sich die benachbarten Völcker für ihn fürchten möchten.
3) Die Verdammung zu den Bestien, welche absonderlich die Christen in der ersten Kirchen sehr betroffen, daher die Stimme: Christiani ad leones: etliche meynen zwar, wenn Paulus 2 Cor. XV, 32 sage, er habe mit den Bestien zu Epheso gestritten, so verstehe er solches nicht in eigentlichem, sondern uneigentlichem Verstande, und meyne hierdurch, er habe über zwey Jahre mit Menschen zugebracht, die ärger als Bestien gewesen.
4) Das Rad, welches bey den Christen prochos hieß, auf welches die Menschen angebunden, und solange gemartert worden, bis sie ihre Übelthaten bekennet. Josephus beschreibet solches dergestalt: Est instrumentum ligneum, quo Servi reique circumactis distentisque corporibus examinabantur. Es soll solches mit der Römer meistentheils überein kommen. Etliche wollen die Worte
 
  {Sp. 510}  
 
  aus Sprüchwört. XX, 26 hieher ziehen, wie wohl man keinen Grund anzugeben weiß, daß diese Straffe bey den Juden gebräuchlich gewesen.
5) Die Ersäuffung in dem Meere.
6) Tympanismus war eine Distentio 2 Macc. VI, 18. wenn einer mit Prügeln also zerschlagen wurde, daß er sterben muste. Was übrigens einige aus Jer. XXIX, 26 schliessen wollen, daß damahls der Persische Scaphismus schon bekannt gewesen, scheinet keinen Grund zu haben, und wird vielmehr das daselbst befindliche Wort Zinock von andern besser von einem Instrumente erkläret, womit die Hände gefesselt worden.
  • Miri Antiq. ... u.f.
  • Abels Hebr. Alterthüm. ...
Philosophische Abhandlung (Forts.): Todesstrafe Jedoch genung von den Straff-Arten, besonders der Hebräer. Wir kommen wieder auf die Philosophische Abhandlung zurück. Da wir der Lebens-Straffe gedacht, so erstrecket sich die Gewalt zu straffen, welche die hohe Obrigkeit hat, allerdings auch auf selbige, weil dieses die Wohlfahrt und die Erhaltung des gemeinen Wesens erfordert. Denn die Bosheit der Leute ist bisweilen so groß, daß sie nicht anders, als durch die Todes-Straffe können im Zaum gehalten werden; Ja man siehet täglich, daß auch dieses Mittel nicht einmahl hinlänglich seyn will, dergleichen Bosheit zu dämpffen.  
  Hat nun das Volck dem Regenten die Macht, alles zu thun, was das gemeine Interesse erfordert, ertheilet, so hat es auch zugleich darein gewilliget, daß er die Ungehorsamen am Leben straffe, wenn das Wohl der Republick solches erfordert. So hat auch GOtt selbst Todes-Straffen auf etliche Verbrechen geordnet, Genes. Cap. IX v. 6, und Numer. Cap. XXXV v. 31. 32.
  und Paulus sagt Röm. Cap. XIII v. 4 ausdrücklich, es sey der Obrigkeit ein Schwerdt gegeben, welches sie nicht umsonst trage.  
  Unter den alten Christen fanden sich einige, welche die Lebens Straffen mißbilligten, und die Wiedertäuffer haben auch davor gehalten, es könnte ein Christ mit gutem Gewissen keinen Menschen am Leben straffen, oder straffen lassen.  
     

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Stand: 23. September 2013 © Hans-Walter Pries