Stichworte |
Text |
Quellenangaben |
|
Straffe, |
|
|
|
|
Philosophie: Theorie |
Das
Wort: Straffe, hat
verschiedene
Bedeutungen, welches
die
Ursache ist, daß die
Schrifftsteller selbige auf so
unterschiedene Art
beschreiben. Es hat Thomasius in Jurisprud. ... die
verschiedenen Bedeutungen desselben sorgfältig angemercket. Eigentlich ist die
Straffe ein Leiden oder
Übel, welches der
Obere den
Unterthanen wegen eines
begangenen Verbrechens auferleget, und zwar zur gemeinen
Verbesserung der
Unterthanen. |
|
|
Nach Herr Cantzler
Wolffs Beschreibung, ist die Straffe
dasjenige Übel, so der Gesetzgeber mit einer Handlung
verknüpffet, als einen
Bewegungs-Grund sie zu unterlassen. Grotius de jure
... und
Pufendorff in jure ... und de officio
... geben folgende Beschreibung von ihr, daß sie ein Übel sey, welches einem
wegen einer Übelthat angethan werde. |
|
|
Bey welchen Erklärungen aber zu erinnern, daß sie weder des
Ober-Herrn,
welcher alleine straffen kan, noch des
Endzwecks der Straffen ausdrücklich
gedencken; welches auch Titius Observ. 637. wieder
Pufendorffen erinnert, zugleich aber auch einige
Dinge
ausgesetzt, die nichts auf sich haben. |
|
|
Denn daß er nichts von der
Art zu straffen gedacht, ist in einer Definition
nicht nöthig gewesen; wie er denn auch nicht gebraucht hätte, des Verbrechers
Obligation zu berühren, welches auch Titius verlangt, |
|
|
{Sp. 500} |
|
|
wenn er des Obern gedacht hätte. Bey
Pufendorffen ist
dieses ein kleines Versehen gewesen; das aber Grotius nicht
angeführet, es müsse alle Straffe von einem Obern auferleget werden, solches hat
er wegen einer besondern
Meynung, die wir hernach hören werden, mit Fleiß
gethan. |
|
Umstände |
Bleiben wir bey unsrer angegebenen Erklärung, so müssen wir alle die dabey
vorkommenden Umstände durchgehen, und ins besondere erwegen: |
|
|
1) |
Denjenigen, welcher einen andern straffet. Solches ist allezeit der
Ober-Herr, es mag nun
GOtt, oder ein
Mensch seyn. Denn es kan niemand
straffen, der nicht
Macht hat,
Gesetze zu geben, und nach diesen
Gesetzen zu richten, daß er von unserm
Thun und Lassen Rechenschafft
fordert. Niemand kan dem andern Gesetze vorschreiben, wenn er nicht die
Ober-Herrschafft, und also auch die
Gewalt über ihn hat. Ist dieses
richtig, so irret Grotius, wenn er de jure ...
die Macht zu straffen allein denjenigen beyleget, die nicht ein
gleiches, wie der Thäter verbrochen haben. |
|
|
|
|
Denn da alle Straffen von dem
Gesetze dependiren, so können wir
keinen
Grund absehen, wie man einen straffen könne, dem man nichts zu
befehlen hat. Im natürlichen Stande haben daher gar keine
menschlichen
Straffen statt, und wenn eine
Beleidigung vorgegangen, so ist kein ander
Mittel, als durch einen gütlichen Vergleich; oder durch Krieg dem
Streite ein Ende zu machen. |
|
|
|
|
Man wird auch keine Exempel aufweisen können, daß das Straff-Recht
allen und jeden
verliehen gewesen, nachmahls aber der
Obrigkeit allein
sey zugeeignet worden. Unter den Hebräern findet man nichts, so dieses
beweisen könnte. Die
That des Pinebas,
welcher den
Israelitischen
Mann
nebst der Hure erstach, |
|
Num. XXV, 7. sq. |
|
|
kan hieher nicht gezogen werden, als hätte er als
eine Privat-Person die Gewalt zu straffen gehabt, und ausgeübet. |
|
|
|
|
Denn ob wir wohl mit andern
sagen, daß er als ein
Mensch anzusehen,
der
richterliche
Gewalt gehabt; so war doch dieses eine gantz besondere
Begebenheit, die aus einem ausserordentlichen
Göttlichen Triebe
herrührte, und deswegen weder eine
Regel noch ein Exempel, dem man
nachfolgen müste, abgeben kan. |
|
|
|
|
In denen folgenden Zeiten kam bei den Israeliten das Jus
Zelotarum, das
Recht der Eyfferer auf, da auch einer Privat-Person
erlaubt war, in
Gegenwart anderer denjenigen zu schlagen, oder zu
tödten, welcher wider
GOTT, oder den Tempel, oder wider den Gottesdienst
im Tempel gottlose
Dinge
geredet, oder vorgenommen, wie solches
Seldenus de jure ... beschreibet. |
|
|
|
|
Allein es war dieses Recht der Eyfferer nicht zu loben, sondern
vielmehr vor ein
Zeichen des verderbten
Zustandes anzusehen. Und wenn
eine Obrigkeit dergleichen geschehen läst, so geschicht es nicht im
Nahmen einer Privat-Person, sondern vielmehr der Obrigkeit, deren Stelle
als ein Diener sie vertreten muß. |
|
Man lese Seldenum in exercit. ... in
seinen otiis ... und
Buddei dissert.
... |
|
|
Solche Bewandniß hat es auch mit dem Bluträcher, dessen die
Schrifft
hin und wieder gedencket, welches der nächste Anverwandte des Ermordeten |
|
|
|
{Sp. 501|S. 264} |
|
|
|
war, dem das
Recht zustand, den Mörder umzubringen. Denn er that
dieses nicht eigenmächtig, sondern die
Obrigkeit verstattete es ihm, und
er vertrat deren Stelle, eben wie bey den Römern den
Eltern
das Recht über ihrer
Kinder
Leben
und
Tod mit Bewilligung der Obrigkeit überlassen wurde, |
|
von welchem Puncte Buddeus in institut.
... nachzusehen. |
|
|
Was wir hier von den eintzelnen
Personen
gesagt, daß gleiche
einander nicht straffen können, das hat auch von gantzen
Völckern statt.
Denn die Völcker sind auch einander gleich, und indem keines dem andern
etwas
befehlen kan, so hat es auch keine
Macht zu straffen. |
|
|
|
|
Aus diesem
Grunde ersehen wir, daß Grotius de
jure ... und an andern Orten das so genannte bellum punitivum
nur erdichtet. Nachdem Treuer in notis
... verschiedene angeführet, welche gemeynet, daß in dem Stande der
Natur unter gleichen
Personen eine Straffe statt habe, so hält er dafür,
es wäre der gantze Streit eine Logomachie, und käme darauf an: ob
derjenige, der das Gesetze der Natur überschreite, es geschehe, auf was
Art und Weise es wolle, von einem ieden mit
Recht könne bekrieget
werden, und ob solcher Krieg eine Straffe zu nennen sey? Es ist aber
damit nicht ausgemacht, wie man das
Wort nehmen will; sondern wie man
dasselbige nehmen soll. |
|
|
|
|
So hat man auch keine poenas conventionales, oder
eingewilligte Straffen, davon bey den Römern die stipulationes
poenales ihren
Nahmen hätten. Denn die Straffe kommt vom
Gesetz,
und nicht von einem Vergleiche; Sie wiederfähret dem andern wider seinen
Willen, und ist etwas unangenehmes; Eine wahre Einwilligung geschicht
aber mit Willen, und man siehet dasjenige, worein man williget, vor was
gutes und angenehmes an. |
|
|
|
|
In der Republick kommt diese
Gewalt dem
Regenten zu, welche noch
besondere
Rechte unter sich begreiffet, als |
|
|
|
|
- das
Recht, Straff-Gesetze zu geben, oder auf die
Übelthaten
besondere Straffen zu setzen;
- das Recht, Straff-Gerichte zu halten, oder die Übelthäter nach
denen Straff-Gesetzen zu verurtheilen, und die gesetzten Straffen an
ihnen vollziehen zu lassen;
- das Recht, absonderliche Straff-Gerichte im
Lande zu verordnen,
oder die
peinliche
Jurisdiction andern zu
verleihen;
- das Recht, die gesetzten Straffen zu schärffen, oder zu lindern,
oder gar nachzulassen, und der
Gestalt den
Übelthätern Gnade zu
erzeigen, wenn es die Wohlfahrth der
Republick also erfordert.
|
|
|
|
|
Die Züchtigungen, welche
Eltern gegen ihre
Kinder, und die
Herren
gegen ihre
Knechte vornehmen, wollen einige vor keine eigentliche
Straffe ansehen; Weil aber gleich wohl in diesen
Gesellschafften eine
gewisse Ober-Gewalt vorhanden ist, daß Eltern ihren Kindern, und die
Herren ihren Knechten
befehlen können, auch diese wider ihre
Befehle
handeln, so sehen wir nicht, warum man sie nicht vor eigentliche
Straffen halten solte, ob sie sich wohl so weit nicht erstrecken als die
Straffen in der
Republick, nachdem ihre
Gewalt ihre gewissen Grentzen
hat. |
|
|
|
|
Ob einer, die von der
Obrigkeit
erkannte Straffe ihm selbst anthun,
oder dazu helffen möge? wird bey den
Sitten-Lehrern gefragt, und von
denen
vernünfftigsten geantwortet, daß solches wider die eingebohrene
Liebe zu seiner selbst Erhaltung, und die |
|
|
|
{Sp. 502} |
|
|
|
daher entspringende
Pflicht,
streite, etwas zu thun, das unsern
Tod
unmittelbar verursachen oder befördern kan. Also haben die Athenienser
unrecht gethan, daß sie den Missethätern zur Straffe Gifft zu nehmen
aufgelegt, und die Japoneser thun noch unrecht, daß sie durch
eigenhändige Aufschneidung des Bauchs sich selbst hinrichten. Wir sehen |
|
|
|
2) |
wer gestrafft werden könne? Dieses ist derjenige, der gesündiget,
und dem die Sünde kan zugerechnet werden. Weil man aber entweder vor
sich etwas
böses thun, und sich als die Haupt-Person verhalten oder bey
eines andern
bösen Handlungen concurriren kan, so hat in beyden Fällen
eine Imputation, folglich auch eine Straffe statt. Aus dieser
Wahrheit
können wir viele andere Wahrheiten
erkennen. Denn es folget daraus: |
|
|
|
|
a) |
Daß man unschuldige nicht straffen könne, weil sie nicht gesündiget,
und daher ihnen nichts kan zugerechnet werden; fällt aber die Zurechnung
weg, so hat auch keine Straffe statt: Dahin gehören die Märtyrer der
ersten Kirche, und andere ihres gleichen: wie denn in solchem
Verstande
die Enthauptung Carls I.
Königs in Engelland
sein Marterthum genennet wird. |
|
|
|
|
|
|
Es fragt sich hierbey auch nicht
unbillig, ob in Glaubens-Sachen,
wider das Gewissen etwas zu thun,
rechtmäßig möge befohlen, und die
Ungehorsamen darum gestraffet werden? Dieweil aber allhier zweyerley
Gebote, das
Göttliche und das
Obrigkeitliche, zusammenkommen, und sich
mit einander stossen; so ist es schwer, ein Mittel zu finden, wie sie
neben einander unverletzt bestehen mögen. Und wenn es gewiß ist, wie
denn allerdings, absonderlich von einem Christen, nicht daran gezweifelt
werden mag. daß man
GOTT mehr gehorchen muß, als den
Menschen; so thut
eine Obrigkeit einen Eingriff in das
Recht GOttes, wenn sie etwas
verordnet, und von den
Unterthanen in solchen
Dingen fordert, die ihm
GOtt selbst vorbehalten hat, dergleichen die sind, so den Glauben und
das Gewissen betreffen. |
|
|
|
|
|
|
Wenn aber auch dieses gewiß ist, wie gegentheils ebenfalls nicht
zuläugnen, oder nur daran zu zweifeln, daß die
Obrigkeit allen
äusserlichen Handlungen, die in das gemeine
Leben einfliessen, Masse zu
geben,
Macht hat, wenn anders die freye
Gewalt bey ihr stehet, und sie
durch
Gesetze, Verträge, und andere
Verbindlichkeiten, nicht
eingeschräncket ist; so ist sie allerdings darüber
Gebot und Verbot zu
geben, befugt, und straffet
billig diejenigen, so sich noch denselben
nicht
bequemen wollen. |
|
|
|
|
|
b) |
Daß man
Kinder und rasende
Personen mit keiner Straffe zu belegen.
Denn will man einer Personen was zurechnen, so muß die
That mit Wissen
und
Willen geschehen, wozu der Gebrauch der
Vernunfft erfordert wird;
Weil nun dieser bey solchen Personen fehlet, so kan man ihnen nichts
beymessen, folglich sie auch mit keiner Straffe ansehen. |
|
|
|
|
|
|
Hier scheinet die
Heilige Schrifft der Vernunfft entgegen zu seyn.
Denn wir wissen daraus, daß vor dem göttlichen Gerichte so wohl die erb-
als würckliche Sünde auch denen
Kindern und also allen
Menschen, keinen
eintzigen ausgenommen, zugerechnet wird. Es geben die Theologen diese
Ursache, daß die ersten Menschen das gantze menschliche
Geschlechte
vorgestellet, daher als sie gefallen, so wären in und mit ihnen zugleich
alle ihre Nachkommen gefallen. |
|
|
|
|
|
c) |
Daß man unvernünfftige Thiere nicht straffen kan. |
|
|
|
|
{Sp. 503|S. 265} |
|
|
|
|
Denn sie sind keinem
Gesetze unterthan, weil sie keine
Vernunfft,
mithin keine
Freyheit haben. |
|
|
|
|
|
d) |
Kan niemand um eines andern Verbrechen willen gestraffet werden,
wenn er nicht mitgewürcket. Es kommt alles auf den
Grund der Imputation
an, wie wir schon etliche mahl erinnert. Aus diesem Grunde läst sich
leichte abnehmen, wie weit ein ieder vor sich wegen des Verbrechens
eines gantzen
Staats-Cörpers, und wiederum die gantze
Gemeine um
eintzelner
Personen Missethat halber,
Regenten um ihrer
Unterthanen
Schuld, und die Untern um der Obern Sünde willen gehalten seyn. Denn es
beruhet alles darauf, wie weit iemand darein gewilliget hat. |
|
|
|
|
|
|
Hier kommen verschiedene Schwierigkeiten für, wenn wir die
Schrifft
mit zu Rathe ziehen wollen. Denn
GOtt drohet in seinem Decalogo, er
wolle die Missethat der
Väter an den
Kindern heimsuchen bis ins dritte
und vierte Glied,
Exod. XX, 5. welches ungerecht, und also mit
der Gerechtigkeit GOttes zu streiten scheinet; Ja es ist auch sonst der
Schrifft entgegen, wenn GOtt
Ezech. XVIII, 20.
saget: Der Sohn
soll nicht tragen die Missethat des Vaters, und der Vater soll nicht
tragen die Missethat des Sohnes, sondern des Gerechten Gerechtigkeit
soll über ihn seyn, und des Ungerechten Ungerechtigkeit soll über ihn
seyn. |
|
|
|
|
|
|
Einige, als Grotius de jure ... wollen
diesen Knoten durch die unbedingte Herrschafft GOttes auflösen, welche
aber mit der göttlichen Gerechtigkeit und Gütigkeit streitet. Wir werden
gar leichte aus dieser
Sache kommen können, wenn wir nur zweyerley
Dinge
vorher setzen, und deutlich machen. Das eine betrifft die Straffe,
welche man in diesem Falle wohl von dem, was beschwerlich ist, und von
dem Schaden unterscheiden muß. |
|
|
|
|
|
|
Denn ob wohl alle Straffe was beschwerliches, so ist doch nicht
alles, was einem beschwerlich ist, eine Straffe. So ist auch der
Schade
mit der Straffe nicht einerley, indem man vielmahls einen Schaden haben
kan, ohne daß es vor eine Straffe anzusehen, wie man denn auch bisweilen
einen Schaden über sich nehmen muß, dazu eines andern Verbrechen
Gelegenheit gegeben, und zwar, daß man auch dasjenige
verlieret, was man
nicht anders, als unter einer gewissen Bedingung haben solte. |
|
|
|
|
|
|
Das andere gehet die Beschaffenheit der
Kinder an, welche der
Eltern
Missethat tragen sollen, so ferne sie entweder den Eltern in der
Gottlosigkeit nachschlagen, oder nicht. Dieses voraus gesetzet, so
sagen
wir, wenn fromme Kinder, welche ihren
bösen Eltern nicht nachahmen, um
deren Missethat etwas leiden müssen, so ist das eigentlich keine
Straffe, sondern etwas beschwerliches, und zwar ein solcher Schade,
daher ihnen
GOTT eine besondere
Gnaden-Wohlthat und einige
Vortheile
entziehet, die sie sonst würden bekommen haben, wenn ihre Eltern fromm
gewesen wären, daß also der Eltern Bosheit und Verbrechen zu solcher
Entziehung Anlaß gegeben. |
|
|
|
|
|
|
Treten die
Kinder in ihrer
bösen Vorfahren Fußstapfen, so leiden Sie
das Unglück um ihrer Sünde willen. Jenes ist alsdenn ein Creutz; dieses
aber eine Straffe. Auf solche Weise lassen sich die beyden Stellen des
Mosis und Ezechielis, die einander
entgegen zu seyn scheinen, füglich mit einander vereinigen. Denn
Moses
redet von der Entziehung einer sonderbaren Gnade;
Ezechiel aber von |
|
|
|
|
{Sp. 504} |
|
|
|
|
der eigentlich sogenannten Straffe. |
|
|
Man lese nach Joh. Schmidii
Disput. ...,
Leipz. 1684. |
|
|
|
Ist der
Mensch, welcher gesündiget, und dem man etwas imputiren kan,
eigentlich das Subjectum der Straffe, und man
sagt, daß er an seinem
Leibe gestrafft werde, so ist dieses nicht so zu
verstehen, als wenn
würcklich die Straffe den Leib angienge, indem dieser an sich selbst
nicht sündigen, folglich auch nicht zur Straffe kan gezogen werden;
sondern die Straffe leidet allezeit die
Seele, und zwar durch den Leib,
der sich dabey als ein Instrument verhält, gleichwie sie sich dessen
auch als eines Werckzeugs bey der Sünde bedienet. |
|
|
|
|
|
|
Es ist auch die physische Vollkommenheit des
Leibes an sich selbst
eine indifferente
Sache, deren rechter Gebrauch und Genuß, welcher von
der
Seele dependiret, die
moralische
Glückseligkeit eines
Menschen
befördert. Hier können wir die Frage mitnehmen: Ob ein zum
Tode
verurtheilter Übelthäter unter den vorgelegten Straffen ihm eine
erwehlen möge? welches mit Ja beantwortet wird, weil es nicht die Sache
selbst, sondern nur die Weise derselben betrifft. Es folgt |
|
|
|
|
3) |
das Verbrechen, welches bestrafft wird. Überhaupt sind es alle
diejenigen Handlungen, welche mit dem
Gesetze nicht überein kommen,
wiewohl man davon mit Unterscheid in Ansehung des
göttlichen und
menschlichen
Gerichts
reden muß. Denn in dem göttlichen Gerichte werden
nicht nur die äusserlichen
Wercke, sondern auch die innerlichen
Bewegungen der
Seele,
Gedancken,
Begierden, auch diejenigen, die man
nunmehro wegen der Verderbniß unserer
Natur nicht vermeiden kan, von
rechtswegen gestraffet. |
|
|
|
|
In dem menschlichen
Gerichte aber bestrafft man nur das äusserliche
Thun, und zwar dasjenige, wodurch die äusserliche Ruhe in der
Republick
nicht schädlich sind; noch die gemeinen Laster der
Menschen, die sich
zwar äusserlich bisweilen hervor thun; aber dennoch ohne iemand
Schaden
und Unrecht zuzufügen, ausgeübet werden, dergleichen Heucheley,
Üppigkeit, Hoffarth, Geitz u.s.f. noch die irrigen
Meynungen des
Verstandes, so ferne sie im Verstande bleiben, und nicht irgend ein
anderes Verbrechen mit sich führen, noch diejenigen Verbrechen, wodurch
man zwar
GOTT
beleidiget, die Ruhe aber in der bürgerlichen
Gesellschafft nicht gestöhret wird. |
|
|
|
|
Hier kömmt die Frage vor welche aus dem
Rechte der Natur zu
untersuchen ist; ob die Straffen auf alles dasjenige, was den
göttlichen
Gesetzen zuwider ist, sich erstrecken sollen, oder ob etwas daran
auszunehmen? Wer wolte aber zweifeln, daß vergebliche Straffen
auszunehmen wären? Denn alles, was vergeblich ist, ist närrisch, und
alles was närrisch ist, ist wider die
Vernunfft. |
|
|
|
|
Alle Straffen aber sind vergeblich, die nur zur wahren Gottseligkeit
der
Menschen abzielen. Denn sie können nichts mehr
würcken, als daß sie
die äusserlichen
Thaten der Menschen verwehren, dadurch aber kan man
wohl Heuchler, aber keine fromme Menschen machen. Darum sind die
Straffen vergeblich, oder irraisonable, welche auf die Beförderung der
Gottseligkeit gerichtet sind, |
|
|
|
{Sp. 505|S. 266} |
|
|
|
als wenn man die Menschen von einer dem
Staate nicht
schädlicher
Religion zu der andern bekehren will. |
|
|
|
|
Demnach bleiben die zur Gottseligkeit abziehlende Straffen blosse
Mittel vor die Gerechtigkeit, oder besser zu
sagen, vor die
Thaten,
welche die Gerechtigkeit erfordert, sie mögen nun aus der wahrhafften
Gerechtigkeit, oder aus dem Zwange der
Gesetze herrühren. Denn der
Nutzen der
Republick würde zwar besser durch die Gerechtigkeit selbst,
als durch die blossen Thaten derselben befördert. Weil aber jene durch
die Straffen nicht kan erhalten werden; so muß man sich mit dieser
begnügen. |
|
|
|
|
Doch kann man durch die Straffen nicht einmahl alle
Thaten der
Gerechtigkeit erzwingen. Denn es gehören hieher die
Thaten der
Leutseligkeit,
Gedult, Bescheidenheit, Mäßigung und andere, deren
Gegentheil, ohne allen Zweifel der
Republick höchst
schädlich ist; und
dennoch kan man durch die Straffen die Thaten der blossen
Unfreundlichkeit, Unbescheidenheit, Ungedult und andere
Affecten nicht
wohl zwingen, weil nun durch besagte Thaten der Republick fast eben so
viel Schaden geschiehet, als durch die andern, indem sie fast allgemein
sind, so haben die Römer vor Zeiten in ihrer weisen
Regierung dieses
wohl bedacht, und deßwegen die Censores verordnet, welche alle fünff
Jahre nachsehen musten, wie sich ein ieder
Bürger in Rom aufführete; und
wenn sie befunden, daß einer übel wirthschafftete, oder in allzuvieler
Wollust, oder allzuprächtig lebte, oder nicht
heyrathen wolte, so
untersuchten sie dieses, und nach Befinden der Umstände, wenn er ein
Raths-Herr
war, stiessen sie ihn aus dem Rath; war er ein
Ritter, so
nahmen sie ihm sein Pferd, war er von dem
Volcke, so setzten sie seinen
Nahmen unter die Cäriten, da er nicht mehr Raths fähig war. |
|
|
|
|
Althusius
meynet in seiner
Politick, es liese sich
dieses heut zu Tage auch noch
thun; wenn man diese Bedingung der
Geistlichkeit anvertrauete; alleine ob die
Würckung von sonderlichen
Nutzen
seyn würde, ist fast nicht zu
glauben. Zwar kan man nicht in Abrede
seyn, daß nicht alle innerliche Regungen, ungestrafft zu übergehen sind.
Der Vorsatz zu einer
bösen
That kan so wohl bestrafft
werden, als wenn die That würcklich geschehen. Z.E. Wenn iemand
mörderliche Anschläge gegen die Obern gefasset; oder man hat um
dergleichen
Dinge gewust, und sie nicht angezeiget, denn werden gleich
dergleichen Dinge nicht vollzogen, so sind doch die Anschläge
gefährlich, und man hat höchst nöthig, andere durch Exempel von Begehung
solcher Missethaten, darein sie nicht einmahl zu willigen,
abzuschrecken. |
|
|
|
4) |
Ist der
Endzweck der Straffen zu erwegen. Bey dem Verderben der
menschlichen
Natur und dem daraus entstehenden
Ungehorsam der
Menschen,
sind die Straffen schlechterdings nöthig. Denn wenn solche Zwangs-Mittel
nicht da wären, so wären die
Gesetze
vergebens; Folglich da die
Fürsten
verbunden sind, die Wohlfahrt des
Staats zu erhalten, so lieget ihnen
auch ob, die Verbrechen, welche dawieder streiten zu bestraffen. Also
ist hier eine besondere
Verbindlichkeit da. |
|
|
|
|
Wolte aber
GOtt die Sünder unbestrafft lassen, so würde er wieder
seine Gerechtigkeit handeln. Indem das Straff-Amt ein Stücke der
Gerechtigkeit ist, so ist unter den
Gelehrten ein hefftiger Streit
gewesen: Zu welcher |
|
|
|
{Sp. 506} |
|
|
|
Art der Gerechtigkeit selbiges zu rechnen, und ob es zu der
Justitia commutativa, die in
Contracten einem ieden das Seinige
giebet; oder zu der Justitia distributiva, welche auf die
Personen und ihre
Verdienste siehet, gehöre? Es halten aber andere die
gantze Frage vor unnütze, auch die Eintheilung selbst der Gerechtigkeit
vor vergeblich und meynen, man thäte besser, daß man die Gerechtigkeit
eintheile in justitiam rectoriam, die zwischen Obern und Untern
sey, und dahin das Straff-Amt gehöre; und in justitiam aequatoriam,
welche Personen von ingleichen Umständen angienge. |
|
|
|
|
Aus solcher
Nothwendigkeit ist leichte zu schliessen, daß die
Straffen einen
Endzweck haben müssen. Alles, was davon kan
gesaget
werden, haben wir in der Beschreibung der Straffe zusammen genommen, und
kurtz gesaget: sie ziele zur gemeinen Verbesserung der
Unterthanen ab. |
|
|
|
|
Insbesondere theilet man ihn in finem internum, in einen
innerlichen, und finem externum, in einen äusserlichen; Oder
wie andere
reden in finem expiatorium, in den aussöhnenden, und
medicinalem, in denen verbessernden. Der innerliche
Endzweck
ist die Gnugthuung, welche der Gerechtigkeit geschiehet, daß man bey den
Straffen dasjenige thut, was die Gerechtigkeit mit sich bringet, worauf
GOtt bey allen seinen Straffen siehet; so aber auch indirecte auf den
Nutzen der Unterthanen gehet, deren Wohlfahrt ohne Gerechtigkeit nicht
bestehen kan. |
|
|
|
|
Der äusserliche
Endzweck gehet bald auf den
Nutzen einer gantzen
Gesellschafft, bald aller und ieder
Personen, und zwar entweder auf den
Nutzen dessen, welcher gesündiget, damit er sich bessere, oder des, der
beleidiget worden, damit er ins künfftige sicher sey; oder der andern
überhaupt, auf daß sie sich durch ein Exempel von dergleichen Verbrechen
abschrecken lassen. |
|
|
|
|
|